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    Wie kann Blut dein Leben retten?
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      Wie kann Blut dein Leben retten?

  • Inhalt
    Wie kann Blut dein Leben retten?
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      3 Blut — lebenswichtig

      7 Bluttransfusionen — Wie sicher?

      13 Ausgezeichnete Alternativen zur Transfusion

      17 Der Patient hat das Recht zu entscheiden

      22 Das Blut, das wirklich Leben rettet

  • Vorwort
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Vorwort

      TÄGLICH müssen Menschen ethische Entscheidungen bezüglich der Gesundheit treffen: Organverpflanzungen, Schwangerschaftsabbruch, das „Recht auf den Tod“. Hoffentlich wirst du nie vor solchen Problemen stehen.

      Doch eine Frage erfordert deine Aufmerksamkeit: Wie kann Blut verwendet werden, um Leben zu retten?

      Aus gutem Grund fragen sich heute viele: „Wie sicher sind Bluttransfusionen?“ Das ist allerdings mehr als eine medizinische Frage. Sie hat in Verbindung mit Jehovas Zeugen Schlagzeilen gemacht. Hast du jemals darüber nachgedacht, warum diese Menschen, die auf ethische Grundsätze bedacht und an guten medizinischen Behandlungsmethoden interessiert sind, Blut ablehnen?

      Die medizinischen und sittlichen Gesichtspunkte der Verwendung von Blut haben einen unmittelbaren Einfluß darauf, wie du dein kostbarstes Gut retten kannst: das LEBEN.

  • Blut — lebenswichtig
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Blut — lebenswichtig

      Wie kann Blut dein Leben retten? Das ist zweifellos für dich von Interesse, weil Blut mit deinem Leben in Verbindung steht. Blut befördert Sauerstoff durch deinen Körper, entfernt Kohlendioxyd, gleicht Temperaturschwankungen aus und unterstützt dich in deinem Kampf gegen Krankheiten.

      Schon lange bevor William Harvey 1628 den Blutkreislauf erkannte, wurde Leben mit Blut in Verbindung gebracht. Die wichtigsten Grundsätze bedeutender Religionsorganisationen drehen sich um einen Lebengeber, der sich über das Leben und das Blut äußerte. Ein christlicher Rechtsgelehrter jüdischer Herkunft sagte von ihm: „Er selbst [gibt] allen Personen Leben und Odem und alles ... Denn durch ihn haben wir Leben und bewegen uns und existieren.“a

      Menschen, die an solch einen Lebengeber glauben, vertrauen darauf, daß seine Anweisungen zu ihrem ewigen Wohl sind. Ein hebräischer Prophet beschrieb ihn als denjenigen, „der dir zum Nutzen dich lehrt, der dich auf den Weg treten läßt, auf dem du wandeln solltest“.

      Diese Zusicherung aus Jesaja 48:17 steht in der Bibel, einem Buch, das für seine ethischen Wertmaßstäbe bekannt ist, die uns allen von Nutzen sein können. Was sagt sie darüber, wie Menschen Blut verwenden sollten? Zeigt sie, wie durch Blut Leben gerettet werden kann? Tatsächlich erläutert die Bibel deutlich, daß Blut mehr als eine komplexe physiologische Flüssigkeit ist. Sie erwähnt Blut über 400mal, und in einigen Fällen geht es um das Retten von Leben.

      Ziemlich zu Beginn erklärte der Schöpfer: „Alles, was sich regt und lebt, sei eure Speise. ... Doch ihr sollt kein Fleisch essen, in dem noch das Leben, das Blut, ist.“ Er fügte hinzu: „Besonders aber von eurem Leben, vom Blut der Menschen, will ich Rechenschaft fordern“, und dann verurteilte er Mord (1. Mose 9:3-6, Stuttgarter Erklärungsbibel). Er sagte das zu Noah, einem hoch geachteten gemeinsamen Vorfahren der Juden, Muslime und Christen. Die ganze Menschheit wurde auf diese Weise davon in Kenntnis gesetzt, daß gemäß der Ansicht des Schöpfers Blut für Leben steht. Das war mehr als eine Ernährungsvorschrift. Es ging zweifellos um einen sittlichen Grundsatz. Menschenblut hat eine große Bedeutung und sollte nicht mißbraucht werden. Später fügte der Schöpfer Einzelheiten hinzu, aus denen unschwer die sittlichen Kernfragen zu erkennen sind, die er mit dem Blut in Verbindung bringt.

      Erneut nahm er auf das Blut Bezug, als er den Israeliten das mosaische Gesetz gab. Viele Menschen anerkennen zwar die Weisheit und die Sittenlehre dieses Gesetzeskodex, aber wenige sind sich bewußt, welche ernst zu nehmenden Gesetze er hinsichtlich des Blutes enthält. Ein Beispiel: „Wenn jemand aus dem Hause Israel oder von den Fremden, die sich in eurer Mitte aufhalten, irgendwie Blut genießt, so werde ich gegen eine solche Person, die Blut genießt, mein Angesicht richten, und ich werde sie aus ihrem Volke austilgen. Denn das Leben des Körpers ist in seinem Blute“ (3. Mose 17:10, 11, Jerusalemer Bibel). Gott erklärte dann, was ein Jäger mit einem toten Tier tun mußte: „[Er] soll dessen Blut auslaufen lassen und es mit Erde bedecken. ... Ihr dürft von keinem Geschöpf das Blut genießen; denn das Leben eines jeden Geschöpfes ist in seinem Blut. Jeder, der es genießt, soll ausgetilgt werden“ (3. Mose 17:13, 14, Jerusalemer Bibel).

      Wissenschaftler wissen heute, daß der jüdische Gesetzeskodex der Gesundheit förderlich war. Er schrieb beispielsweise vor, die Notdurft außerhalb des Lagers zu verrichten und die Exkremente zu bedecken; außerdem war es verboten, gewisses Fleisch zu essen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit krankheitserregend war (3. Mose 11:4-8, 13; 17:15; 5. Mose 23:12, 13). Das Gesetz über das Blut berücksichtigte zwar gesundheitliche Gesichtspunkte, doch hing viel mehr damit zusammen. Blut hatte eine symbolische Bedeutung. Es stand für das vom Schöpfer gegebene Leben. Indem die Israeliten Blut als etwas Besonderes behandelten, zeigten sie, daß ihr Leben vom Schöpfer abhing. Ja, der Hauptgrund, warum sie kein Blut genießen durften, bestand nicht darin, daß es ungesund war, sondern darin, daß es für Gott eine besondere Bedeutung hatte.

      Wiederholt wies das mosaische Gesetz darauf hin, daß der Schöpfer es verbot, Blut zu sich zu nehmen, um Leben zu erhalten. „Du sollst es [das Blut] nicht essen; auf die Erde sollst du es ausschütten wie Wasser. Du sollst es nicht essen, auf daß es dir und deinen Kindern nach dir wohl ergehe, wenn du tust, was dem Herrn wohlgefällt“ (5. Mose 12:23-25, Zürcher Bibel; 15:23; 3. Mose 7:26, 27; Hesekiel 33:25).b

      Entgegen der heute von manchen vertretenen Meinung durfte Gottes Gesetz bezüglich des Blutes auch in einem Notfall nicht außer acht gelassen werden. In einer kritischen Kriegssituation töteten israelitische Soldaten Tiere und gingen daran, „das Blut mitzuessen“. War es ihnen in dieser Notsituation gestattet, ihr Leben durch Blut zu erhalten? Nein. Ihr Befehlshaber stellte nachdrücklich fest, daß ihre Handlungsweise ein schweres Vergehen war (1. Samuel 14:31-35). So wertvoll das Leben auch ist, hat unser Lebengeber doch niemals gesagt, daß seine Maßstäbe im Notfall mißachtet werden dürfen.

      BLUT UND WAHRE CHRISTEN

      Welchen Standpunkt nimmt das Christentum zu der Frage ein, ob menschliches Leben durch Blut gerettet werden darf?

      Jesus war ein Mann, der seine Lauterkeit bewahrte, weshalb er in so hohem Ansehen steht. Er wußte, daß der Schöpfer verboten hatte, Blut in sich aufzunehmen, und daß dieses Gesetz bindend war. Folglich besteht guter Grund, zu glauben, daß Jesus das Gesetz bezüglich des Blutes selbst unter Druck beachten würde. Jesus „tat keine Sünde, und in seinem Munde fand sich kein Trug“ (1. Petrus 2:22, Pattloch-Bibel). Dadurch gab er seinen Nachfolgern ein Beispiel, auch ein Beispiel in bezug auf den Respekt vor dem Leben und dem Blut. (Wir werden später betrachten, wie Jesu eigenes Blut in dieser wichtigen Angelegenheit unser Leben berührt.)

      Man beachte, was geschah, als Jahre nach Jesu Tod die Frage aufkam, ob jemand, wenn er ein Christ wird, alle Gesetze Israels halten müsse. Bei einem Konzil der christlichen leitenden Körperschaft, zu der u. a. die Apostel gehörten, wurde die Sache besprochen. Jesu Halbbruder Jakobus bezog sich auf Schriften, in denen die an Noah und an die Nation Israel gerichteten Gebote bezüglich des Blutes aufgezeichnet waren. Würden sie für Christen bindend sein? (Apostelgeschichte 15:1-21).

      Das Konzil sandte seine Entscheidung an alle Versammlungen: Christen brauchten das mosaische Gesetz nicht zu halten, aber es war notwendig, sich „von Dingen zu enthalten, die Götzen geopfert wurden, sowie von Blut und von Erwürgtem [nicht ausgeblutetes Fleisch] und von Hurerei“ (Apostelgeschichte 15:22-29). Die Apostel gaben nicht lediglich rituelle Anweisungen oder Ernährungsrichtlinien. Der Erlaß umriß grundlegende ethische Normen, die für die ersten Christen bindend waren. Etwa ein Jahrzehnt später anerkannten sie, daß sie sich immer noch „bewahren sollten vor dem, was Götzen geopfert worden ist, wie auch vor Blut und ... vor Hurerei“ (Apostelgeschichte 21:25).

      Bekanntlich gehen Millionen Menschen zur Kirche. Die meisten würden wahrscheinlich dem zustimmen, daß es zur christlichen Sittenlehre gehört, keine Götzen anzubeten und keine schwere Unsittlichkeit zu begehen. Es verdient indes auch unsere Beachtung, daß die Apostel das Blutverbot auf dasselbe hohe moralische Niveau stellten wie das Verbot, die erwähnten Missetaten zu begehen. Ihr Erlaß schloß mit den Worten: „Wenn ihr euch vor diesen Dingen sorgfältig bewahrt, wird es euch gutgehen. Bleibt gesund!“ (Apostelgeschichte 15:29).

      Der apostolische Erlaß galt lange Zeit als bindend. Eusebius berichtet von einer jungen Frau, die, bevor sie gegen Ende des 2. Jahrhunderts unter Folter starb, feststellte, daß es Christen „nicht einmal gestattet [ist], das Blut unvernünftiger Tiere zu genießen“. Sie machte nicht von einem „Recht auf den Tod“ Gebrauch. Sie wollte leben, aber sie war nicht bereit, hinsichtlich ihrer Grundsätze Kompromisse zu machen. Achten wir nicht Personen, die Grundsätze über persönliche Vorteile stellen?

      Der Wissenschaftler Joseph Priestley kam zu dem Schluß: „Das an Noah ergangene Verbot, Blut zu essen, scheint für seine ganze Nachkommenschaft bindend zu sein ... Deuten wir dieses Verbot der Apostel mit Hilfe der Praxis der Urchristen, denen man kaum unterstellen kann, sie hätten dessen Wesen und Ausmaß nicht richtig verstanden, dann bleibt uns nur die Schlußfolgerung, daß es absolut und unablösbar sein sollte; denn jahrhundertelang aß kein einziger Christ Blut.“

      WIE STEHT ES MIT DER MEDIZINISCHEN VERWENDUNG VON BLUT?

      Erstreckt sich das biblische Blutverbot auch auf medizinische Anwendungen, wie z. B. Bluttransfusionen, die zur Zeit Noahs, Mose und der Apostel natürlich nicht bekannt waren?

      Die heutigen Behandlungsmethoden, bei denen Blut verwendet wird, gab es damals nicht, doch der medizinische Gebrauch von Blut ist nicht neu. Rund 2 000 Jahre sah man in Ägypten und anderswo „das Blut als beste Arznei gegen Lepra an“. Ein Arzt berichtete über die Therapie, der König Esar-Haddons Sohn unterzogen wurde, als die Nation Assyrien auf technologischem Gebiet führend war: „[Dem Prinzen] geht es viel besser; der König, mein Herr, kann glücklich sein. Beginnend vom 22. Tag, gebe ich [ihm] Blut zu trinken, und er wird [es] 3 Tage lang trinken. Drei weitere Tage werde ich [ihm] zur inneren Anwendung [Blut] geben.“ Esar-Haddon hatte Verbindung zu den Israeliten. Doch da die Israeliten Gottes Gesetz besaßen, hätten sie niemals Blut als Arznei getrunken.

      Gebrauchte man Blut zur Zeit des Römischen Reiches zu medizinischen Zwecken? Der Naturforscher Plinius (ein Zeitgenosse der Apostel) und Aretaios, ein Arzt des 2. Jahrhunderts, schildern, daß Menschenblut zur Behandlung von Epilepsie benutzt wurde. Später schrieb Tertullian: „... und ebenso diejenigen, die beim Kampfspiel in der Arena das Blut der getöteten Verbrecher ... mit gierigen Zügen einschlürfen, um damit die Fallsucht zu heilen.“ Er stellte sie den Christen gegenüber, die „nicht einmal Tierblut unter die zum Genuß erlaubten Speisen rechnen ... Deshalb legt ihr ja, wenn ihr die Christen auf die Probe stellen wollt, ihnen auch Würste vor, die mit Tierblut gefüllt sind — offenbar in der festen Gewißheit, daß deren Genuß bei ihnen verboten ist.“ Somit nahmen es die ersten Christen eher in Kauf zu sterben, als Blut zu sich zu nehmen.

      „In seiner alltäglicheren Form kam das Blut als Ingredienz in Medizin und Magie nie aus der Mode“, heißt es in dem Buch Fleisch und Blut — Eine Kulturgeschichte des Kannibalismus von Reay Tannahill. „1483 z. B. lag Ludwig XI. von Frankreich im Sterben. ‚Jeden Tag verschlechterte sich sein Zustand, und selbst die ungewöhnlichen Arzneien schlugen nicht an; er trank nämlich das Blut von gewissen Kindern und hoffte sehr, dadurch wieder gesund zu werden.‘ “

      Was ist über Bluttransfusionen zu sagen? Zu Anfang des 16. Jahrhunderts begann man, damit zu experimentieren. Thomas Bartholin (1616—1680), Professor für Anatomie an der Universität von Kopenhagen, machte folgende Einwendung: „Diejenigen, die den Gebrauch von Menschenblut als inneres Heilmittel für Krankheiten einführen, scheinen es zu mißbrauchen und scheinen schwer zu sündigen. Kannibalen verurteilt man. Warum verabscheuen wir nicht diejenigen, die ihren Schlund mit Menschenblut besudeln? Ähnlich verhält es sich mit der Aufnahme von Fremdblut aus einer aufgeschnittenen Vene, sei es nun durch den Mund oder durch Transfusionsinstrumente. Die Urheber dieser Operation haben das göttliche Gesetz gegen sich, das das Essen von Blut verbietet.“

      Folglich haben denkende Menschen vergangener Jahrhunderte erkannt, daß sich das biblische Gesetz nicht nur auf die Aufnahme von Blut durch den Mund bezieht, sondern auch auf die Blutaufnahme über die Venen. Bartholin kam zu dem Schluß: „Jede Methode der [Blut-]Aufnahme dient ein und demselben Zweck, nämlich der Ernährung oder Heilung eines kranken Körpers durch dieses Blut.“

      Dieser Überblick trägt vielleicht dazu bei, den unveräußerlichen religiösen Standpunkt der Zeugen Jehovas zu verstehen. Für sie ist das Leben von großem Wert, und sie sind an einer guten ärztlichen Behandlung interessiert. Aber sie sind fest entschlossen, dem unveränderlichen Maßstab Gottes nicht zuwiderzuhandeln: Wer das Leben als Gabe des Schöpfers respektiert, versucht nicht, es durch die Aufnahme von Blut zu erhalten.

      Dennoch wird seit Jahren behauptet, Blut rette Leben. Ärzte berichten von Fällen, in denen jemand nach einem akuten Blutverlust Blut übertragen wurde und er sich dann schnell erholte. Es erhebt sich also die Frage: „Wie vernünftig oder unvernünftig ist das aus medizinischer Sicht?“ Es werden medizinische Beweise angeführt, um eine Behandlung mit Blut zu rechtfertigen. Daher ist man es sich selbst schuldig, die Tatsachen zu ermitteln, um nach hinreichender Aufklärung eine Entscheidung bezüglich des Blutes zu treffen.

