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Abtreibung — Wer ist im Recht?Erwachet! 1987 | 8. April
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Abtreibung — Wer ist im Recht?
ZWEI erstklassige Spezialisten teilen dir mit, dein Kind habe eine Überlebenschance von nur 0,1 Prozent. Falls es überhaupt lebend geboren würde, hätte es schwere Anomalien und könnte innerhalb weniger Tage sterben. Was tust du? Läßt du es darauf ankommen? Oder entscheidest du dich für einen Schwangerschaftsabbruch?
Eine unwahrscheinliche Situation, denkst du vielleicht. Aber sie kann vorkommen; in London trat dieser Fall tatsächlich ein. Erfreulicherweise unterstützte das Krankenhaus die Eltern in ihrer Entscheidung, das Kind auszutragen. „Wir wurden nicht ein einziges Mal zu einem Schwangerschaftsabbruch gedrängt“, erklärte der Vater. Die Eltern haben nun ein Söhnchen, das ohne irgendwelche auffallenden körperlichen Schäden geboren wurde.
„Natürlich freuen wir uns sehr darüber“, sagte einer der Fachärzte. „Die Schwierigkeit besteht eben darin, daß in der Biologie nichts mit 100prozentiger Sicherheit zu sagen ist.“ Das ist durchaus richtig, aber das Fehlurteil eines Arztes (oder der Eltern) ist nur einer von vielen Aspekten in dem heutigen Dilemma, was das Für und Wider der Schwangerschaftsabbrüche betrifft.
Konfliktfaktoren
Die medizinischen und ethischen Standpunkte bei dem Für und Wider der Abtreibungen sind gefühlsgeladen. Von Interessengruppen beider Seiten werden ernst zu nehmende Stimmen laut, die Gehör und Verständnis fordern, und man führt oft hitzige Debatten. Wer ist im Recht?
Die zuvor erwähnten Eltern haben offensichtlich die richtige Entscheidung getroffen. Was aber, wenn die Ärzte mit ihrer Diagnose recht gehabt hätten? Wäre es unter diesen Umständen richtig gewesen, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen?
Wenn es dir schwierig oder gar unmöglich erscheint, diese Frage zu beantworten, bist du nicht allein. Wie wir sehen werden, gibt es jedoch hilfreiche Richtlinien. Beachten wir zunächst das weltweite Ausmaß des Problems.
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Abtreibung — Überall UneinigkeitErwachet! 1987 | 8. April
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Abtreibung — Überall Uneinigkeit
WIE viele Abtreibungen — legal oder illegal — werden jährlich weltweit vorgenommen? In dem Buch Abortion (Abtreibung) wird gesagt, die Zahl sei höchstwahrscheinlich „zumindest so hoch wie die Zahl der Todesfälle unter Erwachsenen“, die bei etwa 45 Millionen liegt. Die Internationale Vereinigung für geplante Elternschaft schätzt die Zahl hingegen auf 55 Millionen.
Die Sowjetunion war das erste Land, wo der Eingriff legalisiert wurde, und zwar im Jahre 1920. In einem unverbürgten Bericht ist von fünf Millionen Abtreibungen jährlich in der Sowjetunion die Rede. Wie die Gesundheitsbehörden in China erklärt haben, beträgt dort die Zahl der Abtreibungen annähernd neun Millionen — ein Drittel der Schwangerschaften. In Japan sind es über zwei Millionen, und die Vereinigten Staaten berichten über eineinhalb Millionen. In Großbritannien beträgt die Zahl fast eine viertel Million, und in der Bundesrepublik Deutschland ist sie nach eigenen Schätzungen mindestens genausohoch.
In den katholischen Ländern Spanien und Irland ist die Abtreibung nicht legalisiert. Dennoch lassen jährlich Zehntausende von Frauen den Eingriff vornehmen. Wie? Es gibt natürlich Kliniken, die illegal Abtreibungen durchführen. Doch viele Frauen reisen einfach in ein Land, wo der Eingriff legal ist, wobei die Wahl bevorzugt auf Großbritannien fällt.
Ganz offensichtlich werden nicht alle diese Abtreibungen vorgenommen, weil das Kind mit körperlichen oder geistigen Schäden zur Welt kommen könnte oder weil die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung oder von Inzest ist. Statistiken aus Großbritannien lassen erkennen, daß kaum zwei Prozent der Abtreibungen deshalb vorgenommen werden. Warum dann die vielen Abtreibungen? Dafür gibt es zwei Hauptgründe.
Worum es im Grunde geht
In alter Zeit war das Bevölkerungswachstum kein Problem. Die Stämme und Völker waren über eine zahlenmäßige Zunahme beglückt, und die Frauen hatten kaum Veranlassung, die Größe ihrer Kinderschar zu begrenzen. Abtreibungen waren gewöhnlich verboten und meist die Folge von Ehebruch oder vorehelichem Geschlechtsverkehr.
Im Gegensatz dazu ist es heute möglich, daß eine Regierung Abtreibungspolitik betreibt. Dadurch kann die Geburtenrate in Ländern eingedämmt werden, wo eine Bevölkerungsexplosion droht.
