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Das große Geschäft mit dem BlutErwachet! 1990 | 22. Oktober
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Das große Geschäft mit dem Blut
ROTES GOLD! Wie der Name andeutet, handelt es sich um einen sehr wertvollen Stoff. Es ist eine kostbare Flüssigkeit, ein bedeutender Rohstoff, der nicht nur mit Gold, sondern auch mit Öl und Kohle verglichen wird. Doch das rote Gold wird nicht mit Bohrgerät und Dynamit aus den Adern im Gestein geholt. Es wird auf viel subtilere Weise aus den Adern der Menschen gewonnen.
„Bitte, meine kleine Tochter braucht Blut“, heißt es beschwörend auf einer Werbetafel, die über einer vielbefahrenen Straße in New York aufragt. Andere Werbetexte lauten: „Wenn Sie ein Spender sind, sind Sie der Typ Mensch, ohne den die Welt nicht leben kann.“ „Ihr Blut zählt. Reichen Sie uns Ihren helfenden Arm.“
Menschen, die anderen helfen wollen, verstehen offensichtlich diese Botschaft und kommen überall auf der Welt in Scharen. Ohne Zweifel haben die meisten von ihnen ebenso wie diejenigen, die das Blut sammeln, und diejenigen, die es transfundieren, den aufrichtigen Wunsch, den Leidenden zu helfen. Und sie sind überzeugt, daß sie das auch wirklich tun.
Doch zwischen der Blutspende und der Transfusion geht das Blut durch mehr Hände und durchläuft mehr Verfahren, als die meisten es sich vorstellen. Wie Gold, so weckt auch Blut die Habgier. Es wird möglicherweise mit Profit verkauft und mit noch größerem Profit weiterverkauft. Einige Leute kämpfen um das Recht, Blut zu sammeln; sie verkaufen es dann zu Wucherpreisen und machen damit ein Vermögen; und sie schmuggeln es sogar aus einem Land in ein anderes. Weltweit ist der Bluthandel das große Geschäft.
In den Vereinigten Staaten wurden die Spender früher direkt bezahlt. Aber 1971 erklärte der britische Publizist Richard Titmuss, das amerikanische System sei unsicher, da man die Armen und Kranken dazu verlocken würde, ihr Blut für ein paar Dollar zu verkaufen. Er argumentierte auch, es sei gegen die Moral, daß Leute etwas dabei verdienten, wenn sie ihr Blut spendeten, mit dem ja anderen geholfen werden sollte. Dieser Angriff führte in den Vereinigten Staaten zur Einstellung des Vollblutspendens gegen Bezahlung (das es allerdings in einigen Ländern noch gibt). Dadurch verlor jedoch der Bluthandel nichts an seiner Gewinnträchtigkeit. Warum nicht?
Wie Blut gewinnbringend blieb
In den 1940er Jahren begann man, das Blut in seine Bestandteile zu zerlegen. Dieses Verfahren, Fraktionierung genannt, macht den Bluthandel zu einem noch lukrativeren Geschäft. Inwiefern? Nun, man braucht sich nur einmal vor Augen zu führen, daß ein neues Auto, wenn man es in seine Einzelteile zerlegt und diese dann verkauft, vielleicht fünfmal soviel einbringt wie das komplette Auto. In ähnlicher Weise ist auch Blut viel mehr wert, wenn es zerlegt wird und man die Bestandteile einzeln verkauft.
Besonders gewinnbringend ist das Blutplasma, das ungefähr die Hälfte des Blutvolumens ausmacht. Da das Plasma keine zellulären Blutbestandteile — rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen — enthält, kann es getrocknet und gelagert werden. Außerdem ist es einem Spender nur fünfmal im Jahr erlaubt, sich Vollblut abnehmen zu lassen. In einigen Ländern darf man jedoch zweimal in der Woche sein Plasma bei einer Plasmapherese spenden. Dabei wird dem Spender zunächst Vollblut abgenommen. Dann trennt man das Plasma ab und transfundiert die zellulären Bestandteile wieder zurück.
In den Vereinigten Staaten ist es immer noch erlaubt, den Spender für das Plasma zu bezahlen. Darüber hinaus darf man dort viermal mehr Plasma im Jahr spenden, als die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Es verwundert daher nicht, daß die Vereinigten Staaten 60 Prozent des weltweit verbrauchten Plasmas sammeln. Dieses Plasma an sich ist etwa 450 Millionen Dollar wert, doch es bringt am Markt viel mehr ein, da es nochmals in verschiedene Bestandteile zerlegt werden kann. Jedes Jahr ist Plasma in der ganzen Welt die Grundlage einer 2 Milliarden Dollar schweren Industrie.
Gemäß der Zeitung Mainichi Shimbun verbraucht Japan ein Drittel des weltweit gewonnenen Plasmas. Es importiert 96 Prozent seines Bedarfs an diesem Blutbestandteil, zum größten Teil aus den Vereinigten Staaten. Kritiker aus dem eigenen Land haben Japan den „Vampir der Welt“ genannt. Das japanische Gesundheits- und Wohlfahrtsministerium hat versucht, gegen den Handel vorzugehen, und dabei argumentiert, es sei unvernünftig, mit Blut Geschäfte zu machen. Nach Angaben des Ministeriums verdienen medizinische Institutionen in Japan allein an einem Plasmabestandteil, dem Albumin, im Jahr umgerechnet etwa 350 Millionen Mark.
Die Bundesrepublik Deutschland verbraucht mehr Blutprodukte als die anderen europäischen Staaten zusammen und pro Kopf mehr als jedes andere Land der Welt. Zu Blutprodukten heißt es in dem Buch Zum Beispiel Blut: „Über die Hälfte davon wird importiert, hauptsächlich aus den USA, aber auch aus der Dritten Welt. In jedem Fall aber von Armen, die mit der Plasmaspende ihr Einkommen verbessern wollen. ... Viele von ihnen haben den Tod gefunden, weil sie zu häufig und zu viel von ihrem Lebenssaft verkauften.“
Viele kommerzielle Plasmazentren sind strategisch günstig in Armenvierteln oder an der Grenze zu einem armen Land gelegen. Sie ziehen die Verarmten und Obdachlosen an, die nur allzu bereit sind, ihr Blut zu verkaufen, und die gute Gründe haben, mehr zu spenden, als sie sollten, und jegliche Krankheit zu verbergen. Dieser Plasmahandel ist in 25 Ländern in allen Teilen der Welt aufgekommen. Sobald er in einem Land unterbunden wird, ist er in einem anderen zu finden. Bestechung von Behördenvertretern und Schmuggel sind keine Seltenheit.
