Geprügelte Ehefrauen/geprügelte Ehemänner — Was sind die Ursachen?
DIE Zahl der Gewaltfamilien ist so groß, daß sicherlich manche unserer Leser Personen kennen, die von ihrem Ehepartner geprügelt werden. Sie mögen an der Nachbarin oder an der Kollegin Spuren eines Ehekrachs entdecken — blaue Flecken und Kratzwunden, die trotz dunkler Brille, Rollkragenpulli oder dick aufgetragenem Make-up teilweise zu sehen sind. Du fragst dich: „Was für eine Ehe führen die beiden? Als sie sich heirateten, haben sie sich bestimmt geliebt. Wie konnte es nur soweit kommen?“
Ja, was führt zu solchen Gewalttätigkeiten? Wer wird seinem Ehepartner gegenüber gewalttätig? Hauptsächlich die Männer? Welche Atmosphäre schafft die Voraussetzungen für solche Übergriffe? Sind in der Regel äußere Einflüsse dafür verantwortlich? Was kann dagegen getan werden? Wir wollen sehen.
Was für Männer schlagen ihre Frau?
Wenn von Männern die Rede ist, die ihre Frau prügeln, denken viele sofort an Angehörige der Arbeiterklasse — an einen Lastwagenfahrer, Straßenarbeiter oder Müllkutscher —, die sich in einer Kneipe „vollaufen lassen“ und dann in Kampfstimmung nach Hause torkeln. Solche gibt es viele, wie die erwähnten Fälle von Connie und Gloria zeigen.
Aber wer glaubt, nur solche Männer seien gewalttätig, irrt sich. In der Zeitschrift Parade (16. Oktober 1977, S. 18) hieß es: „Gewaltfamilien gibt es in allen Rassen, Klassen und Milieus. Sie sind weit verbreitet und kommen im gehobenen Mittelstand genauso häufig vor wie in den unteren Volksschichten.“ In dem Buch Wife Beating: The Silent Crisis (Mißhandelte Ehefrauen: die heimliche Krise) heißt es:
„Sozialarbeiter, die geprügelte Frauen betreuen, berichten, daß sich unter den Opfern Frauen von Ärzten, Rechtsanwälten, Studienräten und sogar von Geistlichen befinden. Aus der soziologischen Untersuchung über ,Gewalt in der Familie‘ von Dr. Gelles geht hervor, daß in Familien der höchsten Einkommensstufe Gewalttätigkeiten am häufigsten sind“ (S. 7).
Warum kommt es in Familien aller Schichten zu solchen Übergriffen? Dafür gibt es einen Grund, den die meisten Soziologen übersehen. Kennt man ihn, so versteht man besser, was die Wurzeln des Problems sind, sei es, daß man an seine eigene Ehe denkt, sei es, daß man an die eines befreundeten Ehepaares oder von Verwandten denkt.
Die Bibel, das älteste Buch, in dem über die Familie berichtet wird, zeigt, daß die erste Ehe vollkommen war. Am Anfang ihrer Ehe waren Adam und Eva ohne Sünde. Ihr Denken, ihr Handeln und ihre Emotionen waren miteinander in Harmonie. Als sie in diesem Zustand waren, bestand natürlich keine Gefahr, daß es in ihrer Ehe zu Tätlichkeiten kommen würde. Doch nach einiger Zeit gehorchten sie Gott nicht mehr und wurden unvollkommen. Wie Gott prophezeite, würde die Frau als Folge des Ungehorsams ein ‘tiefes Verlangen nach dem Mann haben, und er würde über sie herrschen’ (1. Mose 3:16). Die meisten Frauen würden ein so großes Verlangen nach einem Mann haben, daß sie sich sogar mit einem tyrannischen, brutalen Mann abfinden würden. Die Geschichte der vergangenen Jahrtausende bestätigt diese traurige Tatsache. Jehova Gott sah auch voraus, daß viele Männer zufolge ihrer Unvollkommenheit ihre Autorität mißbrauchen und Tyrannen werden würden, die ihre Frau verprügelten. Was ist somit der gemeinsame Nenner all dieser Fälle von Gewalt in der Familie? Die menschliche Unvollkommenheit.
Es ist außerordentlich wichtig, zu erkennen, daß wir alle von jenem ersten Menschenpaar abstammen und Unvollkommenheit ererbt haben (Röm. 5:12). Folglich trägt jeder von uns — reich oder arm, gebildet oder ungebildet — den Keim zur Gewalt in der Familie in sich. Doch was bewirkt, daß er aufsprießt? Frustrationen, Alkohol, das Fehlen des Gesprächs, Eifersucht, das Gefühl, abgelehnt zu werden, sowie ein Gefühl der Unsicherheit sind wie im Wasser gelöste Nährstoffe, die bewirken, daß ein Keim wächst und gedeiht. Bevor wir uns damit befassen, was gegen diese Faktoren unternommen werden kann, wollen wir betrachten, wie sie zu Gewalt in der Familie führen können.