Eine solche Gefahr besteht in vielen westlichen Ländern nicht, dennoch steigt die Zahl der Abtreibungen. Warum? „Wenn uns an der Freiheit der Frau gelegen ist“, betonte eine Sprecherin der Religiösen Vereinigung für das Recht auf Abtreibung (New York), „muß uns auch daran gelegen sein, daß Frauen das Recht haben, ihre eigene Gewissensentscheidung zu treffen.“
Aber hat eine Frau, wenn Leben in ihr gezeugt worden ist, das unanfechtbare Recht, die Mutterrolle von sich zu weisen und ihr Kind abtreiben zu lassen? Ist diese Handlungsweise vertretbar? Dies ist der Brennpunkt der heutigen Debatten über das Für und Wider der Abtreibung. Wie lautet die Antwort?
Vieles hängt einfach von der Definition ab. Was ist Leben? Wann beginnt es? Hat ein ungeborenes Kind irgendwelche gesetzlichen Rechte?
Wann beginnt das Leben?
Wenn sich die 23 Chromosomen einer männlichen Samenzelle mit der gleichen Anzahl einer weiblichen Eizelle vereinigen, wird neues menschliches Leben gezeugt. Vom Zeitpunkt der Empfängnis an sind das Geschlecht und Einzelheiten der Persönlichkeit unabänderlich festgelegt. Während der neunmonatigen Schwangerschaft besteht die einzige Veränderung im Wachstum. „Es ist eine biologische Tatsache, daß jeder einmal eine einzige Zelle war“, schreibt Dr. John C. Willke. Beginnt das Leben folglich im Augenblick der Empfängnis? Viele antworten mit Ja. Und wenn man so denkt, ist eine Abtreibung zu jedem beliebigen Zeitpunkt gleichbedeutend mit Mord.
Andere behaupten, das Leben beginne etwa 20 Wochen nach der Befruchtung. Wie kommen sie zu dieser Ansicht? Die Mutter spürt um diese Zeit, daß sich der Fetus bewegt. Von der 20. Woche an kann ein Kind lebend geboren werden, und Abtreibungen werden gewöhnlich bis zur 24. Schwangerschaftswoche vorgenommen — ein Zeitraum, der allgemein akzeptiert wird. Ist dies der Zeitpunkt, von dem an ein Kind vom Gesetz her lebt?
In Großbritannien wird das Ungeborene gesetzlich nicht als Mensch anerkannt. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, kann keine Abtreibung, juristisch gesehen, als Mord bezeichnet werden. Hat aber das Kind den Mutterleib verlassen, auch wenn die Nabelschnur noch nicht durchtrennt ist, wäre es eine strafbare Handlung, das Kind zu töten. Von diesem Zeitpunkt an steht das Kind unter Rechtsschutz. So gesehen, beginnt das Leben bei der Geburt.
Dies ist auch die jüdische Auffassung, wie sie der Oberrabbiner von Großbritannien zum Ausdruck brachte. Das Leben „beginnt erst bei der Geburt“, sagte er. „Wir sehen die Tötung des Ungeborenen nicht als Mord an.“ Welche Ansicht vertritt man dann über den Fetus, das Kind, das im Mutterleib wächst? In dem Buch Marital Relations, Birth Control and Abortion in Jewish Law (Eheliche Beziehungen, Geburtenkontrolle und Abtreibung im jüdischen Gesetz) erklärt der Rabbiner David M. Feldman (New York): „Der Fetus ist ein unbekanntes, künftiges, potentielles Wesen, ein Teil der ‚Geheimnisse Gottes‘.“
Widersprüchliche Ansichten
Daraus läßt sich leicht folgern, die Abtreibung sei vom religiösen Standpunkt aus betrachtet akzeptabel. Aber nicht alle Religionen denken so. Man beachte den offiziellen Standpunkt der katholischen Kirche.
Im Jahre 1869 setzte Papst Pius IX. die Strafe der Exkommunikation für die Abtreibung der Leibesfrucht fest, ganz gleich zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft. Papst Pius XII. formulierte dieses Prinzip 1951 neu und sagte: „Jedes menschliche Wesen, auch das Kind im Mutterschoß, [hat] das Recht auf das Leben unmittelbar von Gott, nicht von den Eltern.“ In Kenia erklärte Papst Johannes Paul II. 1985 offen: „Handlungen wie Empfängnisverhütung und Abtreibung sind falsch.“
Heute behaupten hingegen viele Katholiken, diese Haltung sei überholt und müsse revidiert werden. Innerhalb der katholischen Kirche ist man also geteilter Meinung. Es folgen einige Fakten.
Das Dilemma der katholischen Kirche
Kardinal Bernardin, Vorsitzender einer aus amerikanischen Bischöfen bestehenden Kommission, einer Aktion für das Leben, behauptet, Abtreibung sei ein moralisches Vergehen und der offizielle Standpunkt der Kirche sei für alle Katholiken verbindlich. Außerdem schrieb James T. Burtchaell, katholischer Professor für Moraltheologie an der Notre-Dame-Universität in den Vereinigten Staaten, im Jahre 1982: „Ich äußere mich unumwunden. Abtreibung ist Mord: die Tötung eines Kindes.“ Vier Jahre später hingegen gab sich Priester Richard P. McBrien, Vorsitzender der theologischen Abteilung derselben Universität, alle Mühe, zu erklären, seine Kirche habe kein definiertes Dogmaa über Abtreibung. Nach dieser Ansicht können Katholiken, die die Abtreibung billigen, nicht exkommuniziert werden, obgleich sie als nicht loyal angesehen werden mögen.
Zufolge dieser Uneinigkeit innerhalb der kirchlichen Obrigkeit sprechen sich viele führende Katholiken offen für die Abtreibung aus. Zu ihnen gehören in den Vereinigten Staaten Priester sowie eine Reihe von Nonnen, von denen einige offen eine umstrittene Zeitungsanzeige über Abtreibung billigten, wofür man ihnen mit dem Ausschluß aus dem Orden drohte.
