Jetzt ist mein Haus außer Gefahr
„WIE kann man sich nur ein Haus kaufen, von dem jeder weiß, daß es vom Untergang bedroht ist?“ dachten vermutlich meine Nachbarn. Ich nehme an, daß sie es als sonderbar empfanden, da das Haus direkt an einem Steilufer des Michigansees liegt.
Man muß wissen, daß der Wasserstand des Michigansees, ebenso wie der seiner „Brüder“, der anderen der Großen Seen, in den letzten Jahren angestiegen ist. Das hat bewirkt, daß eine Anzahl von Häusern durch Wasserspülung „untergraben“ wurde, am Ufer hinabrutschte und zerbrach. Mein neues Haus wurde als Hauptanwärter für einen solchen Rutsch betrachtet.
Welche Versuche unternehmen hier die meisten Hauseigentümer, um die Erdabtragung aufzuhalten? Sie lassen sich auf einen „Kampf mit den Wellen“ ein, der sich oft als eine sehr frustrierende und teure Schlacht erweist. Die üblichste Abwehrmaßnahme besteht in einer Mauer, die entweder gleich am Wasserrand oder im Wasser errichtet wird. Einige meiner Nachbarn haben dafür Tausende von Dollar ausgegeben, und dennoch wurden diese Mauern von den Wellen zerstört.
Ausführungen der Mauern
Ich habe die verschiedenen Ausführungen der Mauern untersucht. Gewöhnlich bestehen sie aus Holz, aus Stahlplatten oder Stahlbeton. Ich fand bald heraus, daß sie alle Nachteile hatten. Eine Holzmauer ist billiger und leichter zu errichten, doch muß sie eines Tages ersetzt werden, da sie nicht den gewaltigen Stürmen standhalten kann, die für die Großen Seen typisch sind.
Für das Aufstellen von Stahlplatten benötigt man einen Kran, der die Platten in Stellung hält, während sie in den Sand getrieben werden. Da die Teile in manchen Fällen nicht vom Ufer aus an die betreffende Stelle gebracht werden können, müssen sie mit einem Schiff herantransportiert werden. Man kann sich gut vorstellen, wie teuer das Ganze wird.
Die dritte Ausführung, eine stabile Mauer aus Stahlbeton, scheint die meisten Nachteile zu haben. Diese Mauern werden von den Wellen schneller zerstört als die Holz- und die Stahlbarrieren, offensichtlich deshalb, weil Beton nicht nachgibt. Ich lernte es sehr schnell, die gewaltige Kraft einzuschätzen, die eine einzige Welle ausüben kann.
Ein anderer Entwurf
Warum lagern die Wellen an dem einen Ufer Sand ab, wodurch sie in Wirklichkeit einen Strand aufbauen, und spülen ihn dagegen von einem anderen weg? Offensichtlich spielen viele Faktoren eine Rolle. Allerdings kam ich durch das Studium der Wellen auf den Entwurf, den ich schließlich verwirklichte.
Wenn man Wellen beobachtet, die sich über einen sanft abfallenden Strand ergießen, sieht man, wie ein Teil des Wassers im Sand versickert, so daß weniger Wasser zurückfließt. Außerdem verrichtet jede Welle am Strand „Aufbauarbeit“, indem sie Sand ablagert. Könnte man eine Barriere herstellen, die Gottes Schöpfung, einem natürlichen Strand, nachgebildet ist? Ich kam zu dem Schluß, daß eine Wand, an der die Wellen entlangrollen, etwas versickern und mit verringerter Geschwindigkeit zurückkehren könnten, eine gute Hilfe für den Aufbau eines Strandes wäre.
Außerdem kann man, wenn man am Rand des Michigansees steht, spüren, wie der Boden „vibriert“, weil die Wellen mit großer Kraft ankommen. „Eine solche Kraft können wir nicht abrupt anhalten“, dachte ich mir. Daher schlußfolgerte ich schließlich, daß in den meisten Fällen der Winkel zwischen der heranrollenden Welle und der Mauer der entscheidende Konstruktionsfehler ist. Im allgemeinen stehen die Mauern nämlich senkrecht. Daher wird die Welle gezwungen, zum völligen Stillstand zu kommen. Es ist das alte Lied: Eine unwiderstehliche Kraft schwächt im Laufe der Zeit den nicht so unbeweglichen Gegenstand.
Vielleicht ist deiner Meinung nach die ideale Lösung eine Mauer, die so stark ist, daß sie keine schwachen Stellen aufweist. Allerdings gibt es bei einer senkrechten Mauer noch ein anderes grundlegendes Problem.
