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Das Totengeläut für die Olympischen Spiele?Erwachet! 1984 | 22. November
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Das Totengeläut für die Olympischen Spiele?
8. Mai 1984
„Das sowjetische Nationale Olympische Komitee ist gezwungen zu erklären, daß die Teilnahme sowjetischer Sportler an den XXIII. Olympischen Spielen in Los Angeles unmöglich ist.“
DIESE Nachricht schlug in der internationalen Sportöffentlichkeit wie eine Bombe ein. Die Sowjetunion hatte entschieden, nicht an den Olympischen Spielen in Los Angeles teilzunehmen. Kurz darauf folgten weitere kommunistische Länder ihrem Beispiel.
Warum hatte die UdSSR beschlossen, den Olympischen Spielen fernzubleiben? Nach der von der amtlichen Nachrichtenagentur TASS veröffentlichten offiziellen sowjetischen Erklärung geschah es hauptsächlich aus Gründen der SICHERHEIT. In der Erklärung hieß es: „Gegen die UdSSR werden feindselige politische Demonstrationen vorbereitet. Das NOK der UdSSR, sowjetische Sportler und offizielle Persönlichkeiten werden unverhohlen mit physischer Gewalt bedroht.“ Ferner wurde darin erklärt, daß die Haltung der amerikanischen Behörden und ihre „grobe Mißachtung der Ideale und Traditionen der olympischen Bewegung ... direkt auf deren Untergrabung“ abzielten.
War es indessen nur die Sicherheit, die die UdSSR zu ihrer Entscheidung veranlaßte? Oder könnten sich im Labyrinth der internationalen Politik noch andere Motive verbergen? Die westliche Presse fand bei ihrer Analyse dieses Schachzugs im Spiel der Supermächte weitere mögliche Ursachen für die sowjetische Absage. Man kann sie alle unter dem einen Wort zusammenfassen — POLITIK.
In der britischen Wochenzeitung The Economist hieß es: „Seit dem Fernbleiben der Amerikaner von den Olympischen Spielen in Moskau im Jahre 1980 mußte mit einer sowjetischen Revanche gerechnet werden.“ Deswegen sehen viele Beobachter in der sowjetischen Absage lediglich eine geharnischte Antwort auf den Boykott der Moskauer Spiele. In den USA ist 1984 das Jahr der Präsidentschaftswahlen. Die Zeitschrift U.S. News & World Report schrieb deshalb: „Wieder einmal war die Welt in der traurigen Situation, zusehen zu müssen, wie die Olympischen Spiele ... in das Magnetfeld politischer Auseinandersetzung gerieten. ... der Boykott ist ein rein politisches Manöver.“ Ferner hieß es darin: „Das Hauptangriffsziel des ganzen Manövers war Ronald Reagan.“ Die Newsweek fügte noch hinzu, daß Moskaus Absage „ein unüberhörbares Signal für die wachsende Abneigung des Kremls gegenüber Ronald Reagan“ sei. Und die New York Times meinte, daß „der Entscheid des Kremls unmittelbar mit dem Tiefstand zusammenhängt, auf den die Beziehungen der beiden Supermächte gesunken sind“.
Die Olympischen Spiele sind nun fünfmal hintereinander in irgendeiner Weise das Opfer der Politik geworden. Seit dem Jahre 1968 haben sie einen unangenehmen politischen Beigeschmack. Sie sind in wachsendem Maße als Mittel benutzt worden, politische Proteste und Ressentiments zum Ausdruck zu bringen. Terroristen haben blutige Anschläge auf Olympiateilnehmer verübt. Und daß die Olympischen Spiele zu einer Schachfigur werden können, mit der die Supermächte bei ihrem Kräftespiel operieren, haben diese jetzt demonstriert. Logischerweise muß man sich die Frage stellen: Wie wird sich das auf die Zukunft der Spiele auswirken?
Langzeitwirkungen
Werden die Olympischen Spiele trotz ihres zerstörten Images überleben? Einige offizielle Persönlichkeiten sind immer noch optimistisch. William Simon, Präsident des amerikanischen Nationalen Olympischen Komitees, soll erklärt haben: „Die olympische Bewegung ist stark. Sie ist trotz all ihrer Fehler und Schwächen eine positive Kraft, die dem Frieden dient.“ Andere dagegen sehen es anders. Alberto Salazar, der den Weltrekord im Marathonlauf hält, sagte: „Ich bin traurig, daß das passiert ist, und ich glaube, daß dadurch den Olympischen Spielen der Todesstoß versetzt wird.“ Die Zeitschrift Newsweek wagte die Meinung zu äußern, daß das vielleicht sogar das Ende der modernen olympischen Bewegung ahnen lasse.
