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Wie werden die Völker von der Religion geführt?Erwachet! 1972 | 8. Oktober
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wenn er Krieg anfängt? Das Volk ist von der Geistlichkeit so beeinflußt worden, daß es bereit ist, in den Krieg zu ziehen.
Manchmal gehen gewisse Machthaber zu weit. Sie tun Dinge, die der Geistlichkeit mißfallen. Aber wer ist in erster Linie verantwortlich dafür, daß solche Diktatoren die Gewalt an sich reißen konnten? Wäre es zum Beispiel Hitler gelungen, eine so große Macht auszuüben, hätte die Mehrheit der Geistlichkeit das Kirchenvolk nicht aufgefordert oder ihm nicht erlaubt, Hitler Gefolgschaft zu leisten? Bedeutete das Konkordat, das zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossen wurde, nicht eine moralische Stärkung für das Hitler-Regime?
Wäre in Rußland der Kommunismus zur Macht gekommen, wenn die Kirche dort nicht die reichen Großgrundbesitzer und andere Gruppen, die das Volk bedrückten, in einem Maß unterstützt hätten, daß es zu einer Reaktion kommen mußte? Hätte der Kommunismus in China Fuß fassen können, wenn die sogenannt christlichen Völker mit dem chinesischen Volk anders umgegangen wären?
Einige radikale Geistliche treten jetzt sogar für die Revolution ein. Handeln sie aber wirklich so ganz anders als ihre Amtskollegen? Lenken sie dadurch nicht lediglich die Aufmerksamkeit des Volkes auf eine andere Herrschaftsform selbstsüchtiger Prägung, anstatt ihm zu zeigen, wie es gemäß Gottes Wort, der Bibel, wahre Befreiung erlangen kann?
Und wie verhalten sich die Kirchen in Fragen der Sittlichkeit? Was wird gegen Gemeindeglieder unternommen, die Hurerei, Ehebruch und Homosexualität treiben? Werden sie nicht meistens weiter als Glieder der Kirche anerkannt? Ist nicht die alarmierende Überhandnahme von Geschlechtskrankheiten, der Anstieg unehelicher Geburten und der Zahl von Abtreibungen in der Christenheit hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die Kirchen versäumt haben, Gemeindeglieder, die unsittlich handeln, zur Rechenschaft zu ziehen und in sittlichen Fragen klare Normen aufzustellen?
Heute bestehen die gleichen Verhältnisse wie bei den Israeliten, bevor sie nach Babylon in Gefangenschaft kamen und ihre Hauptstadt, Jerusalem, zerstört wurde. Über jene Zeit lesen wir in der Bibel: „Sowohl der Prophet als der Priester selbst sind entweiht worden.“ — Jer. 23:11.
Was für Verhältnisse hatte das zur Folge? Die Bibel antwortet: „Fluchen und Betrügen und Morden und Stehlen und Ehebrechen, das ist ausgebrochen, und Taten des Blutvergießens haben an andere Taten des Blutvergießens gereicht.“ — Hos. 4:2.
Wie die Geistlichkeit der Israeliten zu jener Zeit, so hat auch die heutige Geistlichkeit Gott nicht die Treue gehalten. Sie hat ihre Gemeinden die Wahrheiten des Wortes Gottes nicht gelehrt, und sie selbst hält sich nicht daran. Sie ist mehr daran interessiert, nach ihrem eigenen Gutdünken zu handeln, als den Willen Gottes zu tun.
Das heißt nicht, daß es keine Geistlichen gegeben hat, die die abscheulichen Dinge, welche im Namen Gottes verübt worden sind, nicht mißbilligt hätten. Auch haben ehrliche Staatsmänner sich bemüht, die Lage des Volkes zu bessern. Aber der Geist der Kompromißbereitschaft und Selbstsucht, der dominiert, sowie das System, das sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat und in dem gute Grundsätze mißachtet werden, wirken lähmend auf Personen, die sich bemühen, die Christenheit zu reformieren.
Wahrscheinlich am tragischsten hat sich das Versagen der Religion in Verbindung mit den Kriegen ausgewirkt! Es ist aufschlußreich, einen Blick auf die Geschichte zu werfen. Wie haben sich die Kirchen zum Beispiel gegenüber dem Vietnamkrieg verhalten?
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Die Religion und der VietnamkriegErwachet! 1972 | 8. Oktober
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Die Religion und der Vietnamkrieg
TAUSENDE von jungen Katholiken, Protestanten und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften haben in Vietnam gekämpft. Viele kämpfen noch. Auf den Schlachtfeldern werden die Soldaten von Geistlichen betreut. Hat die Religion dazu beigetragen, daß diese Männer in diesen Krieg gezogen sind?
Welchen Standpunkt nehmen die protestantischen Religionsgemeinschaften jetzt gegenüber diesem Krieg ein? In seinem vor kurzem erschienenen Buch, betitelt Vietnam and Armageddon, weist der Jesuit Robert Drinan darauf hin, daß „fast alle protestantischen Theologen den Vietnamkrieg als moralisch nicht vertretbar ablehnen“.2 Verschiedene protestantische Denominationen haben in letzter Zeit Erklärungen gegen diesen Krieg abgegeben.
Auch jüdische religiöse Organisationen haben begonnen, gegen diesen Krieg zu protestieren. Im vergangenen Dezember lautete eine Überschrift in der Zeitung Washington Post: „KENSINGTON-TEMPEL-ENTSCHLIESSUNG FORDERT, DASS VIETNAM-KRIEG BEENDET WERDE“. In der Entschließung wurde Präsident Nixon dringend ersucht, „Befehl zu geben, alle amerikanischen Truppen aus Vietnam, Laos und Kambodscha abzuziehen“.3
Der katholische Standpunkt
Welchen Standpunkt nimmt die katholische Kirche ein? Im vergangenen November fand eine nationale Bischofskonferenz statt; und in Verbindung damit brachte die New York Times auf der ersten Seite folgende Schlagzeile: „DIE KATHOLISCHEN BISCHÖFE AMERIKAS FORDERN, DASS DER INDOCHINAKRIEG BEENDET WERDE“.4
In der von den Bischöfen angenommenen Entschließung wurde auf „die Vernichtung von Menschenleben und von moralischen Werten“ hingewiesen und gesagt: „Es ist daher unsere feste Überzeugung, daß die sofortige Beendigung dieses Krieges ein moralisches Erfordernis von größter Wichtigkeit ist.“5
Hilfsbischof Thomas Gumbleton von Detroit erklärte, die Entschließung bedeute, „daß es sich um einen ungerechten Krieg“ handle.6 Er sagte, wer den katholischen Standpunkt teile, „dürfe sich an diesem Krieg nicht beteiligen“.7
Diese Zeugnisse würden den Schluß zulassen, daß die Kirchen die Menschen dazu angeleitet hätten, den Krieg nicht zu unterstützen. Aber warum haben Hunderttausende von jungen Katholiken und Protestanten jahrelang in Vietnam gekämpft? Haben sie entgegen der Weisung gehandelt, die sie von ihrer Kirche erhalten haben?