Der Sand, den die Wellen beim Überspülen der Mauer mitbringen, baut sich dahinter auf. Während die Wellen gegen die Vorderseite der Wand schmettern, bewirkt die Bodenerschütterung hinter der Wand, daß sich der Sand setzt. Er ballt sich immer dichter zusammen und zwingt dadurch die Mauer, sich nach vorn in Richtung des Sees zu neigen.
Hat sich einmal eine solche Wand nach vorn geneigt, dann entstehen wirklich Schwierigkeiten. Durch den so entstandenen Winkel wühlen die Wirbel des heranpeitschenden Wassers viel stärker nach unten und waschen dadurch sehr schnell den Sand auf der Seeseite der Mauer aus. Der Druck hinter der Wand wird also immer größer und die Unterstützung vor der Wand immer geringer. Es dauert nicht mehr lange, und die Mauer kippt in den Graben, den die Wellen davor geschaffen haben.
All diese Betrachtungen über senkrechte Wände und auch meine Beobachtungen über einen natürlichen Strand führten mich zu der Schlußfolgerung, daß sich das, was ich bauen würde, ganz gleich, wie es im einzelnen aussehen würde, nach „hinten“ — uferwärts — neigen sollte. Die Wellen würden allmählich angehalten werden. Eis und Treibgut würden sich an der Wand hinaufschieben, anstatt dagegenzuschlagen.
Aber wie könnte man preiswert eine Barriere errichten, die sich uferwärts neigen und die es den Wellen ermöglichen würde, entlangzurollen und zu versickern?
Die Konstruktion der Schutzvorrichtung
Ich entschied mich schließlich dafür, eine Mauer aufzustellen, die aus einzelnen Betonplatten besteht. Wenn jede Platte frei steht, kann sie sich bewegen oder etwas nachgeben, ohne gegen andere zu drücken. Natürlich richtet sich die Größe der Platten nach dem Bedarf; ich baute Gießformen für Platten mit den Abmessungen 2,5 m × 45 cm × 25 cm. Jede Platte wurde der Länge nach mit drei Stahlstäben versehen.
Als nächstes verwendete ich eine Kreiselpumpe, die für eine hohe Förderleistung (ungefähr 380 Liter in der Minute) ausgelegt ist, um ein genügend großes Loch in den Sand zu waschen, damit die Platten dort untergebracht werden konnten. Sie wurden so tief eingesetzt, daß über dem Sand lediglich 45 cm des Betons frei waren. Jede Platte stand in einem Winkel von ungefähr 35 Grad zur Senkrechten, uferwärts geneigt.
Jetzt brauchte man sofort etwas Material für die Uferseite der Platten. Es mußte schwer genug sein, um der ständigen Spülwirkung des Wassers zu widerstehen und doch Wasser durchsickern zu lassen. Ich hielt Granitsteine für das Beste, da sie für ihre Größe ziemlich schwer sind. Daher beseitigte ich den Sand bis in eine Tiefe von ungefähr einem Meter unterhalb der Betonplattenoberkante und füllte mit kleinen Steinen auf.
Wie aus dem Diagramm ersichtlich, besteht der Trick darin, daß die Körnung der Steine von unten nach oben zunimmt. Die schweren Steine auf der Oberseite können nicht von den stürmischen Wassermassen bewegt werden, und die kleineren Steine darunter hindern Gischt und schwere Regenfälle daran, den Boden durch den Stein hindurch auszuwaschen. Es ist auch günstig, auf die bereits bestehende Uferbank eine Schicht Kiesel zu legen.
Ein harter Test
Kurz nach der Fertigstellung meiner Konstruktion fegte über die Großen Seen ein heftiger Sturm. Bei diesem Sturm sank eines der größeren Schiffe auf diesen Seen, die 222 Meter lange Edmund Fitzgerald. Während des ganzen Sturmes war ich gespannt, ob meine Barrikade standhalten würde. Danach war ich erfreut darüber, an der ganzen Länge der Mauer keine ernsthaften Schäden zu finden.
Die Mauer ist heute nahezu 45 Meter lang und funktioniert soweit ziemlich gut. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß durch diese Methode der Strand in der erhofften Weise aufgebaut wird. Es ist offensichtlich besonders wirksam, die Wellen „geradewegs“ auf den Strand laufen zu lassen.
Nach nur zwei Jahren kann man noch nicht sagen, ob es, auf längere Zeit gesehen, Probleme geben wird. Aber unser „Deich“ hat seine Dauerhaftigkeit schon unter Beweis gestellt, und meine Familie wohnt jetzt in Sicherheit. Wir leben nicht mehr in einem Haus, das vom Untergang bedroht ist. (Eingesandt.)
[Diagramm auf Seite 25]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Stahlbetonplatten
Seegrund
45 cm
Kieselsteine
Granitsteine (Körnung bis zu 1/2 cm)