Sicherlich erheben sich nun Fragen über die künftigen Gastgeber der Spiele. Welche Stadt oder welches Konsortium möchte die finanzielle Last auf sich nehmen, die mit der Organisierung der Spiele verbunden ist, wenn sie immer wieder das Opfer politischer Auseinandersetzungen werden? Werden die Sportler immer noch bereit sein, sich durch hartes Training darauf vorzubereiten, wenn zufolge der internationalen Politik keine Gewähr geboten ist, daß sie auch daran teilnehmen können? Das sind nur einige der Fragen, die jetzt geäußert werden. Es gibt aber noch weitere: Wie steht es zum Beispiel mit dem Nationalismus, mit dem Gebrauch von Drogen oder mit der Teilnahme von Sportlern, die gar keine Amateure sind? Mit anderen Worten: Verblassen die olympischen Ideale, oder sterben sie gar aus?
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Die Olympischen Spiele — Wirklich „zum Ruhme des Sportes“?Erwachet! 1984 | 22. November
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Die Olympischen Spiele — Wirklich „zum Ruhme des Sportes“?
EIN religiöses Fest, das vor über 2 760 Jahren in Olympia (Südgriechenland) stattfand, war der Vorläufer der Ereignisse von Los Angeles, die du wahrscheinlich mit Interesse verfolgt hast. Jenes Fest veranstaltete man zu Ehren des Gottes Zeus, der angeblich auf dem Olymp herrschte. Aus diesem Fest gingen die Olympischen Spiele hervor, die gemäß der Überlieferung im Jahre 776 v. u. Z. zum ersten Mal ausgetragen wurden. Alle vier Jahre entsandten die verschiedenen Stadtstaaten des alten Griechenland ihre besten Athleten zu den Wettkämpfen.
Diese Tradition pflegte man bis zum Jahre 393 u. Z. Damals fanden die antiken Spiele zum letzten Mal statt. Im darauffolgenden Jahr wurden sie von dem „christlichen“ Kaiser Theodosius untersagt, der alle heidnischen (nichtchristlichen) Kulthandlungen im Römischen Reich verboten hatte. Wie kommt es dann, daß die Olympischen Spiele heute wieder abgehalten werden?
Pierre de Coubertin, ein junger französischer Pädagoge, war gegen Ende des 19. Jahrhunderts vom Sportunterricht an den öffentlichen Schulen Englands sehr beeindruckt. Nach seiner Überzeugung sollte eine ausgewogene Schulbildung auch die Körperertüchtigung einschließen. Später sei er, wie ein Biograph schreibt, der Idee verfallen, die Olympischen Spiele wiederzubeleben. Nach seinem erfolgreichen Werbefeldzug führte man 1896 die Spiele wieder ein, und zwar — wie sollte es auch anders sein — in Athen.
Pierre de Coubertin war der Meinung, die alle vier Jahre veranstalteten Spiele würden unter anderem auch der Förderung des Weltfriedens dienen. Darin hatte er sich allerdings geirrt. Seit 1896 wurden sie zweimal durch Weltkriege unterbrochen, und nicht selten waren sie ein Spielball der Politik. Im Jahre 1974 sah sich Lord Killanin, der damalige Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, zu der Erklärung gezwungen: „Ich ersuche jeden Sportler und jede Sportlerin, den Olympischen Spielen fernzubleiben, wenn sie den Sport für politische Zwecke mißbrauchen wollen.“
Doch der Schuß ging nach hinten los, denn in den Jahren 1976 und 1980 boykottierten viele Nationen ausgerechnet deshalb die Spiele, weil sie ihrem politischen Unmut Ausdruck verleihen wollten. Am Schluß der Olympischen Spiele 1980 in Moskau richtete Lord Killanin einen weiteren Appell an die Sportler: „Ich fordere die Sportler der Welt dringend auf, sich friedlich zu vereinigen, bevor ein Holocaust heraufzieht ... Die Olympischen Spiele dürfen nicht für politische Zwecke mißbraucht werden.“ Schon allein die Tatsache, daß diese Aufrufe notwendig wurden, deutet an, welch eine Gefahr den olympischen Idealen durch die Politik droht. Der Umstand, daß viele kommunistische Nationen an den Olympischen Spielen in Los Angeles nicht teilnahmen, verleiht diesem Sachverhalt zusätzliches Gewicht.