Profite im nichtkommerziellen Bereich
Doch auch die nichtkommerziellen Blutbanken sind in der letzten Zeit ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. 1986 prangerte die Journalistin Andrea Rock in der Zeitschrift Money die Tatsache an, daß eine Blutkonserve die Blutbank 57,50 Dollar kostet, das Krankenhaus 88 und den Patienten, der die Transfusion erhält, 375 bis 600 Dollar.
Hat sich die Situation seitdem geändert? Im September 1989 schrieb Gilbert M. Gaul von der Zeitung The Philadelphia Inquirer eine Artikelserie über das Blutbankensystem in den Vereinigten Staaten.a Nach einer einjährigen Untersuchung berichtete er, daß einige Blutbanken die Leute um Blut anbetteln und dann vielleicht die Hälfte des Blutes mit beträchtlichem Gewinn an andere Blutzentren verkaufen. Nach Gauls Schätzungen handeln die Blutbanken auf diese Weise ungefähr eine halbe Million Liter Blut im Jahr auf dem grauen Markt, der bei einem Jahresumsatz von ca. 50 Millionen Dollar in etwa wie eine Börse funktioniert.
Es besteht allerdings ein Unterschied: Die Blutbörse wird nicht von den Behörden überwacht. Niemand kann genau sagen, wie groß der Markt ist, geschweige denn die Preise kontrollieren. Und die meisten Spender wissen nichts von ihrer Existenz. „Die Leute werden zum Narren gehalten“, sagte ein ehemaliger Blutbanker gegenüber der Zeitung The Philadelphia Inquirer. „Niemand sagt ihnen, daß ihr Blut bei uns landet. Sie würden wütend werden, wenn sie es wüßten.“ Ein Vertreter des Roten Kreuzes meinte dazu lakonisch: „Die Blutbanken haben die amerikanische Öffentlichkeit jahrelang für dumm verkauft.“
Allein in den Vereinigten Staaten sammeln die Blutbanken jedes Jahr 6,5 Millionen Liter Blut und verkaufen über 30 Millionen Einheiten Blutprodukte für insgesamt etwa eine Milliarde Dollar. Das ist eine ungeheure Menge Geld. Blutbanken vermeiden die Wörter „Gewinn“ und „Profit“. Sie sprechen lieber von „Einnahmeüberschüssen“. Das Rote Kreuz hatte zum Beispiel von 1980 bis 1987 „Einnahmeüberschüsse“ in Höhe von 300 Millionen Dollar.
Die Blutbanken erklären protestierend, sie seien nichtkommerzielle Organisationen und ihr Geld gehe im Gegensatz zu dem der großen Unternehmen an der Börse nicht an Aktionäre. Doch wenn das Rote Kreuz eine Aktiengesellschaft wäre, würde es zu den gewinnbringendsten Unternehmen in den Vereinigten Staaten zählen, so wie etwa General Motors. Und die Leiter der Blutbanken haben einen ansehnlichen Verdienst. Von den leitenden Angestellten der 62 Blutbanken, die The Philadelphia Inquirer untersucht hat, verdienten 25 Prozent über 100 000 Dollar im Jahr. Bei einigen war es mehr als doppelt soviel.
Vertreter der Blutbanken führen auch an, daß sie das Blut nicht „verkaufen“ — sie würden nur die Kosten der Verarbeitung berechnen. Dem hält ein Blutbanker entgegen: „Es macht mich ganz wild, wenn das Rote Kreuz behauptet, es verkaufe kein Blut. Das ist so, als würden die Leute aus dem Supermarkt sagen, sie berechneten einem nicht die Milch, sondern nur die Packung.“
Der Weltmarkt
Wie der Plasmahandel, so umspannt auch der Vollbluthandel den ganzen Globus. Und die Kritik daran ebenfalls. Das Japanische Rote Kreuz sorgte beispielsweise im Oktober 1989 für Aufregung, als es versuchte, sich den Weg zum japanischen Markt freizuboxen, indem es auf Produkte aus gespendetem Blut erhebliche Nachlässe gewährte. Die Krankenhäuser gaben gegenüber den Versicherungen an, sie hätten das Blut zu Normalpreisen eingekauft, und machten so riesige Gewinne.
Gemäß der thailändischen Zeitung The Nation sind einige Länder scharf gegen den Handel mit dem roten Gold vorgegangen und haben das bezahlte Spenden unterbunden. In Indien leben etwa 500 000 Menschen vom Verkauf ihres Blutes. Einige abgezehrte und arme Spender verkleiden sich, um mehr spenden zu können, als sie eigentlich dürften. Bei anderen nehmen die Blutbanken wissentlich zuviel Blut ab.
In seinem Buch Blood: Gift or Merchandise (Blut: Gabe oder Handelsware) meint Piet J. Hagen, die fragwürdigsten Verfahrensweisen von Blutbanken seien in Brasilien anzutreffen. Die Hunderte von kommerziellen Blutbanken Brasiliens betreiben ein Geschäft, bei dem jährlich umgerechnet 120 Millionen Mark umgesetzt werden und das skrupellose Geschäftsleute anzieht. Wie in dem Buch Bluternte beschrieben wird, strömen in Bogotá (Kolumbien) die Armen und Arbeitslosen in die ungezählten Blutbanken. Dort verkaufen diese Menschen einen halben Liter Blut für magere 350 bis 500 Pesos. Die Patienten zahlen dann für die gleiche Menge vielleicht zwischen 4 000 und 6 000 Pesos.
