Ist das Freiheit?
MÖCHTEST du frei sein? Ganz bestimmt. Jeder vernünftige Mensch möchte das.
Die Freiheit ist ein äußerst wertvolles Gut des Menschen, d. h. die Freiheit, die es einem ermöglicht, sich des Daseins in vollem Maße zu erfreuen.
Gibt es in der heutigen Welt Freiheit? Auf diese Frage würden viele antworten, daß die Bevölkerung einer ganzen Reihe von Staaten frei ist. Besonders in manchen westlichen Ländern sind die Rechte der Staatsbürger durch eine Verfassung geschützt.
Freiheit zu Hause und auf der Straße?
Wenn du jedoch in einem solchen Lande lebst, das allgemein als ein freies Land gilt, dann frage dich einmal: Schließt meine Freiheit ein, daß ich abends durch jede beliebige Straße gehen kann? Schließt sie ein, daß ich nach Einbruch der Dunkelheit noch in einem Park spazierengehen kann? Schließt sie ein, daß ich Türen und Fenster meines Hauses unverriegelt lassen kann?
Sogar in Ländern, die demokratisch regiert werden, fürchtet sich ein großer Teil der Bevölkerung, abends durch schlechtbeleuchtete Straßen zu gehen. Nach Sonnenuntergang sucht niemand mehr einen Park auf. An Türen und Fenstern der Wohnungen sind Schlösser angebracht. Und die Geschäfte sichert man auf ähnliche Weise. Ist das Freiheit?
In der Zeitschrift Look, Ausgabe vom 18. November 1969, schildert ein Berichterstatter treffend die gegenwärtige Situation, indem er schreibt: „Die Furcht ist ein beherrschender Faktor im Leben unserer Bevölkerung geworden. Mitbürger haben mir gesagt, daß sie sich heute mehr fürchten würden als noch vor ein paar Jahren. Die Bevölkerung von Kleinstädten hat Bedenken, Großstädte zu besuchen. Die Frauen fürchten sich, abends auszugehen. Manche Werksgelände in Städten verwandeln sich abends in gespenstisch aussehende gut gesicherte Lager: Scharfe Wachhunde, Flutlichtanlagen und Alarmanlagen sollen Eindringlinge fernhalten. Die Menschen schließen sich immer mehr in ihre Häuser ein. Früher hat man sich lebhaft für Fremde interessiert, heute ist es kaum noch der Fall. Man hat sich daran gewöhnt, daß täglich die Gefahr besteht, überfallen zu werden.“
Selbst in den Vorstädten und Kleinstädten fühlt sich die Bevölkerung oft in ihren eigenen Häusern nicht mehr sicher, weil Verbrechen und Gewalttat immer mehr überhandnehmen. Ein Bewohner eines scheinbar friedlichen Vorortes sagte: „Ich fürchte mich in meiner eigenen Wohnung.“
Somit lebt ein großer Teil der Bevölkerung „freier“ Länder so, als würde sie von einer feindlichen Armee belagert. Wie groß ist die Freiheit der Personen, die so leben müssen?
Freiheit in der Schule?
In manchen Ländern der Welt wird die Ordnung in höheren Schulen, in Hochschulen, ja sogar in Grundschulen ständig gestört. Schüler oder Studenten, die ihre Ausbildung fortsetzen möchten, werden daran gehindert, weil der Schulbetrieb zeitweise eingestellt wird. In Japan und auch anderswo wurden Schulen und Universitäten wegen Protestaktionen und Tumulten für längere Zeit geschlossen.
In der Stadt New York drangen in einer Mittelschule etwa zwanzig Jugendliche während des Unterrichts in die Klassenzimmer ein. Sie fesselten zwei Lehrer an ihre Stühle und knebelten sie. Darauf ließen diese Jugendlichen vor den anwesenden Schülern politische Reden vom Stapel. In einer anderen Schule wurde eine Gruppe von Demonstranten eingeladen, ihre Beschwerden vorzubringen. Während der Besprechungen suchten mehrere Mitglieder dieser Gruppe Klassenzimmer auf und sagten den Kindern, sie sollten nach Hause gehen. In vielen anderen Fällen sind die Lehrer angegriffen, die Schüler eingeschüchtert und ist der Unterricht gestört worden. Über eine Stadt wurde berichtet, daß drei von vier Lehrern aus Furcht in der Schule Waffen tragen!