      [Fußnoten]

      a Paulus, in Apostelgeschichte 17:25, 28, Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift.

      b Ähnliche Verbote wurden später in den Koran aufgenommen.

      [Kasten auf Seite 4]

      „Die hier auf präzise und methodische Art dargelegten Richtlinien [in Apostelgeschichte 15] sind, durch einen Zusatz bekräftigt, unbedingt einzuhalten, da sie ganz eindeutig beweisen, daß die Apostel keine vorübergehende Einrichtung oder behelfsmäßige Maßnahme im Sinn hatten“ (Professor Édouard Reuss, Universität von Strasbourg).

      [Kasten/Bild auf Seite 5]

      Martin Luther wies auf die Bedeutung des apostolischen Erlasses hin: „Wollen wir nu eine Kirchen haben nach diesem Concilio, ... so müssen wir nu lehren und treiben, daß kein Fürst, Herr, Bürger noch Baur, hinfurt Gänse, Rehe, Hirs [Hirsche], Schweinefleisch im Schwarzen [in schwarzer, d. i. Blutbrühe] esse ... Und sonderlich müssen die Bürger und Baurn kein Rothwurst oder Blutwurst essen.“

      [Bildnachweis]

      Holzschnitt von Lucas Cranach

      [Kasten auf Seite 6]

      „Gott und Menschen betrachten Dinge in ganz unterschiedlichem Lichte. Was uns wichtig erscheint, ist in den Augen der allumfassenden Weisheit recht oft von keinem Wert; und was uns geringfügig vorkommt, ist häufig von außergewöhnlicher Bedeutung für Gott. So war es von Anfang an“ (Alexander Pirie, 1787, „Eine Untersuchung bezüglich der Rechtmäßigkeit des Blutgenusses“).

      [Bild auf Seite 3]

      Medicine and the Artist von Carl Zigrosser/Dover Publications

      [Bild auf Seite 4]

      Bei einem historischen Konzil bestätigte die christliche leitende Körperschaft, daß Gottes Gesetz bezüglich des Blutes immer noch bindend ist

      [Bild auf Seite 7]

      Ungeachtet der Folgen weigerten sich die ersten Christen, Gottes Gesetz bezüglich des Blutes zu mißachten

      [Bildnachweis]

      Gemälde von Gérôme, 1883, mit frdl. Gen. der Walters Art Gallery, Baltimore

  • Bluttransfusionen — Wie sicher?
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Bluttransfusionen — Wie sicher?

      Bevor sich ein denkender Mensch einer ernsten medizinischen Behandlung unterzieht, informiert er sich darüber, welcher Nutzen und welche Risiken damit verbunden sind. Wie verhält es sich in dieser Hinsicht mit Bluttransfusionen? In der Medizin sind sie heute ein gängiges Mittel. Viele Ärzte, die an ihren Patienten echt interessiert sind, werden kaum zögern, Blut zu verabreichen. Blut wird sogar als Lebensspender bezeichnet.

      Millionen Menschen haben entweder Blut gespendet oder haben Blut übertragen bekommen. In den Jahren 1986/87 gab es in Kanada 1,3 Millionen Spender bei einer Bevölkerung von 25 Millionen. „[Im] letzten Jahr, für das Angaben zur Verfügung stehen, wurden allein in den Vereinigten Staaten zwischen 12 Millionen und 14 Millionen Einheiten Blut für Transfusionen verwendet“ (The New York Times, 18. Februar 1990).

      „Blut hatte schon immer etwas ‚Magisches‘ an sich“, bemerkt Dr. Louise J. Keating. „In den ersten 46 Jahren hielten sowohl die Ärzte als auch die Öffentlichkeit die Blutversorgung für ungefährlicher, als sie es wirklich war“ (Cleveland Clinic Journal of Medicine, Mai 1989). Wie war die Situation damals, und wie ist sie heute?

      Noch vor 30 Jahren wurde Pathologen und Angestellten von Blutbanken gesagt: „Blut ist wie Dynamit! Es kann viel Gutes bewirken oder großen Schaden anrichten. Die transfusionsbedingte Mortalität entspricht der einer Äthernarkose oder einer Blinddarmoperation. Es soll annähernd ein Todesfall auf 1 000 bis 3 000 oder vielleicht 5 000 Transfusionen kommen. Für den Bereich London ist ein Todesfall je 13 000 Einheiten transfundiertes Blut gemeldet worden“ (New York State Journal of Medicine, 15. Januar 1960).

      Sind die Gefahren mittlerweile beseitigt worden, so daß die Transfusionen jetzt unbedenklich sind? Man kommt nicht umhin zu sagen, daß jedes Jahr bei Hunderttausenden ungünstige Nebenwirkungen nach der Verabreichung von Blut auftreten; und viele sterben. Angesichts des zuvor Gesagten denkt man vielleicht an Krankheiten, die durch Blut übertragen werden. Bevor wir darauf eingehen, sollen einige weniger bekannte Risiken betrachtet werden.

      BLUT UND DAS IMMUNSYSTEM

      Zu Anfang des 20. Jahrhunderts haben Wissenschaftler das Verständnis über die bewundernswerte Komplexität des Blutes vertieft. Man fand heraus, daß es verschiedene Blutgruppen gibt. Bei Transfusionen ist es entscheidend festzustellen, ob sich das Blut des Spenders mit dem des Empfängers verträgt. Wenn jemand mit der Blutgruppe A Blut der Blutgruppe B erhält, kann eine folgenschwere hämolytische Reaktion auftreten. Dadurch können bei dem Betreffenden viele rote Blutkörperchen zerstört werden, und demzufolge kann schnell der Tod eintreten. Zwar wird routinemäßig die Blutgruppe bestimmt und die Kreuzprobe durchgeführt, aber Irrtümer kommen vor. Jedes Jahr sterben Menschen an hämolytischen Reaktionen.

      Die Problematik der Unverträglichkeit geht weit über die verhältnismäßig wenigen Blutgruppen hinaus, die in den Krankenhäusern routinemäßig bestimmt werden. Wieso? Nun, in dem Artikel „Bluttransfusion: Gebrauch, Mißbrauch und Gefahren“ schreibt Dr. Douglas H. Posey jr.: „Vor fast 30 Jahren hat Sampson die Bluttransfusion als ein relativ gefährliches Verfahren beschrieben ... [Seither] sind mindestens 400 weitere Rote-Blutkörperchen-Antigene erkannt und charakterisiert worden. Ohne Zweifel wird die Zahl weiter zunehmen, da die Membran der roten Zellen außerordentlich komplex ist“ (Journal of the National Medical Association, Juli 1989).

      Die Auswirkung transfundierten Blutes auf das Abwehr- oder Immunsystem des Körpers wird derzeit erforscht. Was könnte dies für einen selbst oder für einen Verwandten bedeuten, wenn eine Operation erforderlich wird?

      Bei der Transplantation eines Herzens, einer Leber oder eines anderen Organs ist es möglich, daß das Immunsystem des Empfängers das fremde Gewebe erkennt und abstößt. Eine Transfusion ist jedoch nichts anderes als eine Gewebstransplantation. Sogar Blut der „richtigen“ Blutgruppe kann das Immunsystem schwächen. Pathologen haben auf einer Konferenz herausgestellt, daß in Hunderten von medizinischen Veröffentlichungen „auf einen Zusammenhang zwischen Bluttransfusionen und Immunreaktionen aufmerksam gemacht wird“ (“Case Builds Against Transfusions”, Medical World News, 11. Dezember 1989).

      Eine vorrangige Aufgabe des Immunsystems ist es, bösartige Zellen oder Krebszellen aufzuspüren und zu zerstören. Könnte eine unterdrückte Immunität zu Krebs und somit zum Tod führen? Man beachte zwei Berichte.

      Die Zeitschrift Cancer (15. Februar 1987) berichtete über Ergebnisse einer Studie aus den Niederlanden: „Bei Patienten mit Darmkrebs war eindeutig eine ungünstige Auswirkung der Transfusion auf die Langzeit-Überlebensrate zu beobachten. In dieser Gruppe betrug die kumulative 5-Jahres-Überlebensrate 48 % für Transfusionsempfänger und 74 % für Nichttransfundierte.“ Ärzte der Universität von Südkalifornien beobachteten den Gesundheitszustand von hundert Patienten, die an Krebs operiert worden waren. „Die Rückfallquote für alle Krebserkrankungen am Kehlkopf betrug 14 % bei denjenigen, die kein Blut, und 65 % bei denjenigen, die Blut erhalten hatten. Bei Krebserkrankungen der Mundhöhle, der Rachenhöhle und Nase oder der Nebenhöhlen betrug die Rückfallquote 31 %, wenn keine Transfusionen, und 71 %, wenn Transfusionen verabreicht wurden“ (Annals of Otology, Rhinology & Laryngology, März 1989).

      Was besagen solche Studien im Hinblick auf Transfusionen? In dem Artikel „Bluttransfusionen und Krebsoperationen“ kommt Dr. John S. Spratt zu dem Schluß: „Der Krebschirurg muß eventuell Spezialist für blutlose Chirurgie werden“ (The American Journal of Surgery, September 1986).

      Eine weitere vorrangige Aufgabe des Immunsystems ist die Infektionsabwehr. Daher ist es verständlich, daß gemäß einigen Studien Patienten, die Blut erhalten haben, infektionsanfälliger sind als andere. Dr. P. I. Tartter führte eine Untersuchung über Dickdarmoperationen durch. Von den Transfusionsempfängern zogen sich 25 Prozent Infektionen zu, verglichen mit 4 Prozent bei denjenigen, die keine Transfusionen erhalten hatten. Er berichtet: „Es konnte ein Zusammenhang zwischen Bluttransfusionen und Infektionskomplikationen hergestellt werden bei Transfusionen vor, während oder nach der Operation. ... Das postoperative Infektionsrisiko stieg mit der Zahl der verabreichten Bluteinheiten“ (The British Journal of Surgery, August 1988). Die Anwesenden bei dem 1989er Treffen der American Association of Blood Banks erfuhren folgendes: Während bei 23 Prozent derjenigen, denen beim Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks Fremdblut übertragen wurde, Infektionen auftraten, hatten diejenigen, die kein Blut erhielten, überhaupt keine Infektionen.

      Über die Auswirkungen von Bluttransfusionen schrieb Dr. John A. Collins: „Es wäre in der Tat eine Ironie, wenn sich in bezug auf eine ‚Behandlung‘, für die kaum Beweise vorliegen, daß sie irgend etwas bewirkt, anschließend herausstellte, daß sie eines der hauptsächlichen Probleme solcher Patienten verstärken würde“ (World Journal of Surgery, Februar 1987).

      FREI VON KRANKHEITEN ODER GEFAHRENTRÄCHTIG?

      Gewissenhaften Ärzten und vielen Patienten bereitet es Sorgen, daß man durch Bluttransfusionen krank werden kann. Um welche Krankheit handelt es sich dabei? Es gibt nicht nur eine Krankheit; es gibt sogar viele.

      Nachdem die bekannteren Krankheiten besprochen worden sind, wendet man sich in der Publikation Techniques of Blood Transfusion (1982) „anderen transfusionsbedingten Infektionskrankheiten zu“, wie Syphilis, Zytomegalie und Malaria. Dann heißt es: „Auch werden unter den Krankheiten, die durch Bluttransfusionen übertragen werden, verschiedene andere genannt, wie Herpesinfektionen, infektiöse Mononukleose (Epstein-Barr-Virus), Toxoplasmose, Trypanosomiasis [Afrikanische Schlafkrankheit und Chagas-Krankheit], Leishmaniose, Brucellose [undulierendes Fieber], Typhus, Filariose, Masern, Salmonellose und Colorado-Zeckenfieber.“

      In der Tat wird die Liste solcher Krankheiten immer länger. Vielleicht sind einem Schlagzeilen aufgefallen wie „Lyme-Borreliose durch Transfusion? Unwahrscheinlich, aber Experten sind vorsichtig“. Wie unbedenklich ist das Blut eines Spenders, in dem Lyme-Borreliose nachzuweisen ist? Die Angehörigen eines Gesundheitsausschusses wurden gefragt, ob sie solches Blut akzeptieren würden. „Alle verneinten dies, obwohl keiner empfahl, Blut von solchen Spendern aus dem Verkehr zu ziehen.“ Wie sollte die Öffentlichkeit über Blutkonserven denken, die Fachleute ihrerseits nicht annehmen würden? (The New York Times, 18. Juli 1989).

      Ein weiterer Grund zur Sorge ist, daß Blut, das in einem Land gesammelt wird, in dem eine bestimmte Krankheit verbreitet ist, weit entfernt davon verwendet wird, wo weder die Öffentlichkeit noch die Ärzte mit dieser Gefahr rechnen. Da heute immer mehr Menschen in ferne Länder reisen, darunter Flüchtlinge und Auswanderer, steigt das Risiko, daß ein Blutprodukt eine fremdartige Krankheit in sich birgt.

      Überdies machte ein Facharzt für Infektionskrankheiten auf folgendes aufmerksam: „Die Blutvorräte müssen vielleicht untersucht werden, um die Übertragung verschiedener Krankheiten zu verhindern, die bisher nicht als ansteckend galten, wie Leukämie, Lymphom und die Alzheimersche Krankheit“ (Transfusion Medicine Reviews, Januar 1989).

      Diese Risiken sind zwar beängstigend, aber andere sind noch viel beängstigender.

      DIE AIDS-PANDEMIE

      „Aids hat die Einstellung der Ärzte und Patienten gegenüber Blut für immer verändert. ‚Und das ist gar nicht so schlecht‘, sagten die Ärzte anläßlich einer Konferenz zum Thema Bluttransfusion, die von den National Institutes of Health durchgeführt wurde“ (Washington Post, 5. Juli 1988).

      Die Aids-Pandemie (erworbene Immunschwäche) hat den Menschen mit aller Macht die Gefahr bewußtgemacht, daß man sich durch Blut Infektionskrankheiten zuziehen kann. Millionen sind heute infiziert. Aids gerät zusehends außer Kontrolle. Und es verläuft praktisch zu 100 Prozent tödlich.

      Aids wird verursacht durch das humane Immunschwächevirus (HIV), das durch Blut übertragen werden kann. Die moderne Aidsseuche trat 1981 zutage. Schon im darauffolgenden Jahr wußten die Gesundheitsexperten, daß das Virus wahrscheinlich über Blutprodukte weitergegeben wird. Heute gibt man zu, daß Blutbanken und pharmazeutische Unternehmen saumselig reagiert haben, sogar noch nachdem Tests zur Verfügung gestanden haben, mit denen HIV-Antikörper im Blut nachzuweisen waren. Die Überprüfung von Spenderblut setzte schließlich 1985 ein,a aber selbst dann wurden keine Blutprodukte erfaßt, die bereits im Handel waren.

      Danach wurde der Öffentlichkeit versichert: „Das Blut ist jetzt sicher.“ Später wurde jedoch enthüllt, daß es bei Aids eine „Scheingesundheitsperiode“ gibt. Nach der Infektion können Monate vergehen, bis sich nachweisbare Antikörper bilden. Jemand könnte, ohne zu wissen, daß er Virusträger ist, Blut spenden, auf das der Test nicht anspricht. Das ist bereits geschehen. Personen, denen solches Blut übertragen worden ist, sind an Aids erkrankt.

      Das Bild wurde immer düsterer. Die Zeitschrift The New England Journal of Medicine (1. Juni 1989) berichtete über „schlummernde HIV-Infektionen“. Es wurde nachgewiesen, daß jemand jahrelang Aidsvirusträger sein kann, ohne daß das Virus durch die gegenwärtigen indirekten Nachweisverfahren aufzuspüren ist. Manche würden solch seltene Fälle gern herunterspielen, doch sie belegen, „daß das Risiko einer Aidsübertragung durch Blut oder Blutbestandteile nicht völlig zu beseitigen ist“ (Patient Care, 30. November 1989). Die bestürzende Schlußfolgerung: Ein negatives Testergebnis darf nicht als Gesundheitsattest gedeutet werden. Wie viele werden sich noch durch Blut mit Aids infizieren?

      „DIE NÄCHSTE KATASTROPHE? ODER DROHEN VIELE KATASTROPHEN?“

      Menschen in Erdbebengebieten wissen, welches Gefühl es ist, einer Katastrophe entronnen zu sein, doch damit rechnen zu müssen, daß irgendwann die nächste hereinbrechen könnte. In dem Dilemma um das Blut weiß niemand, wie viele „Beben“ sich noch ereignen werden.