Unklare Weisung
Der Widerstand der Kirchen gegen den Vietnamkrieg ist nicht so eindeutig, wie man aufgrund der erwähnten Zeugnisse annehmen könnte. So erklärte Erzbischof Philip Hannan von New Orleans, er gehöre zu „einer ziemlich großen Zahl von Bischöfen, die die Entschließung [die die amerikanischen Bischöfe vor kurzem angenommen haben] nicht voll und ganz unterstützt“ hätten.8 Man kann daher verstehen, daß die Katholiken auch über die Weisung, die jetzt gegeben wird, sich nicht im klaren sind!
Ähnlich liegt der Fall bei den protestantischen Religionsgemeinschaften. Im Jahre 1968 billigte die lutherische Kirche in Amerika offiziell die Verweigerung der Teilnahme an bestimmten Kriegen. Seitdem haben sich jedoch auch lutherische Geistliche für die Teilnahme am Vietnamkrieg ausgesprochen. In der Ausgabe der lutherischen Schrift Springfielder, Ausgabe vom Frühjahr 1970, schreibt der Feldgeistliche Professor Martin Scharlemann:
„Wir haben gehört, daß gesagt worden ist: ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‘ Das ist natürlich richtig. Wer könnte sich deswegen streiten, da es ein Wort des Herrn ist? Aber es gibt Abstufungen. ... Ein nordvietnamesischer Soldat ist nicht immer ohne weiteres mein Nächster. Unsere Treue gehört nicht ein und demselben Land: Ich bin meinem Land treu, und er ist seinem treu. Ich habe meinem Land gegenüber eine Pflicht, die größer ist als mein Interesse an seinem Land; und das gilt auch für ihn. Wenn er aber verwundet ist und meiner Hilfe bedarf, wird er im ethischen Sinne des Neuen Testaments wieder mein Nächster. Dann trennt uns nichts mehr.“9
Dieser Geistliche behauptet also, die Pflicht dem Vaterland gegenüber hebe das Gebot Christi, seinen Nächsten zu lieben, auf.
Man könnte zu dem Schluß kommen, daß die Ansichten dieses lutherischen Geistlichen heute eine Ausnahme wären und daß die Kirchen dazu auffordern würden, im Vietnamkrieg nicht mitzukämpfen. War das aber auch vor fünf oder sechs Jahren so?
Der Standpunkt gegenüber dem Krieg vor einigen Jahren
Vor mehr als fünf Jahren führte die Katholische Meinungsforschung, Inc., unter den katholischen Priestern der Vereinigten Staaten eine Umfrage durch. Die Frage lautete: Sollten die Vereinigten Staaten einen harten Kurs verfolgen, um den Vietnamkrieg zu gewinnen?
2 706 Priester beantworteten die Frage mit Ja und 371 mit Nein.10
Vielfach unterstützten Geistliche den Krieg in Wort und Tat. Eine Zeitung berichtete zum Beispiel, daß ein katholischer Priester sowie die Vertreter von zwei anderen Religionsgemeinschaften versucht hätten, „eine Gruppe Brooklyner Studenten davon zu überzeugen, daß das biblische Gebot, das das Töten verbietet, nicht auf den Vietnamkrieg anzuwenden sei“. Der katholische Priester Robert J. McNamara erklärte: „Was wir dort tun, ist notwendig, um eine Oligarchie zu verhindern.“11
Einige Priester unterstützten den Krieg noch aktiver. Auf einem Bild in der Zeitschrift Life, das über anderthalb Seiten ging, war ein Priester zu sehen, und die fettgedruckte Überschrift lautete: „Ein tapferer Priester kämpft allein“. In dem Artikel hieß es: „Die stahlhelmtragende, mit einem Gewehr bewaffnete Gestalt auf dem Bild ist eine merkwürdige, doch ermutigende Erscheinung in diesem Krieg — ein katholischer Priester, der persönlich gegen den Vietcong Krieg führt.“12
Warum waren die Priester fast alle dafür, daß sich die Vereinigten Staaten bemühen sollten, in Vietnam einen Sieg zu erringen? Einen starken Einfluß übten ohne Zweifel die Weisungen ihrer Bischöfe aus. Im November 1966 hatten die amerikanischen Bischöfe in einer amtlichen Erklärung geäußert: „Der Standpunkt, daß unsere Anwesenheit in Vietnam gerechtfertigt sei, ist vernünftig. ... Wir loben den Heldenmut unserer Soldaten, und wir sprechen ihnen unseren innigsten Dank aus. ... wir können mit gutem Gewissen den Standpunkt unseres Landes unter den gegenwärtigen Umständen unterstützen.“13
Einige Bischöfe sprachen fast so, als handelte es sich um einen heiligen Krieg. Der inzwischen verstorbene Kardinal Spellman sagte, daß die amerikanischen Truppen „Soldaten Christi“14 wären, die einen Kampf für die Zivilisation kämpften, und daß „nur ein Sieg denkbar“ sei.15 Personen, die die Richtigkeit des amerikanischen Vorgehens anzweifelten, antwortete Spellman: „Es ist mein Vaterland, sei es im Recht, sei es im Unrecht.“16
George R. Davis, Pfarrer an der „National City Christian Church“ in Washington, D. C., sagte über die Forderung Spellmans, den „Sieg“ zu erringen: „Ich bin gleicher Meinung.“17 Andere protestantische Geistliche zeigten auf verschiedene Weise, daß auch sie gleicher Meinung waren.
Robert Mummey, ein Vertreter der Christlichen Wissenschaft, setzte sich für den Vietnamkrieg ein, indem er zu einer Gruppe Studenten sagte: „Das Töten muß mit reinem Herzen geschehen, sonst ist es unmoralisch. Würde unseren Soldaten eingeprägt, sie sollten den Feind hassen, dann wäre das Töten unmoralisch.“18
Die Geistlichen bekundeten auch ihre Unterstützung des Krieges, indem sie die Gefallenen ehrten. Martin Haerther, ein lutherischer Geistlicher von Des Moines (Iowa), sagte bei einem Begräbnis: „Wenn ein Soldat in einem gerechten Krieg [Vietnam] für das Vaterland fällt, stirbt er nicht nur den Heldentod, sondern er hat auch ein seliges Ende ... Ich bin sicher, daß die Engel zur Stelle waren, um seine Seele in den Himmel zu tragen, und jetzt hat er Frieden.“19.
Wohin die Religion geführt hat
Das zeigt, daß die Kirchen in den Vereinigten Staaten anfänglich den Vietnamkrieg unterstützt haben. Und wozu hat das geführt?