Bestimmt widern die furchtbaren Verhältnisse in der Welt viele der protestierenden Schüler und Studenten an. Diese jungen Leute empören sich über das Unrecht, das geschieht, über die Vorurteile, die Armut und den Krieg. Aber auch andere Schüler und Studenten sind entrüstet über alles das, dennoch äußern sie diese Entrüstung nicht, indem sie den Schulbetrieb lahmlegen oder gewalttätig werden. Sie möchten ihre Ausbildung fortsetzen. Wird somit nicht die Freiheit anderer Schüler oder Studenten beschnitten, wenn diejenigen, die bestrebt sind, Mißstände zu beseitigen, dabei den Schulbetrieb stören oder Gewalttaten verüben und Schaden anrichten? Kann man noch von Freiheit sprechen, wenn Lehrer aus Furcht ihren Beruf aufgeben?
Freiheit in wirtschaftlicher Hinsicht?
Auch durch die wirtschaftliche Situation wird heute die Freiheit vielfach beschränkt. In den meisten Ländern wird alles ständig teurer. Aber die Löhne halten nicht Schritt mit den Preisen. Es gibt viele Personen, besonders ältere, die mehr oder weniger ein gleichbleibendes Einkommen haben, entweder eine feste Pension oder eine Rente. Solche Pensionen oder Renten sind oft lächerlich klein im Verhältnis zu dem, was man heute für Lebensmittel, Kleidung und Wohnung bezahlt.
Darüber schrieb die Zeitschrift Look: „Die Leute, die ein bescheidenes, unveränderliches Einkommen haben, sind verzweifelt und fragen sich, ob man sie mit einer Flut wertlosen Papiergeldes arm machen wolle. Manch eine Frau hat beim Einkaufen die Nerven verloren, als sie die sprunghaft angestiegenen Preise für Lebensmittel und Fleisch gesehen hat.“ Ist das Freiheit?
Eine weitere Frage wäre, ob jedermann wirklich die Freiheit hat, die Arbeit zu tun, die er tun möchte und an der er Freude hätte. Wie viele Leute kennst du, die eine Arbeit tun, die sie tatsächlich befriedigt? Ist es nicht gewöhnlich so, daß die Leute die Arbeit annehmen müssen, die sie bekommen können, ganz gleich, ob sie ihnen gefällt oder nicht, oder daß die Leute eine Arbeit annehmen, auch wenn sie ihnen keine Freude macht, nur weil sie gut bezahlt wird? Sogar Personen, die einen guten Beruf erlernt haben, können diesen manchmal wegen einer bestimmten Politik der Betriebsleitungen oder Gewerkschaften nicht ausüben. Ist das Freiheit?
Und wo bleibt die Freiheit, frische Luft zu atmen? Jetzt läßt man in den Vereinigten Staaten jedes Jahr über 130 Millionen Tonnen Gift in die Luft entweichen, vorwiegend Gase, die lebensgefährlich sein können. Große Werke verunreinigen die Luft, obschon Gesetze über die Bekämpfung der Luftverschmutzung bestehen. Diese Betriebe bezahlen lediglich eine Geldstrafe — und diese ist in der Regel nicht allzu hoch — und fahren fort, die Luft zu verschmutzen. Ist das nicht eine Vergewaltigung der Freiheit, wenn man die Gesundheit seiner Mitmenschen in dieser Weise gefährdet?
Freiheit bei Sportveranstaltungen?
Als der Baseball-Club „New York Mets“ Sieger seiner Liga wurde, jubelten seine Fans. Aber was geschah dann? In der New York Times konnte man lesen: „Das Spielfeld des Shea-Stadions [55 300 Plätze] glich der pockennarbigen Oberfläche des Mondes, die wir gestern sahen. Aber keine amerikanische Fahne flatterte im Winde, denn sie war gestohlen worden; sozusagen alles, was nicht niet- und nagelfest war, hatten die tobenden Fans mitgenommen.“
Der Verwalter des Stadions traute seinen Augen nicht. Er sagte: „Ich habe noch nie ein so verwüstetes Spielfeld gesehen.“ Von dem Rasen auf dem Spielfeld waren 300 bis 400 Meter weggerissen — die Zuschauer hatten ihn als „Souvenir“ mitgenommen. Und das Feld war übersät mit Papierfetzen und Blechdosen.
Bedeutet Freiheit, daß man berechtigt ist, das, was anderen gehört, zu nehmen oder zu zerstören? Was würdest du sagen, wenn dein Nachbar dir deinen Rasen herausreißen würde, wenn er die Mauern deines Hauses verunstalten würde, wenn er die Fensterscheiben einwerfen und die Möbel in deinem Haus stehlen würde? Würdest du das als einen Ausdruck der Freiheit betrachten oder als ein gesetzwidriges Verhalten?
Freiheit im Rahmen der Gesetze nützlich
Wahre Freiheit bedeutet nicht, von guten und nützlichen Gesetzen frei zu sein. Um sich der Freiheit ungefährdet erfreuen zu können, muß es eine Freiheit im Rahmen der Gesetze sein.