Zumindest eine weltweit zu beobachtende Tatsache kristallisiert sich aus alldem heraus: Der Bluthandel ist ein Riesengeschäft. „Ja, und?“ mag der eine oder andere fragen. „Warum soll der Bluthandel denn kein gutes Geschäft sein?“
Nun, was stört viele Menschen im allgemeinen am „Big Business“? Die Habgier. Sie zeigt sich z. B., wenn die Leute überredet werden, Sachen zu kaufen, die sie in Wirklichkeit gar nicht brauchen; oder noch schlimmer, wenn man der Öffentlichkeit Produkte „aufschwatzt“, die bekanntermaßen gefährlich sind, oder aber wenn man sich weigert, Geld auszugeben, um seine Produkte sicherer zu machen.
Wenn der Bluthandel mit dieser Art Habgier verseucht ist, steht das Leben von Millionen auf der ganzen Erde in großer Gefahr. Ist somit das Blutgeschäft durch Habgier korrupt geworden?
[Fußnote]
a Gaul gewann im April 1990 mit seiner Abhandlung einen Pulitzerpreis für sein Verdienst um die Öffentlichkeit. Sie gab auch den Anlaß für eine umfangreiche Überprüfung der Blutindustrie, die der amerikanische Kongreß Ende 1989 durchführen ließ.
[Kasten/Bild auf Seite 6]
Plazentahandel
Kaum eine Frau dürfte sich nach der Geburt ihres Kindes darüber Gedanken machen, was mit der Plazenta geschieht, dem Gewebe, das das Kind im Mutterleib ernährt. Gemäß der Zeitung The Philadelphia Inquirer werfen viele Krankenhäuser sie nicht weg, sondern frieren sie ein und verkaufen sie. Allein 1987 verkauften die Vereinigten Staaten etwa 800 Tonnen Plazentagewebe an Länder außerhalb Amerikas. Eine Firma in der Nähe von Paris kauft jeden Tag 15 Tonnen! Die Plazenta ist eine günstige Quelle mütterlichen Blutplasmas, das von dem Unternehmen zu verschiedenen Medikamenten verarbeitet und dann in ca. 100 Länder verkauft wird.
[Übersicht/Bild auf Seite 4]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Die Hauptbestandteile des Blutes
Plasma: Es macht etwa 55 Prozent des Blutvolumens aus und besteht zu 92 Prozent aus Wasser; der Rest setzt sich aus komplexen Proteinen zusammen wie Globuline, Fibrinogen und Albumin
Blutplättchen: etwa 0,17 Prozent des Blutes
Weiße Blutkörperchen: etwa 0,1 Prozent
Rote Blutkörperchen: etwa 45 Prozent
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Gabe des Lebens oder Todeskuß?Erwachet! 1990 | 22. Oktober
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Gabe des Lebens oder Todeskuß?
„Wie viele Menschen sollen denn noch sterben? Wie viele Todesfälle brauchen Sie? Sagen Sie uns die Mindestzahl der Toten, die Sie brauchen, um zu glauben, daß es so ist.“
DON FRANCIS vom amerikanischen Amt für Seuchenbekämpfung (CDC) schlug mit der Faust auf den Tisch, als er bei einer Sitzung, an der hochrangige Vertreter der Blutbanken teilnahmen, die obigen Worte schrie. Das CDC versuchte die Blutbanken davon zu überzeugen, daß Aids durch Blutkonserven übertragen wurde.
Aber die Vertreter der Blutbanken waren keineswegs überzeugt. Sie nannten die Beweise dürftig — nur eine Handvoll Fälle — und entschieden sich gegen die Einführung von Bluttests oder Untersuchungen des gespendeten Blutes. Das war am 4. Januar 1983. Sechs Monate später gab der Präsident der Amerikanischen Blutbankenvereinigung zu Protokoll: „Wenn überhaupt eine Gefahr für die Öffentlichkeit besteht, dann ist sie äußerst gering.“
Für viele Experten gab es jedoch schon genügend Beweise, um entsprechende Maßnahmen zu rechtfertigen. Und seither haben sich die „Handvoll Fälle“ in alarmierender Weise vervielfacht. Vor 1985 wurde schätzungsweise 24 000 Personen Blut übertragen, das mit HIV (dem Aidsvirus) infiziert war.
Durch verseuchtes Blut wird Aids auf erschreckend wirkungsvolle Weise verbreitet. Gemäß dem New England Journal of Medicine (14. Dezember 1989) kann eine einzige Blutkonserve genügend Viren für 1,75 Millionen Infektionen enthalten. Wie das CDC gegenüber Erwachet! erklärte, haben bis Juni 1990 allein in den Vereinigten Staaten 3 506 Personen durch Bluttransfusionen, Blutbestandteile oder Gewebetransplantationen Aids bekommen.
Doch das sind nur nüchterne Zahlen. Sie können auch nicht annähernd die menschlichen Tragödien aufzeigen, die damit verbunden sind. Nehmen wir zum Beispiel die 71jährige Frances Borchelt. Sie hatte den Ärzten nachdrücklich gesagt, daß sie keine Bluttransfusion haben wollte. Aber ihr wurde trotzdem Blut übertragen. Hilflos mußten ihre Angehörigen mit ansehen, wie sie qualvoll an Aids starb.
Ein anderes Beispiel ist das tragische Schicksal einer 17jährigen, die unter starken Menstruationsblutungen litt. Um ihre Anämie zu korrigieren, erhielt sie zwei Blutkonserven. Als sie mit 19 Jahren schwanger war, stellte sich heraus, daß sie mit dem Blut das Aidsvirus bekommen hatte. Im Alter von 22 Jahren entwickelte sich bei ihr das Vollbild der Krankheit. Sie hatte nun nicht nur die Gewißheit, bald sterben zu müssen, sondern blieb auch im ungewissen darüber, ob sie die Krankheit an ihr Kind weitergegeben hatte. Die Liste der Tragödien ist endlos. Weltweit sind alte Menschen ebenso betroffen wie Säuglinge.