Eine Folge davon ist, daß sich die Anhänger ein und derselben Religionsgemeinschaft auf dem Schlachtfeld gegenseitig umbringen. In Nord-Vietnam gibt es zum Beispiel schätzungsweise eine Million Katholiken. Welchen Standpunkt nehmen die Priester dort ein? Die New York Times berichtete: „Der Pastor der Kirche St. Antonius von Padua in Hanoi, Joseph Nguyen Van Que, ... sagte, er segne jeweils die jungen Katholiken, die in die [nordvietnamesischen] Streitkräfte eintreten würden.“20
Somit haben sich Anhänger der gleichen Religionsgemeinschaft auf den Schlachtfeldern in Vietnam gegenseitig umgebracht — mit dem Segen der Geistlichkeit!
Wie bereits erwähnt, hat es vor kurzem einen Meinungsumschwung gegeben. Es ist sogar ein interkonfessioneller „Aufruf zur Buße und Tat“ erlassen worden, in dem die Unterzeichner die Beendigung des Krieges fordern.21
Aber warum haben die religiösen Führer ihren Standpunkt geändert? Die Antwort auf diese Frage wird es uns ermöglichen, zu erkennen, was vielfach entscheidet, welchen Standpunkt die Kirchen in gewissen Fragen einnehmen, und wohin die Religion die Menschheit somit führt.
[Bild auf Seite 6]
Einige Priester beteiligten sich an den Kämpfen, so auch dieser Priester, dessen Bild in der Zeitschrift „Life“ erschien.
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Was entscheidet, welchen Kurs die Religionen einschlagen?Erwachet! 1972 | 8. Oktober
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Was entscheidet, welchen Kurs die Religionen einschlagen?
DADURCH, daß die Kirchen den Vietnamkrieg anfänglich entschuldigten, veranlaßten sie viele Personen, es als richtig zu erachten, in diesen Krieg zu ziehen. Aber jetzt wird dieser Krieg von einigen Religionsgemeinschaften und ihren Vertretern verurteilt. Sie erklären, die Teilnahme daran sei ein Unrecht.
Warum dieser Meinungsumschwung? Leiten die Kirchen ihre Mitglieder jetzt an, in Einklang mit den Lehren der Bibel zu leben, oder geben andere Faktoren den Ausschlag dafür, welche Weisungen die Kirchen geben?
Im Oregon Journal konnte man lesen: „Die Geistlichen heulen immer mit den Wölfen.“22 Als die Öffentlichkeit kaum gegen den Krieg protestierte, unterstützten ihn die Kirchen. Als aber die Öffentlichkeit die endlosen Kämpfe und das Blutvergießen langsam satt bekam, begannen die Geistlichen gegen den Krieg zu protestieren.
Alden Munson, Herausgeber der Zeitschrift United Methodist, eines Organs der Methodistenkirche, schrieb:
„Eine Häufung der Greuel wie My Lai und die beste Kriegsberichterstattung der Geschichte haben sich auf die ganze Nation ausgewirkt, und die Kirche kommt nun auch hinterher mit ihrem Protest gegen den Krieg. ... Seit 1965 hat es schätzungsweise unter der vietnamesischen Zivilbevölkerung ein bis vier Millionen Opfer gegeben, Männer, Frauen und Kinder, aber erst jetzt beginnen die Kirchen, ihre Abscheu zum Ausdruck zu bringen.“23
Ja, erst als der Krieg „unpopulär“ wurde, ließen die Kirchen den Ruf nach „Frieden“ so laut erschallen, daß er allgemein gehört wurde. Man hat beobachtet, daß die Kirchen ermitteln, was gerade populär ist, und dann ihren Standpunkt danach ausrichten. Der New Yorker Geistliche Robert J. McCracken gestand: „Wir sind umsichtig genug, keinen festen Standpunkt einzunehmen, bevor wir nicht wissen, woher der Wind weht.“24
Ein Versuch, klare Weisungen zu geben
Die katholische Kirche ließ vor kurzem erkennen, daß sie ihren Standpunkt über den Krieg nicht geändert hat. Sie behauptet, der Episkopat habe den Vietnamkrieg noch nie unterstützt. Diese Behauptung wird in einem Dokument erhoben, das im vergangenen Jahr von der amerikanischen katholischen Konferenz (U.S. Catholic Conference), dem Sekretariat der Landeskonferenz katholischer Bischöfe, veröffentlicht wurde.
Aber sogar prominente katholische Theologen sagen, die Bischöfe seien nicht gegen den Krieg gewesen, sondern sie hätten ihn unterstützt. Ungefähr zur gleichen Zeit, als das erwähnte Dokument der amerikanischen katholischen Konferenz (USCC) veröffentlicht wurde, schrieb der katholische Priester Peter J. Riga, Professor für Religion am La-Salle-College:
„Da die amerikanischen katholischen Bischöfe, die diesen Krieg unterstützten (etwa 95 Prozent), in bezug auf die größte sittliche Frage unserer Zeit als Führer völlig versagt haben, sollten sie insgesamt von ihrem Amt zurücktreten, denn sie eignen sich nicht mehr dafür; ... wer Blut an den Händen hat, ist als Diener Gottes ungeeignet. Ich erkläre, daß das Blut von Menschen an den Händen der amerikanischen katholischen Bischöfe klebt, weil sie in dieser moralischen Frage versagt haben.“25
Fragst du dich, wenn du solche Anklagen von Katholiken liest, ob die von den Bischöfen herausgegebene Erklärung der Wahrheit entspreche?
Die Wahrheit verschleiern
Die katholische Zeitschrift Commonweal befaßte sich mit dieser Frage. Der Verfasser des Artikels, Gordon Zahn, katholischer Professor der Soziologie, schrieb über das Dokument der USCC, nachdem er es studiert hatte:
„Ich bin gezwungen, es anzufechten als bewußten Versuch, durch selektive Behandlung der Geschichte den falschen Eindruck zu erwecken, die Kirchenführung habe immer mit kluger Zurückhaltung den Krieg verurteilt.“26
Ein Beispiel für die „selektive Behandlung der Geschichte“ ist das Fehlen von Äußerungen katholischer Führer, die für den Krieg eintraten. Die bezeichnendste Auslassung sind die entsprechenden Erklärungen des verstorbenen Kardinals Spellman.
Die in diesem Dokument weggelassenen Erklärungen von Kirchenführern, durch die sie den Krieg unterstützten, sind so zahlreich, daß die Zeitschrift Commonweal schrieb: „Vermutlich hätten die Kompilatoren des USCC-Dokuments mindestens ebenso viele Äußerungen von Bischöfen zugunsten des Krieges allein aus dem Archiv der New Yorker Erzdiözese zusammentragen können.“27
Aber alle diese Zeugnisse wurden absichtlich weggelassen! In dem Artikel in Comwonweal wurde erklärt, „schlichte Ehrlichkeit“ sollte es gebieten, daß man solche Erklärungen einfügt, „sie mögen jetzt, da jeder sehen kann, wie unmoralisch dieser Krieg ist, noch so peinlich sein“.28
Zeigt das nicht deutlich, daß das Dokument der USCC ein offensichtlicher Versuch ist, die Tatsache zu vertuschen, daß die Kirche anfänglich den Krieg, der jetzt so unpopulär ist, unterstützt hat? Solche Unehrlichkeit mag dich überraschen.