Im ganzen Weltall herrscht eine großartige Harmonie, weil es von Gesetzen, die von Gott stammen, gesteuert wird. Diese physischen Gesetze sind für den Menschen von Nutzen. Fühlst du dich zum Beispiel durch die Schwerkraft eingeengt? Sie bewirkt, daß du nicht von der Erde geschleudert wirst, was deinen sicheren Tod zur Folge hätte. Sie ermöglicht es dir, ohne die ständige Belastung der Schwerelosigkeit umherzugehen.
Was würde jedoch geschehen, wenn du absichtlich das Gesetz der Schwerkraft mißachten und von einem hohen Gebäude herabspringen würdest? Du würdest zu Tode stürzen oder dich mindestens schwer verletzen. Wenn du die Naturgesetze mißachtest, mußt du dafür büßen. Bewegst du dich jedoch im Rahmen dieser Gesetze, ziehst du daraus Nutzen.
Gäbe es keine Gesetze, die das Geschehen in der Natur steuern, würde Anarchie darin herrschen. Menschliches Leben könnte bald nicht mehr existieren. Wie dankbar sollten wir für diese zuverlässigen Gesetze sein, die das Naturgeschehen regeln! Aufgrund dieser Gesetze wissen wir, daß die Sonne jeden Tag aufgehen wird, daß die Erde sich weiter auf ihrer Bahn bewegt und sich dabei gleichzeitig um ihre eigene Achse dreht, die eine bestimmte Neigung hat. Die Gesetze des Wachstums bleiben unverändert, so daß die Pflanzen nie aufhören, Mensch und Tier mit Nahrung zu versorgen.
Der Mensch kann sich von diesen Naturgesetzen nicht frei machen. Entweder genießt er die Freiheit innerhalb ihrer Grenzen, oder er mißachtet sie zu seinem eigenen Schaden.
Gesetze für das Verhalten des Menschen
Sollte Gott Gesetze in Kraft gesetzt haben, die das Naturgeschehen steuern, den Menschen aber ohne Gesetze gelassen haben, die sein Verhalten in der Gemeinschaft regeln? Bestimmt nicht.
Die Gesetze des Schöpfers für die Menschen sind niedergeschrieben und bewahrt worden, so daß wir wissen können, welche Handlungsweise die beste ist. (2. Tim. 3:16, 17) Über den Wert dieser Gesetze lesen wir in der Bibel: „Das Gesetz Jehovas ist vollkommen, erquickend die Seele; das Zeugnis Jehovas ist zuverlässig, macht weise den Einfältigen. Die Vorschriften Jehovas sind richtig, erfreuend das Herz; das Gebot Jehovas ist lauter, erleuchtend die Augen.“ — Ps. 19:7, 8.
Wurde der Mensch jedoch nicht als Geschöpf mit freiem Willen erschaffen? Doch, das wurde er. Der freie Wille ist eine beglückende Gabe von Gott. Aber er muß diesen freien Willen innerhalb der von Gott gesetzten Grenzen betätigen. Und es ist Gottes Wille, daß sich der Mensch keiner völligen, sondern nur einer bedingten Freiheit erfreue.
Es ist erforderlich, daß der menschlichen Freiheit bestimmte Grenzen gesetzt sind. Warum? Damit der Mensch sich nicht selbst versklavt oder die Freiheit anderer beschneidet. Wenn ein Mensch die Gesetze Gottes hält, erfreut er sich der höchsten Form der Freiheit, die es gibt.
Freiheit im Rahmen der Gesetze Gottes
Heute gibt es in der Welt Hunderttausende von Menschen, die sich einer solchen Freiheit erfreuen. Wer sind diese Menschen? Es sind Jehovas Zeugen.
Warum kann gesagt werden, sie würden sich der höchsten Form der Freiheit erfreuen? Weil das Halten der Gesetze Gottes verhindert, daß man Dinge tut, durch die andere bedrückt werden oder durch die man sich selbst unfrei macht. Weil Jehovas Zeugen bemüht sind, diese Gesetze zu halten, kennen sie in ihren Reihen keinen Krieg, keinen Haß, keine Rassenvorurteile, keine Ausbeutung, keine Ungerechtigkeit, kein Verbrechen und keinen religiösen Aberglauben. Sie sind von allen diesen Dingen frei geworden. Wer Gottes Gesetze kennenlernt, wird wirklich frei; es ist so, wie Jesus sagte: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ — Joh. 8:32, 40.
