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„Gegenstand des Hasses aller Nationen“Jehovas Zeugen — Verkündiger des Königreiches Gottes
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Geistliche forderten öffentliche Debatte
Als die Schriften C. T. Russells immer mehr in Umlauf kamen und die Auflage schließlich zigmillionen Exemplare in vielen Sprachen erreichte, konnten die katholischen und protestantischen Geistlichen seine Ausführungen nicht einfach ignorieren. Verärgert wegen der Bloßstellung ihrer Lehren als unbiblisch und frustriert durch den Verlust von Mitgliedern, verurteilten viele Geistliche Russells Schriften von der Kanzel herab. Sie geboten ihrer Herde, keine Literatur anzunehmen, die von den Bibelforschern verbreitet wurde. Eine Reihe von ihnen versuchten, Regierungsvertreter zu veranlassen, diesem Werk ein Ende zu setzen. An manchen Orten in den Vereinigten Staaten, zum Beispiel in Tampa (Florida), Rock Island (Illinois), Winston-Salem (Nordkarolina) und Scranton (Pennsylvanien), überwachten Geistliche das öffentliche Verbrennen von Büchern, die Russell verfaßt hatte.
Einige Geistliche hielten es für nötig, Russells Einfluß auszuschalten, und sie wollten ihn in einer öffentlichen Debatte bloßstellen. Eine Gruppe Geistlicher aus der Umgebung des Hauptbüros, in dem Russell arbeitete, schlossen sich Dr. E. L. Eaton, dem Pastor der Bischöflichen Methodistenkirche in der North Avenue in Allegheny (Pennsylvanien), als ihrem Sprecher an. 1903 schlug Eaton eine öffentliche Debatte vor, und Bruder Russell nahm die Einladung an.
Die folgenden sechs Diskussionspunkte wurden bekanntgegeben: Bruder Russell behauptete fest, aber Dr. Eaton bestritt, daß die Seelen der Verstorbenen ohne Bewußtsein seien, daß das „zweite Kommen“ Christi dem Millennium vorausgehe und der Zweck sowohl seines „zweiten Kommens“ als auch des Millenniums darin bestehe, alle Familien der Erde zu segnen; ferner, daß nur die Heiligen des „Evangeliumszeitalters“ an der ersten Auferstehung teilhätten, aber große Volksmengen durch eine spätere Auferstehung die Gelegenheit zur Rettung erhielten. Dr. Eaton behauptete fest, aber Bruder Russell bestritt, daß nach dem Tod niemand mehr geprüft werde, daß alle Geretteten in den Himmel kämen und daß unverbesserliche Böse ewigen Leiden unterworfen würden. Über diese Diskussionspunkte wurde 1903 in der Carnegie Hall in Allegheny vor jeweils vollbesetztem Haus eine Serie von sechs Debatten abgehalten.
Was stand hinter der Herausforderung zu debattieren? Albert Vandenberg, der die Angelegenheit von einem historischen Gesichtspunkt aus betrachtete, schrieb später darüber: „Die Debatten wurden jeweils von einem Geistlichen einer anderen protestantischen Denomination geleitet, der als Diskussionsleiter fungierte. Außerdem saßen Geistliche verschiedener Kirchen aus der Umgebung mit Reverend Eaton auf der Rednerbühne, angeblich um ihn mit Texten und auch moralisch zu unterstützen. ... Daß sogar eine inoffizielle Allianz protestantischer Geistlicher gebildet werden konnte, bedeutete, daß sie fürchteten, Russell sei fähig, Mitglieder ihrer Denominationen zu bekehren“ („Charles Taze Russell: Prophet von Pittsburgh, 1879—1909“, veröffentlicht in The Western Pennsylvania Historical Magazine, Januar 1986, S. 14).
Es gab nur wenig solche Debatten. Sie brachten nicht die Ergebnisse, die sich die Allianz von Geistlichen erhofft hatte. Einige aus Dr. Eatons Gemeinde waren von dem, was sie 1903 bei der Debattenserie gehört hatten, beeindruckt, verließen seine Kirche und beschlossen, sich mit den Bibelforschern zu verbinden. Sogar ein Geistlicher, der dabeigewesen war, erkannte an, daß Russell „den Wasserstrahl auf die Hölle“ gerichtet und das Feuer ausgelöscht hatte. Dessenungeachtet war Bruder Russell selbst der Meinung, daß der Sache der Wahrheit besser gedient sei, wenn Zeit und Mühe für andere Tätigkeiten als Debatten aufgewendet würden.
Die Geistlichen gaben ihre Angriffe nicht auf. Als Bruder Russell in Dublin (Irland) und Otley (Yorkshire, England) Ansprachen hielt, hatten sie Männer im Publikum postiert, die lautstark Einwände und falsche Beschuldigungen vorbrachten, die gegen Bruder Russell persönlich gerichtet waren. Bruder Russell wurde mit diesen Situationen leicht fertig, wobei er seine Antworten immer auf die Bibel als Autorität stützte.
Protestantische Geistliche hatten sich ungeachtet ihrer Denomination zu der Evangelischen Allianz vereinigt. In vielen Ländern agitierten deren Vertreter gegen Russell und diejenigen, die seine Literatur verbreiteten. In Texas (USA) zum Beispiel stellten die Bibelforscher fest, daß jeder Geistliche — sogar in den kleinsten Städtchen und in ländlichen Bezirken — mit denselben falschen Beschuldigungen gegen Russell und denselben Entstellungen seiner Lehren ausgerüstet worden war.