Was entscheidet, welchen Kurs die Kirchen einschlagen?
Wohl predigen die Geistlichen aufgrund der Bibel vielfach über „Frieden auf Erden“ und „Nächstenliebe“. Deshalb magst du angenommen haben, die Kirchen würden die Menschen dazu anleiten, in Übereinstimmung mit den Lehren der Bibel zu leben und mit Krieg und Gewalttat nichts zu tun zu haben.
Es ist jedoch ein Fehler, nur in Betracht zu ziehen, was die Kirchen lehren. Es ist notwendig, daß man auch prüft, was sie tun. Wie handeln die Kirchen, wenn die Regierung eines Landes beschließt, es sei im Interesse ihres Volkes, Krieg zu führen? Weisen die Kirchen dann auf die Worte Jesu hin: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter euch habt.“? (Joh. 13:35) Erklären sie ihren Gemeindegliedern, daß echte christliche Liebe durch Landesgrenzen nicht beeinflußt wird? Machen sie ihnen klar, daß alle wahren Nachfolger Christi einander lieben müssen, ganz gleich, in welchem Land sie wohnen oder welcher Rasse sie angehören?
Schärfen die Kirchen ihren Gemeindegliedern auch die Worte ein, die Johannes, ein Apostel Jesu, schrieb: „Das ist die Botschaft ..., daß wir einander lieben sollten, nicht wie Kain, der aus dem stammte, der böse ist, und seinen Bruder hinschlachtete.“? (1. Joh. 3:10-12) Erklären sie ihnen, daß es kein Ausdruck der Liebe ist, wenn man seine Mitmenschen oder gar seinen Glaubensbruder auf dem Schlachtfeld tötet? Weisen sie darauf hin, daß jeder, der das tut, in Wirklichkeit dem dient, „der böse ist“, Satan, dem Teufel? Es ist offenbar, daß die Kirchen, wenn die Nationen zum Krieg rüsten, diese biblischen Lehren beiseite schieben. Harry Emerson Fosdick, ein bekannter protestantischer Geistlicher, gestand:
„Die Geschichte der Westmächte weiß über viele Kriege zu berichten. Wir haben Männer für den Krieg gezüchtet und für den Krieg ausgebildet wir haben den Krieg verherrlicht; wir haben Krieger als Helden verehrt und unsere Kirchen mit Feldzeichen geschmückt ... Mit dem einen Mundwinkel haben wir den Fürsten des Friedens gepriesen, und mit dem anderen haben wir den Krieg verherrlicht.“29
Entscheidend dafür, welchen Standpunkt die Kirchen einnehmen, ist somit nicht das, was die Bibel sagt, sondern das, was die Staatsführer sagen und was im Augenblick beim Volk populär ist. In einem Leitartikel der Vancouver Sun über den Vietnamkrieg konnte man lesen: „Es ist eine Schwäche der Kirchen, den Krieg zu unterstützen ... Ist jemals ein Krieg geführt worden, ohne daß von beiden Parteien behauptet worden wäre, Gott sei auf ihrer Seite?“30
Werden nur „gerechte Kriege“ unterstützt?
Die Kirchen, die den Krieg, den ihr Land führt, unterstützen, entschuldigen sich oft damit, daß es sich dabei um eine gerechte Sache handle — ihr Land führe nur „gerechte Kriege“. Es sei daher die Pflicht der Kirchen, Kriege, die ihr Land führe, zu unterstützen.
Aber man überlege einen Augenblick. Behauptet nicht jedes Land, das in einen Krieg verwickelt wird, es handle sich dabei um eine „gerechte“ Sache? In einer vor kurzem erschienenen Enzyklopädie kann man lesen: „Die Ziele, die mit einem Krieg verfolgt werden, mögen selbstsüchtig, niederträchtig und schlecht sein, aber die Gründe, die dafür ins Feld geführt werden, sind gewöhnlich edel und vortrefflich. Beide kriegführenden Parteien mögen Gründe vorbringen, die sie berechtigen, Krieg zu führen.“31
Jedes Land führt somit aus „berechtigten Gründen“, auch wenn das Volk anders denken mag, einen angeblich „gerechten Krieg“. Der Patriotismus blüht, und die Kirchen werden mitgerissen, so daß alle „der Fahne folgen“. Der bekannte evangelische Theologe Martin Niemöller sagte, daß es in der Christenheit seit der Zeit der römischen Kaiser so gewesen sei. „Die Kirche hat niemals einen ungerechten Krieg gekannt“, erklärte er, „sondern hat den Krieg ihres Landesherrn immer gerechtfertigt.“32
Der katholische Historiker E. I. Watkin schrieb:
„So schmerzlich das Geständnis sein muß, so können wir die historischen Tatsachen, daß die Bischöfe durchweg alle Kriege unterstützt haben, die die Regierung ihres Landes geführt hat, nicht im Interesse einer falschen moralischen Stärkung oder unehrlichen Vaterlandstreue leugnen oder ignorieren. Ich kenne keinen einzigen Fall, in dem der Episkopat eines Landes einen Krieg als ungerecht verdammt hätte ... Ganz gleich, wie die Theorie der Kirche lautet, in der Praxis haben sich die katholischen Bischöfe in Kriegszeiten immer an den Grundsatz gehalten: ,Mein Land hat immer recht.‘ ... Wo es um einen Nationalismus ging, der zum Krieg trieb, sind sie die Wortführer des Staates gewesen.“33
Stimmt es wirklich, daß die Kirchen „durchweg alle Kriege unterstützt haben, die die Regierung ihres Landes geführt hat“? Hat die Religion nur den Schein erweckt, eine Triebkraft zu rechtem Handeln zu sein, während sie die Menschen in Wirklichkeit zu Krieg und Gewalttat angetrieben hat? Was zeigen die geschichtlichen Tatsachen?
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Die Rolle der Religion in den Kriegen vergangener JahrhunderteErwachet! 1972 | 8. Oktober
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Die Rolle der Religion in den Kriegen vergangener Jahrhunderte
DER englische Philosoph John Locke sagte einmal: „Die Geschichte weiß fast nur von Kämpfen und von Schlachten zu berichten.“34 Wie wir jedoch in einer Enzyklopädie lesen, war die „Religion eine der stärksten Triebkräfte in der Geschichte“.35
Warum hat es fast während der ganzen Menschheitsgeschichte immer wieder furchtbare Kriege gegeben, obschon die Religion einen so großen Einfluß ausgeübt hat? Welche Rolle hat die Religion in den Kriegen der vergangenen Jahrhunderte gespielt?