„Zum Ruhme des Sportes“?
Waren denn die antiken Olympischen Spiele von einem sportlichen und fairen Geist getragen? Der britische Schriftsteller und Gelehrte Enoch Powell bemerkt hierzu in seiner Kritik zu dem Buch The Olympic Games: The First Thousand Years (Die Olympischen Spiele — die ersten tausend Jahre): „Sie waren in hohem Maße unsportlich und unfair. Das Spiel war unwichtig. Es zählte nur der Sieg. Man kannte keine ‚Zweiten‘. Selbst wenn ein Sieg durch ein bestraftes Foul errungen wurde, ... war er genausogut ein Sieg wie jeder andere. Die Spiele waren gefährlich und brutal.“ Im Buch selbst wird sogar gesagt: „Die Wettkämpfer beteten um ‚den [Sieges-]Kranz oder den Tod‘.“
Die Spiele in der Neuzeit haben scheinbar einen edleren Charakter. In der Olympischen Charta heißt es: „Das Wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme — geradeso wie das Wichtigste im Leben nicht der Triumph, sondern der Kampf ist. Sich tapfer geschlagen zu haben, darauf kommt es an.“ Zu Beginn der Spiele wiederholt ein Athlet stellvertretend für alle den Olympischen Eid. Er wurde von Pierre de Coubertin ersonnen und lautet: „Im Namen aller Teilnehmer verspreche ich, daß wir uns bei den Olympischen Spielen als loyale Wettkämpfer erweisen, die Regeln achten und teilnehmen im ritterlichen Geist zum Ruhme des Sportes und zur Ehre unserer Mannschaften.“
Gewiß hört sich das alles sehr edel an, doch es trägt die Handschrift eines vergangenen Zeitalters. Wie sieht die Realität heute aus? Waren die Spiele von Los Angeles, wo Tausende von Athleten um ein paar hundert Goldmedaillen kämpften, tatsächlich ein Spiegelbild dieser Ideale? Kämpften die Athleten in Übereinstimmung mit den ursprünglichen Vorstellungen Coubertins? Von welcher Kraft werden die Olympischen Spiele in Wirklichkeit getragen? Von Sportlichkeit und Fairneß? Fördern die Spiele auf wirksame Weise den Weltfrieden und die internationale Freundschaft? Oder sind sie lediglich ein weiterer Schauplatz politischen Wettstreits?
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Die antiken Olympischen Spiele waren „in hohem Maße unsportlich ... [Sie] waren gefährlich und brutal.“
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Olympische Ideale in GefahrErwachet! 1984 | 22. November
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Olympische Ideale in Gefahr
EINE der Zulassungsbestimmungen gestattet nur Amateursportlern die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Bis vor kurzem wurde noch jeder Athlet disqualifiziert, der durch seine sportliche Betätigung einen finanziellen Nutzen von mehr als 50 US-Dollar erzielt hatte.
Wollte man diese Regel auf heutige Athleten anwenden, so müßte man die Spiele abschaffen. Diese veraltete Amateurdefinition ist ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen der Sport noch der Zeitvertreib reicher Leute war.
Der Goldmedaillengewinner Phil Mahre soll kürzlich erklärt haben: „Unter Spitzensportlern gibt es einfach keine Amateure.“ Und wer kann, wie viele Athleten argumentieren, heute schon den größten Teil seiner Zeit dafür einsetzen, die Olympiaqualifikation zu schaffen, ohne irgendwie finanziell unterstützt zu werden? Damit einem Amateursportler das Stigma des Professionalismus erspart bleibt, erreichen ihn die Zahlungen auf Umwegen.
Sportlichkeit oder Nationalismus?