Diese Angriffe gegen Russell führten jedoch manchmal zu Ergebnissen, die die Geistlichen nicht erwartet hatten. Als ein Prediger in New Brunswick (Kanada) von seiner Kanzel aus eine abfällige Predigt über Russell hielt, befand sich in der Zuhörerschaft ein Mann, der die von Bruder Russell verfaßte Literatur selbst gelesen hatte. Er fühlte sich angewidert, als der Prediger bewußt Lügen vorbrachte. Ungefähr in der Mitte der Predigt stand der Mann auf, nahm seine Frau an die Hand und rief seinen sieben Töchtern, die im Chor sangen, zu: „Kommt, Mädchen, wir gehen nach Haus.“ Alle neun gingen hinaus, und der Geistliche mußte mit ansehen, wie der Mann, der die Kirche hatte bauen lassen und die finanzielle Hauptstütze der Gemeinde war, auf Nimmerwiedersehen verschwand. Bald darauf löste sich die Gemeinde auf, und der Prediger ging fort.
Zu Verspottung und Verleumdung gegriffen
In dem verzweifelten Versuch, den Einfluß von C. T. Russell und seinen Gefährten zunichte zu machen, sprachen die Geistlichen ihm ab, ein ordinierter christlicher Diener Gottes zu sein. Aus ähnlichen Gründen behandelten die jüdischen religiösen Führer im ersten Jahrhundert die Apostel Petrus und Johannes wie „ungelehrte und gewöhnliche Menschen“ (Apg. 4:13).
Bruder Russell hatte keine der theologischen Fakultäten der Christenheit absolviert. Doch er sagte mutig: „Wir fordern ... [die Geistlichen] heraus zu beweisen, daß sie jemals eine göttliche Ordination hatten oder daß sie überhaupt daran denken. Sie denken nur an eine sektiererische Ordination oder Autorisation, jeder von seiner eigenen Sekte oder Gruppe. ... Gott ordiniert oder autorisiert einen Menschen zum Predigen dadurch, daß er ihm den heiligen Geist gewährt. Wer immer den heiligen Geist empfangen hat, hat die Macht und Autorität, im Namen Gottes zu lehren und zu predigen. Wer den heiligen Geist nicht empfangen hat, hat für sein Predigen keine göttliche Autorität oder Zustimmung“ (Jes. 61:1, 2).
Um Bruder Russells Ruf zu schaden, zogen einige Geistliche über ihn her und verbreiteten grobe Lügen über ihn. Eine Lüge, die sie immer wieder vorbrachten und es noch tun, betrifft die Ehe Bruder Russells. Sie haben versucht, den Eindruck zu vermitteln, er hätte unsittlich gehandelt. Wie sehen die Tatsachen aus?
Im Jahre 1879 heiratete Charles Taze Russell Maria Frances Ackley. 13 Jahre lang hatten sie ein gutes Verhältnis zueinander. Dann wurde das Verhältnis dadurch untergraben, daß man Maria schmeichelte und an ihren Stolz appellierte; aber als das Ziel der Schmeichler klar wurde, schien sie ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen. Nachdem ein früherer Gefährte Russells über ihn Lügen verbreitet hatte, bat sie ihren Mann sogar, einige Versammlungen besuchen zu dürfen, um die Beschuldigungen zu widerlegen, denn es war behauptet worden, er habe sie schlecht behandelt. Der freundliche Empfang, den man ihr 1894 auf der Reise bereitete, trug jedoch offenbar zu einer allmählichen Änderung ihrer Ansicht über sich selbst bei. Sie wollte sich ein stärkeres Mitspracherecht sichern bei der Entscheidung, was im Wacht-Turm erscheinen sollte.a Als sie feststellte, daß nichts von dem, was sie geschrieben hatte, veröffentlicht wurde, es sei denn, ihr Mann, der Herausgeber der Zeitschrift, war mit dem Inhalt (auf der Grundlage, daß er mit der Heiligen Schrift übereinstimmte) einverstanden, geriet sie völlig außer Fassung. Er bemühte sich sehr, ihr zu helfen, doch im November 1897 verließ sie ihn. Dessenungeachtet beschaffte er ihr eine Wohnung und sorgte für ihren Lebensunterhalt. Jahre später — 1908 — führten Gerichtsverfahren, die sie 1903 angestrengt hatte, zu einem Urteil, das nicht auf Ehescheidung lautete, sondern auf Trennung von Tisch und Bett sowie auf Zahlung von Unterhalt.
Da sie ihre Forderungen bei ihrem Mann nicht durchsetzen konnte, setzte sie, nachdem sie ihn verlassen hatte, alles daran, seinen Namen in Mißkredit zu bringen. 1903 veröffentlichte sie ein Traktat, das keinerlei biblische Wahrheiten enthielt, sondern Bruder Russell völlig falsch darstellte. Sie versuchte, Geistliche verschiedener Denominationen dafür zu gewinnen, es dort zu verteilen, wo die Bibelforscher ihre besonderen Zusammenkünfte abhielten. Anerkennenswerterweise haben sich damals nicht viele dafür hergegeben. In der Zwischenzeit haben Geistliche jedoch eine andere Einstellung gezeigt.