Zudem bilden katholische Laien derzeit eine Lobby aktiver Abtreibungsbefürworter. „Ich befinde mich mitten in der Strömung des katholischen Laiendenkens“, versicherte Eleanor C. Smeal, Vorsitzende der NOW, der US-Frauenorganisation, auf einer Tagung über Abtreibung in Washington (D. C). Gleichzeitig machte sie sich, so die New York Times, über die Möglichkeit lustig, daß ihr Eintreten für das Recht auf Abtreibung zu ihrer Exkommunikation aus der katholischen Kirche führen könnte.
Für die katholische Kirche wird es immer schwieriger, innerhalb ihrer Reihen die Wogen zu glätten.
Die Gefahren illegaler Abtreibungen
Ein Gesetz über Abtreibung zu verabschieden ist problematisch. Schwieriger ist es jedoch, eine diesbezügliche gesetzliche Regelung durchzusetzen, selbst wenn eine Regierung die besten Beweggründe hat. Es geht um Menschen — um ihren intimen und persönlichen Bereich. Wenn Menschen unter Druck stehen, können sie unberechenbar sein.
Gesetzt den Fall, eine Anti-Abtreibung-Lobby erreicht ihr Ziel und hindert die Regierung daran, Abtreibungen zu legalisieren, oder sorgt dafür, daß ein bereits bestehendes Gesetz aufgehoben wird. Werden dadurch irgendwelche Probleme gelöst? „Eine Frau wird einen Weg finden [abtreiben zu lassen], vielleicht auf Kosten ihres eigenen Lebens“, sagte Marilyn Waring, Parlamentsmitglied in Neuseeland und Abtreibungsbefürworterin. „Politiker oder Gesetze können sie in keiner Weise davon abhalten.“ Dies ist ein starkes Argument. „Was ist besser?“ fragen die Befürworter.
Wo die Abtreibung legalisiert ist, kommt es zwar auch zu einigen Todesfällen, doch der Eingriff wird unter strenger medizinischer Überwachung vorgenommen. Bei illegalen „Dunkelaborten“ ist andererseits eine schockierende Sterblichkeitsrate zu verzeichnen, da sie oft von unqualifiziertem Personal unter unhygienischen Bedingungen durchgeführt werden. Man schätzt zum Beispiel, daß in Bangladesch als Folge solcher Abtreibungen jährlich 12 000 Frauen sterben.
Aber bei alldem ist ein weiterer menschlicher Faktor zu berücksichtigen. Wie empfinden Ärzte und Krankenschwestern, wenn sie sozusagen am Fließband Abtreibungen vornehmen? Welche körperlichen, seelischen und emotionellen Schäden bringt eine Abtreibung für die Mutter — und den Vater — mit sich? Diese Fragen werden als nächstes behandelt.
[Fußnote]
a Ein „definiertes Dogma“ wird als unfehlbar angesehen, als von der katholischen Kirche mit päpstlicher Autorität verkündigt.
[Bild auf Seite 5]
„Uns [muß] ...daran gelegen sein, daß Frauen das Recht haben, ihre eigene Gewissensentscheidung zu treffen“, behaupten viele
Die Übersetzung einiger der nebenstehenden Plakataufschriften lautet: „Frauen haben das Recht, sich für Abtreibung zu entscheiden“ „Keine Verfassungsänderung“ „Frauen haben das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung“
[Bildnachweis]
H. Armstrong Roberts
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Viele Frauen sprechen sich offen gegen die Abtreibung aus
Die Übersetzung einiger der nebenstehenden Plakataufschriften lautet: „Gott hat das Recht, über Leben und Tod zu bestimmen, nicht die Ärzte“ „Heute hat mich meine Mutter getötet — Adoption, nicht Abtreibung“
[Bildnachweis]
H. Armstrong Roberts
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Abtreibung — Zu welchem Preis?Erwachet! 1987 | 8. April
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Abtreibung — Zu welchem Preis?
IN Glasgow (Schottland) hatten, so der Daily Telegraph, zwei Krankenschwestern schlaflose Nächte und litten unter „schrecklichen Alpträumen“. Warum? Weil sie bei einer Operation assistiert hatten, bei der ein Junge von 24 Wochen abgetrieben wurde. Überraschenderweise lebte er „kurze Zeit“.
In Detroit (USA) warf man auf der Abtreibungsstation eines Krankenhauses einen Fetus von 29 Wochen, ein Mädchen, in einen Stahlbehälter, und zwar in der Annahme, es sei durch eine Injektion in den Mutterleib getötet worden. Aber es überlebte. Man hörte es schreien und brachte es gerade noch rechtzeitig auf die Intensivstation.
Das Abtreiben lebensfähiger Fetusse ist ein wachsendes Problem, da die Zahl der Abtreibungen zunimmt. Fortschrittliche medizinische Techniken gewährleisten eine bessere Betreuung von Frühgeburten, so daß ein gesundes Kind derzeit mit 26 Wochen überleben kann — was vor Jahren sehr schwierig gewesen wäre. Daher haben Krankenschwestern in einigen Ländern das Recht, aus Gewissensgründen die Mithilfe bei einer Abtreibung zu verweigern.
Aber wie steht es mit den Ärzten? Wie reagieren sie?