Frustrierter Mann — gewalttätiger Mann?
Ein Experte machte auf einen Faktor aufmerksam, der in vielen Fällen als Auslöser für Gewalttätigkeit in der Familie fungiert: „Wir sollten die Angriffe auf die Ehefrau im Zusammenhang mit einer Gesellschaft sehen, in der ungeheure Frustrationen und Belastungen bestehen. Wir leben in einer Zeit, in der viele Leute Schulden haben oder ohne Arbeit sind. Solche Belastungen beeinflussen unweigerlich das Zusammenleben von Mann und Frau.“
In der Praxis mag das ungefähr so aussehen: Der Mann, hypernervös, kommt von der Arbeit nach Hause. Vielleicht war er schon müde, als er morgens zur Arbeit ging, und mußte mit dem Verkehrschaos fertig werden oder den ohrenbetäubenden Lärm in der U-Bahn ertragen. Im Geschäft ärgerte er sich wiederholt über Kunden oder über den Chef. Doch er mußte seinen Ärger hinunterschlucken. Nun kommt er nach Hause, wird vielleicht sogleich mit dem Geschrei der Kinder oder einer berechtigten Klage seiner Frau konfrontiert, die den ganzen Tag darauf gewartet hat, ihm das sagen zu können. Was geschieht nun? Der frustrierte und hypernervöse Mann explodiert und schlägt zu. Aus Angst, seine Arbeit zu verlieren, durfte er gegen den Chef nicht „vom Leder ziehen“, auch konnte er seine Wut nicht am Verkehrschaos auslassen. Aber wehe der Frau oder den Kindern! Ein Mitarbeiter einer Eheberatungsstelle sagte: „Wenn ein Mann die Fassung verliert, darf er nicht weinen. Es gilt als männlicher, mit der Faust gegen die Wand zu schlagen. Nur ist die Wand manchmal seine Frau.“
Ihr Ehemänner: Könnt ihr euch vorstellen, daß ihr auf diese Weise eure Frustrationen abreagiert? Ihr Ehefrauen: Glaubt ihr, daß euer Mann so reagieren wurde? Könnte eine heftige Auseinandersetzung ihn dazu veranlassen?
Mitunter kann schon eine Geringfügigkeit den Mann zum Schlagen provozieren. Das Essen ist nicht pünktlich fertig, die Frau verkündet, die Abendschule besuchen zu wollen oder seinen sexuellen Wünschen nicht entsprechen zu können. Ihr hypernervöser und frustrierter Mann denkt jetzt vielleicht, das sei ein Angriff auf seine Autorität. Er wird wütend und handgreiflich.
In Sprüche 14:29 heißt es: „Wer langsam ist zum Zorn, hat Fülle von Unterscheidungsvermögen, wer aber ungeduldig ist, erhöht Torheit.“ Viele Männer, die sich dazu hinreißen ließen, ihre Frau zu schlagen, haben hinterher beschämt eingesehen, wie wahr diese Worte sind. Der Mann, der seinen aufgestauten Frustrationen freien Lauf läßt, indem er Frau oder Kinder schlägt, hat gewöhnlich hinterher noch mehr Probleme. Dem ersten Angriff auf die Ehefrau folgt häufig ein zweiter. Bei Aggressionen zwischen Mann und Frau ist es ähnlich wie bei einem Deichbruch: Es fängt klein an und wird immer schlimmer, bis schließlich die Gewalt gleich einer reißenden Strömung in die Ehe eindringt.
Zwei Jurastudenten befragten geprügelte Ehefrauen sowie zuständige Beamte, die mit dem Problem zu tun haben. Das Ergebnis?
„Wenn eine Frau von ihrem Mann geschlagen wird, bleibt es gewöhnlich nicht bei dem einen Mal, sondern es wiederholt sich. 95 Prozent der befragten Frauen wurden im ersten Ehejahr von ihrem Mann das erstemal geschlagen, und im Laufe der Zeit schlug der Mann die Frau immer häufiger und immer brutaler. Hätte die Frau nichts unternommen, hätte er sie mit der Zeit totgeprügelt. ... Was zum Angriff auf die Ehefrau führte, war gewöhnlich eine geringfügige Sache, die offensichtlich als Katalysator für eine tiefsitzende Wut oder eine alte Frustration wirkte.“
Das erste Ehejahr ist besonders kritisch wegen der neuen Belastungen durch die Ehe. Es ist nicht nur so, daß sich die beiden Eheleute aneinander anpassen müssen, sondern der Mann hat jetzt auch höhere Ausgaben. Wird die Frau dann schwanger, so wird die Belastung für ihn noch größer, und außerdem mag er grollen oder eifersüchtig werden, weil sie sich so sehr auf das Kind freut und mit den Vorbereitungen beschäftigt ist, daß sie für ihn weniger Zeit hat.