Fühlt man sich irgendwie eingeengt, wenn man Gottes Gesetzen gehorcht, weil sie der Freiheit Grenzen setzen? Nicht mehr als durch das Gesetz der Schwerkraft. Jehovas Zeugen fühlen sich durch die gerechten Gesetze Gottes nicht eingeengt. Denn die Gesetze Gottes setzen ihnen zwar Grenzen, gleichzeitig aber ermöglichen sie dem einzelnen weitgehend, seinen freien Willen zu betätigen. Freiheit bedeutet nicht, irgend etwas tun zu können wodurch man sich selbst oder andere schädigt, sondern solche Taten sind in Gottes Augen Übertretungen des Gesetzes.
Die Zukunft bringt wahre Freiheit
Menschen, die den Gesetzen Gottes gehorchen, wissen, daß sie verpflichtet sind, auch die Gesetze des Landes zu halten, in dem sie leben. (Matth. 22:21) Der Christ ist daher nicht befugt, wenn er irgendwelche Ungerechtigkeiten sieht, eigenmächtig dagegen vorzugehen. Freiheit bedeutet nicht, daß man berechtigt ist, sich zusammenzurotten, fremdes Eigentum zu zerstören, andere zu verletzen oder zu töten. Wir lesen in dem Gesetz Gottes: „Ein Sklave des Herrn aber hat es nicht nötig zu streiten, sondern muß gegen alle sanft sein, lehrfähig, der sich unter üblen Umständen beherrscht.“ — 2. Tim. 2:24.
Das heißt nicht, daß die Christen die Ungerechtigkeiten nicht sehen, über die sich viele Leute heute empören, ja den Gesetzen Gottes zu gehorchen bedeutet sogar, solche Ungerechtigkeiten zu hassen. Die Bibel sagt: „Die ihr Jehova liebet, hasset das Böse!“ (Ps. 97:10) Wenn ein Widerspruch besteht zwischen dem Gesetz der Menschen und dem Gesetz Gottes, gilt folgende Regel, die wir im Worte Gottes finden: „Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen.“ — Apg. 5:29.
Sollte sich aber nicht jeder, der liebt, was recht ist, bemühen, Mißstände zu beseitigen? Er kann das tun, was ihm innerhalb der Grenzen der Gesetze Gottes und der Menschen möglich ist. Aber alle gerechtdenkenden Personen müssen folgende Tatsache berücksichtigen: Es ist nicht Gottes Vorhaben, das gegenwärtige System der Dinge zu erneuern oder zu retten! Es ist so korrupt, so ungerecht und gesetzlos, daß Gott es, wie er deutlich erklärt hat, vernichten wird, ähnlich wie man ein abbruchreifes Haus abreißt. Er wird es durch ein gerechtes neues System der Dinge ersetzen, das seiner himmlischen Regierung, dessen Haupt Jesus Christus ist, unterstehen wird. — Dan. 2:44.
Nein, Gott ist nicht bestrebt, diese Ordnung, deren Fundament allmählich zusammenbricht und in der so viel Böses verübt und so viel Blut vergossen worden ist, zu retten, sondern er wird sie einfach beseitigen. Deshalb ist es nutzlos, wenn Menschen versuchen, sie durch Gewalt zu ändern. Es wird ihnen nicht gelingen. In der Bibel finden wir die warnenden Worte, daß böse Menschen vom Schlechten zum Schlimmeren voranschreiten werden, bis Gott schließlich all dem Bösen ein Ende machen wird, indem er die Gesetzlosen vernichten wird. — 2. Tim. 3:1-5, 13; Ps. 37:9, 10.
Selbst die Menschen, die die Gesetze Gottes jetzt befolgen, sind nicht frei im wahrsten Sinne des Wortes. Warum nicht? Weil sie wie alle übrigen Menschen immer noch von dem Gesetz der Sünde und des Todes versklavt werden, das sie von ihren Ureltern ererbt haben. (Röm. 5:12) Sie werden immer noch krank, sie werden alt und sterben.
Doch gottesfürchtige Personen können sich jetzt darauf freuen, nicht nur von diesem bösen System der Dinge befreit zu werden, sondern auch von jeglicher Krankheit, vom Alterungsvorgang und vom Tod! Diese Freiheit wird der Menschheit während der Tausendjahrherrschaft Christi zuteil werden, die bald anbrechen wird. Groß wird der Jubel in der neuen Ordnung sein, wenn Gott jede Träne von den Augen der Menschen abwischen wird und wenn der Tod „nicht mehr sein [wird], noch ... Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz“. — Offb. 21:4.
In Gottes neuer Ordnung werden sich die Menschen wahrer Freiheit innerhalb der Grenzen der Gesetze Gottes erfreuen. Deshalb konnte der Psalmist vorhersagen: „Die Sanftmütigen werden das Land besitzen und werden sich ergötzen an Fülle von Wohlfahrt.“ — Ps. 37:11.
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Wo bleibt die Freiheit, nach Einbruch der Dunkelheit auf die Straße zu gehen?