Das Geschäft mit der Abtreibung
„Öffentlich als Arzt bekannt zu sein, der Abtreibungen vornimmt, ist wie ein Todesstoß“, bekannte Dr. Phillip Stubblefield in einem Interview mit der Newsweek. Unter dem Druck der Öffentlichkeit haben viele Ärzte in den Vereinigten Staaten endgültig aufgehört, solche Eingriffe durchzuführen. Durch eine Reihe von Bombenlegungen sind Abtreibungskliniken zerstört worden. „Im ganzen Land gibt es Kliniken, für die sich kein Chefarzt finden läßt, weil sich die Ärzte vor der Reaktion der Allgemeinheit fürchten“, erklärte Dr. Stubblefield.
Dennoch werden immer mehr Abtreibungen vorgenommen. Ein Grund dafür ist wohl unschwer festzustellen. Es ist ein einträgliches Geschäft.
Wie es in einem Bericht der medizinischen Fachzeitschrift Pulse heißt, bezahlten in Paris zum Beispiel Eltern für eine Abtreibung, die bei ihrer jugendlichen Tochter in einer Privatklinik vorgenommen wurde, umgerechnet 1 400 Dollar. Einige Londoner Kliniken verlangen gemäß demselben Bericht bis zu 2 800 Dollar für jede Abtreibung.
Im Jahre 1982 hatten in Großbritannien zwei der größten Vermittlungsstellen für Abtreibungen ein gemeinsames Einkommen von 6,3 Millionen Dollar. Die Zeitschrift Human Concern kommentiert diese Zahl wie folgt: „Abtreibung ist ein lukratives Geschäft.“ In Japan wird die Anti-Baby-Pille von der Regierung nicht legalisiert. „Das Verbot“, so die Londoner Sunday Times, „besteht wegen einer Lobby von Ärzten, die mit Abtreibungen ein Vermögen verdienen.“ Wohin man auch immer blickt — Geld spielt eine große Rolle.
Dies sollte kaum überraschen. Wenn Eltern plötzlich vor einer traumatischen Situation stehen, wie zum Beispiel die Schwangerschaft ihrer unverheirateten, jugendlichen Tochter, ist ihnen höchstwahrscheinlich jeder Preis recht, um das Problem aus der Welt zu schaffen, besonders wenn eine Abtreibung sicher, schnell und streng vertraulich durchgeführt werden kann.
Trotz alledem werden viele Ärzte immer unglücklicher über die ganze Lage. Zu Beginn der Abtreibungsära in Großbritannien zitierte die Daily Mail Professor Ian Morris wie folgt: „Wenn ich gerade am Anfang meiner Laufbahn stünde und über Abtreibungen wüßte, was ich heute weiß, würde ich mich keinesfalls für die Gynäkologie entscheiden.“ Weiter sagte er: „Ich verabscheue die Operation. Sie stellt meine gesamte medizinische Ausbildung auf den Kopf. Unser Ziel ist, Leben zu retten, und nicht, diese spezielle Art der Tötung vorzunehmen.“ Ausdrucksstarke Worte, aber nicht jeder Arzt würde ihnen zustimmen. Doch sie vermitteln in etwa eine Vorstellung von dem Abscheu vor dem Eingriff, den einige Ärzte instinktiv empfinden.
Abtreibung — Wessen Entscheidung?
Wenn eine Schwangere vor einer Abtreibung steht, denkt kaum einer, vielleicht nicht einmal die Frau selbst, an den Vater. Die Entscheidung, abtreiben zu lassen, wird oft von der Schwangeren allein getroffen, und sie holt sich bei vertrauten Freundinnen und Verwandten Beistand. Aber „Männer empfinden auch Trauer- und Verlustgefühle“, berichtet die New York Times, „und sie erleben in bezug auf das Vaterwerden wahrscheinlich eine ähnliche Zwiespältigkeit wie die Frau in Verbindung mit der Mutterschaft“.
Einige Väter sind der Meinung, daß ihre Wünsche ebenfalls berücksichtigt werden sollten, daß sie mehr Mitspracherecht haben sollten. „Die Männer wollen mitreden, nicht zu einer Entscheidung drängen“, schrieb der Soziologe Arthur Shostak aufgrund einer zehnjährigen Studie über das Problem. Sicher ist das nicht zuviel verlangt.
Mit der Reaktion fertig werden
Doch wenn sich die Frau zu der Entscheidung durchgerungen hat, muß sie, anders als der Mann, mit dem körperlichen Schock für ihren gesamten Organismus fertig werden, der auf den plötzlichen Abbruch der Schwangerschaft folgt. Was schließt dies ein?
Selbst wenn der Eingriff zu einem frühen Zeitpunkt vorgenommen wird, fühlt sich die Frau gewöhnlich schwach und müde. Krämpfe, Übelkeit und Blutungen sind ebenfalls möglich. Wird die Abtreibung spät vorgenommen, können die Symptome eine Woche oder länger andauern, da der Hormonspiegel sinkt. Außerdem muß man mit einer Brustentzündung und mit Depressionen rechnen. Ja, wie schmerzlich eine Abtreibung ist, weiß nur die betreffende Frau, und die Entscheidung ist ihr kaum leichtgefallen.
Noch schwerer wiegen allerdings die emotionellen und seelischen Folgen, die verheerend sein können. Im Gegensatz zur körperlichen Reaktion, die sogleich auftritt und mit der man rechnet, besteht das Problem bei der seelischen und emotionellen Reaktion darin, daß sie später eintritt und daß diese Wunden nicht so schnell, wenn überhaupt, heilen. „Als jemand, der beruflich von Zeit zu Zeit mit Patientinnen zu tun hat, die abgetrieben haben, muß ich sagen, daß sie oft noch viele Jahre nach dem Klinikaufenthalt schwere emotionelle Störungen aufweisen“, schrieb ein Korrespondent der Londoner Times. Welche Ausmaße hat das Problem?