      Das Aidsvirus wurde HIV genannt, aber einige Experten bezeichnen es jetzt als HIV-1. Warum? Weil sie auf einen anderen Aidsvirustyp gestoßen sind: HIV-2. Es kann ebenfalls Aidssymptome hervorrufen und ist in manchen Gebieten weit verbreitet. Überdies wird es „nicht immer durch die Tests, die bei uns in Gebrauch sind, entdeckt“, meldet die New York Times (27. Juni 1989). „Die neuen Entdeckungen ... erschweren es den Blutbanken, sicher zu sein, daß eine Spende unbedenklich ist.“

      Wie verhält es sich mit entfernten Verwandten des Aidsvirus? Ein US-Präsidialausschuß sagte, daß ein solches Virus „für die Ursache von T-Zell-Leukämie/Lymphom und einer schweren Nervenkrankheit gehalten wird“. Dieses Virus befindet sich bereits unter den Blutspendern und kann durch Blut verbreitet werden. Man fragt sich nur zu Recht: Wie wirkungsvoll sind die Untersuchungen der Blutbanken, was diese anderen Viren betrifft?

      In Wirklichkeit bleibt es abzuwarten, wie viele durch Blut übertragbare Viren in den Blutkonserven lauern. „Die unbekannten können mehr Sorge bereiten als die bekannten“, schreibt Dr. Harold T. Meryman. „Übertragbare Viren mit Inkubationszeiten von vielen Jahren werden schwerlich mit Transfusionen in Zusammenhang gebracht werden können, und noch schwieriger wird es sein, sie nachzuweisen. Die HTLV-Gruppe ist bestimmt nur die erste, die ans Tageslicht gekommen ist“ (Transfusion Medicine Reviews, Juli 1989). „Eine Anzahl neu unterbreiteter oder beschriebener Transfusionsrisiken hat in den 80er Jahren die Aufmerksamkeit erregt ...; die Aidsepidemie allein wäre schon schlimm genug. Man braucht nicht viel Phantasie zu haben, um vorhersagen zu können, daß andere ernst zu nehmende Viruskrankheiten existieren und durch homologe Transfusionen übertragen werden“ (Limiting Homologous Exposure: Alternative Strategies, 1989).

      Bislang haben sich so viele „Erdbeben“ ereignet, daß die Centers for Disease Control empfehlen, „generell vorsichtig zu sein“. Das bedeutet, Angestellte im medizinischen Bereich sollten damit rechnen, daß jeder Patient mit HIV und mit anderen im Blut befindlichen Krankheitserregern infiziert sein kann. Aus gutem Grund überdenken Angehörige des Gesundheitswesens und die Allgemeinheit ihre Ansicht über das Blut.

      [Fußnote]

      a Man kann nicht davon ausgehen, daß alles Blut getestet wird. Zum Beispiel unterstanden Anfang 1989 ungefähr 80 Prozent der brasilianischen Blutbanken weder der staatlichen Kontrolle, noch wurde auf Aids getestet.

      [Kasten auf Seite 8]

      „Annähernd 1 von 100 Transfusionen geht mit Fieber, Schüttelfrost oder Urtikaria [Nesselausschlag] einher. ... Annähernd 1 von 6 000 Erythrozytentransfusionen führt zu einer hämolytischen Transfusionsreaktion. Dabei handelt es sich um eine ernste Immunreaktion, die akut eintreten kann oder einige Tage nach der Transfusion; sie kann zu akutem Nierenversagen, zum Schock, zu intravaskulärer Koagulation und sogar zum Tod führen“ (Konferenz der National Institutes of Health [NIH], 1988).

      [Kasten auf Seite 9]

      Der dänische Wissenschaftler Niels Jerne war einer der Nobelpreisträger für Medizin des Jahres 1984. Auf die Frage, warum er eine Bluttransfusion abgelehnt habe, sagte er: „Das Blut eines Menschen ist mit seinen Fingerabdrücken zu vergleichen — es gibt kein Blut, das einem anderen genau gleicht.“

      [Kasten auf Seite 10]

      BLUT, LEBERSCHÄDEN UND ...

      „Ironischerweise ist durch Blut übertragenes Aids nie so gefährlich gewesen wie andere Krankheiten — zum Beispiel Hepatitis“, schrieb die Washington Post.

      Ja, überaus viele sind an Hepatitis, für die es keine bestimmte Therapie gibt, schwer erkrankt und gestorben. Gemäß dem U.S.News & World Report (1. Mai 1989) ziehen sich in den USA etwa 5 Prozent derjenigen, die Blut erhalten, Hepatitis zu — 175 000 Menschen im Jahr. Ungefähr die Hälfte bleibt chronisch infiziert, und mindestens jeder 5. erkrankt an Leberzirrhose oder an Leberkrebs. Schätzungsweise 4 000 von ihnen sterben daran. Wenn ein Jumbo-Jet abstürzt und alle Passagiere ums Leben kommen, macht das große Schlagzeilen. Aber 4 000 Tote sind so viele, wie umkämen, wenn jeden Monat ein vollbesetzter Jumbo abstürzte.

      Ärzten war schon lange bekannt, daß eine weniger gefährliche Hepatitis (Typ A) durch verunreinigte Nahrung und unsauberes Wasser verbreitet wird. Danach erkannten sie, daß eine schwerere Form durch Blut übertragen wird, und es gab keine Möglichkeit, das Blut daraufhin zu untersuchen. Schließlich fanden hervorragende Wissenschaftler heraus, wie die „Fingerabdrücke“ dieses Virus (Typ B) nachzuweisen sind. Anfang der 70er Jahre wurde das Blut in einigen Ländern daraufhin untersucht. Die Blutkonserven schienen nun unbedenklich zu sein und die Zukunft für das Blut ungetrübt. War es wirklich so?

      Es dauerte nicht lange, bis man feststellte, daß Tausende, denen untersuchtes Blut gegeben wurde, immer noch an Hepatitis erkrankten. Viele stellten fest, daß ihre Leber nach schwächender Krankheit stark geschädigt war. Wie konnte dies geschehen, da doch das Blut untersucht worden war? Das Blut enthielt einen weiteren Erreger, den Erreger der Non-A-non-B-Hepatitis (NANB). Ein Jahrzehnt lang waren Transfusionen damit behaftet — 8 bis 17 Prozent der Transfusionsempfänger in Israel, Italien, Japan, Schweden, Spanien und in den USA wurden damit infiziert.

      Dann verkündeten die Schlagzeilen: „Geheimnisvolles Hepatitis-Non-A-non-B-Virus endlich isoliert“; „Mysteriöser Erreger im Blut gefaßt“. Wiederum hieß es: „Der nicht faßbare Erreger ist jetzt gefunden“. Im April 1989 wurde die Öffentlichkeit darüber unterrichtet, daß ein Test für NANB, jetzt Hepatitis C genannt, zur Verfügung stehe.

      Die Frage erhebt sich, ob diese Entwarnung verfrüht ist. Tatsächlich haben italienische Forscher über ein anderes Hepatitisvirus berichtet, einen Mutanten, der für ein Drittel der Fälle verantwortlich sein könnte. „Einige Autoritäten befürchten“, hieß es im Health Letter der Medizinischen Fakultät der Harvarduniversität (November 1989), „daß A, B, C und D nicht die letzten Buchstaben im Alphabet der Hepatitisviren sind; es können noch andere zutage treten.“ In der New York Times (13. Februar 1990) war zu lesen: „Experten haben den starken Verdacht, daß weitere Viren Hepatitis auslösen können; wenn sie entdeckt werden, werden sie als E-Virus und so weiter bezeichnet werden.“

      Steht den Blutbanken eine weitere lange Suche nach Tests bevor, um das Blut sicher zu machen? Mit Bezug auf das Kostenproblem machte ein Leiter des Amerikanischen Roten Kreuzes folgende beunruhigende Äußerung: „Wir können einfach nicht einen Test nach dem anderen für jeden Infektionserreger, der übertragen werden könnte, hinzufügen“ (Medical World News, 8. Mai 1989).

      Selbst der Hepatitis-B-Test kann versagen; viele ziehen sich die Krankheit immer noch durch Blut zu. Werden überdies die Menschen mit dem angekündigten Hepatitis-C-Test zufrieden sein? The Journal of the American Medical Association (5. Januar 1990) zeigte, daß Antikörper gegen diese Krankheit eventuell erst nach einem Jahr durch den Test nachweisbar sind. In der Zwischenzeit ziehen sich Personen, denen Blut transfundiert wird, vielleicht Leberschäden zu und sterben.

      [Kasten/Bild auf Seite 11]

      Die Chagas-Krankheit ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Krankheiten zu weit entfernt lebenden Menschen gelangen. Die Zeitung „The Medical Post“ (16. Januar 1990) berichtet, daß 10 bis 12 Millionen Menschen in Lateinamerika chronisch infiziert sind. Die Krankheit wird als „eine der bedeutendsten Transfusionsgefahren in Südamerika“ bezeichnet. Eine Raubwanze beißt einem schlafenden Opfer ins Gesicht, saugt Blut auf, und infektiöser Kot gelangt in die Wunde. Das Opfer kann jahrelang Träger der Chagas-Krankheit sein (und in der Zwischenzeit Blut gespendet haben), bevor sich tödliche Herzerkrankungen einstellen.

      Warum sollte man auf entfernten Kontinenten darüber besorgt sein? In der „New York Times“ (23. Mai 1989) berichtete Dr. L. K. Altman über Patienten mit transfusionsbedingter Chagas-Krankheit, an der einer gestorben war. Dr. Altman fügte hinzu: „Weitere Fälle sind vielleicht unbemerkt geblieben, weil ... [die Ärzte hier] mit der Chagas-Krankheit nicht vertraut sind und sich auch nicht bewußt sind, daß sie durch Transfusionen übertragen werden kann.“ Ja, Blut kann ein Transportmittel sein, mit dem Krankheiten große Entfernungen zurücklegen.

      [Kasten auf Seite 12]

      Dr. Knud Lund-Olesen schrieb: „Da ... bestimmte Angehörige von Risikogruppen freiwillig Blut spenden, weil sie dann automatisch auf Aids untersucht werden, meine ich, ist es begründet, in bezug auf die Einwilligung in eine Bluttransfusion Zurückhaltung zu üben. Jehovas Zeugen verweigern dies seit Jahren. Haben sie in die Zukunft gesehen?“ („Ugeskrift for Læger“ [Ärztliche Wochenschrift], 26. September 1988).

      [Bild auf Seite 9]

      Der Papst überlebte die auf ihn abgefeuerten Schüsse. Nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, wurde er erneut für zwei Monate aufgenommen „und litt sehr schwer“. Der Grund: eine möglicherweise tödlich verlaufende Zytomegalieinfektion durch das Blut, das ihm übertragen worden war.

      [Bildnachweis]

      UPI/Bettmann Newsphotos

      [Bild auf Seite 12]

      Aidsvirus

      [Bildnachweis]

      CDC, Atlanta, Ga.

  • Ausgezeichnete Alternativen zur Transfusion
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Ausgezeichnete Alternativen zur Transfusion

      Vielleicht kommt der Gedanke auf: „Transfusionen sind zwar gefährlich. Aber gibt es denn irgendwelche ausgezeichneten Alternativen?“ Eine gute Frage. Und beachte auch den Ausdruck „ausgezeichnet“.

      Jeder, auch Jehovas Zeugen, wünscht sich eine wirksame, kunstgerechte medizinische Betreuung. Dr. Grant E. Steffen führte zwei Hauptelemente an: „Eine ausgezeichnete medizinische Betreuung ergibt sich daraus, daß durch die einzelnen Elemente jener Betreuung legitime medizinische und nichtmedizinische Ziele erreicht werden können“ (The Journal of the American Medical Association, 1. Juli 1988). Zu den „nichtmedizinischen Zielen“ gehört es, der Moral oder dem biblischen Gewissen des Patienten nicht zuwiderzuhandeln (Apostelgeschichte 15:28, 29).

      Können schwierige medizinische Probleme ohne die Verwendung von Blut legitim und wirksam bewältigt werden? Erfreulicherweise lautet die Antwort: Ja.

      Obwohl die meisten Chirurgen beteuert haben, sie hätten nur dann Blut verabreicht, wenn es unumgänglich gewesen sei, hat die Verwendung von Blut seit der epidemischen Ausbreitung von Aids rapide abgenommen. In einem Leitartikel in Mayo Clinic Proceedings (September 1988) hieß es, es sei „einer der wenigen Vorteile der Seuche“ gewesen, daß sie „auf seiten der Ärzte und Patienten zu verschiedenen Strategien geführt hat, Bluttransfusionen zu vermeiden“. Ein Vertreter einer Blutbank erklärt: „Verändert hat sich die Intensität der Botschaft, die Empfänglichkeit der Kliniker für die Botschaft (aufgrund eines gestiegenen Risikobewußtseins) und die Forderung, Alternativen in Betracht zu ziehen“ (Transfusion Medicine Reviews, Oktober 1989).

      Man beachte: Es gibt Alternativen. Dies wird verständlich, wenn wir betrachten, warum Blut transfundiert wird.

      Das Hämoglobin der roten Blutkörperchen transportiert den Sauerstoff, der für eine gute Gesundheit und zum Leben nötig ist. Wenn jemand eine größere Menge Blut verloren hat, liegt es nahe, dieses einfach zu ersetzen. Normalerweise enthalten 100 Milliliter Blut 14 bis 15 Gramm Hämoglobin. (Ein anderes Konzentrationsmaß ist der Hämatokrit, der allgemein bei ungefähr 45 Prozent liegt.) Als anerkannte „Regel“ galt, daß einem Patienten vor der Operation Blut transfundiert wird, wenn sein Hämoglobinwert unter 10 (Hämatokrit unter 30 Prozent) lag. Die schweizerische Zeitschrift Vox Sanguinis (März 1987) berichtete, daß „65 % der ... [Anästhesisten] zur Bedingung machten, daß Patienten vor einer geplanten Operation einen Hämoglobinwert von 10 g/dl haben“.

      Im Jahre 1988 stellte Professor Howard L. Zauder auf einer Konferenz zum Thema Bluttransfusion die Frage: „Wie sind wir auf diese ‚magische Zahl‘ gekommen?“ Er sagte deutlich: „Die Ätiologie [der ursächliche Zusammenhang] der Forderung, daß ein Patient vor der Narkose 10 Gramm Hämoglobin (Hgb) haben müsse, ist überdeckt von Tradition, eingehüllt in Dunkel und weder durch klinische noch durch experimentelle Beweise erhärtet.“ Man stelle sich vor, daß bei Tausenden von Patienten aufgrund einer unklaren, nicht erhärteten Forderung Blut übertragen wurde.

      Man mag sich fragen: „Warum ist ein Hämoglobinwert von 14 normal, wenn man mit viel weniger auskommen kann?“ Nun, man hat eine beträchtliche Reserve, was die Sauerstofftransportkapazität betrifft, so daß man zum Beispiel stets Sport treiben oder schwere Arbeit verrichten kann. Studien bei anämischen Patienten ergeben sogar, daß „es schwierig ist, selbst bei einem niedrigen Hämoglobinwert von nur 7 g/dl eine verminderte Belastbarkeit festzustellen. Andere haben Beweise für eine nur mäßig beeinträchtigte Funktion gefunden“ (Contemporary Transfusion Practice, 1987).

      Erwachsene vermögen sich einem niedrigen Hämoglobinwert anzupassen. Aber wie verhält es sich bei Kindern? Dr. James A. Stockman III sagt: „Mit wenigen Ausnahmen kommt es bei zu früh geborenen Kindern im ersten bis zum dritten Monat zu einem Abfall des Hämoglobins. ... Die Indikationen für eine Transfusion auf der Säuglingsstation sind nicht gut definiert. In der Tat scheinen viele Kleinkinder bemerkenswert niedrige Hämoglobinkonzentrationen ohne offensichtliche klinische Schwierigkeiten zu tolerieren“ (Pediatric Clinics of North America, Februar 1986).

      Solche Aussagen bedeuten nicht, daß nichts unternommen werden müßte, wenn jemand bei einem Unfall oder einer Operation eine größere Menge Blut verliert. Bei einem großen und schnellen Blutverlust sinkt der Blutdruck, und es kann zum Schock kommen. Zunächst muß die Blutung gestillt und das Volumen aufgefüllt werden. Dadurch wird ein Schock verhindert, und die noch vorhandenen roten Blutkörperchen und die übrigen Blutbestandteile bleiben in Fluß.