Früher hatte Maria Russell diejenigen mündlich und schriftlich getadelt, die Bruder Russell genau das Fehlverhalten vorgeworfen hatten, dessen sie selbst ihn jetzt beschuldigte. Einige religiöse Gegner Bruder Russells haben haltlose Behauptungen, die 1906 während eines Gerichtsverfahrens vorgebracht und auf Anordnung des Gerichts aus dem Protokoll gestrichen wurden, aufgegriffen, um Beschuldigungen zu veröffentlichen, die den Anschein erwecken sollen, er sei ein unmoralischer Mensch und somit als Diener Gottes ungeeignet gewesen. Das Gerichtsprotokoll zeigt indessen klar, daß diese Beschuldigungen falsch sind. Der Rechtsanwalt Frau Russells fragte sie, ob sie glaube, ihr Gatte sei des Ehebruchs schuldig. Sie antwortete: „Nein.“ Es gilt auch zu beachten, daß Frau Russell, als sie 1897 vor einem Komitee von christlichen Ältesten Beschuldigungen gegen ihren Mann erhob, nichts von dem erwähnte, was sie später vor Gericht aussagte, als sie die Geschworenen dazu überreden wollte, einer Scheidung stattzugeben, obwohl die angeblichen Vorfälle in die Zeit vor der Zusammenkunft mit den Ältesten fielen.
Neun Jahre nachdem Frau Russell den Fall das erste Mal vor Gericht gebracht hatte, schrieb Richter James Macfarlane einen Antwortbrief an einen Mann, der eine Kopie des Gerichtsprotokolls haben wollte, damit einer seiner Mitarbeiter Russell bloßstellen könnte. Der Richter sagte ihm offen, daß das, was er wünsche, Zeit- und Geldverschwendung sei. In seinem Brief hieß es: „Der Grund für ihren [Frau Russells] Antrag und für das Urteil, das aufgrund des Urteilsspruchs der Geschworenen gefällt wurde, war ‚unwürdige Kränkungen‘ und nicht Ehebruch, und die Zeugenaussage zeigt, soviel ich weiß, nicht, daß Russell ‚ein ehebrecherisches Leben mit einer Mitbeklagten‘ führte. Tatsächlich gab es keine Mitbeklagte.“
Maria Russells verspätetes Eingeständnis erfolgte 1916 während der Beerdigung Bruder Russells in der Carnegie Hall in Pittsburgh. Verschleiert ging sie an den Bankreihen vorbei zum Sarg und legte einen Strauß Maiglöckchen darauf. Es war ein Band daran befestigt, auf dem stand: „Meinem geliebten Mann“.
Es ist offenkundig, daß die Geistlichen nach derselben Taktik vorgingen wie ihr Gegenstück im ersten Jahrhundert. Damals bemühte man sich, Jesu Ruf zu ruinieren, indem man ihm vorwarf, daß er mit Sündern esse und daß er selbst ein Sünder und Lästerer sei (Mat. 9:11; Joh. 9:16-24; 10:33-37). Solche Beschuldigungen änderten nichts an der Wahrheit über Jesus, doch sie stellten diejenigen bloß, die zu solchen Verleumdungen griffen — und sie stellen diejenigen, die heute zu solchen Taktiken greifen, als solche bloß, die den Teufel zum geistigen Vater haben, dessen Name „Verleumder“ bedeutet (Joh. 8:44).
Das Kriegsfieber genutzt, um ihre Ziele zu erreichen
Der Nationalismus, der die Welt im Ersten Weltkrieg überflutet hatte, bot sich als neue Waffe an, die gegen die Bibelforscher verwendet werden konnte. Protestantische und katholische Geistliche konnten ihre Feindschaft hinter der Fassade des Patriotismus zum Ausdruck bringen. Sie nutzten die Kriegshysterie aus und brandmarkten die Bibelforscher als Aufrührer — dieselbe Anklage, die im ersten Jahrhundert von den religiösen Führern Jerusalems gegen Jesus und den Apostel Paulus erhoben wurde (Luk. 23:2, 4; Apg. 24:1, 5). Natürlich mußten die Geistlichen, um eine solche Anklage erheben zu können, selbst für die Kriegsanstrengungen eintreten, doch das schien die meisten von ihnen nicht zu stören, obwohl es bedeutete, junge Männer hinauszuschicken, damit sie Angehörige der eigenen Religion in einem anderen Land töteten.
Nach Russells Tod gab die Watch Tower Society im Juli 1917 das Buch Das vollendete Geheimnis, einen Kommentar zu Offenbarung, Hesekiel und Hohelied, heraus. Das Buch stellte die Heuchelei der Geistlichkeit der Christenheit rundheraus bloß. Es wurde in verhältnismäßig kurzer Zeit weit verbreitet. Ende Dezember 1917 und Anfang 1918 verbreiteten die Bibelforscher in den Vereinigten Staaten und in Kanada außerdem 10 000 000 Exemplare des Traktats Der Schriftforscher, das eine schonungslose Botschaft enthielt. Dieses vierseitige Traktat im Format einer kleinen Zeitung, betitelt „Der Fall Babylons“, trug den Untertitel „Warum die Christenheit jetzt leiden muß — Das Endergebnis“. Darin wurden katholische und protestantische Religionsorganisationen gemeinsam als neuzeitliches Babylon identifiziert, das bald fallen mußte. Zur Unterstützung des Gesagten war ein Kommentar aus dem Buch Das vollendete Geheimnis über Prophezeiungen abgedruckt, die das göttliche Gericht gegen das „mystische Babylon“ zum Ausdruck brachten. Auf der Rückseite war eine Karikatur, die eine einstürzende Mauer darstellte. Große Steine der Mauer trugen Aufschriften wie „Lehre von der Dreieinigkeit (3 × 1 = 1)“, „Unsterblichkeit der Seele“, „Ewige-Qual-Lehre“, „Protestantismus — Glaubensbekenntnisse, Geistlichkeit usw.“, „Katholizismus — Päpste, Kardinäle usw., usw.“; und alle Steine fielen.