„Es scheint heute, daß das Problem größere verborgene Ausmaße hat, als man dachte“, kommentierte die Sunday Times. Die Depressionen und die emotionellen Störungen sind oft so schlimm, daß „die Hälfte der unverheirateten Frauen, die aufgrund einer medizinischen Indikation einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen, schließlich psychiatrische Hilfe brauchen“. Diese Erkenntnisse wurden durch eine Studie an der Londoner King’s-College-Klinik erhärtet. Wie die Times schrieb, ergab die Studie, daß „Ehepaare, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, möglicherweise mit heftigen Trauerreaktionen konfrontiert werden“ und daß sie mit ihrer Trauer „schwer fertig werden“.
Die Japaner lösen das Problem auf ungewöhnliche Weise. Kleine Plastik-, Gips- oder Steinfiguren, die abgetriebene Kinder darstellen, werden in Tempel gebracht. Dort übergibt man sie der Obhut Jizôs, des buddhistischen Schutzpatrons der Kinder. Eltern, die zu dieser Gottheit um Vergebung beten, können so ihren Scham-, Trauer- und Schuldgefühlen freien Lauf lassen. Sie sind mit diesem Bedürfnis nicht allein. Man beachte die folgenden persönlichen Erfahrungen.
„Bald schämte ich mich“
Mit 22 Jahren hatte Elaine drei Abtreibungen hinter sich. Sie erzählt rückblickend: „Man sagte mir, es sei nichts Verkehrtes oder Kriminelles dabei, wenn man es schon nach sechs Wochen Schwangerschaft tue, da das Kind erst nach etwa drei Monaten ausgebildet sei. Und wenn ich hörte, wie die Leute abfällige Bemerkungen über unverheiratete Mütter machten, war ich glücklich, daß ich meine Schwangerschaft abgebrochen hatte. Zwei Jahre später ließ ich einen solchen Eingriff noch zweimal vornehmen. Ich war zufrieden, daß ich eine Möglichkeit gefunden hatte, keine Kinder in die Welt zu setzen.“
Bald darauf wurde Elaine Krankenschwester und war in der Geburtshilfe tätig. „Es war etwas Schönes“, sagt sie, „zu sehen, wie ein Kind zur Welt kam, und die Freude mitzuerleben, die eine Geburt den Ärzten und Hebammen und den Eltern bereitete. Bald schämte ich mich, daß ich das Leben dreier unschuldiger Kinder ausgelöscht hatte, und ich kämpfte gegen das Gefühl der Unruhe und der Scham. Ich blickte zurück und rechnete aus, wie alt meine Kinder wären; auch fragte ich mich, ob es Jungen oder Mädchen gewesen wären und wie sie wohl ausgesehen hätten. Es ist schrecklich, in einer solchen Lage zu sein.“
Janet, eine Mutter, die jetzt 39 Jahre alt ist, beschreibt ihre Gefühle nach einer Abtreibung wie folgt: „Die einzige Möglichkeit, damit fertig zu werden, war, daß ich mir so lange einredete, es sei nie wirklich geschehen, bis ich es selbst glaubte. Ich redete mir viele Jahre ein, ich könne das nicht getan haben, es sei alles nur ein schrecklicher Alptraum.“
Die 19jährige Karen bekennt: „Ich gab mir alle Mühe, das Geschehene von mir abzuwälzen, aber ich weinte beim Anblick eines Babys oder einer Schwangeren, so deprimiert war ich. Dann kam Milch aus meinen Brüsten, und ich wurde an alles erinnert. Nachts hatte ich Alpträume von schreienden Babys und wachte tränenüberströmt auf. Ich wurde verbittert.“
Man darf eine Abtreibung nicht als einfache Operation ansehen, die man der Bequemlichkeit halber durchführen läßt. Es handelt sich um einen Schritt, den man nicht mehr rückgängig machen kann. Das augenblickliche Problem wird vielleicht aus dem Weg geräumt, doch wie wir gesehen haben, sind die Folgen weitreichend und nachhaltig. Was aber, wenn der Arzt eine Abtreibung nahelegt?
„Sie sollten das Kind abtreiben lassen!“
Diesen direkten Rat erhielt Sue von ihrem Arzt. Warum? Sie hatte schon zwei kleine Kinder, und gerade als sie gemerkt hatte, daß sie wieder schwanger war, bekam eines von ihnen die Röteln. „Es war nicht zu vermeiden, daß ich mich anstecken würde, da ich die Röteln noch nicht gehabt hatte“, sagt sie. Tatsächlich erkrankte sie ebenfalls daran.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Röteln, wenn eine Frau sie zu Beginn der Schwangerschaft bekommt, bei dem wachsenden Embryo schlimme Mißbildungen verursachen können. Dies hatte der Arzt im Sinn, als er seinen Rat gab. „Er sagte mir mit schonungsloser Offenheit“, erzählt Sue, „daß das Baby mißgebildet sein werde und daß ich niemals damit fertig werden könnte. In der Klinik, so verlangte er, müßte ich, wenn ich seinen Rat außer acht ließe, ein Schriftstück unterzeichnen, wodurch ich die volle Verantwortung übernehmen würde.“ Sue unterschrieb es. „Fairerweise muß ich zu seiner Verteidigung sagen, daß er sehr um mich besorgt war, da ich noch dazu Epileptikerin bin“, räumt sie ein.