Die Azteken und der Krieg
Die aztekische Religion lehrte, daß man sich das Wohlwollen der Götter durch Menschenopfer sichern müsse. Der Forscher Victor W. von Hagen schreibt:
„Krieg und Religion waren, zumindest bei den Azteken, voneinander nicht zu trennen. Sie gehörten zusammen. ... Um Sakralopfer darbringen zu können, brauchte man Kriegsgefangene, und um diese zu machen, gab es beständig kleine Kriege.“36
Im Jahre 1486 wurden bei der Einweihung der dem Huitzilopochtli zugedachten großen Tempelpyramide mehr als 20 000 Gefangene als Opfer dargebracht. Einem Gefangenen nach dem anderen wurde das Herz herausgeschnitten und dann dem Gott geopfert. Kannst du dir vorstellen, welche Schrecken diese von der Religion inspirierten Kriege unter den altamerikanischen Völkern verbreiteten?
Die Reiche im Altertum und der Krieg
Welche Rolle spielte die Religion bei den Reichen und Völkern Asiens, Afrikas und Europas vergangener Jahrhunderte oder Jahrtausende? Die Völker des Altertums waren wegen ihrer vielen Kriege und ihrer Religiosität bekannt. Religion und Krieg gingen Hand in Hand. In einer Enzyklopädie lesen wir zum Beispiel:
„Die ägyptische Religion verdammte den Krieg nie. Die ältesten ägyptischen Kriege wurden zwischen den Göttern oder zwischen den Göttern und den Menschen ausgefochten. Wenn die ägyptischen Könige Krieg führten, konnten sie sich auf den von den Göttern geschaffenen Präzedenzfall berufen. ... Kurz, bei jedem Krieg handelte es sich um einen moralischen, ideellen, von einer höheren Macht gebotenen und durch einen Präzedenzfall sanktionierten Krieg.“37
Es gab auch Völker, bei denen die Geistlichkeit die Kriege nicht nur duldete oder billigte, sondern direkt zum Krieg aufforderte. W. B. Wright schrieb (1886) über die Assyrer:
„Die Nation widmete sich dem Kriegshandwerk, und die Priester schürten unaufhörlich den Krieg. Sie bezogen ihren Unterhalt größtenteils aus der Kriegsbeute, von der ihnen stets ein bestimmter Teil zuging, ehe andere ihren Anteil erhielten; denn dieses Volk von Plünderern war außerordentlich religiös.“38
Es ist eine feststehende Tatsache, daß die kriegerischen Völker im Altertum tief religiös waren. Die militärischen Führer flehten regelmäßig ihre Götter um Hilfe an. So lesen wir in einer Enzyklopädie: „Wir stellen fest, daß gewöhnlich die wichtigsten Aufgaben eines Gottes darin bestanden, seinem Volk im Krieg zu helfen und es zu beschützen.“39
Es war üblich, daß die Soldaten Abbilder ihrer Götter mitführten, wenn sie in die Schlacht zogen. Dabei handelte es sich offenbar um Embleme oder Symbole aus Holz oder Metall. Wir lesen darüber in einer Enzyklopädie:
„Die römischen Standarten wurden mit religiöser Ehrfurcht in den Tempeln zu Rom bewacht. Es war nichts Ungewöhnliches für einen General, Befehl zu geben, eine Fahne in die feindlichen Reihen zu werfen, um den Kampfgeist der Soldaten anzuspornen und sie anzufeuern, das wieder zurückzuerobern, was ihnen vielleicht das Heiligste auf Erden war.“40
Natürlich waren diese alten Völker keine Christen. Die Lehren, die Jesus Christus später verbreitete, übten einen großen Einfluß auf die Menschheit aus und bewirkten, daß die Personen, die wirklich gläubig wurden, ein besseres Leben führten.
Im Laufe der Zeit ging aber mit dem Christentum ein großer Wandel vor sich. Im vierten Jahrhundert erhob der korrupte römische Kaiser Konstantin das Christentum aus politischen Gründen zur Staatsreligion. Von da an erlangte die katholische Kirche immer größere Macht. Unterschied sie sich von anderen Religionen? Förderte sie den Frieden? Was ist wahres Christentum?
Die Kreuzzüge — die „heiligen Kriege“ der Christenheit
Im Jahre 1095 berief Papst Urban II. eine Synode nach Clermont ein. Zu jener Zeit war Palästina im Besitz eines Volkes, das sich nicht zum Christentum bekannte. Der Papst forderte daher seine große Zuhörerschaft in Clermont in einer „der zündendsten Reden der Geschichte“ auf, gegen die „Ungläubigen“, in deren Hand das „Heilige Land“ jetzt sei, in den Krieg zu ziehen. Er ermahnte seine Zuhörer mit den Worten:
„Streiter Christi, ... zieht in den Kampf gegen die Barbaren; zieht in den Kampf, um die heiligen Stätten zu befreien ..., badet eure Hände im Blut der Ungläubigen. ... werdet Soldaten des lebendigen Gottes! Wenn Jesus Christus euch zu seiner Verteidigung aufruft, solltet ihr euch nicht durch unwichtige Bindungen zu Hause zurückhalten lassen.“41
So wurden die Kreuzzüge oder „heiligen Kriege“ eingeleitet, und diese Bewegung dauerte etwa zwei Jahrhunderte. „In den Kirchen Europas wurde zur Teilnahme an den Kreuzfahrten ermuntert“, schreibt ein Historiker.42 Ein anderer berichtet: „Bischöfe suchten ihre Diözesanen auf und predigten ihnen dieses militante Christentum. ... Mönche ließen Schwerter anfertigen. ... Aus Europa, das jetzt einem aufgewühlten Meer glich, rollte Welle um Welle an die syrische Küste.“43
Die Grausamkeiten, die auf diesen Kriegszügen begangen wurden, spotten jeder Beschreibung. „Im Namen der Religion und der gerechten Vergeltung konnte man der Lust am Krieg, einem Merkmal jener Zeit, hemmungslos frönen“, schrieb ein Historiker.44 Die Gemetzel, Plünderungen und Greuel, deren sich die Kreuzfahrer schuldig machten, gehören zu dem Schlimmsten, was die Geschichte zu berichten weiß — und alles wurde im Namen Christi begangen! Professor Roland H. Bainton schreibt:
„Es handelte sich dabei um einen Krieg, der von der Kirche eingeleitet worden war. ... In den Chroniken der Kreuzzüge wird ohne Gewissensbisse über Kreuzigungen, das Aufschlitzen von Personen, die Geldstücke verschluckt hatten, und Verstümmlungen berichtet — Bohemund von Antiochien sandte dem griechischen Kaiser eine ganze Ladung Nasen und Daumen, die man den Sarazenen abgeschnitten hatte. ... Die Kreuzfahrer waren beseelt von einer merkwürdigen Mischung barbarischer Kriegslust und christlichen Glaubenseifers.“45
Welch große Verantwortung trägt die Religion dafür, daß sie den Namen Christi mit solchen Greueltaten in Verbindung gebracht hat — Taten, die in krassem Widerspruch zu seinen Lehren stehen! Wie muß Gott über Personen denken, die von ihm eine falsche Vorstellung vermitteln?