Die Geistlichen waren wütend über diese Bloßstellung, so wie die jüdischen Geistlichen wütend waren, als Jesus ihre Heuchelei bloßstellte (Mat. 23:1-39; 26:3, 4). Die Geistlichkeit in Kanada reagierte schnell. Im Januar 1918 unterzeichneten über 600 kanadische Geistliche eine Petition, in der die Regierung aufgefordert wurde, die Veröffentlichungen der International Bible Students Association (Internationale Bibelforscher-Vereinigung) zu verbieten. Wie in der Winnipeg Evening Tribune berichtet wurde, verurteilte Charles G. Paterson, der Pastor der St. Stephen’s Church in Winnipeg, von seiner Kanzel aus den Schriftforscher, der den Artikel „Der Fall Babylons“ enthielt, worauf sich der Kronanwalt Johnson mit ihm in Verbindung setzte, um ein Exemplar zu erhalten. Kurz danach, am 12. Februar 1918, wurde der Besitz des Buches Das vollendete Geheimnis und des oben gezeigten Traktats durch einen Beschluß der Regierung Kanadas zu einem Verbrechen erklärt, das mit Geld- und Gefängnisstrafe geahndet werden konnte.
Im selben Monat, am 24. Februar, hielt der neugewählte Präsident der Watch Tower Society, Bruder Rutherford, in den Vereinigten Staaten im Temple Auditorium in Los Angeles (Kalifornien) eine Ansprache. Sein Thema war aufsehenerregend: „Die Welt ist am Ende — Millionen jetzt Lebender mögen nie sterben“. Er unterbreitete Beweise dafür, daß die Welt, wie man sie bis dahin kannte, tatsächlich 1914 geendet hatte, indem er auf den Krieg hinwies, der damals im Gange war, sowie auf dessen Begleiterscheinung Hunger und dies als Teil des von Jesus vorausgesagten Zeichens identifizierte (Mat. 24:3-8). Dann richtete er die Aufmerksamkeit auf die Geistlichkeit, indem er sagte:
„Als Klasse sind die Geistlichen gemäß der Schrift von allen Menschen auf der Erde die verwerflichsten wegen des großen Krieges, der die Menschheit jetzt plagt. 1 500 Jahre lang haben sie dem Volk die satanische Lehre des Gottesgnadentums der Könige beigebracht. Sie haben Politik und Religion, Kirche und Staat vermischt, haben sich als illoyal gegenüber ihrem von Gott verliehenen Vorrecht erwiesen, die Botschaft vom messianischen Königreich zu verkündigen, und haben sich dazu hergegeben, die Herrscher in ihrem Glauben zu bestärken, daß der König von Gottes Gnaden regiert und daher alles, was er tut, richtig ist.“ Über das Ergebnis sagte er: „Ehrgeizige Könige in Europa rüsteten zum Krieg, weil sie das Gebiet anderer Völker an sich reißen wollten, und die Geistlichen klopften ihnen auf die Schulter und sagten: ‚Tun Sie nach Ihrem Belieben, Sie können nichts falsch machen. Was Sie auch immer tun, es ist richtig.‘ “ Es waren jedoch nicht nur die europäischen Geistlichen, die den Krieg unterstützten; das wußten die Prediger in Amerika nur zu gut.
Am Tag darauf erschien ein ausführlicher Bericht über den Vortrag in der Morning Tribune von Los Angeles. Die Geistlichkeit war so aufgebracht, daß die Vereinigung der Geistlichen noch am gleichen Tag eine Zusammenkunft abhielt und ihren Vorsitzenden zur Geschäftsleitung der Zeitung schickte, um ihr äußerstes Mißfallen zum Ausdruck zu bringen. Danach wurden die Mitarbeiter in den Büros der Watch Tower Society ständig vom staatlichen Geheimdienst schikaniert.
Während dieser Periode leidenschaftlicher nationalistischer Gefühle hielten Geistliche in Philadelphia in den Vereinigten Staaten eine Konferenz ab, auf der eine Resolution angenommen wurde, die eine Überarbeitung des Spionagegesetzes forderte, damit Personen, die dagegen verstießen, vor ein Kriegsgericht gestellt und mit dem Tode bestraft werden könnten. John Lord O’Brian, Sonderbeauftragter des Justizministers in Kriegsangelegenheiten, wurde ausgewählt, die Angelegenheit dem Senat vorzulegen. Der Präsident der Vereinigten Staaten ließ nicht zu, daß diese Vorlage zum Gesetz wurde. Aber James Franklin Bell, Generalmajor der US-Armee, enthüllte J. F. Rutherford und W. E. Van Amburgh in einem Wutanfall, was sich auf der Konferenz ereignet hatte und daß man beabsichtigte, die Vorlage gegen die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder der Watch Tower Society zu verwenden.