In einem 1987 erschienenen Buch heißt es: „Fast gleichzeitig mit der Identifizierung der eigentlichen Risikogruppen geschah das Undenkbare: Der Beweis wurde geliefert, daß diese potentiell tödliche Krankheit [Aids] durch freiwillige Blutspenden übertragen werden kann und auch übertragen worden ist. Es war die bitterste Ironie in der Medizin, daß sich die kostbare, lebenspendende Gabe des Blutes als ein Instrument des Todes herausstellen konnte“ (Autologous and Directed Blood Programs).
Selbst Medikamente, die aus Plasma hergestellt werden, haben zur weltweiten Verbreitung der Seuche beigetragen. Die Reihen der Bluter, von denen die meisten mit Gerinnungsfaktoren auf Plasmabasis behandelt werden, lichteten sich. In den Vereinigten Staaten wurden 60 bis 90 Prozent von ihnen mit Aids infiziert, bevor man ein Verfahren einführte, bei dem die Medikamente erhitzt und so die Aidsviren abgetötet werden.
Bis auf den heutigen Tag ist Blut nicht aidssicher. Und Aids ist bei weitem nicht die einzige Gefahr bei Transfusionen.
Risiken, die Aids in den Schatten stellen
„Es ist die gefährlichste Substanz, die wir in der Medizin verwenden“, sagte Dr. Charles Huggins über das Blut. Und er sollte es wissen, denn er ist Leiter des Transfusionsdienstes eines Krankenhauses in Massachusetts. Viele glauben, man müsse für eine Bluttransfusion nur einfach jemand finden, der die passende Blutgruppe habe. Doch neben AB0-Gruppen und dem Rhesusfaktor, die routinemäßig durch Kreuzproben überprüft werden, gibt es etwa 400 Faktoren, bei denen das nicht geschieht. Denton Cooley, Spezialist für Herz- und Gefäßchirurgie, bemerkte dazu: „Eine Bluttransfusion ist eine Organtransplantation. ... Ich denke, daß es bei fast allen Bluttransfusionen gewisse Unverträglichkeiten gibt.“
Es überrascht daher nicht, daß die Transfusion einer so komplexen Substanz das Immunsystem des Körpers „verwirren“ kann, wie es ein Chirurg ausdrückte. Tatsache ist, daß eine Bluttransfusion das Immunsystem für etwa ein Jahr schwächen kann. Nach Meinung einiger ist das der bedrohlichste Aspekt der Bluttransfusion.
Daneben kann es auch zu Infektionskrankheiten kommen. Sie haben so exotische Namen wie Chagas-Krankheit und Zytomegalie. Die Auswirkungen reichen von Fieber und Schüttelfrost bis zum Tod. Gemäß Dr. Joseph Feldschuh von der Cornell University of Medicine ist die Wahrscheinlichkeit, sich durch eine Bluttransfusion eine Infektionskrankheit zuzuziehen, 1 zu 10. Es ist wie russisches Roulett mit einem Revolver mit zehn Kammern. Jüngere Studien haben zudem gezeigt, daß Bluttransfusionen bei Krebsoperationen sogar das Risiko vergrößern können, erneut Krebs zu bekommen.
Kein Wunder, daß in einer Fernsehnachrichtensendung die Bluttransfusion als das möglicherweise größte Hindernis für die postoperative Genesung bezeichnet wurde. Hunderttausende werden mit Hepatitis infiziert. Daran sterben mehr Transfusionsempfänger als an Aids, doch das erregt nur wenig Aufmerksamkeit. Keiner kennt die genaue Zahl der Todesfälle, aber der Wirtschaftswissenschaftler Ross Eckert erklärte, es sei in etwa so, als würde jeden Monat ein vollbesetztes Flugzeug des Typs DC-10 abstürzen.
Das Risiko und die Blutbanken
Wie haben die Blutbanken auf die Bekanntgabe der vielen Risiken, mit denen ihr Produkt behaftet ist, reagiert? Nach den Aussagen der Kritiker zu urteilen, nicht gerade sehr gut. In einem Bericht der Präsidentenkommission für die HIV-Epidemie wird die Industrie beschuldigt, „unnötig langsam“ auf die Aidsbedrohung reagiert zu haben. Blutbanken wurden aufgefordert, Angehörige der Risikogruppen vom Blutspenden abzuhalten. Auch hat man die Blutbanken aufgefordert, das Blut selbst zu testen und auf Anzeichen hin zu untersuchen, ob es von einem Spender aus einer der Risikogruppen stammt. Doch die Blutbanken ließen sich Zeit. Sie taten die Diskussion um die Risiken als Hysterie ab. Warum?
In seinem Buch AIDS — And the Band Played on: Die Geschichte eines großen Versagens beschuldigt Randy Shilts Vertreter der Blutbanken, sie hätten sich „vor allem aus finanziellen Gründen“ gegen weitere Bluttests ausgesprochen. „Obwohl die Blutbanken zum großen Teil in den Händen gemeinnütziger Institutionen wie etwa des Roten Kreuzes waren, ging es hier um sehr viel Geld. Der Jahresumsatz betrug etwa eine Milliarde Dollar. Jetzt bestünde die Gefahr, daß der Jahresbedarf an Spenderblut für 3,5 Millionen Transfusionen nicht mehr gedeckt werden konnte.“
Darüber hinaus zögern gemeinnützige Blutbanken, freiwillige Spender, auf die sie völlig angewiesen sind, dadurch vor den Kopf zu stoßen, daß man gewisse Risikogruppen, insbesondere Homosexuelle, ausschließt. Verfechter der „Rechte der Schwulen“ warnten vor einer drohenden Verletzung ihrer Bürgerrechte — was an die Konzentrationslager-Mentalität vergangener Zeit erinnern würde —, sollte man ihnen verbieten, Blut zu spenden.