Kriege vergangener Jahrhunderte innerhalb der Christenheit
Im Mittelalter kämpften die sogenannten Christen auch unter sich, und zwar vielfach mit dem Segen des Papstes! Über diese Kriege innerhalb der Christenheit schrieb der Historiker J. C. Ridpath: „Die Zustimmung des Papstes spielte bei allen Kriegen im Mittelalter eine wichtige Rolle, und um seine Zustimmung zu erlangen, pflegten die weltlichen Fürsten einander zu überbieten wie bei einer Versteigerung.“46
Etwa um das Jahr 1517 begann dann eine religiöse Bewegung gegen die katholische Kirche, aus der sich der Protestantismus entwickelte und die Anlaß zu weiteren Kämpfen und Kriegen unter den „christlichen“ Völkern gab. G. M. Trevelyan, Professor der Geschichte in Cambridge, schrieb:
„In jener Zeit bildete die Religion die einzige geistige und sittliche Macht, doch ... die Menschlichkeit gehörte nicht zu ihren besonderen Lehren. Es gilt tatsächlich zu berücksichtigen, daß die Religion damals verbunden war mit Folter, Scheiterhaufen, dem Brandschatzen von Städten, dem Niedermetzeln von Frauen und Kindern, einem Haß, der nie stirbt, mit Ungerechtigkeiten, die nie gesühnt werden können. Als Folge der teilweise erfolgreichen Gegenbewegung der katholischen Kirche, um die von ihr abgefallenen Teile der Christenheit wiederzugewinnen, brach über die europäische Bevölkerung eine Zeit großer seelischer und körperlicher Leiden herein, wie sie sie seit vorchristlicher Zeit nie mehr erduldet hatte.“47
Die katholische Kirche kämpfte mit der größten Grausamkeit, um die Protestanten wieder in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Die Protestanten wehrten sich mit aller Macht dagegen. Über die Plünderung der Stadt Antwerpen im Jahre 1576 z. B. berichtet ein Geschichtswerk: „Die spanischen Soldaten, diese edlen Boten der heiligen Mutterkirche, drangen mit dem Ruf in die Stadt ein: ,San Jago! Spanien! Blut! Mord! Feuer!‘ Achttausend Männer, Frauen und Kinder wurden niedergemacht.“48
Besonders grausam war der Dreißigjährige Krieg (1618—1648) zwischen Katholiken und Protestanten. Diesem Krieg fielen drei Viertel der deutschen Bevölkerung zum Opfer. Augsburg verlor von 80 000 Einwohnern 62 000. Und in Böhmen waren mehr als drei Viertel der Bevölkerung umgekommen. Der Fall der protestantischen Stadt Magdeburg zeigt, mit welch unmenschlicher Grausamkeit gekämpft wurde. Friedrich von Schiller schrieb:
„Eine Würgeszene fing jetzt an, für welche die Geschichte keine Sprache und die Dichtkunst keinen Pinsel hat. Nicht die schuldfreie Kindheit, nicht das hilflose Alter, nicht Jugend, nicht Geschlecht, nicht Stand, nicht Schönheit können die Wut des Sieges entwaffnen. Frauen werden in den Armen ihrer Männer, Töchter zu den Füßen ihrer Väter mißhandelt, und das wehrlose Geschlecht hat bloß das Vorrecht, einer gedoppelten Wut zum Opfer zu dienen.“49
Es ist tatsächlich so, daß die Geschichte „fast nur von Kämpfen und Schlachten zu berichten weiß“. Aber es ist auch eine Tatsache, daß die Religion „eine der stärksten Triebkräfte in der Geschichte“ war und daß sie größtenteils für das furchtbare Blutvergießen verantwortlich war. Ist das auch heute noch so?
[Bild auf Seite 11]
Aztekische Priester halten ein Opfer fest, während ein anderer Priester ihm das Herz herausschneidet, um es dem Kriegsgott zu opfern (Szene nach einem Augenzeugenbericht gezeichnet).
[Bild auf Seite 12]
Die Kreuzfahrer waren für einige der schlimmsten Gemetzel und andere Greueltaten, von denen die Geschichte zu berichten weiß, verantwortlich — und alles geschah im Namen Christi!
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Religion und Kriege in der NeuzeitErwachet! 1972 | 8. Oktober
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Religion und Kriege in der Neuzeit
RELIGIONSKRIEGE hat es leider nicht nur in der Vergangenheit gegeben. Solche Kriege gibt es noch heute. Man braucht zum Beispiel nur die Zeitungsmeldungen über die „Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten“ in Irland zu lesen.50
In rund dreißig Monaten, seit August 1969, sind über 200 Personen den Kämpfen zum Opfer gefallen, und viele Hunderte sind verletzt worden. In einem Bericht der New York Times hieß es: „Ausgebrannte Läden, zertrümmerte Fensterscheiben, der Verkauf von Waren, die bei Bombenanschlägen beschädigt worden sind, zerbrochene Schaufensterpuppen vor verriegelten Geschäftseingängen — alles das erinnert, zum Teil in grotesker Weise, an die traurige Tatsache, daß der Städtekrieg zwischen den Protestanten und Katholiken an Heftigkeit zugenommen hat.“51
Aber wie steht es mit Kreuzzügen oder „heiligen Kriegen“? Du denkst vielleicht, in unserer Zeit habe die Religion keine Kriege unterstützt, so, wie sie die Kreuzzüge unterstützt habe. Doch das ist ein Irrtum. Kirchenführer selbst geben zu, daß das geschehen ist.
Im Juli 1969 brach zum Beispiel zwischen El Salvador und Honduras Krieg aus. Im Jahrbuch einer Enzyklopädie kann man darüber lesen: „Die Kampfhandlungen forderten Opfer und brachten Leiden über die Bevölkerung in einem Ausmaß, wie es bisher in der salvadorianischen Geschichte kaum bekannt war.“52 Wer war für diesen Krieg verantwortlich?
Der honduranische Bischof Jose Carranza warf der katholischen Geistlichkeit in El Salvador vor, durch Schriften, Reden und ihre Haltung zum Krieg gehetzt zu haben. Er erklärte, sie hätte ihn einen „heiligen Krieg“ genannt und die Katholiken aufgefordert zu kämpfen.53
Es ist eine Tatsache, daß sich die Kirchen heute nicht viel von der Kirche im Mittelalter unterscheiden, als die Geistlichen ihre Gemeindeglieder aufforderten, „gegen die Ungläubigen in den Krieg zu ziehen“. Der namhafte Kirchenhistoriker Roland H. Bainton schrieb zum Beispiel: „In den Vereinigten Staaten benahmen sich besonders die Kirchen so, als handle es sich beim Ersten Weltkrieg um einen Kreuzzug.“54
Der Erste Weltkrieg — ein „heiliger Krieg“?
Der Erste Weltkrieg hatte offensichtlich ganz andere Ziele als die „heiligen Kriege“ vergangener Jahrhunderte. Die katholische Kirche förderte die Kreuzzüge, um das „Heilige Land“ wiederzugewinnen. Der Weltkrieg dagegen hatte vorwiegend politische Ziele. Doch die Rolle, die die Religion im Ersten Weltkrieg spielte, hatte eine große Ähnlichkeit mit der Rolle, die sie in früheren „heiligen Kriegen“ spielte.