Offizielle Akten der US-Regierung zeigen, daß spätestens ab dem 21. Februar 1918 John Lord O’Brian persönlich mit dem Sammeln von Beweismaterial gegen die Bibelforscher zu tun hatte. Der Sitzungsbericht des Kongresses vom 24. April und vom 4. Mai enthält Notizen von John Lord O’Brian, in denen er nachdrücklich argumentiert, daß er die Bibelforscher nicht erfolgreich strafrechtlich verfolgen könne, wenn das Gesetz Äußerungen erlaube über das, „was wahr ist, mit guten Motiven und vertretbaren Zielen“ — wie es in der sogenannten France-Novellierung des Spionagegesetzes festgelegt und vom US-Senat gebilligt worden sei.
In Worcester (Massachusetts) nutzte „Reverend“ B. F. Wyland das Kriegsfieber aus und behauptete, die Bibelforscher betrieben Propaganda für den Feind. Er veröffentlichte einen Artikel im Daily Telegram, in dem er erklärte: „Eine der patriotischen Pflichten, denen Sie als Bürger gegenüberstehen, ist die Unterdrückung der International Bible Students Association, deren Hauptbüro in Brooklyn ist. Sie hat unter dem Deckmantel der Religion in Worcester deutsche Propaganda betrieben, indem sie ihr Buch ‚Das vollendete Geheimnis‘ verkauft hat.“ Ohne Umschweife sagte er den Behörden, es sei ihre Pflicht, die Bibelforscher zu verhaften und sie daran zu hindern, weiterhin Zusammenkünfte abzuhalten.
Im Frühling und im Sommer 1918 wurden die Bibelforscher sowohl in Nordamerika als auch in Europa überall verfolgt. Unter den Anstiftern waren Geistliche der Baptisten, Methodisten, Episkopalen, Lutheraner, Katholiken und anderer Kirchen. Ohne Durchsuchungsbefehl beschlagnahmten Beamte biblische Literatur, und viele Bibelforscher warf man ins Gefängnis. Andere wurden vom Pöbel gejagt, geschlagen, ausgepeitscht, geteert und gefedert, oder ihnen wurden Rippen gebrochen oder Schnittwunden am Kopf beigebracht. Einige wurden zu Krüppeln gemacht. Christliche Männer und Frauen wurden ins Gefängnis geworfen und dort ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten. Mehr als einhundert Einzelfälle solch verbrecherischer Behandlung wurden im Goldenen Zeitalter vom 29. September 1920 (engl.) geschildert.
Der Spionage angeklagt
Der Höhepunkt kam am 7. Mai 1918, als in den Vereinigten Staaten Haftbefehl gegen J. F. Rutherford, den Präsidenten der Watch Tower Bible and Tract Society, und seine vertrauten Mitarbeiter erlassen wurde.
Am Tag zuvor waren in Brooklyn (New York) zwei Anklageschriften gegen Bruder Rutherford und seine Gefährten ausgestellt worden. Sollte die eine nicht den gewünschten Erfolg erzielen, wollte man die andere vorlegen. Die erste Anklageschrift, die eine größere Anzahl Einzelpersonen beschuldigte, enthielt vier Anklagepunkte: Zwei beschuldigten sie der Verschwörung als einer Verletzung des Spionagegesetzes vom 15. Juni 1917, und in zwei weiteren wurde ihnen vorgeworfen, ihre illegalen Vorhaben auszuführen oder es zu versuchen. Es wurde behauptet, sie hätten sich verschworen, um zum Ungehorsam und zur Verweigerung der Dienstpflicht in den Streitkräften der Vereinigten Staaten anzustiften, und sie hätten sich verschworen, die Rekrutierung und Anwerbung von Männern für solche Dienste zu behindern, und das, während sich die Nation im Krieg befinde; ferner hätten sie beides versucht oder tatsächlich getan. Die Anklageschrift erwähnte besonders die Veröffentlichung und Verbreitung des Buches Das vollendete Geheimnis. Die zweite Anklageschrift legte einen Scheck, der nach Europa gesandt worden war (er war für das biblische Schulungswerk in Deutschland bestimmt), als gegen die Interessen der Vereinigten Staaten gerichtet aus. Als die Angeklagten vor Gericht gebracht wurden, ging man nach der ersten Anklageschrift mit den vier Anklagepunkten vor.
Noch eine andere Anklageschrift, in der man sich auf das Spionagegesetz berief, war damals in Scranton (Pennsylvanien) gegen C. J. Woodworth und J. F. Rutherford anhängig. Doch gemäß einem Brief von John Lord O’Brian vom 20. Mai 1918 befürchteten einige im Justizministerium, daß der Bezirksrichter Witmer, vor dem der Fall verhandelt werden sollte, nicht mit ihrer Auslegung des Spionagegesetzes übereinstimmen würde; sie legten es dahin gehend aus, daß die Tätigkeit von Personen zu unterdrücken sei, die aus aufrichtiger religiöser Überzeugung etwas sagten, was andere als Antikriegspropaganda auffassen könnten. Das Justizministerium hielt daher den Fall in Scranton in der Schwebe bis zur Entscheidung des Falles in Brooklyn. Auch lenkte die Regierung die Situation so, daß Richter Harland B. Howe aus Vermont, von dem John Lord O’Brian wußte, daß er mit seiner Ansicht über solche Angelegenheiten übereinstimmte, in dem Fall als Richter im US-Bezirksgericht für den östlichen Distrikt von New York amtieren würde. Mit Isaac R. Oeland und Charles J. Buchner, einem Katholiken, als Vertreter der Anklage kam der Fall am 5. Juni vor Gericht. Während der Verhandlung beobachtete Bruder Rutherford, daß katholische Priester häufig mit Buchner und Oeland konferierten.