Der Verlust von Spendern und neue Tests würden auch mehr Geld kosten. Im Frühjahr 1983 begann die Blutbank der Stanford-Universität als erste damit, Blut einem indirekten Test zu unterziehen, der anzeigte, ob das Blut von einem Spender aus der Risikogruppe kam. Andere Blutbanken kritisierten die Maßnahme als Werbetrick, der dazu dienen sollte, mehr Patienten anzuziehen. Tests lassen wirklich die Preise steigen. Aber die Eltern eines Säuglings, der ohne ihr Wissen eine Transfusion bekommen hatte, sagten, sie hätten sicherlich die fünf Dollar mehr je halben Liter für einen solchen Test bezahlt. Ihr Kind starb an Aids.
Der Selbsterhaltungsfaktor
Gemäß einigen Experten reagieren die Blutbanken auf die Gefahren deshalb so schwerfällig, weil ja nicht sie die Konsequenzen ihrer Versäumnisse zu tragen haben. Zum Beispiel ist einem Bericht der Zeitung The Philadelphia Inquirer zufolge die amerikanische Nahrungs- und Arzneimittelbehörde (FDA) dafür verantwortlich, darauf zu achten, daß die Blutbanken die Richtlinien einhalten. Doch stützt sie sich beim Festlegen dieser Richtlinien weitgehend auf die Blutbanken. Einige Beamte der FDA sind ehemalige führende Vertreter der Blutindustrie. So nahm die Häufigkeit der Inspektionen in den Blutbanken sogar ab, während die Aidskrise sich entwickelte.
Amerikanische Blutbanken haben sich auch für eine Gesetzgebung eingesetzt, die sie vor Gerichtsfällen schützen soll. In fast jedem Bundesstaat besagt jetzt das Gesetz, daß Blut eine Dienstleistung und kein Produkt sei. Jeder, der eine Blutbank verklagen will, muß daher der Blutbank Fahrlässigkeit nachweisen können — eine große rechtliche Hürde. Solche Gesetze bewahren zwar die Blutbanken vor Gerichtsverfahren, nicht aber die Patienten vor verseuchtem Blut.
Würden die Blutbanken für das Blut haftbar gemacht, das sie in Umlauf bringen, so der Wirtschaftswissenschaftler Ross Eckert, würden sie mehr tun, um dessen Qualität sicherzustellen. Der ehemalige Blutbanker Aaron Kellner stimmt damit überein, wenn er sagt: „Mit einem bißchen Gesetzesalchimie wurde aus dem Blut eine Dienstleistung. Jeder wurde freigesprochen, das heißt jeder außer dem unschuldigen Opfer — dem Patienten.“ Weiter führt er aus: „Wir hätten zumindest auf die Ungerechtigkeit hinweisen können, aber wir haben es nicht getan. Wir waren um unser eigenes Schicksal besorgt. Wo war unsere Sorge um den Patienten?“
Die Schlußfolgerung scheint unumgänglich zu sein: Die Blutindustrie ist weit mehr daran interessiert, sich finanziell abzusichern, als daran, die Menschen vor den Gefahren zu schützen, die mit ihrem Produkt verbunden sind. „Aber spielen alle diese Gefahren eine Rolle, wenn Blut das einzige Mittel ist, mit dem ein Leben gerettet werden kann?“ mag jemand argumentieren. „Wiegt der Nutzen nicht alle Risiken auf?“ Das sind gute Fragen. Doch wie notwendig sind all die Transfusionen?
[Herausgestellter Text auf Seite 9]
Ärzte bemühen sich mit großem Aufwand, sich vor dem Blut ihrer Patienten zu schützen. Doch werden die Patienten ausreichend vor dem transfundierten Blut geschützt?
[Kasten/Bild auf Seite 8, 9]
Ist Blut heute aidssicher?
„GUTE Nachricht für’s Blut“, hieß es in der New Yorker Zeitung Daily News (5. Oktober 1989). Gemäß dem Artikel ist die Wahrscheinlichkeit, durch eine Bluttransfusion Aids zu bekommen, 1 zu 28 000. Das Verfahren zum Auffinden des Virus im Blut sei jetzt zu 99,9 Prozent sicher.
Ein ähnlicher Optimismus herrscht bei den Blutbanken. „Die Blutversorgung ist sicherer denn je“, erklären sie. Der Präsident der Amerikanischen Blutbankenvereinigung sagte, das Risiko, Aids durch Blut zu bekommen, sei „praktisch eliminiert“. Aber warum belegen sowohl Gerichte als auch Ärzte Blut mit Begriffen wie „giftig“ und „unbestreitbar unsicher“, wenn es doch so „sicher“ ist? Warum sind einige Chirurgen bei Operationen fast wie Raumfahrer angezogen, komplett mit Gesichtsmaske und hohen Gummistiefeln, um ja nicht mit Blut in Kontakt zu kommen? Warum wird in so vielen Krankenhäusern von den Patienten verlangt, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben, die das Krankenhaus von der Haftung für Folgeschäden von Bluttransfusionen befreit? Ist Blut wirklich vor Infektionen wie Aids sicher?
Die Sicherheit hängt von zwei Maßnahmen zum Schutz des Blutes ab: die Überprüfung der Spender und die Untersuchung des Blutes selbst. Wie jüngere Studien gezeigt haben, gibt es trotz der Anstrengungen, Spender aus Aids-Risikogruppen herauszufinden, immer noch einige, die unbemerkt durchschlüpfen. Bei der Befragung machen sie falsche Angaben und spenden dann Blut. Einige wollen einfach auf diskrete Weise herausfinden, ob sie selbst infiziert sind.
Im Jahr 1985 haben die Blutbanken damit begonnen, Blut auf Antikörper zu untersuchen, die der Körper zur Bekämpfung des Aidsvirus bildet. Das Problem dabei ist, daß zwischen der Infizierung und der Entwicklung der nachweisbaren Antikörper einige Zeit vergehen kann. Die kritische Latenzzeit wird „diagnostisches Loch“ genannt.