Der Dekan der Theologischen Fakultät einer Hochschule in Claremont (USA), Joseph C. Hough, wies auf diese Ähnlichkeit hin, indem er das Beispiel des Bischofs von London, A. F. Winnington-Ingram, anführte. Dieser Bischof trieb die Engländer mit den Worten an:
„Tötet die Deutschen — tötet sie; nicht des Tötens wegen, sondern um die Welt zu retten, um die Guten und die Bösen zu töten, die Jungen und die Alten, diejenigen, die unseren Verwundeten Güte erwiesen haben, sowie die Unholde ... Wie ich schon tausendmal gesagt habe, betrachte ich ihn als einen Krieg zur Bewahrung der Reinheit, und ich betrachte jeden als Märtyrer, der in diesem Krieg gefallen ist.“55
Und was hörte man von der anderen kriegführenden Partei? Der Erzbischof von Köln sagte zu den deutschen Soldaten:
„Geliebtes Volk unseres Vaterlandes! Gott ist mit uns in diesem Kampf für Gerechtigkeit, in den wir gegen unseren Willen verwickelt worden sind. Wir gebieten euch im Namen Gottes, bis zum letzten Blutstropfen für Ehre und Ruhm des Landes zu kämpfen. In seiner Weisheit und Gerechtigkeit weiß Gott, daß wir auf der Seite der Gerechtigkeit stehen, und er wird uns den Sieg verleihen.“56
Diese Worte erinnern an die flammenden Worte Papst Urbans: „Zieht in den Kampf gegen die Barbaren“, mit denen er die Kreuzzüge einleitete. Doch die Worte des Bischofs von London und des Erzbischofs von Köln sind nicht ungewöhnlich. Im Gegenteil, sie sind für den Geist, der in den Kirchen beider kriegführenden Parteien während des Ersten Weltkrieges herrschte, charakteristisch.
Über die amerikanischen Kirchen schrieb Professor Bainton:
„Zu keiner anderen Zeit waren die amerikanischen Geistlichen aller Bekenntnisse sich so einig und stimmten alle so mit den Absichten der Regierung überein. Es handelte sich dabei um einen heiligen Krieg. Jesus trug die Uniform und wurde mit dem Gewehr im Anschlag dargestellt. Die Deutschen waren Hunnen. Sie zu töten bedeutete, die Erde von Ungeheuern zu befreien.“57
Diese Schilderung der Einstellung der Geistlichkeit ist nicht übertrieben. In der Zeitschrift Fortune wurde in einem Leitartikel ausgeführt: „Der Haß gegen den Feind, von dem die Soldaten an der Front erfüllt waren, bewirkte keine Äußerungen, die einen Vergleich mit den Beschimpfungen ausgehalten hätten, welche von den Dienern Christi gegen die Deutschen geschleudert wurden.“58 In seinem Buch Preachers Present Arms (Pfarrer präsentieren das Gewehr) widmet Ray H. Abrams der Unterstützung des Krieges durch die Geistlichkeit ein ganzes Kapitel, das er überschrieb: „Der heilige Krieg“. Darin wird Randolph H. McKim angeführt, der in einer Predigt in seiner Kirche in Washington folgendes sagte:
„Gott hat uns aufgerufen, in diesen Krieg zu ziehen. Es ist Gottes Krieg, den wir kämpfen. ... Es handelt sich dabei tatsächlich um einen Kreuzzug. Es ist der größte der Geschichte — der heiligste. Es ist im vollkommensten und wahrsten Sinne des Wortes ein heiliger Krieg. ... Ja, Christus, der König der Gerechtigkeit, fordert uns auf, diese unheilige und gotteslästerliche Macht [Deutschland] niederzuringen.“59
Auch Albert C. Dieffenbach, Herausgeber der Zeitschrift The Christian Register, schrieb in einem Leitartikel:
„Als Christen sagen wir natürlich, daß Christus ihn [den Krieg] gutheiße. Würde er aber selbst kämpfen und töten? ... Er würde vor keiner Gelegenheit zurückschrecken oder sich keine Gelegenheit entgehen lassen, einen Feind zu töten! Er würde zum Bajonett greifen, zu Granaten und Bomben und dem Gewehr und das todbringende Werk gegen den größten Feind des Königreiches seines Vaters der vergangenen tausend Jahre verrichten.“60
Bist du entsetzt, solche Äußerungen zu lesen? Doch solche und ähnliche Äußerungen konnte man während des ganzen Weltkrieges von vielen Geistlichen hören oder in religiösen Zeitschriften lesen. Wenige Geistliche der beiden kriegführenden Parteien waren dagegen, daß gekämpft und getötet wurde. R. H. Abrams schrieb, es sei ihm nicht gelungen, einen einzigen Priester ausfindig zu machen, der nicht mit dem Krieg einverstanden gewesen sei.
Nun begreifst du, warum der britische Brigadegeneral Frank P. Crozier schrieb: „Die christlichen Kirchen verstehen es ausgezeichnet, die Mordlust zu wecken, und wir haben sie fleißig dazu benutzt.“61
Was wäre geschehen?
Doch was wäre geschehen, wenn die Kirchen in den kriegführenden Staaten ihren Gemeindegliedern eingeschärft hätten, daß es ein Unrecht sei, die Mitmenschen zu töten, besonders die Mitchristen? Da die Bevölkerung dieser Länder sich fast ausnahmslos zum Christentum bekannt hat, hätte kein Krieg geführt werden können!
Zu dieser Frage nahm Stephen S. Wise, damals ein führender Rabbiner, Stellung, indem er sagte: „Der gegenwärtige Krieg kann nur geführt werden, weil die Kirchen und Synagogen das Volk nicht richtig geführt haben.“62 Die Kirchen hatten es versäumt, das Volk so zu unterweisen, daß es nicht bereit gewesen wäre, in den Krieg zu ziehen — doch das ist ein charakteristisches Merkmal der Kirchen.
Die Kirchen und der Zweite Weltkrieg
War es im Zweiten Weltkrieg anders? Über den führenden protestantischen Theologen Reinhold Niebuhr wurde folgendes gesagt: „Er veranlaßte viele amerikanische Christen, sich vom Pazifismus abzuwenden und es als sittliche Pflicht anzuerkennen, im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler zu kämpfen.“63
Der zeitgenössische Historiker A. P. Stokes schrieb: „Die Kirchen befaßten sich im großen und ganzen nicht nur mit Fragen, die mit der Hilfe für Kriegsgeschädigte zusammenhingen ..., sondern sie unterstützten den Krieg in noch tatkräftigerer Weise. Einige bezeichneten ihn sogar als einen Religionskrieg.“64
Auch in Frankreich und England unterstützten die Kirchen die Sache ihres Landes. Der katholische Erzbischof von Cambrai bezeichnete zum Beispiel den Kampf Frankreichs als einen „Krieg zur Verteidigung der Kultur, des Völkerrechts, der Sittlichkeit, der Freiheit, kurzum der Menschlichkeit“.65 Die Kirchen beeinflußten ihre Gemeindeglieder offensichtlich so, daß sie in den Krieg gegen Deutschland zogen.