Ursache Alkohol?
In vielen Fällen spielt der Alkohol eine Rolle. In einer Untersuchung hieß es: „In 60 Prozent der Fälle stand der Angreifer zur Zeit der Tat unter Alkoholeinfluß.“ Und der Leiter eines Ehekrisen-Zentrums in Washington, D. C., sagte, daß 80 Prozent der Angriffe auf die Ehefrau unter Alkoholeinfluß unternommen werden.
Ist der Alkohol die eigentliche Ursache? Vielleicht nicht immer, aber doch in vielen Fällen. Über die Beziehung zwischen Alkoholgenuß und Angriffen auf die Ehefrau schreibt die Psychologin Dr. Lenore Walker: „Er mag als Entschuldigung benutzt werden, aber von einer direkten Ursache und Wirkung kann offenbar nicht die Rede sein.“ Doch in der Bibel heißt es: „Der Wein ist ein Spötter, berauschendes Getränk ist ungestüm, und jeder, der davon irregeht, ist nicht weise“ (Spr. 20:1). Hast du nicht auch beobachtet, daß der Alkohol die Menschen enthemmt, so daß sie laut und unbeherrscht werden? Wenn ein frustrierter Ehemann oder ein Ehemann, der auf seine Frau wütend ist, trinkt, mag die Gefahr, daß er gewalttätig wird, größer sein. Dr. Richard J. Gelles untersuchte das Problem und berichtete:
„Der Trinker kann eine Handlung, die er im Rausch begeht, damit entschuldigen, daß er in diesem Zustand nicht zurechnungsfähig ist. Mit dem Alkohol kann man sich auch herausreden ..., in der Ehe stimmt alles, schuld an den Schwierigkeiten ist der ,Dämon Alkohol‘.“
Können wir aus alldem in bezug auf den Alkoholgenuß etwas lernen?
Gespräch oder Schläge?
In vielen Fällen ist zu beobachten, daß Eheleute, die handgreiflich werden, schlechte Gesprächspartner sind. Es fällt ihnen schwer, sich gegenseitig zu sagen, was sie empfinden, zum Beispiel, daß sie eifersüchtig sind, sich einsam fühlen, verunsichert sind oder sich fürchten. „Obschon wir in einer Gesellschaft leben, in der sehr viel gesprochen wird“, erklärte der Soziologe Sherod Miller, „haben nur wenige gelernt, wie man mit anderen über heikle Themen spricht.“
Das ist besonders ein Problem der Männer. „Eine Hauptursache der Gewalt in der Familie“, meinte Jan Peterson vom National Congress of Neighborhood Women, „ist die Unfähigkeit der Männer, mit der Frau in Kommunikation zu treten, es sei denn, indem sie handgreiflich werden.“
Lernt ein Mann jedoch, in beherrschtem Ton zu sagen, was er empfindet — nicht wütend und ordinär —, wird in seiner Familie eine viel bessere Atmosphäre herrschen, als wenn er tätlich wird. König Salomo sagte: „Von dem Fruchtertrag seines Mundes wird ein Mann Gutes essen, aber die Seele derer, die treulos handeln, sie ist Gewalttat“ (Spr. 13:2).
Obschon im allgemeinen angenommen wird, daß die Frauen eher sagen, wie sie empfinden, und ihre Empfindungen auch besser in Worte kleiden können, gibt es doch viele Frauen, die ihr Teil zum Kommunikationsproblem beitragen. Familienberater Paul Shaner berichtete, daß geprügelte Frauen es manchmal auf eine „Kraftprobe ankommen lassen“, indem sie schmollen. „Manch eine Frau“, erklärte er, „behauptet, deswegen nichts zu sagen, weil sie sich davor fürchte, etwas Verkehrtes zu sagen, aber der Mann sieht darin eine Methode, ihm zu zeigen, wer der stärkere ist.“ Shaner meinte: „Diese beiden Menschen haben schon sehr lange nicht mehr miteinander gesprochen, schon lange keinen Gedankenaustausch mehr gepflegt.“ Wenn du verheiratet bist, so frage dich: „Pflegen wir in unserer Ehe das Gespräch?“
Gewalttätige Frauen
Man ist es gewohnt, zu hören, daß Männer ihre Frau schlagen. Kommt aber auch der umgekehrte Fall vor? Lassen sich Frauen zu Tätlichkeiten gegen ihren Ehemann hinreißen und tragen dadurch zu dem Problem der Gewalt in der Familie bei? Ja!