Im Verlauf des Verfahrens zeigte es sich, daß die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder der Gesellschaft und diejenigen, die das Buch zusammengestellt hatten, nicht die Absicht verfolgt hatten, die Kriegsanstrengungen des Landes zu behindern. Die während des Verfahrens vorgebrachten Beweise belegten, daß der Plan, dieses Buch zu schreiben, ja überhaupt der größte Teil der Manuskripte fertig war, bevor die Vereinigten Staaten den Krieg erklärten (am 6. April 1917), und daß der ursprüngliche Vertrag über die Herausgabe unterschrieben worden war, bevor die Vereinigten Staaten das Gesetz verabschiedet hatten (am 15. Juni), das die Angeklagten angeblich gebrochen hatten.
Die Anklagevertretung verwies auf Zusätze in dem Buch, die im April und Juni 1917 während der Überarbeitung des Textes und beim Korrekturlesen gemacht worden waren. Dazu gehörte ein Zitat von John Haynes Holmes, einem Geistlichen, der nachdrücklich erklärt hatte, der Krieg sei ein Vergehen gegen das Christentum. Einer der Verteidiger wies darauf hin, daß das Werk des Geistlichen mit dem Titel A Statement to My People on the Eve of War (Eine Erklärung an mein Volk am Vorabend des Krieges) zur Zeit des Prozesses in den Vereinigten Staaten immer noch zum Verkauf angeboten wurde. Weder der Geistliche noch der Verleger stand deswegen unter Anklage. Aber die Bibelforscher, die sich auf seine Predigt bezogen, wurden für die Meinung, die darin zum Ausdruck kam, zur Rechenschaft gezogen.
In dem Buch wurde der Allgemeinheit nicht gesagt, sie habe kein Recht, sich am Krieg zu beteiligen. Aber bei der Erklärung von Prophezeiungen wurde aus Wacht-Turm-Ausgaben von 1915 zitiert, um die Inkonsequenz der Geistlichen aufzuzeigen, die einerseits behaupteten, Christi Diener zu sein, andererseits aber kriegführenden Ländern als Rekrutierungshelfer dienten.
Als man erfuhr, daß die Regierung etwas gegen das Buch einzuwenden hatte, schickte Bruder Rutherford sofort ein Telegramm an die Druckerei, um die Produktion zu stoppen, und gleichzeitig sandte man einen Vertreter der Gesellschaft zum militärischen US-Geheimdienst. Er sollte herausfinden, um was für Einwände es sich handelte. Sobald man in Erfahrung gebracht hatte, daß die Seiten 247 bis 253 des Buches beanstandet wurden, weil der Krieg im Gange war, gab die Gesellschaft die Anweisung, diese Seiten aus allen Exemplaren des Buches herauszuschneiden, bevor es der Öffentlichkeit angeboten würde. Und als die Regierung die Bezirksstaatsanwälte davon in Kenntnis setzte, daß eine weitere Verbreitung ein Verstoß gegen das Spionagegesetz sei (obwohl die Regierung der Gesellschaft gegenüber eine Stellungnahme zu dem Buch in seiner abgewandelten Form ablehnte), ordnete die Gesellschaft an, das Buch vorerst nicht mehr in der Öffentlichkeit zu verbreiten.
Warum solche harten Strafen?
Ungeachtet all dessen sprachen am 20. Juni 1918 die Geschworenen alle Angeklagten in allen Anklagepunkten schuldig. Am Tag darauf wurden siebenb von ihnen zu je viermal 20 Jahren verurteilt, die gleichzeitig verbüßt werden sollten. Am 10. Juli wurde der achtec zu viermal 10 Jahren verurteilt, die ebenfalls gleichzeitig zu verbüßen waren. Wie hart waren diese Urteile? Der Präsident der Vereinigten Staaten, Woodrow Wilson, räumte in einem Brief vom 12. März 1919 an den Justizminister ein: „Die Freiheitsstrafen sind offensichtlich unangemessen hoch.“ Tatsächlich hatte der Mann, der in Sarajevo die tödlichen Schüsse auf den Thronfolger der österreichisch-ungarischen Monarchie abfeuerte — und damit Ereignisse auslöste, die die Nationen in den Ersten Weltkrieg stürzten —, keine härtere Strafe erhalten. Sein Urteil lautete auf 20 Jahre Gefängnis — nicht viermal 20 Jahre, wie im Fall der Bibelforscher.
Aus welchem Motiv heraus wurden die Bibelforscher zu langen Freiheitsstrafen verurteilt? Richter Harland B. Howe erklärte: „Nach Meinung des Gerichts stellt die religiöse Propaganda, für die diese Angeklagten energisch eingetreten sind und die sie im ganzen Land sowie unter unseren Verbündeten betrieben haben, eine größere Gefahr dar als eine ganze deutsche Division. ... Jemand, der seinen Glauben verkündigt, hat gewöhnlich viel Einfluß, und wenn er aufrichtig ist, um so mehr. Das verschlimmert ihr begangenes Unrecht, statt es zu mildern. Daher hat das Gericht beschlossen, daß es nur klug ist, diese Leute hart zu bestrafen.“ Interessanterweise sagte Richter Howe, bevor er das Strafurteil verkündete, aber auch, daß die Verteidiger nicht nur die Justizbeamten der Regierung unglaubwürdig gemacht und angegriffen hätten, sondern auch „alle Geistlichen im ganzen Land“.