Aber wie verhielten sich die Kirchen in Deutschland? Unterstützten sie Adolf Hitler? Unterstützten sie seine Kriegsziele?
Wie sie Hitler unterstützten
Im Jahre 1933 wurde ein Konkordat zwischen Deutschland und dem Vatikan unterzeichnet. Nach Artikel 16 des Konkordats war jeder Bischof der katholischen Kirche verpflichtet, bevor er von seiner Diözese Besitz ergriff, dem Hitler-Regime einen „Treueid“ zu leisten. Und nach Artikel 30 mußte an den Sonn- und Feiertagen im Anschluß an den Hauptgottesdienst „ein Gebet für das Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes“ eingelegt werden.66
Im Jahre 1936, als Gerüchte im Umlauf waren, daß die katholische Kirche sich gegen das Hitler-Regime stelle, erklärte Kardinal Faulhaber in einer Predigt, die er am 7. Juni hielt: „Ihr seid alle Zeugen der Tatsache, daß wir an den Sonntagen und den Feiertagen beim Hauptgottesdienst in allen Kirchen für den Führer beten, wie wir im Konkordat versprochen haben. ... Dieser Zweifel an unserer Treue gegenüber dem Staat schmerzt uns.“67
In welche Richtung führten die Kirchen somit das deutsche Volk? Friedrich Heer, katholischer Geschichtsprofessor an der Universität in Wien, schreibt: „In der harten Realität deutscher Wirklichkeit rückten Kreuz und Hakenkreuz immer enger zusammen, bis das Hakenkreuz von den Türmen der deutschen Dome seine Siegesbotschaft verkündete, Hakenkreuzfahnen sich eng um die Altäre scharten, katholische und evangelische Theologen, Pfarrer, Kirchenmänner, Staatsmänner den Bund mit Hitler begrüßten.“68
Am 17. September 1939, zwei Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Polen, veröffentlichten die deutschen Bischöfe einen gemeinsamen Hirtenbrief, in dem sie schrieben: „In dieser entscheidenden Stunde ermutigen und ermahnen wir unsere katholischen Soldaten, aus Gehorsam zum Führer ihre Pflicht zu tun und bereit zu sein, ihre ganze Person zu opfern. Wir appellieren an die Gläubigen, sich in innigen Gebeten zu vereinen, damit Gottes Vorsehung diesen Krieg zu einem gesegneten Erfolg und zum Frieden für Vaterland und Volk führen möge.“69
Im Sommer 1940 erklärte der katholische Bischof Franz Josef Rarkowski: „Das deutsche Volk ... hat ein ruhiges Gewissen ... Es weiß, daß es selbst einen gerechten Krieg führt, herausgeboren aus der Notwendigkeit völkischer Notwehr.“70
In einer Ausgabe der New York Times vom Jahre 1939 konnte man lesen: „In deutschen protestantischen und katholischen Kirchenblättern erscheinen jetzt viele Artikel, in denen dargelegt wird, daß es die Pflicht des Soldaten sei, sein Vaterland zu verteidigen, und in denen die deutschen Soldaten ermahnt werden, im Geist St. Michaels für einen deutschen Sieg und einen gerechten Frieden zu kämpfen.“71
Kann man nicht deutlich erkennen, wohin die Kirchen das deutsche Volk geführt haben? Professor Gordon Zahn schrieb: „Und so konnte es geschehen, daß der deutsche Katholik, der bezüglich seines Dienstes in Hitlers Kriegen zu seinen religiösen Oberen um geistlichen Rat und geistliche Führung emporsah, im Grunde dieselben Antworten erhielt, die er vom Machthaber selbst erhalten hätte.“72
Welche geistliche Führung das Kirchenvolk erhielt, zeigt sich darin, daß es den Krieg voll und ganz unterstützte. Professor Heer erklärte: „Von rund 32 Millionen deutschen Katholiken — 15 1⁄2 Millionen Männer — verweigern sieben Männer offen den Wehrdienst. Sechs davon sind Österreicher.“73 Ähnlich war die Lage bei den deutschen Protestanten.
Somit leiteten die Kirchen in jedem Land ihre Mitglieder an, in den Krieg zu ziehen. Auf den Schlachtfeldern brachten die Katholiken sich gegenseitig um. Ein Protestant tötete den anderen. Und die Kirchenführer beider kriegführenden Parteien beteten zu Gott um den Sieg!
Welche Entehrung Gottes war es doch, seinen Namen mit diesen Greueltaten in Verbindung zu bringen! Bestimmt treffen die Worte der Bibel vorzüglich auf die Kirchen zu: „Sie erklären öffentlich, Gott zu kennen, aber sie verleugnen ihn durch ihre Werke, weil sie verabscheuungswürdig und ungehorsam und für jedes gute Werk unbewährt sind.“ — Tit. 1:16.
Religion und Revolution
Die Kirchenführer unterstützen nicht nur Kriege, sondern auch Revolutionen. Im Jahre 1937 wurden die spanischen Katholiken von ihren Geistlichen aufgefordert, das movimiento General Francos gegen die Zweite Republik zu unterstützen. Vor kurzem haben nun aber Bischöfe und Priester, die mit dem Franco-Regime unzufrieden sind, sich dafür entschuldigt, daß die Kirche sein movimiento unterstützt hat.74
Über die heutigen Ansichten schreibt der lutherische Theologe Karoly Pröhle: „Unter den Theologen besteht heute eine beachtenswerte Übereinstimmung bezüglich der Tatsache, daß es Christen erlaubt sei, sich an einer Revolution zu beteiligen.“75 Vor kurzem erklärten die katholischen Bischöfe Englands: „Man darf nicht nur die Anwendung von Gewalt gegen die Obrigkeit verurteilen, da es offensichtlich Obrigkeiten gibt, die sich noch größerer Gewaltanwendung schuldig machen.“76
Ist es daher überraschend, daß sich Kirchenmitglieder heute an Revolutionen beteiligen? George Celestin, Theologieprofessor an der St.-Edwards-Universität in Austin (Texas), schrieb: „Christen nehmen jetzt den Standpunkt ein, ungerechte soziale und politische Ordnungen so schnell wie möglich zu ändern. In einigen Fällen mag das bedeuten, daß die Kirchen gezwungen sind, die Anwendung von Gewalt zu predigen.“77
Das alles zeigt deutlich, wie sich die Religion gegenüber dem Krieg und der Gewaltanwendung verhalten hat; und was sie getan hat, ist entsetzlich. Die Religion trägt die Hauptschuld an dem Tod derer, die, wie wir in Offenbarung 18:24 lesen, „auf der Erde hingeschlachtet worden sind“.
Ist sie auch mitschuldig an dem Sittenverfall, der in der ganzen Welt vor sich geht? Welche Rolle spielt sie dabei?
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