      Der Volumenersatz kann ohne Blut oder Blutplasma erfolgen.a Verschiedene blutlose Flüssigkeiten sind wirkungsvolle Volumenexpander. Die einfachste ist Kochsalzlösung; sie ist sowohl billig als auch mit dem Blut verträglich. Es gibt ferner Flüssigkeiten mit besonderen Eigenschaften, zum Beispiel Dextran, Haemaccel und Ringer-Laktat-Lösung. Hydroxyäthylstärke (HÄS) ist ein neuerer Volumenexpander, und „er kann ohne Bedenken empfohlen werden für Patienten [mit Brandverletzungen], die Einwände gegen Blutprodukte haben“ (Journal of Burn Care & Rehabilitation, Januar/Februar 1989). Solche Flüssigkeiten haben bestimmte Vorteile. „Kristalloide Lösungen [wie Kochsalz und Ringer-Laktat], Dextran und HÄS sind relativ atoxisch und billig, schnell verfügbar, können bei Zimmertemperatur gelagert werden, erfordern keine Verträglichkeitstests und bergen nicht das Risiko von transfusionsbedingten Infektionskrankheiten“ (Blood Transfusion Therapy—A Physician’s Handbook, 1989).

      Man mag sich jedoch fragen: „Warum sind blutfreie Ersatzflüssigkeiten so wirksam, da doch rote Blutkörperchen erforderlich sind, um den Sauerstoff in alle Teile des Körpers zu transportieren?“ Wie bereits erwähnt, hat der Körper Sauerstofftransportreserven. Bei einem Blutverlust setzt ein wunderbarer Ausgleichsmechanismus ein. Das Herz pumpt mit jedem Schlag mehr Blut. Da das verlorengegangene Blut durch eine geeignete Flüssigkeit ersetzt worden ist, fließt das jetzt verdünnte Blut leichter, sogar in den kleinen Blutgefäßen. Zufolge von chemischen Veränderungen wird mehr Sauerstoff an die verschiedenen Gewebe abgegeben. Diese Anpassungen sind so wirksam, daß die Sauerstoffversorgung nur auf 75 Prozent des Normalwertes absinkt, wenn nur noch die Hälfte der roten Blutkörperchen vorhanden ist. Ein Patient verbraucht in Ruhe nur 25 Prozent des in seinem Blut verfügbaren Sauerstoffs. Zudem setzen die meisten Narkosemittel den Sauerstoffbedarf des Körpers herab.

      WIE KÖNNEN ÄRZTE HELFEN?

      Ärzte können jemandem helfen, der Blut verloren und somit weniger rote Blutkörperchen hat. Wenn das Volumen wieder aufgefüllt worden ist, kann Sauerstoff in hohen Konzentrationen verabreicht werden. Dadurch steht dem Körper mehr zur Verfügung, und das hat oft beachtliche Folgen. Britische Ärzte gingen so bei einer Frau vor, die so viel Blut verloren hatte, daß „ihr Hämoglobin auf 1,8 g/Deziliter absank. Sie wurde erfolgreich behandelt ... durch Beatmung mit hohen Sauerstoffkonzentrationen und mit Transfusionen großer Mengen Gelatinelösung [Haemaccel]“ (Anaesthesia, Januar 1987). Der Bericht sagt ferner, daß auch andere bei akutem Blutverlust erfolgreich mit Hilfe der Sauerstoffüberdruckkammer behandelt worden sind.

      Ärzten ist es auch möglich, die Bildung von roten Blutkörperchen bei ihren Patienten zu fördern. Wie? Durch Eisenpräparate (intramuskulär oder intravenös), die den Körper dazu anregen können, die Bildung roter Blutkörperchen auf das Drei- bis Vierfache der normalen Bildungsrate zu beschleunigen. In jüngerer Zeit ist noch eine andere Art Hilfe möglich geworden. In den Nieren wird ein Hormon, das Erythropoetin (ESF), gebildet, welches das Knochenmark stimuliert, rote Blutkörperchen zu erzeugen. Heute ist künstlich (gentechnisch) hergestelltes ESF verfügbar. Ärzte können so bei bestimmten anämischen Patienten die Bildung neuer roter Blutkörperchen stark beschleunigen.

      Selbst bei Operationen können erfahrene und gewissenhafte Chirurgen und Anästhesisten Hilfe leisten, indem sie fortschrittliche Blutsparmethoden einsetzen. Peinlich genaue Operationstechniken, wie Elektrokauter zur Verminderung von Blutungen, können nicht genug betont werden. Manchmal kann das Blut, das in eine Wunde fließt, aufgesaugt, gefiltert und in den Kreislauf zurückgeführt werden.b

      Wenn eine Herz-Lungen-Maschine anfangs mit einer blutlosen Flüssigkeit gefüllt wird, kann dem Patienten die sich daraus ergebende Blutverdünnung zugute kommen, da weniger rote Blutkörperchen verlorengehen.

      Es gibt noch weitere Möglichkeiten zu helfen: die Unterkühlung des Patienten, um während der Operation seinen Sauerstoffbedarf zu verringern; hypotensive Anästhesie; Verbesserung der Gerinnbarkeit des Blutes; Desmopressin (DDAVP) zur Verkürzung der Blutungszeit; „Laserskalpelle“. Je mehr Ärzte und besorgte Patienten darauf bedacht sind, Bluttransfusionen zu vermeiden, um so länger wird diese Liste werden. Wir hoffen zwar, daß niemand eine große Menge Blut verliert. Aber wenn es dazu kommen sollte, können erfahrene Ärzte die Behandlung sehr wahrscheinlich ohne Bluttransfusion und ohne deren zahlreiche Risiken durchführen.

      OPERATION JA — ABER OHNE TRANSFUSIONEN

      Heute wollen viele Personen kein Blut mehr annehmen. Aus gesundheitlichen Gründen bitten sie um das, was Jehovas Zeugen aus vorwiegend religiösen Gründen möchten: eine gute ärztliche Behandlung, bei der alternative, blutlose Verfahren eingesetzt werden. Wie bereits erwähnt, sind so selbst größere Operationen möglich. Wer noch darüber im Zweifel ist, kann seine Zweifel durch einige weitere Beweise aus der medizinischen Literatur zerstreuen.

      Der Artikel „Austausch von vier großen Gelenken bei einem Angehörigen der Zeugen Jehovas“ (Orthopaedic Review, August 1986) handelt von einem anämischen Patienten mit „fortgeschrittener Gelenkzerstörung in den Knien und Hüften“. Vor und nach der stufenweisen Operation wurde mit gutem Erfolg Eisendextran gegeben. Die Zeitschrift British Journal of Anaesthesia (1982) berichtet über eine 52jährige Zeugin Jehovas, deren Hämoglobinwert unter 10 lag. Unter dem Einsatz hypotensiver Narkose, die der Verminderung des Blutverlustes dient, wurde ihr ein künstliches Hüftgelenk und ein Schultergelenk eingesetzt. Auch ein Operationsteam an der Universität von Arkansas (USA) verwandte diese Methode bei hundert Hüftoperationen an Zeugen Jehovas, und alle Patienten erholten sich. Der Professor, der die Abteilung leitet, sagt: „Was wir bei jenen Patienten [den Zeugen Jehovas] gelernt haben, wenden wir jetzt bei allen Patienten an, denen wir eine künstliche Hüfte einsetzen.“

      Einige Zeugen haben keine gewissensmäßigen Bedenken gegen eine Organtransplantation, wenn das Organ ohne Blut transplantiert wird. Ein Bericht über 13 Nierentransplantationen schloß wie folgt ab: „Die Ergebnisse legen insgesamt nahe, daß eine Nierentransplantation sicher und wirkungsvoll bei den meisten Zeugen Jehovas vorgenommen werden kann“ (Transplantation, Juni 1988). Auch bei Herztransplantationen hat die Verweigerung von Blut dem Erfolg nicht im Wege gestanden.

      „Wie verhält es sich mit andersartigen blutlosen Operationen?“ fragt man sich vielleicht. Medical Hotline (April/Mai 1983) berichtet über operative Eingriffe an „Zeugen Jehovas, die sich [an der Staatsuniversität von Wayne, USA] größeren gynäkologischen und geburtshilflichen Operationen unterzogen, bei denen keine Bluttransfusion verabreicht wurde“. Das Mitteilungsblatt meldete: „Es gab nicht mehr Todesfälle und Komplikationen als bei Frauen, bei denen ähnliche Operationen unter Verwendung von Bluttransfusionen durchgeführt wurden.“ Das Mitteilungsblatt kommentierte dann: „Die Ergebnisse dieser Studie mögen es rechtfertigen, die Verwendung von Blut für alle Frauen, die sich geburtshilflichen und gynäkologischen Operationen unterziehen, unter einem neuen Gesichtswinkel zu betrachten.“

      In der Chirurgischen Universitätsklinik Göttingen (Bundesrepublik Deutschland) wurden an 30 Patienten nach generellem Transfusionsverzicht allgemeinchirurgische Operationen vorgenommen. „Insgesamt erlebten wir bei unseren Patienten keine Komplikationen, die nicht auch bei Patienten, die einer Bluttransfusion zustimmen, auftreten könnten. ... Keinesfalls sollte eine Überbewertung der fehlenden Transfusionsmöglichkeit dazu führen, daß ein notwendiger und chirurgisch vertretbarer Eingriff unterlassen wird“ (Risiko in der Chirurgie, 1987).

      Sogar Eingriffe am Gehirn sind ohne Blut bei zahlreichen Erwachsenen und Kindern vorgenommen worden, zum Beispiel am New York University Medical Center. Im Jahre 1989 schrieb Dr. Joseph Ransohoff, Leiter der Neurochirurgie: „Es ist eindeutig klar, daß bei Patienten, deren religiöse Auffassung gegen die Verwendung dieser Produkte spricht, in den meisten Fällen auf die Verwendung von Blutprodukten fast gefahrlos verzichtet werden kann, vor allem wenn der chirurgische Eingriff zügig vorgenommen werden kann und die Operationsdauer relativ gering ist. Von großem Interesse ist die Tatsache, daß ich häufig vergesse, daß der Patient ein Zeuge Jehovas ist, bis er entlassen wird und sich bei mir dafür bedankt, daß seine religiöse Überzeugung respektiert worden ist.“

      Zuletzt bleibt noch die Frage: Können komplizierte Herz- und Gefäßoperationen blutlos bei Erwachsenen und Kindern vorgenommen werden? Dr. Denton A. Cooley war ein Pionier auf genau diesem Gebiet. Wie aus dem medizinischen Artikel hervorgeht, der im Anhang auf den Seiten 27—29 erneut abgedruckt ist, folgerte Dr. Cooley, gestützt auf eine frühere Untersuchung, daß „das Operationsrisiko bei Patienten aus den Reihen der Zeugen Jehovas nicht wesentlich höher gewesen ist als bei anderen“. Heute, nachdem er 1 106 dieser Operationen durchgeführt hat, schreibt er: „In jedem Fall wird meine Übereinkunft oder mein Vertrag mit dem Patienten eingehalten“, das heißt, es wird kein Blut verwendet.

      Chirurgen haben beobachtet, daß eine gute Einstellung ein weiterer Faktor bei Zeugen Jehovas ist. „Die Einstellung dieser Patienten ist vorbildlich“, schrieb Dr. Cooley im Oktober 1989. „Sie fürchten sich nicht vor Komplikationen oder vor dem Tod wie die meisten anderen Patienten. Sie sind von ihrer Religion fest überzeugt und haben einen tiefen, unerschütterlichen Glauben an ihren Gott.“

      Das bedeutet nicht, daß sie ein „Recht auf den Tod“ beanspruchen. Sie bemühen sich um eine kunstgerechte Behandlung, weil sie gesund werden wollen. Sie sind überzeugt, daß es weise ist, Gottes Gesetz über das Blut zu halten, was sich auf die blutlose Chirurgie positiv auswirkt.

      Professor Dr. V. Schlosser von der Chirurgischen Universitätsklinik Freiburg (Bundesrepublik Deutschland) bemerkte: „Die Blutungshäufigkeit ist in diesem Krankengut in der perioperativen Phase nicht höher, die Komplikationsdichte eher gering, wobei eine besondere, der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas eigene Einstellung zur Krankheit im perioperativen Verlauf einen eher günstigen Einfluß hat“ (Herz/Kreislauf, August 1987).

      [Fußnoten]

      a Jehovas Zeugen verweigern Transfusionen von Vollblut, roten Blutzellen, weißen Blutzellen, Blutplättchen und Blutplasma. Was kleine Fraktionen betrifft wie Immunglobuline, siehe Wachtturm vom 1. Juni 1990, Seite 30, 31.

      b Der Wachtturm vom 1. März 1989, Seite 30, 31, behandelt biblische Grundsätze, die die Methoden der Blutrückgewinnung betreffen und Geräte für den (extrakorporalen) Kreislauf.

      [Kasten auf Seite 13]

      „Wir müssen zu dem Schluß kommen, daß es gegenwärtig viele Patienten gibt, die Blutbestandteile erhalten und nicht den geringsten Nutzen aus der Transfusion ziehen (das Blut wird nicht benötigt), aber einer deutlichen Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen ausgesetzt sind. Kein Arzt würde wissentlich einen Patienten einer Therapie aussetzen, die nicht helfen kann, jedoch schaden könnte, aber genau das geschieht, wenn unnötigerweise Blut transfundiert wird“ („Transfusion-Transmitted Viral Diseases“, 1987).

      [Kasten auf Seite 14]

      „Einige Autoren haben gesagt, daß niedrige Hämoglobinwerte von 2 bis 2,5 g/100 ml vertretbar sein mögen. ... Eine gesunde Person verträgt vielleicht einen 50%igen Verlust an roten Blutkörperchen und ist fast völlig symptomlos, wenn der Blutverlust über einen längeren Zeitraum eintritt“ („Techniques of Blood Transfusion“, 1982).

      [Kasten auf Seite 15]

      „Ältere Auffassungen über den Sauerstofftransport in das Gewebe, über die Wundheilung und den ‚Ernährungswert‘ des Blutes werden derzeit verworfen. Erfahrungen mit Patienten, die Zeugen Jehovas sind, zeigen, daß sogar ernste Anämien gut toleriert werden“ („The Annals of Thoracic Surgery“, März 1989).

      [Kasten auf Seite 16]

      Auch bei kleinen Kindern? „Bei Kindern wurden unabhängig vom chirurgischen Schwierigkeitsgrad achtundvierzig chirurgische Eingriffe am offenen Herzen mit blutlosen Techniken vorgenommen.“ Die Kinder wogen nur etwa 4,7 kg. „Wegen des anhaltenden Erfolgs bei Zeugen Jehovas und weil Bluttransfusionen die Gefahr schwerer Komplikationen bergen, führen wir gegenwärtig die meisten unserer Herzoperationen bei Kindern ohne Transfusion durch“ („Circulation“, September 1984).

      [Bild auf Seite 15]

      Die Herz-Lungen-Maschine ist eine große Hilfe in der Herzchirurgie bei Patienten, die kein Blut wünschen

  • Der Patient hat das Recht zu entscheiden
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Der Patient hat das Recht zu entscheiden

      Eine gegenwärtig übliche medizinische Methode (die Nutzen-Risiko-Analyse) erleichtert Ärzten und Patienten die Zusammenarbeit, wenn bei einer Behandlung Bluttransfusionen vermieden werden sollen. Ärzte wägen Faktoren wie die Risiken eines bestimmten Medikaments oder einer Operation gegen den wahrscheinlichen Nutzen ab. Auch Patienten können an einer solchen Analyse mitwirken.

      Betrachten wir ein Beispiel, das den Menschen vielerorts bekannt ist — eine chronische Mandelentzündung. Bei dieser Erkrankung würde man wahrscheinlich zum Arzt gehen. Vielleicht würde man sogar zwei Ärzte aufsuchen, da Mediziner oft empfehlen, sich noch eine zweite Meinung einzuholen. Der eine empfiehlt vielleicht eine Operation. Er erklärt, was sie zu bedeuten hätte: wie lange der Krankenhausaufenthalt wäre, wie groß die Schmerzen und wie hoch gegebenenfalls die Kosten wären. In bezug auf die Risiken erwähnt er, daß es normalerweise nicht zu starken Blutungen kommt und daß sehr selten jemand an einer solchen Operation stirbt. Doch der zweite befragte Arzt empfiehlt dringend eine Behandlung mit Antibiotika. Er erklärt die Art des Medikaments, die Erfolgschancen und nennt eventuelle Kosten. Über das Risiko sagt er, daß bei sehr wenigen Patienten lebensbedrohliche Reaktionen auf das Medikament eintreten.

      Jeder der beiden sachkundigen Ärzte hat die Risiken und den Nutzen gegeneinander abgewogen, aber jetzt steht es bei einem persönlich, die Risiken und den möglichen Nutzen sowie andere Faktoren, mit denen man selbst am besten vertraut ist, gegeneinander abzuwägen. (Jeder ist selbst am besten in der Lage, Gesichtspunkte zu berücksichtigen wie die eigene gefühlsmäßige und geistige Stärke, die finanzielle Lage der Familie, die Auswirkung auf die Familie und die eigenen ethischen Grundsätze.) Dann wird eine Entscheidung gefällt. Möglicherweise willigt man nach hinreichender Aufklärung in die eine Art der Behandlung ein, lehnt aber die andere ab.