Gegen die Entscheidung wurde sofort Berufung eingelegt. Doch Richter Howe lehnte eine Kaution bis zur Verhandlung des Einspruchs willkürlich ab,d und am 4. Juli, bevor ein drittes und letztes Rechtsmittel für eine Kaution eingelegt werden konnte, wurden die ersten sieben Brüder schnell in die Bundesstrafanstalt in Atlanta (Georgia) gebracht. Später wurde bewiesen, daß das äußerst befangene Gericht 130 Verfahrensfehler gemacht hatte. Es dauerte Monate, die für das Berufungsverfahren erforderlichen Papiere vorzubereiten. Inzwischen war der Krieg vorüber. Am 19. Februar 1919 sandten die acht inhaftierten Brüder eine dringende Bitte um Straferlaß an Woodrow Wilson, den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Zahlreiche Bürger schickten Briefe an den neu ernannten Justizminister, in denen sie sich nachdrücklich für die Freilassung der Brüder einsetzten. In Beantwortung der Anfrage des Justizministers empfahl Richter Howe am 1. März 1919 „sofortige Strafmilderung“. Das hätte zwar die Strafdauer verkürzt, aber gleichzeitig wäre dadurch die Schuld der Angeklagten bestätigt worden. Bevor es soweit kam, stellten die Rechtsanwälte der Brüder dem Bundesanwalt eine gerichtliche Verfügung zu, die den Fall vor das Berufungsgericht brachte.
Am 21. März 1919, neun Monate nachdem Rutherford und seine Gefährten verurteilt worden waren — der Krieg war inzwischen vorüber —, ordnete das Berufungsgericht an, alle acht Angeklagten gegen Kaution aus der Haft zu entlassen, und am 26. März kamen sie in Brooklyn gegen eine Kaution von je 10 000 Dollar frei. Am 14. Mai 1919 entschied das Berufungsgericht in New York: „Die Angeklagten in diesem Rechtsfall hatten nicht das maßvolle und unparteiische Gerichtsverfahren, auf das sie ein Anrecht gehabt hätten, und aus diesem Grunde ist das Urteil aufgehoben.“ Der Fall wurde zurückverwiesen für ein neues Gerichtsverfahren.e Nachdem die Angeklagten jedoch auf Vorladung fünfmal vor Gericht erschienen waren, verkündete der Staatsanwalt am 5. Mai 1920 in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung in Brooklyn, daß die Anklage fallengelassen wurde. Warum? Wie aus einem Schriftwechsel hervorgeht, der in den Nationalarchiven der Vereinigten Staaten aufbewahrt wird, fürchtete das Justizministerium, den Fall zu verlieren, wenn er vor unbefangene Geschworene gebracht würde, da die Kriegshysterie abgeklungen war. Der Bundesanwalt L. W. Ross legte in einem Brief an den Justizminister dar, er denke, es wäre für ihre Öffentlichkeitsarbeit besser, wenn sie auf eigene Initiative erklärten, daß der Fall nicht länger verfolgt werde.
Am selben Tag, dem 5. Mai 1920, wurde die andere Anklage, die im Mai 1918 gegen J. F. Rutherford und vier seiner Gefährten erhoben worden war, ebenfalls fallengelassen.
Wer waren die eigentlichen Anstifter?
War das alles wirklich von der Geistlichkeit angestiftet worden? John Lord O’Brian bestritt das. Aber die Tatsachen waren denen, die damals lebten, bestens bekannt. Am 22. März 1919 wurde in der Zeitung Appeal to Reason, die in Girard (Kansas) herausgegeben wurde, folgender Protest geäußert: „Anhänger von Pastor Russell, verfolgt aus Gehässigkeit von der ‚orthodoxen‘ Geistlichkeit, wurden verurteilt und inhaftiert, ohne daß eine Kaution zugelassen wurde, obwohl sie alle nur möglichen Anstrengungen unternahmen, um den Bestimmungen des Spionagegesetzes zu entsprechen. ... Wir erklären, daß diese Anhänger Pastor Russells, unabhängig davon, ob das Spionagegesetz formaljuristisch verfassungsmäßig und ethisch zu rechtfertigen war, auf dessen Grundlage unrechtmäßig verurteilt wurden. Eine vorurteilslose Untersuchung der Beweise wird jeden schnell davon überzeugen, daß diese Männer das Gesetz weder übertreten wollten noch es übertreten haben.“
Jahre später äußerte sich Dr. Ray Abrams in dem Buch Preachers Present Arms, Seite 183—185 folgendermaßen: „Es ist bezeichnend, daß sich so viele Geistliche energisch an dem Versuch beteiligten, die Russelliten [wie die Bibelforscher abfällig bezeichnet wurden] loszuwerden. Seit langem bestehende religiöse Streitigkeiten und Haßgefühle, die zu Friedenszeiten keinerlei Beachtung vor Gericht erhalten hatten, fanden jetzt, unter dem Einfluß der Kriegshysterie, Eingang in den Gerichtssaal.“ Weiter sagte er: „Eine Untersuchung des ganzen Falles führt zu dem Schluß, daß ursprünglich die Kirchen und die Geistlichen hinter dieser Maßnahme standen, um die Russelliten auszurotten.“
Das Ende des Krieges beendete indessen nicht die Verfolgung der Bibelforscher. Sie trat lediglich in eine neue Phase ein.