Sues Ehemann überließ die Entscheidung seiner Frau, obgleich er natürlich sehr beunruhigt war. Sie traf Vorbereitungen für die Geburt. Es kam eine Tochter zur Welt. Man führte sofort Tests mit dem Kind durch, doch von einer leichten Anämie abgesehen, war alles in Ordnung. Die Ärzte waren jedoch überrascht, im Blut des Babys Antikörper festzustellen, die die Mutter nicht hatte, was anzeigte, daß die Röteln bestimmt nicht ohne Einfluß auf das Kind im Mutterleib gewesen waren.
Mit Mißbildungen fertig werden
Wenn dieser Fall auch glücklich ausging, gibt es doch viele Kinder, die mißgebildet zur Welt kommen und besonderer Pflege bedürfen. Man kann leicht sagen, es sei human, Behinderte gar nicht erst in die Welt zu setzen, aber wer ist in der Lage, die Lebensqualität eines anderen zu beurteilen? Gibt es nicht in jeder Gemeinde Menschen mit unterschiedlichen Graden an Mobilität, die sich des Lebens in dem Maße erfreuen, wie es ihnen möglich ist, und die ihrerseits etwas Nützliches für die Menschheit beitragen?a
So dachte auch Sue. Aber sie hatte außerdem eine Kraftquelle, aus der sie schöpfen konnte — ihr Glaube. Als ihr der Arzt eröffnete, daß ihr Kind mißgebildet zur Welt kommen werde, sagte sie ihm, sie wisse, daß sie in diesem Fall auf Gottes Kraft zählen könne und daß er ihr helfen werde, damit fertig zu werden. Sie erklärte ihm, daß sie kein Recht habe, einem behinderten Kind die wunderbare Hoffnung auf die Heilung seiner Krankheit vorzuenthalten, die in einem neuen System unter der Königreichsherrschaft Gottes vor sich gehen werde (Offenbarung 21:1-4). Ein solcher Glaube ist wirklich wertvoll.
Die Entscheidung
„Geburt oder Abtreibung?“ Wie lautet die Entscheidung?
Sue kam zu dem Schluß: „Mein Kind hatte mich nicht darum gebeten, gezeugt zu werden. Welches Recht hätte ich daher gehabt, dieses Leben zu beenden, bevor es eine Chance hatte, das Leben zu sehen?“
Eine nachdenklich stimmende Frage. Wie würdest du sie beantworten?
[Fußnote]
a In der Erwachet!-Ausgabe vom 8. Februar 1986 wurde die Pflege eines mongoloiden Kindes behandelt.
[Kasten auf Seite 9]
Loyalitätskonflikt?
Im September 1948 nahm der Weltärztebund das Genfer Ärztegelöbnis an. Es gründet sich auf den alten hippokratischen Eid. Ein Auszug aus diesem Gelöbnis lautet:
„Wenn ich als Mitglied in den Ärztestand aufgenommen werde, so verpflichte ich mich feierlich, mein Leben dem Dienste der Menschheit zu weihen. ... Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben. ... Ich werde die äußerste Achtung vor dem menschlichen Leben von der Empfängnis an bewahren und selbst unter Bedrohung meine ärztlichen Kenntnisse nicht im Widerspruch zu den Gesetzen der Menschlichkeit anwenden.“
Wie interpretieren Ärzte dieses Gelöbnis? Es folgen zwei gegensätzliche Ansichten. Welche teilst du?
DOKTOR I. M.
„Ich kann das Gewebe, das ich bei einem Schwangerschaftsabbruch entferne, nicht ohne Abscheu ansehen. Es sieht vielleicht aus wie eine gallertartige Masse, aber letztlich ist es ein Menschenleben, das ich vernichte.“
DOKTOR V. A.
„Ich denke, eine Abtreibung ist nie ein Unrecht. Solange ein Individuum völlig von der Mutter abhängig ist, handelt es sich nicht um eine Person.“
[Kasten auf Seite 11]
Abtreibungsmethoden
Die Gefahren, die bei einer Abtreibung für die Mutter entstehen, sind unmittelbar vom Alter des Fetus abhängig. Sie sollten nicht unterschätzt werden.
Im ersten Trimenonb ist es üblich, den Embryo mit einer Vakuumpumpe abzusaugen. Dieser Eingriff wird gewöhnlich in einer Klinik vorgenommen und geht schnell vonstatten. Im zweiten Trimenon wird der Fetus im allgemeinen in Stücke geschnitten und ausgeschabt, oder durch eine Injektion werden Wehen und somit der Abort ausgelöst. Damit ist normalerweise ein kurzer Krankenhausaufenthalt verbunden. Im dritten Trimenon besteht mitunter die einzige Möglichkeit in einer größeren Operation, einer Hysterotomiec.
[Fußnoten]
b Die neunmonatige Schwangerschaft wird in der Medizin zuweilen in drei Abschnitte von drei Monaten, Trimenon genannt, unterteilt.
c Eine Hysterotomie ist die operative Öffnung der Gebärmutter, wobei das heranwachsende Kind entfernt wird. Diese ist nicht zu verwechseln mit einer Hysterektomie, der operativen Entfernung der Gebärmutter an sich.