      Das träfe auch auf Eltern zu, deren Kind an einer Mandelentzündung erkrankt ist. Der Arzt würde ihnen, den liebevollen Eltern, die davon unmittelbar berührt werden und auch dafür verantwortlich sind, mit den Folgen fertig zu werden, die Risiken, den Nutzen und die Behandlungsmethoden erklären. Nachdem alle Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind, können sich die Eltern nach hinreichender Aufklärung für die eine oder andere Methode entscheiden, wobei es um die Gesundheit oder sogar um das Leben ihres Kindes geht. Vielleicht stimmen sie der Operation zu und nehmen die Risiken in Kauf. Andere Eltern mögen sich für Antibiotika und die damit verbundenen Risiken entscheiden. So, wie Ärzte sich in bezug auf das, wozu sie raten, unterscheiden, so unterscheiden sich die Patienten oder Eltern im Hinblick auf das, was sie für das Beste halten. Das ist ein selbstverständliches Merkmal dieser Methode (Nutzen-Risiko-Analyse), sich nach hinreichender Aufklärung zu entscheiden.

      Wie verhält es sich hier mit der Verwendung von Blut? Niemand, der die Tatsachen objektiv untersucht, kann bestreiten, daß Bluttransfusionen mit einem großen Risiko behaftet sind. Dr. Charles Huggins, Leiter des Transfusionsdienstes an dem großen allgemeinen Krankenhaus von Massachusetts, machte dies sehr deutlich: „Blut ist heute zwar sicherer denn je. Aber seine unvermeidbare Unsicherheit muß immer noch hingenommen werden. Es ist die gefährlichste Substanz, die wir in der Medizin verwenden“ (The Boston Globe Magazine, 4. Februar 1990).

      Aus gutem Grund wurde Ärzten der Rat gegeben: „Es ist notwendig, auch die Risikoseite der Nutzen-Risiko-Relation für Bluttransfusionen neu zu bewerten und nach Alternativen zu suchen“ (Kursivschrift von uns) (Perioperative Red Cell Transfusion, Konferenz der Nationalen Gesundheitsinstitute, 27.—29. Juni 1988).

      Ärzte können in bezug auf den Nutzen oder die Risiken der Verwendung von Blut unterschiedlicher Auffassung sein. Der eine verordnet zahlreiche Transfusionen und ist überzeugt, daß sie das Risiko wert sind. Der andere hält es vielleicht für ungerechtfertigt, die Risiken einzugehen, da er gute Ergebnisse mit blutloser Behandlung erzielt hat. Letztendlich muß man jedoch als Patient oder als Eltern selbst entscheiden. Warum? Weil es um des Patienten (oder seines Kindes) Körper, Leben, Ethik und um sein äußerst wichtiges Verhältnis zu Gott geht.

      DAS RECHT DES PATIENTEN WIRD ANERKANNT

      An vielen Orten hat heute der Patient das unverletzliche Recht, zu entscheiden, welcher Behandlung er zustimmen möchte. „Das Gesetz über eine Einwilligung nach hinreichender Aufklärung stützt sich auf zwei Voraussetzungen: erstens, daß ein Patient das Recht besitzt, hinreichend aufgeklärt zu werden, um seine Zustimmung zu einer Behandlung zu geben, die ihm empfohlen wurde; und zweitens, daß der Patient die Wahl hat, die Empfehlung des Arztes anzunehmen oder abzulehnen. ... Wenn den Patienten nicht das Recht zugestanden wird, entweder ja oder nein oder nur bedingt ja zu sagen, geht von dem Grundprinzip der Einwilligung nach hinreichender Aufklärung viel verloren“ (Informed Consent—Legal Theory and Clinical Practice [Einwilligung nach hinreichender Aufklärung — Rechtliche Theorie und klinische Praxis], 1987).a

      Manche Patienten sind auf Widerstand gestoßen, wenn sie versucht haben, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, vielleicht bei einem Freund, der sich über eine operative Entfernung der Mandeln oder über Antibiotika erregt hat, oder bei einem Arzt, der von der Richtigkeit seines Rates überzeugt gewesen ist, oder sogar bei der Verwaltung eines Krankenhauses, die aufgrund rechtlicher oder finanzieller Interessen anderer Meinung gewesen ist.

      „Viele Orthopäden ziehen es vor, Patienten [die Zeugen Jehovas sind] nicht zu operieren“, sagt Dr. Carl L. Nelson. „Wir sind der Auffassung, daß es dem Patienten zusteht, jede Art einer medizinischen Behandlung abzulehnen. Wenn es möglich ist, einen Eingriff sicher durchzuführen und dabei auf eine bestimmte Behandlung wie eine Transfusion zu verzichten, dann sollte diese Möglichkeit geboten werden“ (The Journal of Bone and Joint Surgery, März 1986).

      Ein rücksichtsvoller Patient zwingt einen Arzt nicht zu einer Therapie, die dieser nicht beherrscht. Wie Dr. Nelson indes bemerkte, können sich viele Ärzte, die ihren Beruf ernst nehmen, auf die Glaubensansichten der Patienten einstellen. Ein Ministerialdirigent riet zu folgendem: „Der Arzt kann die Hilfeleistung ... nicht mit der Begründung ablehnen, daß er beim Zeugen Jehovas nicht alle medizinischen Möglichkeiten ausschöpfen könne. Seine Hilfeleistungspflicht besteht auch, wenn seine Hilfemöglichkeiten im Hinblick auf die Verweigerung der Bluttransfusion reduziert sind“ (Der Frauenarzt, Mai/Juni 1983). Ebenso sind Krankenhäuser nicht lediglich dazu da, sich finanziell zu tragen, sondern dazu, allen Menschen unterschiedslos Hilfe zu leisten. Der katholische Theologe Richard J. Devine sagt: „Obschon das Krankenhaus in medizinischer Hinsicht alles daransetzen muß, das Leben und die Gesundheit des Patienten zu bewahren, muß es dafür sorgen, daß die medizinische Betreuung das Gewissen [des Patienten] nicht verletzt. Außerdem muß es von allen Formen der Nötigung Abstand nehmen, angefangen davon, dem Patienten schmeichelnd zuzureden, bis zur Beantragung einer gerichtlichen Anordnung, eine Bluttransfusion zwangsweise zu verabreichen“ (Health Progress, Juni 1989).

      ETWAS ANDERES ALS DIE GERICHTE

      Das Gericht ist nach Ansicht vieler nicht der richtige Ort, über persönliche medizinische Fragen zu entscheiden. Wie würde es dich als Patienten berühren, wenn jemand, nachdem du dich für eine Behandlung mit Antibiotika entschieden hast, das Gericht anriefe, damit er dir eine operative Entfernung der Mandeln aufzwingen könnte? Ein Arzt möchte vielleicht die nach seinem Empfinden beste Behandlung vornehmen, aber es ist nicht seine Aufgabe, sich bei Gericht die Erlaubnis dafür einzuholen, daß er die Grundrechte des Patienten mit Füßen treten kann. Und da in der Bibel das Sichenthalten von Blut moralisch auf die gleiche Stufe gestellt wird wie das Sichenthalten von Hurerei, wäre eine Bluttransfusion, die einem Christen aufgezwungen wird, dasselbe wie aufgezwungener Geschlechtsverkehr — Vergewaltigung (Apostelgeschichte 15:28, 29).

      In dem Buch Informed Consent for Blood Transfusion (1989) wird jedoch berichtet, daß es manche Gerichte so stark stört, wenn ein Patient bereit ist, wegen seiner religiösen Rechte ein bestimmtes Risiko auf sich zu nehmen, „daß sie rechtliche Ausnahmeregelungen schaffen — sozusagen juristische Fiktionen —, um eine Transfusion zu ermöglichen“. Man versucht dies vielleicht damit zu entschuldigen, daß man sagt, es gehe um eine Schwangerschaft oder um Kinder, die betreut werden müßten. „Das sind juristische Fiktionen“, wie das Buch schreibt. „Entscheidungsfähige Erwachsene haben das Recht, eine Behandlung abzulehnen.“

      Manche, die auf einer Bluttransfusion bestehen, übersehen die Tatsache, daß Jehovas Zeugen nicht alle Behandlungsmethoden ablehnen. Sie lehnen nur eine Behandlungsmethode ab, die Methode, die sogar in Fachkreisen als gefahrenträchtig gilt. Gewöhnlich kann ein medizinisches Problem auf verschiedene Weise angegangen werden. Die eine Methode ist mit diesem und die andere ist mit jenem Risiko behaftet. Darf ein Gericht oder ein Arzt den Patienten bevormunden, indem er entscheidet, was für ihn am ungefährlichsten ist? Darüber muß der Patient selbst entscheiden. Für Jehovas Zeugen steht eines fest: Sie möchten nicht, daß ihnen jemand anders die Entscheidung abnimmt; das ist ihre eigene Verpflichtung, die sie gegenüber Gott haben.

      Wie würde es sich auf das Gewissen und den so wichtigen Lebenswillen auswirken, wenn ein Gericht dem Patienten eine Behandlung aufzwänge, die ihm zuwider wäre? Dr. Konrad Drebinger schrieb: „Es wäre sicher falsch verstandener medizinischer Ehrgeiz, eine bestimmte Behandlungsform einem Patienten aufzuzwingen, sich über sein Gewissen hinwegzusetzen, um den Körper richtig zu behandeln, die Psyche jedoch tödlich zu treffen“ (Der Praktische Arzt, Juli 1978).

      LIEBEVOLLE FÜRSORGE FÜR KINDER

      Bei Gerichtsfällen in Sachen Blut geht es meist um Kinder. Wenn liebevolle Eltern höflich darum gebeten haben, die Behandlung ohne Blut durchzuführen, haben sich einige Ärzte um gerichtlichen Rückhalt bemüht, um Blut verabreichen zu können. Natürlich begrüßen Christen die Gesetze oder die gerichtlichen Maßnahmen, die Kindesmißbrauch oder die Vernachlässigung von Kindern verhüten sollen. Wahrscheinlich haben viele von uns darüber gelesen, daß Eltern ihr Kind brutal mißhandelt oder ihm jegliche ärztliche Hilfe versagt haben. Das ist sehr tragisch. Natürlich kann und sollte der Staat eingreifen, um ein vernachlässigtes Kind zu schützen. Es ist aber ohne weiteres zu erkennen, daß es eine ganz andere Situation ist, wenn eine besorgte Mutter oder ein besorgter Vater um eine qualitativ gute medizinische Behandlung ohne Blut bittet.

      Im Mittelpunkt dieser Gerichtsfälle steht gewöhnlich ein Kind, das sich im Krankenhaus befindet. Wie ist es dorthin gekommen, und warum? In fast allen Fällen haben die besorgten Eltern ihr Kind dorthin gebracht, damit es eine fachgerechte medizinische Behandlung erhält. So, wie Jesus an Kindern interessiert war, sind es auch christliche Eltern. Die Bibel spricht von ‘einer nährenden Mutter, die ihre Kinder hegt und pflegt’. Eine solch tiefe Liebe haben auch Jehovas Zeugen zu ihren Kindern (1. Thessalonicher 2:7; Matthäus 7:11; 19:13-15).

      Natürlich treffen alle Eltern Entscheidungen, die sich auf die Sicherheit und das Leben ihrer Kinder auswirken: Soll die Familie ihr Haus mit Gas oder mit Heizöl beheizen? Sollen die Eltern ihr Kind auf eine lange Fahrt mitnehmen? Darf es schwimmen gehen? Solche Angelegenheiten sind mit Risiken verbunden, sogar mit solchen, bei denen es um Leben oder Tod geht. Aber die Gesellschaft anerkennt die Befugnis der Eltern, so daß sie ihnen in fast allen Fragen in bezug auf ihre Kinder das Entscheidungsrecht einräumt.

      Im Jahre 1979 sagte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten eindeutig: „Die gesetzliche Auffassung von der Familie beruht darauf, daß Eltern die Reife, die Erfahrung und die nötige Urteilsfähigkeit für die schwierigen Entscheidungen des Lebens besitzen, die einem Kind fehlen. ... Nur weil die Entscheidung eines Elternteils [in einer medizinischen Angelegenheit] Risiken einschließt, wird die Befugnis, diese Entscheidung zu treffen, nicht automatisch von den Eltern auf eine bestimmte staatliche Stelle oder einen Beamten übertragen“ (Parham v. J.R.).

      Im gleichen Jahr verfügte das New Yorker Berufungsgericht: „Der bedeutendste Faktor bei der Entscheidung, ob einem Kind eine angemessene medizinische Betreuung vorenthalten wird ..., ist, ob die Eltern unter Berücksichtigung aller Begleitumstände für ihr Kind eine annehmbare medizinische Behandlung in die Wege geleitet haben. Die Frage darf nicht lauten, ob die Eltern eine ‚richtige‘ oder eine ‚falsche‘ Entscheidung getroffen haben, denn der gegenwärtige Stand der medizinischen Praxis erlaubt trotz der großen Fortschritte nur sehr selten solch endgültige Schlußfolgerungen. Ein Gericht kann auch nicht die Rolle von Ersatzeltern annehmen“ (In re Hofbauer).

      Man denke an das Beispiel der Eltern, die vor der Wahl stehen: Operation oder Antibiotika? Jede Behandlungsform hätte ihre eigenen Risiken. Liebevolle Eltern tragen die Verantwortung, die Risiken, den Nutzen und andere Faktoren gegeneinander abzuwägen und dann eine Entscheidung zu treffen. In diesem Zusammenhang empfahl Dr. Jon Samuels (Anesthesiology News, Oktober 1989), die Veröffentlichung Guides to the Judge in Medical Orders Affecting Children nachzulesen, in der folgender Standpunkt eingenommen wird:

      „Der medizinische Wissensstand ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß ein Arzt einigermaßen sicher vorhersagen kann, ob sein Patient leben oder sterben wird ... Wenn es eine Wahl zwischen Behandlungsmethoden gibt — wenn zum Beispiel der Arzt eine Methode empfiehlt, die eine Erfolgschance von 80 Prozent hat, die aber die Eltern ablehnen, und die Eltern haben nichts gegen eine Methode einzuwenden, die nur eine Erfolgschance von 40 Prozent hat —, muß der Arzt den medizinisch riskanteren Weg beschreiten, gegen den die Eltern nichts einzuwenden haben.“

      Angesichts der vielen tödlichen Gefahren, die bei der medizinischen Verwendung von Blut zutage getreten sind, und angesichts wirkungsvoller Alternativen fragt es sich, ob es nicht sogar weniger riskant ist, kein Blut zu verwenden.

      Natürlich wägen Christen vieles gegeneinander ab, wenn ihr Kind operiert werden muß. Jede Operation, ob mit oder ohne Blut, hat Risiken. Welcher Chirurg kann Garantien geben? Die Eltern wissen vielleicht, daß erfahrene Ärzte bei blutlosen Operationen an Kindern von Zeugen Jehovas gute Erfolge erzielt haben. Wäre es nicht vernünftig, wenn Ärzte oder die Krankenhausverwaltung, selbst wenn sie eine andere Lösung vorziehen, mit den Eltern zusammenarbeiten würden, statt einen aufreibenden und zeitaufwendigen Rechtsstreit heraufzubeschwören? Oder die Eltern mögen ihr Kind in ein anderes Krankenhaus bringen, wo man in solchen Fällen Erfahrung hat und zur Behandlung bereit ist. Im Grunde genommen ist die Behandlung ohne Blut eher die kunstgerechte Behandlung, denn wie bereits erwähnt wurde, trägt sie dazu bei, daß die Familie „legitime medizinische und nichtmedizinische Ziele“ erreichen kann.

      [Fußnote]

      a Siehe den medizinischen Artikel „Blut: Wessen Entscheidung und wessen Gewissen?“, Nachdruck im Anhang auf Seite 30, 31.

      [Kasten auf Seite 18]

      RECHTLICHE BEDENKEN AUSRÄUMEN

      Man könnte sich fragen: „Warum sind manche Ärzte und Krankenhäuser schnell dabei, eine gerichtliche Verfügung zu erwirken, um Blut verabreichen zu können?“ An manchen Orten ist ein häufiger Grund die Angst vor der Haftung.

      Wenn es sich um Zeugen Jehovas handelt, die eine blutlose Behandlung wünschen, sind solche Bedenken unbegründet. Ein Arzt am Albert Einstein College of Medicine (USA) schreibt: „Die meisten [Zeugen] unterzeichnen bereitwillig das Formular der American Medical Association, wodurch Ärzte und Krankenhäuser von der Haftung befreit werden, und viele haben eine Karte ‚Dokument zur ärztlichen Versorgung‘ bei sich. Ein ordnungsgemäß mit Unterschrift und Datum versehenes Formular ‚Verweigerung der Annahme von Blutprodukten‘ ist eine vertragliche Übereinkunft und ist rechtsgültig“ (Anesthesiology News, Oktober 1989).