Priester setzen die Polizei unter Druck
Da der Krieg nun vorüber war, wurden von der Geistlichkeit andere Streitfragen aufgeworfen, um, falls irgend möglich, die Tätigkeit der Bibelforscher zum Erliegen zu bringen. Im katholischen Bayern und in anderen Teilen Deutschlands wurden in den 20er Jahren zahllose Verhaftungen wegen angeblicher Verstöße gegen die Gewerbeordnung in die Wege geleitet. Als die Fälle jedoch vor Berufungsgerichte gebracht wurden, entschieden die Richter gewöhnlich zugunsten der Bibelforscher. Schließlich, nachdem die Gerichte mit Tausenden von solchen Fällen überschwemmt worden waren, gab das Innenministerium 1930 einen Runderlaß an alle Polizeibeamten heraus, in dem ihnen gesagt wurde, sie sollten keine rechtlichen Schritte gegen die Bibelforscher wegen Verstößen gegen die Gewerbeordnung mehr einleiten. Somit ließ der Druck von dieser Seite für kurze Zeit nach, und Jehovas Zeugen setzten ihre Tätigkeit in Deutschland in außergewöhnlichem Umfang fort.
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„Gegenstand des Hasses aller Nationen“Jehovas Zeugen — Verkündiger des Königreiches Gottes
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[Kasten auf Seite 655]
Die Geistlichkeit zeigt ihre wahren Gefühle
Die Reaktionen religiöser Zeitschriften auf die Verurteilung J. F. Rutherfords und seiner Gefährten im Jahre 1918 sind bezeichnend:
◆ „The Christian Register“: „Wogegen die Regierung hier ganz gezielt vorgeht, ist die Anmaßung, religiöse Ideen, so verrückt und schädlich sie auch sein mögen, dürften ungestraft propagiert werden. Das ist ein alter Trugschluß, und bisher waren wir diesbezüglich allzu sorglos. ... Allem Anschein nach ist es mit dem Russellismus aus und vorbei.“
◆ In „The Western Recorder“, einer Publikation der Baptisten, war zu lesen: „Man braucht sich nicht zu wundern, daß der Kopf dieser streitsüchtigen Sekte in einer Anstalt für Aufsässige inhaftiert werden soll. ... Das wirklich komplizierte Problem in diesem Zusammenhang ist, ob die Angeklagten in eine Irrenanstalt oder in ein Gefängnis gebracht werden sollten.“
◆ „The Fortnightly Review“ lenkte die Aufmerksamkeit auf den Kommentar in der New Yorker „Evening Post“, in der es hieß: „Wir hoffen, daß die Religionslehrer überall die Urteilsbegründung dieses Richters zur Kenntnis nehmen, nämlich, daß irgendeine Religion zu lehren, ausgenommen die, die mit dem geschriebenen Recht absolut in Übereinstimmung ist, ein schweres Verbrechen ist, das noch größer wird, wenn der Prediger des Evangeliums aufrichtig ist.“
◆ „The Continent“ bezeichnete die Angeklagten verächtlich als Nachfolger des verstorbenen „Pastors Russell“ und verdrehte ihre Glaubensansichten, indem er schrieb, sie setzten sich dafür ein, „daß alle, ausgenommen Sünder, davon freigestellt werden sollten, gegen den deutschen Kaiser zu kämpfen“. Die Zeitschrift behauptete, daß laut Aussage des Justizministers in Washington (D. C.) „sich die italienische Regierung vor einiger Zeit bei den Vereinigten Staaten beschwert hat, Rutherford und seine Gefährten ... hätten unter den italienischen Streitkräften eine Menge Antikriegspropaganda in Umlauf gebracht“.
◆ Eine Woche später veröffentlichte „The Christian Century“ einen Großteil des obigen Artikels Wort für Wort, was zeigt, daß die Herausgeber damit völlig übereinstimmten.
◆ Die katholische Zeitschrift „Truth“ berichtete kurz über die verhängte Strafe und brachte dann die Gefühle ihrer Herausgeber wie folgt zum Ausdruck: „Die Literatur dieser Vereinigung ist voll von bösartigen Angriffen auf die katholische Kirche und ihre Geistlichkeit.“ In dem Bemühen, jeden als „Aufrührer“ abzustempeln, der es wagt, öffentlich eine andere Meinung zu vertreten als die katholische Kirche, wurde hinzugefügt: „Es wird immer offensichtlicher, daß der Geist der Intoleranz eng verknüpft ist mit dem des Aufruhrs.“
◆ Dr. Ray Abrams bemerkte in seinem Buch „Preachers Present Arms“: „Als die Herausgeber der Kirchenzeitungen davon erfuhren, daß die Angeklagten zu zwanzig Jahren verurteilt worden waren, jubelten sie praktisch alle, ob klein oder groß, über das Ereignis. Ich konnte nicht ein einziges Wort der Anteilnahme in irgendeinem orthodoxen religiösen Blatt finden.“
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