Der Gedanke, die Wahrscheinlichkeit einer Aidsübertragung bei einer Bluttransfusion läge bei 1 zu 28 000, stammt aus einer Studie, die in der Zeitschrift The New England Journal of Medicine veröffentlicht worden war. Dort wurde die wahrscheinlichste Länge des diagnostischen Loches mit durchschnittlich acht Wochen angegeben. Doch nur einige Monate zuvor, im Juni 1989, veröffentlichte die gleiche Zeitschrift eine Studie, gemäß der diese Periode viel länger sein kann — sogar drei Jahre oder noch länger. Die frühere Studie wies darauf hin, daß so lange Latenzzeiten viel häufiger sein mögen, als man allgemein angenommen hatte. Weiter wurde die Möglichkeit besprochen, daß einige Infizierte vielleicht nie Antikörper gegen das Virus entwickeln. Die optimistischere Studie bezog allerdings diese Ergebnisse nicht mit ein und bezeichnete sie als „nicht gut interpretiert“.
Kein Wunder daher, daß Dr. Cory SerVass von der Präsidentenkommission für Aids erklärte: „Die Blutbanken können zwar der Öffentlichkeit erzählen, das Blut sei so sicher wie nur möglich, aber die Öffentlichkeit kauft ihnen das nicht mehr ab, da sie spürt, daß es nicht wahr ist.“
[Bildnachweis]
CDC, Atlanta, Ga.
[Kasten auf Seite 11]
Bluttransfusionen und Krebs
Wissenschaftler müssen jetzt feststellen, daß transfundiertes Blut das Immunsystem schwächen kann und damit möglicherweise die Überlebensrate derjenigen, die sich einer Krebsoperation unterzogen haben, negativ beeinflußt. Die Zeitschrift Cancer berichtete in ihrer Ausgabe vom 15. Februar 1987 über eine aufschlußreiche Studie in den Niederlanden. „Bei Patienten mit Darmkrebs war eindeutig eine ungünstige Auswirkung der Transfusion auf die Langzeit-Überlebensrate zu beobachten“, hieß es darin. „In dieser Gruppe betrug die kumulative 5-Jahres-Überlebensrate 48 % für Transfusionsempfänger und 74 % für Nichttransfundierte.“
Ärzte der Universität von Südkalifornien haben ebenfalls festgestellt, daß sich bei Patienten, die eine Krebsoperation hinter sich hatten, häufiger wieder Krebs entwickelte, wenn sie eine Bluttransfusion bekommen hatten. In der Zeitschrift Annals of Otology, Rhinology & Laryngology (März 1989) wird über Nachuntersuchungen, die diese Ärzte an hundert Patienten durchgeführt hatten, berichtet: „Die Rückfallquote für alle Krebserkrankungen am Kehlkopf betrug 14 % bei denjenigen, die kein Blut, und 65 % bei denjenigen, die Blut erhalten hatten. Bei Krebserkrankungen der Mundhöhle, der Rachenhöhle und Nase oder der Nebenhöhlen betrug die Rückfallquote 31 %, wenn keine Transfusionen, und 71 %, wenn Transfusionen verabreicht wurden.“
In dem Artikel „Bluttransfusionen und Krebsoperationen“ kommt Dr. John S. Spratt zu dem Schluß: „Der Krebschirurg muß eventuell Spezialist für blutlose Chirurgie werden“ (The American Journal of Surgery, September 1986).
[Bilder auf Seite 10]
Daß Blut eine lebensrettende „Medizin“ ist, ist fraglich; daß es Menschen tötet, jedoch nicht
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Bluttransfusionen — Der Schlüssel zum Überleben?Erwachet! 1990 | 22. Oktober
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Bluttransfusionen — Der Schlüssel zum Überleben?
IM Jahr 1941 setzte Dr. John S. Lundy einen Standard für Bluttransfusionen fest. Offensichtlich ohne irgendeinen klinischen Beweis als Stütze erklärte er, ein Patient, bei dem der Hämoglobinwert (Hämoglobin ist der Sauerstoffträger des Blutes) 10 Gramm oder weniger pro Deziliter Blut betrage, brauche eine Bluttransfusion. Danach wurde dieser Wert zu einem Standard für die Ärzte.
Doch dieser Wert wird seit fast 30 Jahren angefochten. 1988 wurde im Journal of the American Medical Association schlicht gesagt, daß die Beweise die Richtlinie nicht unterstützen würden. Dem Anästhesisten Howard L. Zauder zufolge ist der Wert „überdeckt von Tradition, eingehüllt in Dunkel und weder durch klinische noch durch experimentelle Beweise erhärtet“. Für andere ist er einfach ein Mythos.
Trotz dieser gewichtigen Bloßstellung wird der Mythos immer noch als vernünftige Richtlinie akzeptiert. Für viele Anästhesisten und andere Ärzte ist ein Hämoglobinwert unter zehn sozusagen ein Auslöser für eine Bluttransfusion, mit der die Anämie korrigiert werden soll. Es geschieht praktisch automatisch.
Sicherlich trägt dies zu dem heutigen absolut übermäßigen Einsatz von Blutprodukten bei. Dr. Theresa L. Crenshaw, die in der Präsidentenkommission für die HIV-Epidemie mitgearbeitet hat, schätzt, daß allein in den Vereinigten Staaten jedes Jahr zwei Millionen unnötige Bluttransfusionen verabreicht werden und daß etwa die Hälfte aller Transfusionen von gelagertem Blut vermieden werden könnten. Japans Gesundheits- und Wohlfahrtsministerium beklagte den „gedankenlosen Einsatz von Transfusionen“ in Japan und den „blinden Glauben an ihren Nutzen“.
Das Problem bei einer Bluttransfusion zur Korrektur einer Anämie ist, daß die Transfusion unter Umständen eher zum Tod führt als die Anämie. Jehovas Zeugen, die Bluttransfusionen in erster Linie aus religiösen Gründen ablehnen, haben dazu beigetragen, dies zu beweisen.