Zu den olympischen Idealen zählt auch der Verzicht auf den Nationalismus zugunsten eines sportlichen, ritterlichen Geistes. Die Spiele sind nicht als Nationenwettkampf gedacht, sondern als ein Kräftemessen einzelner Sportler. Das Olympische Komitee sieht deshalb keine Nationenwertung vor. Presse und Fernsehen beheben jedoch diesen „Mangel“ im Handumdrehen, indem sie ihre Medaillenspiegel im Nationenvergleich veröffentlichen. Dadurch erhalten die Spiele eine politische Färbung. Sie werden durch die Presse in einen Konkurrenzkampf zwischen den sogenannten kapitalistischen und den sogenannten kommunistischen Nationen verwandelt. Der frühere Olympiateilnehmer Harold Connolly sagte, die Spiele seien für manche zum „ideologischen Schlachtfeld im Sport“ geworden.
In seinem Buch Sports in America (Der Sport in Amerika) spricht der Schriftsteller James Michener von dem „Versuch, in den Vereinigten Staaten eine Allianz zwischen Sport und Nationalismus zu schmieden“. Er schreibt: „Unsere politischen Führer haben den Sport zur Erfüllung von drei unpassenden Funktionen herangezogen ... 1. Man verwendet den Sport als Propagandamittel zur Unterstützung bestimmter politischer Parteien. 2. Man benutzt ihn als Stützpfeiler militärischer Bestrebungen. 3. Man mißbraucht ihn gröblich, um einen verschwommenen, oberflächlichen Patriotismus zu erzeugen.“ Michener stellt fest: „Mir wird äußerst unwohl zumute, wenn ich beobachte, wie man den Sport zum Handlanger von Politik, Militarismus und bombastischem Patriotismus macht.“
Konnte Michener diese Tendenz auch im olympischen Sport beobachten? Er schreibt: „Adolf Hitler fing 1936 anläßlich der Olympischen Spiele damit an, den Sport für nationalistische Zwecke auszuschlachten.“ Nach weiteren Beispielen von den Olympiaden 1968 und 1972 fügt Michener hinzu: „Nüchterne Kritiker wiesen warnend darauf hin, daß die Spiele eingestellt werden müßten, falls der ungezähmte Nationalismus anhalten würde.“
Werden Nationalismus und Patriotismus bei der Olympiade von den Medien lediglich hochgespielt? Oder sind die Teilnehmer tatsächlich davon erfüllt? Einige Ereignisse bei der letzten Winterolympiade in Sarajevo (Jugoslawien) geben vielleicht eine Antwort auf diese Fragen. Das amerikanische Geschwisterpaar Charles (Peter) und Maureen (Kitty) Carruthers gewann die Silbermedaille im Eiskunstlauf. Was war ihre Reaktion? Wie die New York Times berichtete, sagte Peter: „Ich werde nie den Moment vergessen, als die amerikanische Flagge gehißt wurde.“ Und Kittys Äußerung lautete: „Ich sah nur, wie man die Flagge aufzog, und das war ein herrlicher Anblick.“
Der Amerikaner Scott Hamilton, der bei diesen Winterspielen eine Goldmedaille gewann, „holte sich im Anschluß an seine Darbietung von einem Schlachtenbummler in der ersten Reihe eine amerikanische Fahne und drehte damit winkend eine Ehrenrunde auf der Eisfläche“ (New York Times, 17. Februar 1984). Ja, Athleten wie Zuschauer machen aus der Olympiade häufig eine Zurschaustellung des Nationalismus, wobei die Landesfahne als Symbol dominiert.
„Ursprünglich hatte man beabsichtigt“, schreibt der Sportjournalist George Vecsey, „einen nationalistischen Geist von den Olympischen Spielen fernzuhalten. Sie waren für die einzelnen Sportler als Gelegenheit gedacht, sich mit den besten Athleten der Welt zu messen.“ Doch das hat sich längst geändert. „Ein nationales Hochgefühl ist bei den Olympischen Spielen ein zusätzlicher Antrieb“, führt Vecsey weiter aus.
Natürlich lassen sich nicht alle Sportler von einem patriotischen Geist mitreißen. Der Amerikaner Phil Mahre, Olympiasieger im Slalom der Herren, sagte, er sei nicht Skiläufer für seine Familie oder sein Vaterland, sondern, so Mahre, „für mich selbst. Ich bin nicht Sportler, um etwas zu gewinnen, sondern um mich im Wettkampf zu messen, um meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Ich treibe Sport, weil es mir Spaß macht.“
Der Druck, um jeden Preis zu gewinnen, hat jedoch so sehr überhandgenommen, daß dadurch einem heimtückischen Übel der Weg in die olympische Szene geebnet wurde — dem Doping.