      Ja, Zeugen Jehovas sind zur Zusammenarbeit bereit und geben die rechtliche Zusicherung, daß einem Arzt oder einem Krankenhaus keine Haftung daraus erwächst, daß die gewünschte blutlose Behandlungsform angewendet wird. Gemäß der Empfehlung medizinischer Fachleute trägt jeder Zeuge Jehovas eine als „Dokument zur ärztlichen Versorgung“ bezeichnete Karte bei sich. Dieses Dokument wird von der Person unterschrieben und von Zeugen bestätigt. Es wird in passenden Zeiträumen erneuert oder durch erneute Unterschrift bestätigt.

      Im März 1990 bekräftigte der Oberste Gerichtshof von Ontario ein Urteil, in dem über ein solches Dokument anerkennend gesagt wurde: „Die Karte ist eine schriftliche Erklärung der begründeten Haltung, die der Inhaber der Karte rechtmäßig einnehmen kann, den Vertrag mit dem Arzt schriftlich einzuschränken.“ In Medicinsk Etik (1985) schrieb Professor Daniel Andersen: „Wenn es eine unzweideutige schriftliche Erklärung des Patienten gibt, in der es heißt, daß er ein Zeuge Jehovas ist und unter keinen Umständen Blut wünscht, dann verlangt die Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, daß sein Wunsch so respektiert wird, als hätte er ihn mündlich geäußert.“

      Zeugen Jehovas sind auch bereit, im Krankenhaus eine Einverständniserklärung zu unterschreiben. Auf einem Formular, das ein Krankenhaus in Freiburg verwendet, kann der Arzt beschreiben, worüber er den Patienten in Verbindung mit der Behandlung aufgeklärt hat. Oberhalb der Unterschriften des Arztes und des Patienten heißt es auf dem Formular: „Als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas lehne ich die Verwendung von Fremdblut sowie Fremdblutteilen grundsätzlich bei meiner Operation ab. Mir ist bekannt, daß der geplante, notwendige Eingriff hierdurch mit einem höheren Behandlungsrisiko durch Blutungskomplikationen belastet ist. Nach eingehender besonders darauf gerichteter Aufklärung bitte ich, die bei mir notwendige Operation ohne Verwendung von Fremdblut oder Teilen davon durchzuführen“ (Herz/Kreislauf, August 1987).

      In Wirklichkeit kann die blutlose Behandlung geringere Risiken haben als eine Behandlung mit Blut. Aber hier geht es darum, daß Patienten, die Zeugen Jehovas sind, gern alle unnötigen Bedenken ausräumen möchten, damit Ärzte ungehindert das tun können, was sie als ihre Pflicht ansehen, nämlich den Menschen zu helfen, gesund zu werden. Diese Zusammenarbeit kommt allen zugute, wie Dr. Angelos A. Kambouris in dem Artikel „Größere Unterleibsoperationen an Zeugen Jehovas“ zeigt:

      „Der Chirurg sollte die präoperative Zustimmung als verbindlich betrachten und sich ungeachtet der Probleme, die während und nach der Operation auftreten mögen, daran halten. ... [Das] orientiert die Patienten positiv auf ihre chirurgische Behandlung und lenkt die Aufmerksamkeit des Chirurgen von den rechtlichen und philosophischen Erwägungen ab, so daß er sich ganz den chirurgischen und technischen Fragen widmen kann, was ihm erlaubt, optimal zu arbeiten und seinem Patienten wirksame Hilfe zu leisten“ (The American Surgeon, Juni 1987).

      [Kasten auf Seite 19]

      „Der übersteigerte Einsatz medizinischer Technologie ist zum großen Teil für die gegenwärtige Kostenexplosion im Gesundheitswesen verantwortlich. ... Bluttransfusionen sind wegen ihrer Kosten und ihres hohen Risikopotentials von besonderer Bedeutung. Demzufolge wurden Bluttransfusionen von der American Joint Commission on Accreditation of Hospitals als ‚aufwendig, risikoreich und fehleranfällig‘ eingestuft“ („Transfusion“, Juli/August 1989).

      [Kasten auf Seite 20]

      Bundesrepublik Deutschland: „Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten rangiert vor dem Hilfeleistungs- und Lebenserhaltungsprinzip. Daraus folgt: keine Bluttransfusion gegen den Willen des Patienten“ („Herz/Kreislauf“, August 1987).

      Frankreich: „Die persönlichen Glaubensansichten des Patienten müssen respektiert werden. Zum Beispiel kann einer Patientin die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch nicht einfach aufgezwungen werden, wenn wir meinen, dies sei ‚gut‘ für die Familie und die Volksgesundheit“ („La Croix“, 17. März 1988).

      Niederlande: „Ist ein Arzt tatsächlich verpflichtet, eine solche Verweigerung [von Blut] zu respektieren? Nach Meinung von Fachleuten auf dem Gebiet des Gesundheitsrechts besteht darüber kein Zweifel. [Prof. Dr. H. J. J.] Leenen weist darauf hin, daß das Selbstbestimmungsrecht der Ausgangspunkt der Patientenrechte ist ... ‚Nur der Patient hat das Recht, über sein Leben zu entscheiden‘ “ („Actuele Zaken“, August/September 1988).

      [Kasten auf Seite 21]

      „Ich habe festgestellt, daß in den Familien [der Zeugen Jehovas] Liebe und enge Verbundenheit herrschen“, berichtet Dr. Lawrence S. Frankel. „Die Kinder sind gut erzogen, hilfsbereit und anständig ... Es hat sogar den Anschein, als hielten sie sich vielleicht strenger an medizinische Anordnungen, was ein Bemühen darstellen könnte, medizinisches Eingreifen in dem Ausmaß anzunehmen, wie es ihnen ihre Glaubensansichten gestatten“ (Abteilung für Kinderheilkunde am M. D. Anderson Hospital and Tumor Institute, Houston [USA], 1985).

      [Kasten auf Seite 22]

      „Ich befürchte, daß es nicht unüblich ist“, bemerkt Dr. James L. Fletcher jr., „daß berufsständische Selbstherrlichkeit gesundes medizinisches Urteilsvermögen verdrängt. Behandlungsmethoden, die als ‚die besten von heute‘ gelten, werden morgen verändert oder verworfen. Was ist gefährlicher: ‚religiöse Eltern‘ oder ein überheblicher Arzt, der seine Behandlung für absolut unerläßlich hält?“ („Pediatrics“, Oktober 1988).

  • Das Blut, das wirklich Leben rettet
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Das Blut, das wirklich Leben rettet

      Gewisse Punkte sind durch die vorangegangenen Ausführungen deutlich geworden. Zwar betrachten zahlreiche Personen Bluttransfusionen als lebensrettend, doch sie sind gefahrenträchtig. Jedes Jahr sterben Tausende an den Folgen von Bluttransfusionen; viele weitere werden schwer krank und haben mit langwierigen Folgeerscheinungen zu kämpfen. Somit ist es selbst vom gesundheitlichen Standpunkt aus weise, das biblische Gebot zu befolgen, ‘sich des Blutes zu enthalten’ (Apostelgeschichte 15:28, 29).

      Patienten werden vor einer ganzen Reihe von Gefahren geschützt, wenn sie um eine Behandlung ohne Blut bitten. Qualifizierte Ärzte, die die Herausforderung angenommen haben, Zeugen Jehovas auf diese Weise zu behandeln, haben Methoden entwickelt, die sicher und wirkungsvoll sind, wie aus zahlreichen medizinischen Veröffentlichungen hervorgeht. Ärzte, die ihre Patienten hervorragend medizinisch behandeln, ohne Blut zu verwenden, setzen keine anerkannten medizinischen Grundsätze aufs Spiel. Vielmehr achten sie das Recht des Patienten, sich über die Risiken und den Nutzen zu informieren, damit er nach hinreichender Aufklärung eine Entscheidung im Hinblick darauf treffen kann, was mit seinem Körper und Leben geschieht.

      Wir sind in dieser Angelegenheit nicht naiv, denn uns ist klar, daß nicht alle unseren Standpunkt teilen. Menschen sind verschieden, was ihr Gewissen, ihre Moral und ihre medizinischen Ansichten betrifft. Demnach fällt es manchen Personen, auch einigen Ärzten, vielleicht schwer, die Entscheidung eines Patienten, sich des Blutes zu enthalten, anzuerkennen. Ein Chirurg aus New York schrieb: „Ich werde niemals vergessen, wie ich vor 15 Jahren als junger Assistenzarzt neben dem Bett eines Zeugen Jehovas stand, der an einem Zwölffingerdarm-Geschwür verblutete. Die Wünsche des Patienten wurden berücksichtigt, und er erhielt keine Bluttransfusion, aber ich erinnere mich noch gut daran, wie stark ich mich als Arzt eingeengt fühlte.“

      Zweifellos meinte er, Blut hätte Leben retten können. Ein Jahr nachdem er dies geschrieben hatte, berichtete jedoch das British Journal of Surgery (Oktober 1986), daß gastrointestinale Blutungen vor der Einführung von Bluttransfusionen „eine Mortalität [Sterblichkeitsrate] von nur 2,5 % aufwiesen“. Seit Bluttransfusionen üblich geworden sind, „ist in den meisten großen Studien von einer 10%igen Mortalität die Rede“. Wie kam es zu einer viermal höheren Sterblichkeitsrate? Die Forscher räumten ein: „Eine frühzeitige Bluttransfusion scheint die Hyperkoagulabilität [gesteigerte Gerinnbarkeit] bei Blutungen umzukehren und so das erneute Auftreten von Blutungen zu fördern.“ Der Zeuge, der an einem blutenden Geschwür litt, hatte möglicherweise dadurch, daß er Blut ablehnte, seine Überlebenschancen in Wirklichkeit erhöht.

      Derselbe Chirurg fügte hinzu: „Wenn man im Laufe der Zeit viele Patienten behandelt hat, neigt man dazu, seine Ansichten zu ändern, und heute halte ich das Vertrauen zwischen Patient und Arzt sowie die Pflicht, die Wünsche des Patienten zu berücksichtigen, für weitaus wichtiger als die uns umgebende neue Apparatemedizin. ... Interessanterweise ist das Gefühl der Einengung einem Gefühl der Achtung und des Respekts vor dem standhaften Glauben dieses besonderen Patienten gewichen.“ Abschließend sagte der Arzt: „Das erinnert mich daran, daß ich stets die persönlichen und religiösen Wünsche eines Patienten respektieren sollte, ungeachtet meiner Empfindungen oder der Folgen.“

      Vielleicht ist man sich bereits selbst über das im klaren, was zahlreiche Ärzte, die „im Laufe der Zeit viele Patienten behandelt“ haben, erkennen. Selbst die hervorragendste ärztliche Behandlung in den besten Krankenhäusern verhindert nicht, daß Menschen irgendwann sterben. Sie sterben mit oder ohne Bluttransfusion. Jeder von uns altert, und das Lebensende rückt näher. Das ist nicht fatalistisch, sondern realistisch. Der Tod ist eine Tatsache.

      Wie die Erfahrung zeigt, leiden Menschen, die Gottes Gesetz bezüglich des Blutes mißachten, häufig unmittelbar oder später an den Folgen; manche sterben sogar an einer Blutübertragung. Wer überlebt, hat dadurch kein endloses Leben erlangt. Durch Bluttransfusionen bleibt man also nicht für immer am Leben.

      Den meisten, die aus religiösen und/oder medizinischen Gründen Blut ablehnen, aber andere Behandlungsmethoden akzeptieren, ergeht es recht gut. Sie verlängern ihr Leben vielleicht um Jahre, jedoch nicht endlos.

      Daß alle Menschen unvollkommen sind und allmählich sterben, bringt uns zu der Zentralwahrheit der Bibel über das Blut. Wenn man diese Wahrheit kennenlernt, wird man verstehen, wie Blut tatsächlich Leben — unser Leben — für immer retten kann.

      DAS EINZIGE BLUT, DAS LEBEN RETTET

      Wie zuvor erwähnt, hat Gott der ganzen Menschheit den Blutgenuß verboten. Warum? Weil Blut Leben darstellt (1. Mose 9:3-6). Er erklärte dies ausführlicher in der Gesetzessammlung, die er den Israeliten gab. Als der Gesetzesbund in Kraft gesetzt wurde, verwendete man das Blut geopferter Tiere auf dem Altar (2. Mose 24:3-8). Einige Gesetze verdeutlichten, daß alle Menschen unvollkommen sind; sie sind sündig, wie es die Bibel erklärt. Gott sagte den Israeliten, daß sie durch die Tieropfer, die sie ihm darbrachten, die Notwendigkeit anerkennen konnten, ihre Sünden zudecken zu lassen (3. Mose 4:4-7, 13-18, 22-30). Zwar forderte Gott dies damals von ihnen — er verlangt so etwas von wahren Anbetern heute nicht mehr —, aber es hat in der jetzigen Zeit für uns lebenswichtige Bedeutung.

      Gott selbst erläuterte den Grundsatz, der jenen Opfern zugrunde lag: „Die Seele [oder das Leben] des Fleisches ist im Blut, und ich selbst habe es für euch auf den Altar gegeben, damit Sühne geleistet wird für eure Seelen, denn das Blut ist es, das Sühne leistet durch die Seele darin. Darum habe ich zu den Söhnen Israels gesagt: ‚Keine Seele von euch soll Blut essen‘ “ (3. Mose 17:11, 12).

      Am Sühnetag, einem damaligen Festtag, brachte Israels Hoherpriester das Blut von Opfertieren in das Allerheiligste des Tempels — der Mittelpunkt der Gottesanbetung. Durch dieses Vorgehen wurde Gott symbolisch gebeten, die Sünden des Volkes zuzudecken (3. Mose 16:3-6, 11-16). Die Opfer beseitigten in Wirklichkeit nicht alle Sünden, weshalb sie jedes Jahr aufs neue dargebracht werden mußten. Dennoch lieferte dieser Gebrauch des Blutes ein bedeutungsvolles Muster.

      Eine Hauptlehre der Bibel ist, daß Gott schließlich ein einziges vollkommenes Opfer beschaffen würde, das die Sünden aller Gläubigen vollständig sühnen könnte. Man nennt es das Lösegeld, und es bezieht sich auf das Opfer des vorhergesagten Messias oder Christus.

      Die Bibel vergleicht die Rolle des Messias mit dem, was am Sühnetag geschah: „Als ... Christus als Hoherpriester der guten Dinge kam, die sich eingestellt haben, durch das größere und vollkommenere Zelt [oder den Tempel], das nicht mit Händen gemacht ... ist, begab er sich, nein, nicht mit dem Blut von Ziegenböcken und von jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut ein für allemal an die heilige Stätte [in den Himmel] und erlangte eine ewige Befreiung für uns. Ja, fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem GESETZ, und ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung“ (Hebräer 9:11, 12, 22).

      Es liegt demnach auf der Hand, weshalb wir Gottes Ansicht über das Blut teilen müssen. In Übereinstimmung mit seinem Recht als Schöpfer entscheidet er über den alleinigen Verwendungszweck. Für die Israeliten in alter Zeit mag es gesundheitlich von Nutzen gewesen sein, kein Tier- oder Menschenblut zu sich zu nehmen, aber das war nicht das Wichtigste (Jesaja 48:17). Es war nicht in erster Linie deshalb für sie verboten, sich durch Blut am Leben zu erhalten, weil das gesundheitsschädlich gewesen wäre, sondern weil es für Gott als unheilig galt. Sie mußten sich des Blutes enthalten, nicht weil es verunreinigt war, sondern weil es kostbar war zur Vergebung von Sünden.

      Der Apostel Paulus erklärte folgendes über das Lösegeld: „Durch ihn [Christus] haben wir die Befreiung durch Lösegeld mittels des Blutes dieses einen, ja die Vergebung unserer Verfehlungen, gemäß dem Reichtum seiner unverdienten Güte“ (Epheser 1:7). Das hier benutzte ursprüngliche griechische Wort wird richtigerweise mit „Blut“ wiedergegeben, doch eine Reihe von Bibelübersetzungen setzen statt dessen fälschlicherweise das Wort „Tod“ ein. Dadurch könnte den Lesern entgehen, daß die Ansicht unseres Schöpfers über das Blut und den Opferwert, den er ihm beimißt, betont wird.

      Das Thema der Bibel dreht sich um die Tatsache, daß Christus als vollkommenes Lösegeld starb, aber nicht tot blieb. Gemäß dem Muster, das Gott am Sühnetag schuf, wurde Jesus zu himmlischem Leben auferweckt, um „vor der Person Gottes für uns zu erscheinen“. Dort bot er den Wert seines Opferblutes dar (Hebräer 9:24). Die Bibel betont, daß wir jegliche Handlungsweise meiden müssen, durch die sozusagen ‘der Sohn Gottes mit Füßen getreten und sein Blut als von gewöhnlichem Wert geachtet wird’. Nur dadurch können wir ein gutes Verhältnis zu Gott und Frieden mit ihm bewahren (Hebräer 10:29; Kolosser 1:20).