[Bild auf Seite 8]
Aufgrund fortschrittlicher medizinischer Techniken ist es heute möglich, daß Frühgeburten überleben
[Bildnachweis]
Justitz/Zefa/H. Armstrong Roberts
[Bild auf Seite 10]
Kaum einer denkt über die Gefühle des Vaters nach
[Bild auf Seite 12]
Eine Abtreibung kann emotionell und seelisch verheerende Folgen haben
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Abtreibung — und der „Quell des Lebens“Erwachet! 1987 | 8. April
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Abtreibung — und der „Quell des Lebens“
MIT Hilfe der modernen Technik können Ärzte heute leicht das Geschlecht eines Fetus feststellen. Aber wer kann seine Veranlagung feststellen? Wer kann sein Potential als lebende menschliche Seele erkennen? (1. Mose 2:7). Nur Jehova Gott kann dies, da er der „Quell des Lebens“ ist (Psalm 36:9). Man beachte folgende biblische Beispiele.
Unter dem patriarchalischen Erbrecht hatte der Erstgeborene Vorrang. Als aber Rebekka, Isaaks Frau, mit Zwillingen schwanger war, teilte ihr Gott mit: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“ Das Leben der beiden Jungen, Jakob und Esau, bestätigte, daß Jehova ihre Persönlichkeit lange vor ihrer Geburt kannte (1. Mose 25:22, 23).
Jahrhunderte später sagte ein Engel dem Priester Sacharja, seine Frau Elisabeth werde einen Sohn bekommen, der den Namen Johannes erhalten sollte. Dieser Sohn, später bekannt als Johannes der Täufer, durfte den Weg für Jesus, den Messias, bereiten. Ein demütiges Herz war ein unverzichtbares Erfordernis für diesen Auftrag, was Gott sehr wohl wußte (Lukas 1:8-17).
Der menschliche Fetus — Wie kostbar?
König David bekannte: „Du [Jehova] hieltest mich abgeschirmt im Leib meiner Mutter. ... Deine Augen sahen selbst den Embryo von mir, und in dein Buch waren alle seine Teile eingeschrieben.“ Und das trifft auf jeden einzelnen Menschen zu (Psalm 139:13-16).
Für Jehova Gott, den „Quell des Lebens“, ist jede Schwangerschaft kostbar. Wie kostbar sie ist, geht deutlich aus dem mosaischen Gesetz hervor. In 2. Mose 21:22, 23 heißt es: „Falls Männer miteinander raufen sollten und sie eine Schwangere tatsächlich verletzen ... Sollte ... ein tödlicher Unfall entstehen, dann sollst du Seele für Seele geben.“
Einige Bibelübersetzungen stellen den Sachverhalt so dar, als sei bei diesem Gesetz nur von Belang, was mit der Mutter geschehe. Der zugrundeliegende hebräische Text bezieht sich jedoch auf einen tödlichen Unfall der Mutter oder des Fetus.
Die Ansicht der ersten Christen
Nach dem Tod der Apostel Jesu Christi im ersten Jahrhundert erläuterten viele Männer schriftlich deren Lehren. Sie waren im Gegensatz zu den Bibelschreibern nicht inspiriert, aber ihre Äußerungen sind von Interesse, da sie die religiösen Ansichten ihrer Zeit über diese entscheidende Frage widerspiegeln. Es folgen einige Auszüge.
Der Barnabas-Brief, Kapitel 19:5 (ca. 100—132 u. Z.)
„Morde kein Kind im Mutterschoß, und töte auch nicht das schon Geborene!“
Die Lehre der zwölf Apostel (ca. 150 u. Z.)
„Du sollst nicht die Leibesfrucht abtreiben auch nicht das Neugeborene töten.“
Tertullian: Verteidigung des Christentums, Kapitel 9:8 (ca. 197 u. Z.)
„Wir hingegen dürfen, nachdem uns ein für allemal das Töten eines Menschen verboten ist, selbst den Embryo im Mutterleibe, solange noch das Blut sich für den neuen Menschen absondert, nicht zerstören. Ein vorweggenommener Mord ist es, wenn man eine Geburt verhindert; es fällt nicht ins Gewicht, ob man einem Menschen nach der Geburt das Leben raubt oder es bereits während der Geburt vernichtet. Ein Mensch ist auch schon, was erst ein Mensch werden soll.“
Basilius: Brief an Amphilochius (374 u. Z.)
„Ein Weib, das absichtlich die Leibesfrucht abtreibt, macht sich eines Mordes schuldig. Eine spitzfindige Unterscheidung zwischen ausgebildeter und gestaltloser Leibesfrucht gibt es bei uns nicht.“
Die christliche Ansicht
Ein spontaner Abort oder eine Fehlgeburt kann aufgrund der menschlichen Unvollkommenheit oder zufolge eines Unfalls eintreten. Ein absichtlich herbeigeführter Abort hingegen, durch den man die Geburt eines unerwünschten Kindes verhindern will, ist etwas anderes. Gemäß der Heiligen Schrift bedeutet das, wie wir gesehen haben, willentlich ein menschliches Leben auszulöschen.
Wer ist es, „der die Erde und ihren Ertrag ausbreitet, der dem Volk auf ihr Odem gibt und Geist denen, die auf ihr wandeln“? Es ist nicht der Mensch, sondern Jehova Gott, der Quell allen Lebens (Jesaja 42:5). Die von Gott verliehene Fähigkeit, Leben weiterzugeben, ist eine kostbare Gabe, für die — wie für alles andere auch — „jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft ablegen“ wird (Römer 14:12).