Olympischer Ruhm durch Doping?
Das Bestreben zu siegen, koste es, was es wolle, hat dazu geführt, daß leistungssteigernde Drogen Einzug in den olympischen Sport gehalten haben. Der Gebrauch von muskelbildenden anabolen Steroiden, von Testosteron und anderen Substanzen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit ist längst bekannt. Doch im August 1983 kam es bei den Panamerikanischen Spielen zu einem Skandal, der alles übertraf, als 13 US-Athleten freiwillig auf ihre Teilnahme am Wettkampf verzichteten. Was hatte sie zu diesem Schritt bewogen? Der Umstand, daß 11 andere Athleten wegen der Einnahme verbotener Dopingmittel disqualifiziert worden waren. Ein Berichterstatter der New York Times bezeichnete diese Disqualifikation als „die umfassendste ihrer Art in der internationalen Sportgeschichte“.
Bereits am darauffolgenden Tag ordnete das Nationale Olympische Komitee der USA, das für die Teilnahme amerikanischer Sportler an den Olympischen Spielen 1984 verantwortlich war, stichprobenartige Dopingkontrollen unter den Mitgliedern des Olympiakaders an. Jeder, der des Gebrauchs verbotener Dopingmittel überführt würde, sollte von der Olympiateilnahme ausgeschlossen werden.
Wegen der weiten Verbreitung des Drogenmißbrauchs im Sport hat man auf dem Campus der Universität von Kalifornien in Los Angeles für 1,5 Millionen US-Dollar ein Doping-Testlabor eingerichtet. Kontrolluntersuchungen sollen sicherstellen, daß sich kein Athlet durch irgendwelche verbotenen Dopingmittel einen Vorteil verschafft.
Die olympische Bewegung — „bedeutendste soziale Macht in der Welt“?
Im Jahre 1964 erklärte Avery Brundage, der damalige Präsident des Internationalen Olympischen Komitees: „Die olympische Bewegung stellt heute vielleicht die bedeutendste soziale Macht in der Welt dar.“ Diese Auffassung ist jetzt nicht weniger umstritten als damals. Leonard Koppett, ein Veteran unter den Sportjournalisten, drückt das in seinem Buch Sports Illusion, Sports Reality (Illusion und Wirklichkeit im Sport) wie folgt aus: „Der Sport ist nicht die Ursache, sondern das Spiegelbild sozialer Verhältnisse. ... Darüber hinaus trägt er die Charakterzüge des gesellschaftlichen Umfeldes, in dem er entstanden ist. ... Ändert sich die Gesellschaft, so ändert sich auch der Sport ... Der Sport ist nicht der Initiator der Veränderungen.“
Die Olympischen Spiele unterliegen wie alles andere in unserer modernen Welt den Einflüssen, die von den Ereignissen im 20. Jahrhundert ausgehen — sei es von den Entwicklungen in der Geschäftswelt, vom Konkurrenzkampf, von der Gewalttätigkeit oder dem Drogengenuß. Viele dem Sport nahestehende Personen fragen sich daher besorgt, ob die olympische Bewegung eine Zukunft hat. Wird man die ursprünglichen olympischen Ideale Coubertins aufrechterhalten können? Ist es möglich, den Amateurstatus im eigentlichen Sinn des Wortes beizubehalten? Oder wird der Einfluß der Geschäftswelt auf die Athleten die Ära der „Scheinamateure“ beenden? Kann die ansteigende Flutwelle der Politik und des Nationalismus eingedämmt werden? Untergräbt der Zwang zu siegen den Geist der Fairneß und Sportlichkeit? Wird der olympische Leitspruch Citius, Altius, Fortius (Schneller, höher, stärker) nur durch Können und Körperkraft verwirklicht — oder durch Doping? Mit einer Antwort auf einige dieser Fragen ist sicherlich schon in den nächsten Jahren zu rechnen.