Möglicherweise haben wir schon Schlagzeilen gesehen, in denen von einem Zeugen Jehovas gesprochen wurde, der gestorben sei, weil er eine Bluttransfusion verweigert habe. Bedauerlicherweise wird bei solchen Meldungen oft nur die halbe Wahrheit gesagt. Häufig ist es die Weigerung der Ärzte, schnell genug oder überhaupt zu operieren, die für den Zeugen den Tod bedeutet hat. Einige Chirurgen lehnen eine Operation ab, sofern sie nicht die Freiheit haben, bei einem Hämoglobinwert unter zehn eine Transfusion zu geben. Doch viele Chirurgen haben Zeugen erfolgreich operiert, deren Hämoglobinwert bei fünf, zwei oder sogar noch niedriger lag. Der Chirurg Richard K. Spence erklärt dazu: „Was ich in Verbindung mit den Zeugen festgestellt habe, ist, daß der niedrige Hämoglobinwert überhaupt nichts mit der Mortalität zu tun hat.“
Eine Fülle von Alternativen
„Blut oder Tod.“ Das ist die Alternative, vor die manche Ärzte Patienten stellen, die Zeugen Jehovas sind. In Wirklichkeit gibt es jedoch viele Alternativen zur Bluttransfusion. Jehovas Zeugen liegt nichts daran zu sterben. Sie sind an alternativen Behandlungen interessiert. Da die Bibel die Aufnahme von Blut verbietet, betrachten sie eine Bluttransfusion einfach nicht als eine Alternative.
In dem Bericht der Präsidentenkommission für die HIV-Epidemie, der im Juni 1988 erschien, wird empfohlen, für alle Patienten das zu tun, was die Zeugen seit Jahren fordern: „Die Einwilligung nach hinreichender Aufklärung vor einer Transfusion von Blut oder seinen Bestandteilen sollte mit einer Erklärung der Risiken verbunden sein ... wie auch mit Informationen über mögliche Alternativen zur Therapie mit homologer Bluttransfusion.“
Mit anderen Worten: Die Patienten sollen eine Wahlmöglichkeit haben. Eine dieser Möglichkeiten ist eine Art autologe Transfusion. Dabei wird das Blut des Patienten während der Operation aufgefangen und wieder in den Blutkreislauf zurückgeleitet. Stellt dieser Prozeß einfach eine Erweiterung des Kreislaufsystems des Patienten dar, so ist er für die meisten Zeugen wohl akzeptabel. Chirurgen heben auch den Wert der Volumenvergrößerung durch unblutige Volumenexpander hervor; dabei ersetzt der Körper die roten Blutkörperchen selbst wieder. Solche Techniken sind anstelle von Bluttransfusionen eingesetzt worden, ohne daß die Sterberate gestiegen wäre. Tatsächlich können sie sogar die Sicherheit erhöhen.
Ein vielversprechendes Mittel ist gentechnisch hergestelltes Erythropoetin, das kürzlich für den begrenzten Einsatz freigegeben wurde. Es beschleunigt die Bildung von roten Blutkörperchen und hilft so dem Patienten, mehr aus seinem eigenen Blut zu machen.
Die Wissenschaftler sind weiterhin auf der Suche nach einem wirksamen Blutersatzstoff, der die bemerkenswerte Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff zu transportieren, nachahmen kann. In den Vereinigten Staaten haben die Hersteller solcher Ersatzstoffe Schwierigkeiten, eine Genehmigung dafür zu bekommen. Andererseits ist es so, wie ein Hersteller argumentiert: „Wenn man auf die Idee käme, der FDA [amerikanische Nahrungs- und Arzneimittelbehörde] Blut zur Genehmigung vorzulegen, hätte man nicht die Spur einer Chance, es auch nur getestet zu bekommen, so giftig ist es.“ Dennoch ist man zuversichtlich, eine wirksame Substanz zu finden, die als sauerstofftransportierender Blutersatzstoff genehmigt wird.
Es gibt also Alternativen. Die hier erwähnten sind nur eine kleine Auswahl. Dr. Horace Herbsman, Professor für klinische Chirurgie, schrieb in der Zeitschrift Emergency Medicine: „Es ist völlig klar, daß wir bei Blutverlusten Alternativen zu Blut haben. Ja, vielleicht sind unsere Erfahrungen mit Zeugen Jehovas so zu deuten, daß wir auf Bluttransfusionen mit all ihren potentiellen Komplikationen nicht in dem Maße vertrauen sollten, wie wir bisher glaubten, es tun zu müssen.“ Das alles sind jedoch keineswegs neue Erkenntnisse. In der Zeitschrift The American Surgeon hieß es: „Die Tatsache, daß größere Operationen ohne Bluttransfusionen sicher durchgeführt werden können, ist in den letzten 25 Jahren hinreichend dokumentiert worden.“
Doch wenn Blut so gefährlich ist und es sichere Alternativen gibt, warum wird dann Millionen Menschen unnötigerweise Blut transfundiert — vielen davon ohne ihr Wissen, anderen sogar gegen ihren Willen? Der oben angeführte Bericht der Präsidentenkommission erwähnt unter anderem die mangelnde Aufklärung der Ärzte und Krankenhäuser über Alternativen. In dem Bericht wird auch noch auf eine andere Ursache hingewiesen: „Einige regionale Blutzentren zögern, Maßnahmen zur Verringerung von Transfusionen zu unterstützen, da sie ihre Betriebseinnahmen aus dem Verkauf von Blut und Blutprodukten erzielen.“
Mit anderen Worten: Der Bluthandel ist ein großes Geschäft.
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Die kostbarste Flüssigkeit der WeltErwachet! 1990 | 22. Oktober
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Die kostbarste Flüssigkeit der Welt
Selbst wenn Bluttransfusionen als gefährliche und unnötige Produkte einer oftmals habgierigen Industrie abgetan werden könnten, wäre damit immer noch nicht geklärt, warum Jehovas Zeugen sie ablehnen. Sie haben dafür völlig andere Gründe und weit bedeutendere. Was für Gründe sind das?
ES IST so leicht, einen Blutstropfen für etwas Selbstverständliches anzusehen. Er tritt aus einem Hautkratzer oder bei einem Nadelstich aus — eine winzige Kuppel aus glitzerndem Rot. Und wir spülen oder wischen ihn ab, ohne uns groß Gedanken darüber zu machen.