„Das am wenigsten bekannte Verbrechen ist nicht der Angriff auf die Ehefrau“, schrieb die Soziologin Suzanne Steinmetz, „sondern der Angriff auf den Ehemann. ... Wenn es um leichtere Attacken geht, wie Ohrfeigen, Schlagen und Boxen, kann man keinen geschlechtsspezifischen Unterschied feststellen. Ein Grund des Phänomens der geprügelten Frau ist nicht der Umstand, daß die Männer aggressiver sind, sondern daß sie in der Regel körperlich stärker sind und mehr Schaden anrichten können.“
Man hört auch weniger von geprügelten Ehemännern, weil viele nicht zur Polizei laufen mögen (oder die Polizei anrufen wollen), um einem stämmigen Wachtmeister zu sagen: „Meine Frau verprügelt mich.“ Doch viele Frauen tun es tatsächlich. Der Ehemann mag kleiner, älter, schwächlich oder sogar krank sein. Und selbst wenn er kräftig genug wäre, um sich zu verteidigen, mag er sich aus Ritterlichkeit zurückhalten oder weil er befürchtet, seine Frau schwer zu verletzen, wenn er sich gehenließe.
Manch eine Frau, die die Brutalität ihres Mannes anprangert, ignoriert ihre eigene Schuld. Zum Beispiel mag eine Frau erfahren, daß ihr Mann ein Bankkonto eröffnet hat, das nur auf seinen Namen lautet statt auf beider Namen. In dem Streit, der sich nun entwickelt, ohrfeigt sie ihn. Einige Wochen später ist sie diejenige, die einen Fehler begeht, indem sie ihn beschimpft oder sich ihm verweigert, was dazu führt, daß er sie schlägt. Zwar mag ihr Körper blaue Flecken aufweisen, aber haben sich nicht beide zu Gewalttätigkeiten hinreißen lassen? Man erinnere sich an Connies Fall, über den auf Seite 6 berichtet wurde. Die Gewalttätigkeit einer Frau mag wie der Funken in einem Pulverfaß sein.
Wie reagiert eine Ehefrau, wenn ihr Mann, der stärker ist als sie, sie mißhandelt? In vielen Fällen benutzt sie als Kampfmittel, was sie gerade erwischt: einen Kochtopf, eine Vase, ein Messer oder ein Nudelholz. Ein Beispiel ist der Fall der 1,55 Meter großen Roxanne Gay, die nur 50 Kilogramm wiegt. 1977 berichtete die Presse, daß sie wiederholt die Polizei gerufen habe, weil ihr Mann sie grausam verprügelte. Ihr Mann war der wuchtige Footballprofi Blenda Gay, der 1,95 Meter groß war und fast 120 Kilogramm wog. Bei einem Streit griff die kleine Frau schließlich nach einem Messer und stieß es ihm in den Hals. Als die Polizei kam, lag er tot in einer Blutlache.
Was kann getan werden?
Wir haben jetzt einiges kennengelernt, was zu dem Problem der geprügelten Ehefrauen oder Ehemänner führt. Die Wurzel des Problems ist menschliche Unvollkommenheit, was bedeutet, daß jeder von uns in Gefahr ist, gewalttätig zu werden. Wer seine Gefühle wie Eifersucht oder Groll nicht beherrscht, befindet sich ebenfalls in Gefahr, sich zu Tätlichkeiten hinreißen zu lassen. Zu Gewalttätigkeiten in der Familie kommt es häufig unter dem Einfluß von Alkohol.
Es ist wichtig, die Ursachen der Gewalt in der Familie zu kennen; aber das ist nicht alles. Weil das Problem so weit verbreitet ist, müssen wir uns bemühen, es entweder zu verhüten oder es zu lösen. Folgende Fragen sind angebracht: Wie sollten wir uns verhalten, wenn wir merken, daß wir wütend werden? Welche Rolle spielt dabei unsere Ansicht über Alkohol, Geld oder unsere Arbeit? Wenn unsere Familie bereits eine Gewaltfamilie ist, wäre eine Scheidung dann die beste Lösung? Kann die Bibel Personen helfen, ihre Persönlichkeit zu ändern und zu lernen, anders zu reagieren? Diese Fragen werden in den folgenden Artikeln behandelt.
[Herausgestellter Text auf Seite 10]
„In den Fällen von Gattenmord waren 52 Prozent der Opfer Frauen und 48 Prozent Männer“ (Verbrechensstatistik des FBI).
[Herausgestellter Text auf Seite 11]
„Manche Frauen provozieren ihren Mann. Das ist zwar nicht immer der Fall, aber ich glaube, daß es die Regel ist. Ich kenne viele Ehemänner, die erst zurückschlugen, nachdem sie von ihren Frauen mehrmals geschlagen worden waren“ (Dr. Marguerite Fogel).