Für Christen stellen sich aber noch weitere Fragen: Spielen im olympischen Gedankengut auch religiöse Gefühle eine Rolle? Könnte ein Konflikt mit christlichen Grundsätzen entstehen? Wie sollten Christen zum Sport generell eingestellt sein? Sollte man ihn zum Mittelpunkt seines Lebens machen? Wir laden dich ein, die Erörterung dieser Fragen im abschließenden Artikel unserer Serie zu verfolgen.
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„Es ist nicht alles Gold, was glänzt“
„Athleten, die an der Olympiade teilnehmen, mögen jahrelang nach den begehrten Auszeichnungen gestrebt haben. Die Gold-, Silber- oder Bronzemedaillen, die man ihnen schließlich um den Hals hängt, haben jedoch eher symbolischen Wert“, hieß es in der New York Times vom 17. Februar 1984. Die Goldmedaille besteht nicht, wie allgemein angenommen, aus massivem Gold. Das fand Charlie Jewtraw heraus, der auf der ersten Winterolympiade 1924 in Chamonix (Frankreich) die allererste Goldmedaille gewann. Dieser einzige noch lebende Goldmedaillengewinner von Chamonix sagte unlängst: „Ich habe mich wirklich geärgert, als ich feststellte, daß die Medaille nicht aus Massivgold besteht; nicht wegen des Wertes, sondern wegen des Prinzips.“
Die bei den diesjährigen Olympischen Winterspielen in Sarajevo verliehenen „Gold“medaillen bestanden in Wirklichkeit aus 4,3 Unzen Feinsilber, das mit 0,21 Unzen Feingold überzogen war. Der Marktwert? Ungefähr 120 US-Dollar. Eine Medaille aus purem Gold hätte mehr als den zehnfachen Wert.
[Bild auf Seite 8, 9]
Werden die olympischen Ideale der Geschäftswelt, dem Doping, dem Nationalismus und der Gewalttätigkeit zum Opfer fallen?
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Olympiade und Sport im Widerspruch zur Religion?Erwachet! 1984 | 22. November
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Olympiade und Sport im Widerspruch zur Religion?
„DIE letzten Olympischen Spiele des Altertums wurden im Jahre 393 u. Z. ausgetragen. Im darauffolgenden Jahr verbot Kaiser Theodosius durch einen Erlaß die Durchführung der Spiele“ (History of the Olympic Games [Die Geschichte der Olympischen Spiele] von Xenophon L. Messinesi). Warum verbot ein „christlicher“ Kaiser diese Spiele? Er wollte das Reich von allem Heidnischen reinigen. Aber warum galten die Olympischen Spiele als heidnisch?
Messinesi führt weiter aus: „Gemäß überlieferten Berichten stand während der Opferzeremonie für [den griechischen Gott] Zeus ... ein Priester mit einer Fackel am Ende des Stadions. Die Athleten unter den Anbetern ... rannten zu diesem Priester am Ende des Stadions ... [Der Sieger] durfte dann das Feuer auf dem Opferaltar entzünden. Die Flamme auf dem Altar brannte als Symbol, solange die Spiele dauerten ... Dieser Teil der Zeremonie wurde bei den neuzeitlichen Spielen wiederbelebt.“
Der heidnische Ursprung der Spiele macht sich bis zum heutigen Tag auf vielerlei Weise bemerkbar. Das olympische Feuer wird in einer Zeremonie im heiligen Hain von Olympia durch die gebündelten Strahlen der Sonne entzündet. An diesem Akt sind eine Oberpriesterin und verschiedene Priesterinnen beteiligt. Das heilige Feuer wird dann von Olympia aus in die jeweilige Olympiastadt getragen. Millionen verfolgen über Fernsehen oder Radio die Reise der Fackel. Der Höhepunkt ist die letzte Etappe, wenn sie in das betreffende Olympiastadion gebracht und das Feuer entzündet wird, das während der gesamten Dauer der Spiele brennen wird.
Der Historiker Messinesi erklärt: „An all den Zeremonien scheint nichts einen so nachhaltigen Eindruck zu machen wie das Feuer, das aus Olympia kommt ... Es verbindet die Spiele, die beginnen sollen, mit einer religiösen Ausdrucksform, die über die Jahrhunderte hinweg heiliggehalten wurde“ (Kursivschrift von uns). Diese Meinung wird durch die Worte des Gründers der modernen olympischen Bewegung, Baron Pierre de Coubertin, gestützt, der ein Jahr vor seinem Tod erklärte: „Ich denke deshalb, daß mein Bestreben richtig war, mit der Wiederbelebung der Olympischen Spiele ein religiöses Bewußtsein neu zu entfachen“ (Kursivschrift von uns).