      ERFREUE DICH EINES LEBENS, DAS DURCH BLUT GERETTET WURDE

      Wenn wir verstehen, was Gott über das Blut sagt, werden wir vor seinem lebensrettenden Wert Hochachtung haben. Die Heilige Schrift beschreibt Christus als denjenigen, „der uns liebt und der uns durch sein eigenes Blut von unseren Sünden erlöst hat“ (Offenbarung 1:5; Johannes 3:16). Ja, durch Jesu Blut können wir völlige und bleibende Vergebung unserer Sünden erlangen. Der Apostel Paulus schrieb: „Wir ... [werden], da wir jetzt durch sein Blut gerechtgesprochen worden sind, durch ihn vor dem Zorn gerettet werden.“ Auf diese Weise kann Leben durch Blut dauerhaft gerettet werden (Römer 5:9; Hebräer 9:14).

      Vor langer Zeit gab uns Jehova Gott die Zusicherung, daß sich durch Christus ‘alle Familien der Erde segnen können’ (1. Mose 22:18). Dieser Segen schließt ein, daß aus der Erde wieder ein Paradies wird. Dann wird die gottesfürchtige Menschheit nicht länger mit Krankheit, Alter und Tod behaftet sein; sie wird sich großartiger Segnungen erfreuen, die bei weitem die vorübergehende Hilfe übertreffen, die uns Ärzte heute bieten können. Die wunderbare Verheißung lautet: „Er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen“ (Offenbarung 21:4).

      Wie weise ist es doch, sich alle Bestimmungen Gottes zu Herzen zu nehmen! Dazu gehört es, seinen Geboten hinsichtlich des Blutes zu gehorchen und es auch in Notfällen nicht zu mißbrauchen. So werden wir nicht lediglich für den Augenblick leben. Vielmehr werden wir hohe Achtung vor dem Leben bekunden, einschließlich unserer Zukunftsaussichten: ewiges Leben in menschlicher Vollkommenheit.

      [Kasten auf Seite 25]

      Gottes Volk weigerte sich, durch Blut Leben aufrechtzuerhalten, nicht weil es gesundheitsschädlich war, sondern weil dies unheilig war, auch nicht, weil das Blut verunreinigt war, sondern weil es kostbar war.

      [Bild auf Seite 24]

      „Durch ihn [Jesus] haben wir die Befreiung durch Lösegeld mittels des Blutes dieses einen, ja die Vergebung unserer Verfehlungen“ (Epheser 1:7).

      [Bild auf Seite 26]

      Die Rettung des Lebens durch Jesu Blut öffnet den Weg zu endlosem Leben in Gesundheit auf einer paradiesischen Erde

  • Jehovas Zeugen — Die chirurgisch/ethische Herausforderung
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Anhang

      Jehovas Zeugen — Die chirurgisch/ethische Herausforderung

      Der folgende Artikel wurde mit der freundlichen Genehmigung der American Medical Association abgedruckt aus dem Journal of the American Medical Association (JAMA) vom 27. November 1981, Bd. 246, Nr. 21, S. 2471, 2472; Copyright 1981, American Medical Association. Nachstehend die deutsche Übersetzung.

      Bei der Behandlung von Zeugen Jehovas stehen Ärzte einer besonderen Herausforderung gegenüber. Die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft sind aus tiefer religiöser Überzeugung gegen die Übertragung von fremdem oder eigenem Vollblut, Konzentraten aus roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen oder Blutplättchen. Viele von ihnen sind mit der Verwendung einer Herz-Lungen-Maschine, eines Dialysegerätes oder ähnlicher Apparaturen einverstanden, sofern diese zu Beginn der Behandlung nicht mit Blut gefüllt werden und der Blutkreislauf außerhalb des Körpers nicht unterbrochen wird. Das behandelnde Personal braucht sich über die Haftung keine Sorgen zu machen, da die Zeugen entsprechende gesetzliche Maßnahmen ergreifen, um für ihre Verweigerung von Blut die Haftung zu übernehmen. Sie akzeptieren blutlose Ersatzflüssigkeiten. Damit und mit Hilfe äußerst genauer Verfahren nehmen Ärzte schwere Operationen aller Arten an erwachsenen und minderjährigen Zeugen vor. Im Falle solcher Patienten hat sich eine Verfahrensweise entwickelt, die mit dem Grundsatz übereinstimmt, den „ganzen Menschen“ zu behandeln (JAMA, 1981, 246:2471, 2472).

      ÄRZTE stehen einer zunehmenden Herausforderung gegenüber, die eine nicht geringe medizinische Streitfrage darstellt, da Zeugen Jehovas keine Bluttransfusion akzeptieren. In den Vereinigten Staaten zählen sie mehr als eine halbe Million. Die Zahl der Zeugen und ihrer Mitverbundenen nimmt zu. Obwohl früher viele Ärzte und Krankenhausverwaltungen die Verweigerung einer Transfusion als rechtliches Problem ansahen und eine gerichtliche Verfügung anstrebten, um eine Behandlung vorzunehmen, die sie medizinisch für richtig hielten, zeigen neuere medizinische Veröffentlichungen, daß sich ein merklicher Gesinnungswandel vollzieht. Das könnte darauf zurückzuführen sein, daß man mehr chirurgische Erfahrung hat mit Patienten, die einen sehr geringen Hämoglobingehalt haben, und könnte auch Ausdruck dessen sein, daß man sich immer mehr der rechtlichen Konsequenzen bewußt wird.

      Heute wird eine große Zahl ausgewählter chirurgischer und traumatischer Fälle bei erwachsenen und minderjährigen Zeugen ohne Bluttransfusion bewältigt. Vor kurzem kamen in einigen der größten medizinischen Zentren des Landes Vertreter der Zeugen Jehovas mit Vertretern der Chirurgie und der Verwaltung zusammen. Diese Gespräche trugen dazu bei, daß das Verständnis verbessert wurde und Fragen über Bluttransfusionen, Transplantationen und die Vermeidung medizinisch/rechtlicher Konfrontationen beantwortet wurden.

      DER STANDPUNKT DER ZEUGEN

      Jehovas Zeugen sind mit medizinischer und chirurgischer Behandlung einverstanden. Es gibt unter ihnen zahlreiche Ärzte und sogar Chirurgen. Doch die Zeugen sind äußerst religiöse Menschen, die glauben, daß ihnen Bluttransfusionen verboten sind aufgrund von Bibelstellen wie: „Nur Fleisch mit seiner Seele — seinem Blut — sollt ihr nicht essen“ (1. Mose 9:3, 4). „[Ihr sollt] sein Blut ausgießen und es mit Staub bedecken“ (3. Mose 17:13, 14). Und enthaltet euch „von Hurerei und von Erwürgtem und von Blut“ (Apostelgeschichte 15:19-21).1

      Diese Verse sind zwar nicht medizinisch formuliert, aber nach der Auffassung der Zeugen schließen sie eine Transfusion von Vollblut und die Verabreichung von Konzentraten aus roten Blutkörperchen und Plasma sowie weißen Blutkörperchen und Blutplättchen aus. Doch das religiöse Verständnis der Zeugen schließt nicht völlig den Gebrauch von Blutbestandteilen wie Albumin, Immunglobulinen und Faktoren zur Blutgerinnung aus; jeder Zeuge muß für sich entscheiden, ob er sie akzeptieren kann.2

      Da die Zeugen glauben, daß das Blut, wenn es den Körper verlassen hat, beseitigt werden sollte, akzeptieren sie keine „Autotransfusion“ von zuvor entnommenen sogenannten „Eigenblutkonserven“. Ebenfalls auf Ablehnung stoßen Verfahren zur Blutverdünnung und zur Sammlung von Blut während der Operation, wenn sie mit der Aufbewahrung von Blut verbunden sind. Doch viele Zeugen sind einverstanden mit der Verwendung eines Dialysegerätes und einer Herz-Lungen-Maschine sowie der Wiederverwendung von Blut, das während der Operation ausströmt, sofern bei all diesen Verfahren kein zusätzliches Blut verwendet und der Kreislauf außerhalb des Körpers nicht unterbrochen wird; der Arzt sollte sich bei dem jeweiligen Patienten nach dessen Gewissensentscheidung erkundigen.2

      Die Zeugen sind nicht der Meinung, daß die Bibel direkt etwas über Organverpflanzungen sagt; daher müssen Entscheidungen über Hornhaut-, Nieren- oder andere Gewebetransplantationen von dem einzelnen Zeugen getroffen werden.

      GROSSE CHIRURGISCHE EINGRIFFE MÖGLICH

      Obwohl es Chirurgen oft abgelehnt haben, Zeugen zu behandeln, weil durch deren Einstellung zur Verwendung von Blutprodukten „dem Arzt die Hände gebunden“ schienen, vertreten heute viele Ärzte die Ansicht, daß es sich dabei lediglich um eine zusätzliche Schwierigkeit handelt, die eine besonders hohe Anforderung an ihr Können stellt. Da die Zeugen nichts gegen Salzlösungen oder kolloidale Ersatzflüssigkeiten, Elektrokaustik, hypotone Anästhesie3 oder Hypothermie einwenden, sind diese Verfahren erfolgreich praktiziert worden. Gegenwärtige und künftige Anwendungen von Hydroxyäthylstärke4, intravenösen Eisendextraninjektionen hoher Dosis5, 6 und des Ultraschallskalpells7 sind vielversprechend und stoßen auf keine religiösen Einwände. Und wenn sich der neuentwickelte Fluorkohlenwasserstoff Fluosol-DA8 als ein sicherer und wirksamer Blutersatzstoff erweist, wird seine Verwendung dem Glauben der Zeugen nicht entgegenstehen.

      Im Jahre 1977 berichteten D. A. Ott und D. A. Cooley9 über 542 Herzkranzgefäßoperationen, die ohne Bluttransfusion an Zeugen vorgenommen wurden, und schlußfolgerten, daß diese Operationen „mit einem annehmbar geringen Risiko“ durchgeführt werden könnten. In Erwiderung auf unsere Anfrage hielt Cooley vor kurzem einen statistischen Rückblick auf 1 026 Operationen, davon 22 Prozent an Minderjährigen, und kam zu dem Schluß, „daß das Risiko bei Operationen an Patienten aus der Gruppe der Zeugen Jehovas im Grunde nicht größer ist als bei anderen“. Michael E. DeBakey, M. D., teilte mit, „daß in der Mehrzahl der Fälle [von Zeugen Jehovas] das Risiko einer Operation ohne Bluttransfusionen nicht größer ist als bei Patienten, denen wir Blut übertragen“ (persönliche Mitteilung, März 1981). Veröffentlichungen berichten auch von erfolgreichen größeren urologischen10 und orthopädischen Operationen11. G. Dean MacEwen, M. D., und J. Richard Bowen, M. D., schrieben, daß hintere Wirbelfusionen „erfolgreich an 20 minderjährigen Zeugen vorgenommen wurden“ (unveröffentlichte Quelle, August 1981). Sie fügten hinzu: „Der Chirurg muß die Philosophie entwickeln, das Recht des Patienten, eine Bluttransfusion zu verweigern, zu respektieren und dennoch chirurgische Eingriffe auf eine Weise vorzunehmen, die dem Patienten Sicherheit bietet.“

      H. Herbsman12 berichtet über Erfolge bei einer Anzahl von Fällen (Jugendliche eingeschlossen) „mit enormem Blutverlust infolge von Unfällen“. Er räumt ein, daß die „Zeugen etwas im Nachteil sind, was die Bedingungen für das Blut anbelangt. Dessenungeachtet ist es völlig klar, daß wir Alternativen zur Bluttransfusion haben.“ Er macht die Beobachtung, daß viele Chirurgen aus „Furcht vor rechtlichen Folgen“ davor zurückschrecken, Zeugen als Patienten anzunehmen. Aber er zeigt, daß das keine berechtigte Sorge ist.

      RECHTLICHE BEDENKEN BEI MINDERJÄHRIGEN

      Die Zeugen unterzeichnen bereitwillig das Formular der Medizinischen Gesellschaft Amerikas, das die Ärzte und das Krankenhaus von der Haftung13 befreit, und die meisten Zeugen Jehovas tragen eine datierte, zusätzlich von zwei anderen unterschriebene Karte bei sich, die in Zusammenarbeit mit medizinischen und juristischen Experten entstanden ist. Diese Dokumente sind für den Patienten (oder seine Hinterbliebenen) verbindlich und bieten den Ärzten Schutz, denn Richter Warren Burger erklärte, ein Verfahren wegen standeswidrigen Verhaltens würde in einem Fall, in dem eine Verweigerungserklärung unterzeichnet worden sei, „unbegründet erscheinen“. Zudem äußerte sich J. J. Paris14 in einer Analyse „aufgezwungener medizinischer Behandlung und religiöser Freiheit“ wie folgt: „Ein Kommentator, der die Literatur überprüfte, berichtete: ‚Ich habe keinen einzigen Beleg für die Behauptung gefunden, der Arzt mache sich durch sein Versäumnis, einem unwilligen Patienten eine Transfusion aufzuzwingen, strafbar.‘ Das Risiko scheint eher das Produkt eines phantasievollen Rechtsgeistes als eine realistische Möglichkeit zu sein.“

      Die Haftung für Minderjährige stellt das größte Problem dar. Oft führt es zu Gerichtsverfahren gegen die Eltern aufgrund vernachlässigter Sorgepflicht. Doch derartige Maßnahmen werden von vielen Ärzten und Rechtsanwälten in Frage gezogen, die mit solchen Fällen vertraut sind und glauben, daß die Zeugen für eine gute medizinische Behandlung ihrer Kinder sorgen. Da sie nicht darauf aus sind, sich vor der elterlichen Verantwortung zu drücken oder sie einem Richter oder jemand anders zu überlassen, dringen die Zeugen darauf, daß die religiösen Grundsätze der Familie berücksichtigt werden. Dr. A. D. Kelly, ehemaliger Sekretär der Medizinischen Gesellschaft Kanadas, schrieb: „Die Eltern von Minderjährigen und die nächsten Angehörigen bewußtloser Patienten haben das Recht, den Willen des Patienten darzulegen. ... Ich bewundere nicht das Vorgehen eines Gerichts, das sich um 2 Uhr nachts versammelt, um ein Kind der Obhut seiner Eltern zu entreißen.“15

      Es ist selbstverständlich, daß die Eltern bei der Behandlung ihrer Kinder ein Mitspracherecht haben, wenn es zum Beispiel um das Verhältnis zwischen Risiko und Nutzen einer Operation, einer Bestrahlung oder Chemotherapie geht. Aus moralischen Gründen, die über die Frage des Transfusionsrisikos16 hinausgehen, bitten die Zeugen darum, an ihrem Kind eine Behandlung vorzunehmen, gegen die keine religiösen Einwände bestehen. Das stimmt mit dem medizinischen Grundsatz der Behandlung des „ganzen Menschen“ überein, wobei man nicht die möglichen bleibenden psychischen und sozialen Schäden eines Verfahrens übersieht, das die grundlegenden Glaubensauffassungen einer Familie verletzt. Im ganzen Land werden jetzt häufig in großen Zentren, die mit den Zeugen Erfahrungen haben, Patienten — selbst wenn es sich um Kinder handelt — aus Institutionen übernommen, die nicht bereit sind, Zeugen zu behandeln.