Wenn wir uns jedoch so klein schrumpfen könnten, daß die Kuppel uns wie ein Berg überragte, würden wir in ihren dunkelroten Tiefen eine Welt von unbeschreiblicher Komplexität und Ordnung vorfinden. In diesem einzigen Tropfen schwimmen ganze Armeen von Zellen umher: 250 000 000 rote Blutkörperchen, 400 000 weiße Blutkörperchen und 15 000 000 Blutplättchen, um nur einige zu nennen. Im Blutstrom hat jede dieser Armeen ihre spezielle Aufgabe zu erfüllen.
Die roten Blutkörperchen hasten durch das verzweigte Netzwerk des Gefäßsystems und tragen dabei Sauerstoff von der Lunge zu jeder Körperzelle und nehmen auf dem Rückweg Kohlendioxyd mit. Diese Blutkörperchen sind so winzig, daß ein Stapel von 500 nur einen Millimeter hoch wäre. Doch ein Stapel aller roten Blutkörperchen unseres Körpers würde sich zu der gewaltigen Höhe von 50 000 Kilometern auftürmen. Nach etwa 120 Tagen, in denen ein rotes Blutkörperchen 1 440mal am Tag die Reise durch den Körper gemacht hat, scheidet es aus dem Dienst aus. Sein eisenreiches Inneres wird rationell wiederverwertet, und der Rest wird weggeschafft. Jede Sekunde werden drei Millionen rote Blutkörperchen ausgemustert, während gleichzeitig dieselbe Anzahl im Knochenmark produziert wird. Woher weiß der Körper, wann ein rotes Blutkörperchen das richtige Alter für sein Ausscheiden erreicht hat? Die Wissenschaft steht vor einem Rätsel. Doch ohne diesen Austausch alter roter Blutkörperchen würde einem Chemiker zufolge „unser Blut nach einigen Wochen so fest wie Beton sein“.
Unterdessen durchstreifen die weißen Blutkörperchen das Gefäßsystem auf der Suche nach unwillkommenen Eindringlingen und zerstören sie. Entsteht irgendwo eine Wunde, sammeln sich dort sofort die Blutplättchen und fangen mit dem Verstopfen und Verschließen der Öffnung an. Alle diese Zellen schwimmen in einer klaren, elfenbeinfarbenen Flüssigkeit, dem Plasma. Das Plasma wiederum setzt sich aus Hunderten von Bestandteilen zusammen, von denen viele eine äußerst wichtige Rolle bei den zahlreichen Aufgaben spielen, die das Blut zu erfüllen hat.
Die Wissenschaftler mit ihrer gesamten Intelligenz sind nicht in der Lage, alle Funktionen des Blutes zu verstehen, geschweige denn, sie nachzuahmen. Könnte diese wunderbare, komplexe Flüssigkeit etwas anderes sein als das Werk eines meisterhaften Konstrukteurs? Und wäre es nicht vernünftig, anzunehmen, daß dieser übermenschliche Schöpfer das gute Recht hat, zu bestimmen, wie das, was er geschaffen hat, gebraucht werden sollte?
Jehovas Zeugen sind seit jeher dieser Meinung. Sie betrachten die Bibel als einen Brief von unserem Schöpfer, einen Brief, der seine Richtlinien für die bestmögliche Lebensweise enthält. Die Bibel ist ein Buch, das sich in puncto Blut nicht in Schweigen hüllt. In 3. Mose 17:14 heißt es: „Die Seele von jeder Art Fleisch ist sein Blut.“ Natürlich nicht in buchstäblichem Sinne, denn die Bibel sagt auch, daß der lebende Organismus selbst die Seele ist. Vielmehr ist das Leben aller Seelen so abhängig von Blut und so eng damit verbunden, daß das Blut passenderweise als eine Flüssigkeit betrachtet wird, die das Leben repräsentiert und heilig ist.
Für einige ist das nicht leicht zu verstehen. Wir leben in einer Welt, in der kaum etwas für heilig gehalten wird. Selbst das Leben wird selten so hoch bewertet, wie es eigentlich sollte. Es verwundert daher nicht, daß Blut wie eine beliebige Ware ge- und verkauft wird. Doch Personen, die Gottes Wünsche respektieren, behandeln es nicht auf diese Weise. ‘Ihr sollt kein Blut essen’, lautete das Gebot, das Gott Noah und seinen Nachkommen — der ganzen Menschheit — gab (1. Mose 9:4). Acht Jahrhunderte später machte Gott das Gebot zu einem Teil des Gesetzes für die Israeliten. Und weitere 15 Jahrhunderte danach bestätigte er es gegenüber der Christenversammlung: ‘Enthaltet euch von Blut’ (Apostelgeschichte 15:20).
Jehovas Zeugen halten sich hauptsächlich deswegen an dieses Gesetz, weil sie ihrem Schöpfer gehorchen möchten. Durch den Opfertod seines geliebten Sohnes hat der Schöpfer der Menschheit bereits lebensrettendes Blut gegeben. Es kann das Leben nicht nur um einige wenige Monate oder Jahre verlängern, sondern bis in alle Ewigkeit (Johannes 3:16; Epheser 1:7).
Darüber hinaus hat die Ablehnung von Bluttransfusionen Jehovas Zeugen vor unzähligen Gefahren geschützt. Heutzutage lehnen auch immer mehr Personen, die keine Zeugen Jehovas sind, Bluttransfusionen ab. Langsam reagieren Ärzte und medizinische Einrichtungen darauf und schränken die Verwendung von Blut ein. In der Zeitschrift Surgery Annual war zu lesen: „Die sicherste Bluttransfusion ist sicherlich die, die nicht gegeben wird.“ Und die Zeitschrift Pathologist bemerkte, daß Jehovas Zeugen schon seit langem den Standpunkt vertreten, daß Bluttransfusionen keine ratsame Behandlung seien. Weiter hieß es in dem Artikel: „Es gibt stichhaltige Gründe, ihre Behauptung trotz gegenteiliger Beteuerungen der Blutbanken zu unterstützen.“
Wem würdest du mehr vertrauen: der weisen Person, die das Blut erschaffen hat, oder denen, die den Bluthandel zu einem großen Geschäft gemacht haben?
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