Wie es auch bei den Olympischen Spielen in Los Angeles zu beobachten war, herrscht bei der Zeremonie gewissermaßen eine religiöse Atmosphäre — man spielt die Nationalhymne des Gastgeberlandes, die Olympiafahne wird gehißt, und die olympische Hymne erklingt. Wie sollte in Anbetracht dessen ein Christ zu den Olympischen Spielen eingestellt sein? Von welchen Idealen sollte er sich leiten lassen? Ist Gewinnen alles? Oder ist es schon eine Belohnung dabeizusein?
Der Sport in der Bibel
Wer die Schriften der christlichen Apostel Petrus und Paulus liest, wird feststellen, daß sie den Sport ihrer Tage gut kannten. Zum Beispiel riet Paulus den Korinthern, die sicherlich mit den Wettkämpfen der Athleten bei den Isthmischen Spielen vertraut waren: „Wißt ihr nicht, daß die Läufer in einem Wettlauf alle laufen, aber nur e i n e r den Preis empfängt? Lauft auf eine Weise, daß ihr ihn erlangen könnt. ... Nun tun sie es natürlich, um eine vergängliche Krone zu erhalten [„für einen Siegeskranz, der verwelkt“a], wir aber eine unvergängliche [„eine ewige Krone, die niemals welken wird“b]“ (1. Korinther 9:24, 25).
Wollte Paulus damit sagen, im Sport sei Gewinnen alles? Natürlich nicht. Er wies lediglich darauf hin, daß es bei den Wettläufen in der Welt nur e i n e n ersten Preis gibt — im christlichen Wettlauf kann dagegen jeder einen ersten Preis gewinnen. Man sollte daher seinen Sinn darauf gerichtet halten, den Preis zu gewinnen.
Eine Siegerkrone wird auch von Petrus erwähnt. Beide Apostel wußten, daß bei verschiedenen Spielen Kronen oder Kränze vergeben wurden — bei den Olympischen Spielen bestanden sie aus den Blättern des wilden Olivenbaumes, bei den Pythischen Spielen aus Lorbeerblättern und bei den Isthmischen Spielen aus Kiefernzweigen. Alle diese Kronen oder Kränze welkten mit der Zeit, waren also vergänglich. Daher empfahl Petrus christlichen Ältesten „die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit“ (1. Petrus 5:4).
Die Feststellung des Paulus stimmt also: Ruhm, der im Sport erworben wird, ist kurzlebig, vergänglich. Darum konnte der Apostel sagen: „Die Leibesübung ist zu wenigem nützlich; Gottergebenheit aber ist für alle Dinge nützlich, da sie eine Verheißung auf gegenwärtiges und künftiges Leben hat“ (1. Timotheus 4:8). Er zeigte ganz klar, daß ein wenig Leibesübung gut ist oder einen begrenzten Wert hat. Aber sie sollte die Hingabe des Christen an Gott durch Christus niemals in den Hintergrund drängen oder ersetzen. Nicht der Sport, sondern Gottes Königreich sollte den ersten Platz im Leben eines jeden Christen einnehmen (Matthäus 6:33). Von welchem Nutzen wäre denn ein athletischer Körper, wenn der Geist degeneriert oder verdorben wäre? Oder was wäre, wenn ein Christ durch seine Teilnahme an Sportveranstaltungen, die mit heidnischer Religion zu tun haben, abtrünnig würde? (2. Korinther 6:14-17). Und darin liegt heute die Gefahr. Wer sich die moderne Sportphilosophie zu eigen macht, setzt in vielerlei Hinsicht christliche Grundsätze und Ideale aufs Spiel. Wieso?
Gewinnen ist nicht alles
Im Sport wird gegenwärtig ein ungeheurer Druck ausgeübt. Zum Beispiel werden offen oder heimlich beträchtliche Geldsummen an alle möglichen Athleten gezahlt. Vor kurzem unterzeichnete ein US-Footballspieler einen Vertrag, der ihm 40 Millionen Dollar garantierte. Für eine solche Summe und auch schon für weniger Geld muß der Athlet etwas liefern — Siege. Er muß sich als der Magnet erweisen, der das zahlende Publikum und die Fernsehwerbung anzieht.