[Kasten auf Seite 14]
Ein glücklicher Ausgang
Im Jahre 1973 erschien im Wachtturm, der Begleitzeitschrift von Erwachet!, ein Artikel, der die biblische Ansicht über Abtreibung erläuterte. Zwei Studenten lasen ihn. Das Mädchen war damals schwanger. Sie und der Vater des Kindes hatten sich auf eine Abtreibung geeinigt. Doch der Artikel veranlaßte die beiden zum Nachdenken. Schließlich beschlossen sie, daß das Kind zur Welt kommen sollte.
Kürzlich, als wieder ein Zeuge Jehovas bei dem Mann vorsprach, erwähnte er diesen Artikel und sagte: „Ich habe die höchste Achtung vor Ihrer biblischen Literatur. Dieser aufrüttelnde Artikel hat bewirkt, daß meine Frau und ich nun die stolzen Eltern einer reizenden 13jährigen Tochter sind!“
Wie froh können die Eltern sein, daß sie gemäß der Bibel handelten!
[Bildnachweis auf Seite 15]
H. Armstrong Roberts
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Abtreibung — Wissen bringt Verantwortung mit sichErwachet! 1987 | 8. April
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Abtreibung — Wissen bringt Verantwortung mit sich
ÄUSSERST du dich immer freimütig, wenn du weißt, daß etwas richtig ist? Das ist gut, besonders wenn es um das Wohl anderer geht. Eine Mutter aus Großbritannien, die in einer früheren Ausgabe dieser Zeitschrift einen Artikel über das Thema Abtreibung gelesen hatte, schrieb folgendes:
„Ich habe soeben den ‚Brief von der Mutter eines ungeborenen Kindes‘ in der Erwachet!-Ausgabe vom 22. Juli [1986] gelesen, und es hat mir im Herzen weh getan.
Ich hatte nie eine Abtreibung, aber als ich mit meinem ersten Kind vier Monate schwanger war, war meine Schwägerin in ihrem zweiten Schwangerschaftsmonat. Ihre zwei Töchter waren gerade in die Schule gekommen, und sie hatte eine gutbezahlte Arbeit gefunden. Sie wollte sich einiges anschaffen: Einrichtungsgegenstände, ein Videogerät, ein neues Auto und Pflanzen für den Garten. Aber wegen des Babys hätte sie auf die Arbeit und den Verdienst verzichten müssen und sich all das nicht kaufen können. So entschied sie sich für eine Abtreibung.
Als der Tag näher kam, war sie aufgeregt. Aber mir wurde bei dem Gedanken an den Eingriff immer schlechter und schlechter. Ich begann damals gerade zu spüren, wie sich mein Kind bewegte, und ich dachte immerzu daran, daß auch das Kind meiner Schwägerin wuchs.
Der Abend war da, und ich gab die Hoffnung nicht auf, daß meine Schwägerin es sich anders überlegen würde. Ich konnte mir ihr Kind vorstellen, behaglich und sicher im Mutterleib, wie es den sanften und beruhigenden Herzschlag der Mutter hörte. Mir schauderte bei dem Gedanken, daß das Kind aus seiner sicheren kleinen Welt herausgerissen und getötet würde. Ich weinte bitterlich, als ich mir das ausmalte. Die Abtreibung wurde durchgeführt. Meine kleine Tochter wird ihren Cousin oder ihre Cousine nie kennenlernen, mit der sie hätte aufwachsen können, da sie ja fast gleich alt gewesen wären.
Wie ging es mit meiner Schwägerin weiter? Sie verlor ihre Arbeit, fand aber eine andere und hat bis heute mehrmals den Arbeitsplatz gewechselt. Sie kaufte sich ihr Videogerät, ihr neues Auto, ihre Pflanzen, neue Kleider usw., doch sie machte eine depressive Phase durch, verließ ihren Mann und ihre Kinder und kehrte dann nach einigen Tagen wieder zurück. Sie ist nicht glücklich. Als sie mich letztens besuchte, spielten ihre zwei Mädchen mit meiner Tochter und meinem 11monatigen Sohn, und sie sagten von meiner Tochter: ‚Schau mal, Mami, wie süß sie ist! Wenn wir doch auch nur eine kleine Schwester oder ein Brüderchen hätten!‘ Bei diesen Worten blickte ich sie verstohlen an. Ich hatte das Gefühl, ich müßte sie trösten, weil sie sich zur Zeit ihrer Abtreibung nicht wirklich darüber im klaren war, was sie tat. Für meine Schwägerin war das Geld wichtiger als das Leben ihres Kindes, und ich merke, daß es ihr nun gerade aus diesem Grund leid tut.
Mich selbst veranlaßt dies, mir eine sehr ernste Frage zu stellen. Ich fühle mich schon als Zeugin Jehovas, obgleich ich noch nicht getauft bin. Aber ich bin mir bewußt, daß ich noch einen langen Weg vor mir habe, denn wahre Zeugen empfinden wie Jesus Liebe und Mitgefühl gegenüber anderen, ganz gleich, was ihre Mitmenschen waren oder taten. Ich sehne mich nach dem Tag, an dem ich wirklich sagen kann, daß ich anderen gegenüber genauso empfinde, und an dem ich den Namen Jehovas mit Stolz tragen kann. Wenn ich nicht so lange unentschlossen gewesen wäre, hätte ich vielleicht den Mut gehabt, meiner Schwägerin Zeugnis zu geben, und das Kind wäre womöglich gerettet worden.“
Die Herausgeber der Zeitschrift Erwachet! hoffen aufrichtig, daß die vorliegende Artikelserie dazu beitragen wird, Leben zu retten.
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