      DIE HERAUSFORDERUNG AN DEN ARZT

      Es ist verständlich, daß die Behandlung von Zeugen Jehovas ein Dilemma für den Arzt mit sich zu bringen scheint, der sich der Erhaltung des Lebens und der Gesundheit verpflichtet fühlt, indem er alle ihm zur Verfügung stehenden Verfahren einsetzt. In der Einleitung einer Artikelserie über größere Operationen an Zeugen räumte J. P. Harvey17 ein: „Ich ärgere mich über die Glaubensansichten, die meine Arbeit stören könnten.“ Aber er fügte hinzu: „Vielleicht vergessen wir zu schnell, daß die Chirurgie eine Kunst ist, die von den persönlichen Fertigkeiten einzelner abhängt. Fertigkeiten können verbessert werden.“

      Professor Bolooki18 sprach von einem beunruhigenden Bericht, der besage, daß eines der größten Unfallkrankenhäuser in der Dade County (Florida, USA) „von vornherein die Behandlung“ von Zeugen Jehovas ablehne. Er wies darauf hin, daß „bei dieser Gruppe von Patienten die meisten chirurgischen Eingriffe mit einem geringeren Risiko verbunden sind als sonst“. Er führte weiter aus: „Obwohl die Chirurgen meinen mögen, daß sie eines Instrumentes der modernen Medizin beraubt werden, ... bin ich davon überzeugt, daß sie, wenn sie diese Patienten operieren würden, eine Menge lernen würden.“

      Statt die Behandlung von Patienten, die Zeugen Jehovas sind, als Problem zu betrachten, sehen immer mehr Ärzte die Situation als eine medizinische Herausforderung an. Um der Herausforderung zu begegnen, haben sie für diese Patientengruppe eine Verfahrensweise entwickelt, die in zahlreichen medizinischen Zentren des ganzen Landes akzeptiert wird. Diese Ärzte sorgen dadurch für eine Behandlung, die dem allgemeinen Wohlbefinden des Patienten am meisten nützt. B. Gardner19 machte die Beobachtung: „Wem würde es etwas nützen, wenn das körperliche Gebrechen des Patienten geheilt, aber sein geistiges Leben für Gott seiner Meinung nach geschädigt und er demzufolge ein Leben führen würde, das sinnlos und vielleicht schlimmer als der Tod wäre?“

      Die Zeugen erkennen, daß ihre standhaft vertretene Überzeugung, medizinisch gesehen, die Behandlung riskanter und komplikationsreicher macht. Demzufolge bringen sie im allgemeinen ungewöhnliche Wertschätzung für ihre Behandlung zum Ausdruck. Außer daß sie den Vorzug eines starken Glaubens und Lebenswillens haben, arbeiten sie gern mit den Ärzten und dem Krankenhauspersonal zusammen. Somit stehen der Patient und der Arzt vereint dieser einzigartigen Herausforderung gegenüber.

      Quellenverzeichnis

      1 Jehovas Zeugen und die Blutfrage, Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft, 1977, S. 1—64.

      2 Der Wachtturm, 1. 10. 1978, S. 30—32.

      3 Hypotensive anesthesia facilitates hip surgery, MEDICAL NEWS. JAMA, 1978; 239:181.

      4 Hetastarch (Hespan)—a new plasma expander. Med Lett Drugs Ther, 1981; 23:16.

      5 R. D. Hamstra, M. H. Block, A. L. Schocket: Intravenous iron dextran in clinical medicine. JAMA, 1980; 243:1726—1731.

      6 R. Lapin: Major surgery in Jehovah’s Witnesses. Contemp Orthop, 1980; 2:647—654.

      7 M. L. Fuerst: ‘Sonic scalpel’ spares vessels. Med Trib, 1981; 22:1, 30.

      8 E. R. Gonzáles: The saga of ‘artificial blood’; Fluosol a special boon to Jehovah’s Witnesses. JAMA, 1980; 243:719—724.

      9 D. A. Ott, D. A. Cooley: Cardiovascular surgery in Jehovah’s Witnesses. JAMA, 1977; 238:1256—1258.

      10 P. R. Roen, F. Velcek: Extensive urologic surgery without blood transfusion. NY State J Med, 1972; 72:2524—2527.

      11 C. L. Nelson, K. Martin, N. Lawson et al.: Total hip replacement without transfusion. Contemp Orthop, 1980; 2:655—658.

      12 H. Herbsman: Treating the Jehovah’s Witness. Emerg Med, 1980; 12:73—76.

      13 Medicolegal Forms With Legal Analysis. Chicago, American Medical Association, 1976, S. 83.

      14 J. J. Paris: Compulsory medical treatment and religious freedom: Whose law shall prevail? Univ San Francisco Law Rev, 1975; 10:1—35.

      15 A. D. Kelly: Aequanimitas. Can Med Assoc J, 1967; 96:432.

      16 J. Kolins: Fatalities from blood transfusion. JAMA, 1981; 245:1120.

      17 J. P. Harvey: A question of craftsmanship. Contemp Orthop, 1980; 2:629.

      18 H. Bolooki: Treatment of Jehovah’s Witnesses: Example of good care. Miami Med, 1981; 51:25, 26.

      19 B. Gardner, J. Bivona, A. Alfonso et al.: Major surgery in Jehovah’s Witnesses. NY State J Med, 1976; 76:765, 766.

  • Blut: Wessen Entscheidung und wessen Gewissen?
    Wie kann Blut dein Leben retten?
    • Anhang

      Blut: Wessen Entscheidung und wessen Gewissen?

      J. Lowell Dixon, M. D.

      Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des New York State Journal of Medicine, 1988; 88:463—464, Copyright by Medical Society of the State of New York. Nachstehend die deutsche Übersetzung.

      ÄRZTE sind verpflichtet, ihre Kenntnisse, ihre Fähigkeiten und ihre Erfahrung im Kampf gegen Krankheit und Tod einzusetzen. Doch was, wenn ein Patient eine empfohlene Behandlung ablehnt? Das wird wahrscheinlich der Fall sein, wenn der Patient ein Zeuge Jehovas ist und bei der Behandlung Vollblut, Erythrozytenkonzentrate, Plasma oder Blutplättchen verwendet werden sollen.

      Sofern es um den Gebrauch von Blut geht, mag ein Arzt der Meinung sein, dem engagierten Mediziner seien die Hände gebunden, wenn sich der Patient für eine Behandlung ohne Blut entscheidet. Man darf jedoch nicht vergessen, daß sich auch Patienten, die keine Zeugen Jehovas sind, häufig gegen die Vorschläge ihres Arztes entscheiden. Gemäß Appelbaum und Roth1 lehnten 19 Prozent der Patienten in Lehrkrankenhäusern zumindest eine Behandlung oder ein Verfahren ab, und das, obwohl 15 Prozent der Ablehnungen „potentiell lebensgefährlich waren“.

      Aufgrund der allgemeinen Ansicht „Der Arzt weiß es schon am besten“ beugen sich die meisten Patienten den Fähigkeiten und Kenntnissen ihres Arztes. Doch wie gefährlich wäre es, wenn der Arzt diese Ansicht als feststehende Tatsache betrachten und die Patienten dementsprechend behandeln würde! Unsere medizinische Ausbildung, die Approbation und unsere Erfahrung verschaffen uns auf medizinischem Gebiet zwar beachtenswerte Privilegien, aber unsere Patienten haben Rechte. Und wie uns sicherlich bewußt ist, mißt das Gesetz (ebenso wie die Verfassung) den Rechten größeren Wert bei.

      In den meisten Krankenhäusern hängen die „Rechte der Patienten“ aus. Eines davon ist das Recht, nach hinreichender Aufklärung in eine Art der Behandlung einzuwilligen oder nicht; man könnte es auch korrekter als das Recht, sich nach hinreichender Aufklärung für eine Art der Behandlung zu entscheiden, bezeichnen. Nachdem der Patient über die möglichen Folgen der verschiedenen Behandlungen (oder der Nichtbehandlung) informiert worden ist, muß er selbst entscheiden. In einem Merkblatt des Albert-Einstein-Krankenhauses in der Bronx (New York) über Bluttransfusionen und Zeugen Jehovas heißt es: „Jeder geschäftsfähige volljährige Patient hat das Recht, eine Behandlung abzulehnen, ungeachtet wie abträglich das seiner Gesundheit sein könnte.“2

      Während Ärzte besorgt von Ethik und Haftung sprechen mögen, haben Gerichte die Entscheidung des Patienten als vorrangig hervorgehoben.3 Das Berufungsgericht von New York erklärte: „Das Recht des Patienten, die Art seiner Behandlung zu bestimmen, ist übergeordnet ... [Ein] Arzt kann nicht beschuldigt werden, seine Gesetzes- oder Standespflichten verletzt zu haben, wenn er das Recht eines geschäftsfähigen volljährigen Patienten, eine Behandlung abzulehnen, respektiert.“4 Das Gericht stellte außerdem fest, daß „die ethische Integrität des Arztberufes zwar wichtig ist, aber nicht über den hier zu verteidigenden fundamentalen Rechten des einzelnen steht. Ausschlaggebend sind die Bedürfnisse und Wünsche des einzelnen und nicht die Forderungen der Institution.“5

      Ärzten mag das Gewissen schlagen, wenn sie aufgrund der Weigerung eines Zeugen, Blut anzunehmen, anscheinend nicht das Bestmögliche tun können. Worum der Zeuge die gewissenhaften Ärzte jedoch bittet, ist die beste Alternativbehandlung unter den gegebenen Umständen. Wir müssen häufig unsere Therapie den Umständen anpassen, etwa bei Bluthochdruck, heftigen Antibiotikaallergien oder wenn eine bestimmte kostspielige Ausrüstung nicht verfügbar ist. Ärzte, die einen Zeugen behandeln, stehen vor der Aufgabe, die Probleme bei der Behandlung oder der Operation in Übereinstimmung mit dem Gewissen des Patienten und seiner moralisch/religiös geprägten Entscheidung, sich des Blutes zu enthalten, zu bewältigen.

      Zahlreiche Berichte über größere Operationen an Zeugen zeigen, daß viele Ärzte mit gutem Gewissen auf die Bitte, kein Blut zu verwenden, eingehen können und dennoch erfolgreich sind. Beispielsweise hielt Cooley 1981 einen Rückblick auf 1 026 Herzkranzgefäßoperationen, davon 22 Prozent an Minderjährigen. Er kam zu dem Schluß, „daß das Risiko bei Operationen an Patienten aus der Gruppe der Zeugen Jehovas im Grunde nicht größer ist als bei anderen“.6 Kambouris7 berichtete von größeren Operationen an Zeugen, von denen einigen „dringend benötigte Operationen verwehrt worden waren, weil sie Blut ablehnten“. Er sagte: „Allen Patienten wurde vor der Behandlung zugesichert, daß ihr Glaube respektiert würde, ungeachtet dessen, was im Operationssaal geschähe. Diese Verfahrensweise hatte keine ungünstigen Auswirkungen.“

      Ist der Patient ein Zeuge Jehovas, spielt außer der Frage der Entscheidung auch das Gewissen eine Rolle. Man darf nicht nur an das Gewissen des Arztes denken. Wie steht es um dasjenige des Patienten? Jehovas Zeugen betrachten das Leben als ein Geschenk Gottes, das durch das Blut dargestellt wird. Sie nehmen das biblische Gebot ernst, daß sich Christen des Blutes enthalten sollten (Apostelgeschichte 15:28, 29).8 Wenn somit ein Arzt den Patienten bevormundet und dessen tiefverwurzelten Glaubensansichten Gewalt antut, kann das verhängnisvolle Folgen haben. Jemanden zu zwingen, sein Gewissen zu vergewaltigen, beurteilte Papst Johannes Paul II. als „den schwersten Schlag gegen die Würde des Menschen. In einem gewissen Sinne ist es verwerflicher, als jemandes physischen Tod herbeizuführen, ja als Mord.“9

      Während Jehovas Zeugen Blut aus religiösen Gründen ablehnen, entscheiden sich immer mehr Patienten, die keine Zeugen sind, wegen Aids, Non-A-non-B-Hepatitis, Immunreaktionen oder anderer Risiken gegen Blut. Wir mögen ihnen unsere Ansicht darüber darlegen, inwiefern der Nutzen die Risiken aufwiegt. Doch der Patient muß gemäß der amerikanischen Ärztevereinigung „das letzte Wort darüber haben, ob er die Risiken einer Behandlung oder Operation, die ihm von einem Arzt empfohlen worden ist, auf sich nehmen will oder ob er es riskiert, sich nicht behandeln zu lassen. Das ist das natürliche Recht des einzelnen, das gesetzlich anerkannt ist.“10

      Diesbezüglich brachte Macklin11 die Risiko-Nutzen-Frage in Verbindung mit einem Zeugen zur Sprache, „der das Risiko einging, ohne Bluttransfusion zu verbluten“. Ein Medizinstudent sagte: „Sein Denkvermögen war intakt. Wie ist es einzuschätzen, wenn religiöse Ansichten gegen die einzig mögliche Behandlungsmethode sprechen?“ Macklin erklärte: „Wir mögen fest davon überzeugt sein, daß dieser Mann einen Fehler beging. Aber Jehovas Zeugen sind der Ansicht, daß eine Transfusion ... [möglicherweise] zu ewiger Verdammung führt. In der Medizin fällt es uns nicht schwer, das Risiko gegen den Nutzen abzuwägen; stellt man jedoch ewige Verdammung dem Weiterleben auf der Erde gegenüber, hat die Beurteilung aus einem anderen Gesichtswinkel zu erfolgen.“

      Vercillo und Duprey12 lenken in der vorliegenden Ausgabe des Journals die Aufmerksamkeit auf die Sorge um die Sicherheit der Familienangehörigen, wobei sie den Fall Osborne ansprechen. Doch wie wurde dieser entschieden? Es ging hierbei um den schwerverletzten Vater zweier minderjähriger Kinder. Das Gericht stellte fest, daß im Todesfall Angehörige für die materiellen und geistigen Bedürfnisse der Kinder sorgen würden. Daher sah das Gericht wie in anderen Fällen in letzter Zeit13 keine zwingende Notwendigkeit, sich im Interesse des Staates über die Entscheidung des Patienten hinwegzusetzen. Ein gerichtliches Vorgehen mit dem Zweck, eine Behandlung, die diesem zutiefst zuwider war, durchzusetzen, schien nicht gerechtfertigt.14 Der Patient wurde anders behandelt, erholte sich wieder und konnte weiter für seine Familie sorgen.

      Konnten nicht die allermeisten Fälle, denen sich Ärzte gegenübersahen, ohne Blut behandelt werden, und wird das nicht auch zukünftig so sein? Das, was wir gelernt haben und worüber wir bestens Bescheid wissen, hat mit der medizinischen Seite zu tun, doch sind die Patienten Menschen, deren individuelle Wertvorstellungen und Ziele nicht ignoriert werden dürfen. Sie kennen am besten ihr Gewissen, ihre Prioritäten und ihre Moralvorstellungen, die ihrem Leben Sinn verleihen.

      Das religiöse Gewissen von Patienten, die Zeugen Jehovas sind, zu respektieren mag eine Herausforderung an unsere Fähigkeiten sein. Wenn wir uns jedoch dieser Herausforderung stellen, unterstreichen wir den Wert der Freiheiten, die wir alle schätzen. John Stuart Mill schrieb treffend: „Keine Gesellschaft, die diese Freiheiten nicht vollständig respektiert, ist frei, ungeachtet welche Herrschaftsform sie hat ... Jeder ist der geeignete Wächter seiner eigenen Gesundheit, ob körperlich, psychisch oder geistig. Die Menschheit gewinnt eher dadurch, daß jeder den anderen so leben läßt, wie es diesem gut erscheint, als dadurch, daß man jeden zwingt, so zu leben, wie es den anderen gut erscheint.“15

      Quellenverzeichnis

      1 Appelbaum PS, Roth LH: Patients who refuse treatment in medical hospitals. JAMA, 1983; 250:1296—1301.

      2 Macklin R: The inner workings of an ethics committee: Latest battle over Jehovah’s Witnesses. Hastings Cent Rep 1988; 18(1):15 bis 20.

      3 Bouvia v Superior Court, 179 Cal App 3d 1127, 225 Cal Rptr 297 (1986); In re Brown, 478 So 2d 1033 (Miss 1985).

      4 In re Storar, 438 NYS 2d 266, 273, 420 NE 2d 64, 71 (NY 1981).

      5 Rivers v Katz, 504 NYS 2d 74, 80 n 6, 459 NE 2d 337, 343 n 6 (NY 1986).

      6 Dixon JL, Smalley MG: Jehovah’s Witnesses. The surgical/ethical challenge. JAMA, 1981; 246:2471, 2472.

      7 Kambouris AA: Major abdominal operations on Jehovah’s Witnesses. Am Surg 1987; 53:350—356.

      8 Jehovas Zeugen und die Blutfrage, Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft (1977), S. 1—64.

      9 Pope denounces Polish crackdown. NY Times, 11. 1. 1982, S. A⁠9.

      10 Office of the General Counsel: Medicolegal Forms with Legal Analysis. Chicago, American Medical Association, 1973, S. 24.

      11 Kleiman D: Hospital philosopher confronts decisions of life. NY Times, 23. 1. 1984, S. B1, B3.

      12 Vercillo AP, Duprey SV: Jehovah’s Witnesses and the transfusion of blood products. NY State J Med 1988; 88:493, 494.

      13 Wons v Public Health Trust, 500 So 2d 679 (Fla Dist Ct App) (1987); Randolph v City of New York, 117 AD 2d 44, 501 NYS 2d 837 (1986); Taft v Taft, 383 Mass 331, 446 NE 2d 395 (1983).

      14 In re Osborne, 294 A 2d 372 (Dc Ct App 1972).

      15 Mill JS: On liberty, in Adler MJ (ed): Great Books of the Western World. Chicago, Encyclopaedia Britannica, Inc, 1952, Band 43, S. 273.

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