Die Spitzenathleten sind die Vorbilder und Musterbeispiele für Millionen Kinder und Jugendliche. Ihr aggressives, auf den Wettkampf ausgerichtetes Verhalten durchsetzt sogar die unteren Ebenen der Sporttreibenden. So spiegelt der Spruch „Nette Jungen sind immer die Letzten“ den negativen psychologischen Effekt vieler moderner Sportarten wider.
Die Schlußfolgerung liegt daher nahe, man müsse ganz einfach unbarmherzig und gewalttätig sein, um zu siegen. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, daß diese Einstellung selbst schon in den Schulen vorherrscht. John McMurtry, ein ehemaliger Footballspieler in der kanadischen Liga, schrieb: „Während ich durch die High-School, das College und die Profiliga ging, wurde mein Körper allmählich und unerbittlich auseinandergenommen. Stück um Stück. ... Man könnte mit Recht behaupten, daß es beim Football darauf ankommt, den Körper des Gegners zu zerschlagen, genauso wie im Krieg das Töten und Verstümmeln anderer die wichtigste Rolle spielt. ... Konkurrenten gezielt zu verletzen gehört einfach zu unserem Lebensstil, und Football ist ein ziemlich deutliches Spiegelbild dieses Stils: eine Art abwechslungsreiche Moralität, die uns zeigt, wie aufregend und lohnend es ist, ‚seinen Nächsten zusammenzuschlagen‘.“
Jesus Christus, das Musterbeispiel für Christen, ermahnte seine Nachfolger: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ „Alles daher, was ihr wollt, daß euch die Menschen tun, sollt auch ihr ihnen ebenso tun“ (Matthäus 19:19; 7:12). Das Bestreben, um jeden Preis zu gewinnen — heutzutage die Motivation in vielen Sportarten —, läßt sich mit den Lehren Christi offensichtlich nicht vereinbaren. Wer ausgeglichen ist, muß nicht jedesmal gewinnen, um Freude am Sport zu haben. Einigen fällt es vielleicht schwer, dies zu verstehen, aber sicherlich kommt es darauf an, wie man die Sache betrachtet. Sport sollte ein gesundheitsfördernder, erholsamer Zeitvertreib sein. Bestimmt sollte der durchschnittliche Amateur schon in der Teilnahme Befriedigung finden. Wäre dem nicht so, warum würden dann Tausende Sport treiben, wenn nur die Handvoll Sieger zufrieden sein könnte? Die große Mehrheit weiß, daß sie nicht gewinnen kann. Für viele besteht die Freude darin, dabeigewesen zu sein und den Wettlauf beendet zu haben.
Konkurrenzgeist führt zu Spaltungen, Stolz und Prahlerei. Auf die Würde des Verlierers wird dann nicht geachtet. Wegen dieses weltlichen Geistes sollten Christen nicht an irgendwelchen Wettkampfveranstaltungen teilnehmen und auch untereinander keine Wettkämpfe austragen, noch sollte eine Christenversammlung in irgendeiner Sportart gegen eine andere antreten. Man sollte im Sinn behalten, daß entgegen einer heute allgemein anerkannten Lebensphilosophie Gewinnen nicht alles ist. James Michener schreibt: „Ein Spiel zu verlieren ist nicht gleichbedeutend mit dem Tod. Es nicht zu schaffen, die Nummer eins zu sein, macht mich nicht zu einem minderwertigen Menschen.“
Weit wichtiger als irgendwelche Talente auf dem Gebiet des Sports sind die Eigenschaften, die wir als Nachahmer Christi entwickeln. Andere im Sport zu besiegen macht uns nicht zu besseren Menschen. Es könnte sogar genau das Gegenteil bewirken. Der Apostel Paulus sagte: „Laßt uns nicht ichsüchtig werden, indem wir miteinander wetteifern und einander beneiden.“ „Doch jeder erprobe sein eigenes Werk, und dann wird er Grund zum Frohlocken im Hinblick auf sich allein und nicht im Vergleich mit einer anderen Person haben“ (Galater 5:26; 6:4).
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