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Wer hat die Bauanleitung geschrieben?Der Ursprung des Lebens: Fünf Fragen kritisch beleuchtet
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Wir gehen durch eine Tür in der Hülle oder Membran des Zellkerns und schauen uns um. Der Raum wird von 23 Chromosomenpaaren beherrscht, die unterschiedlich groß sind. Das Chromosomenpaar in unserer unmittelbaren Nähe ist etwa 12 Stockwerke hoch (1). Die einzelnen Chromosomen sehen aus wie abgebundene Würste, weil sie ungefähr in der Mitte eine verengte Stelle haben, sind aber so dick wie ein Baumstamm. Quer über den Chromosomen verlaufen viele Bänder. Bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass jedes Band von senkrechten Linien durchzogen ist und diese wiederum von waagerechten (2). Optisch wirkt das Ganze wie lauter übereinandergestapelte Buchrücken. In Wirklichkeit sind es dicht zu Säulen verpackte Schleifen, von denen wir nur die Außenseite sehen. Wir ziehen an einer Schleife und sie löst sich. Überrascht stellen wir fest, dass die Schleife aus kleineren Knäueln besteht (3), die ebenfalls systematisch angeordnet sind. Hinter diesen Knäueln verbirgt sich das Herzstück der ganzen Ausstellung – so etwas wie ein sehr, sehr langes Seil.
AUFBAU EINES ERSTAUNLICHEN MOLEKÜLS
Auf einer Schautafel wird erklärt, dass das Seil absolut platzsparend verpackt ist. Es ist ungefähr 2,5 Zentimeter dick und eng um Spulen gewickelt (4), die dafür sorgen, dass sich Knäuel innerhalb von Knäueln bilden. Die Knäuel werden von einer Art Gerüst zusammengehalten. Würde man das Seil von allen Chromosomenmodellen abwickeln und in seiner ganzen Länge hinlegen, würde es sich gut und gern über den halben Erdumfang erstrecken.a
In einem wissenschaftlichen Werk wird diese dichte Verpackung als „technisches Meisterstück“ bezeichnet.18 Kann man sich so etwas ohne Konstrukteur vorstellen? Angenommen, unser Museum hätte einen gigantischen Museumsshop mit Millionen von Verkaufsstücken, die so ordentlich arrangiert sind, dass man alles sofort findet. Würde man jemals auf die Idee kommen, das alles habe sich selbst organisiert? Doch so ein Ordnungskonzept wäre im Vergleich zur DNA-Verpackung das reinste Kinderspiel.
Eine Schautafel fordert uns auf, das Seil einmal in die Hand zu nehmen und es genauer zu betrachten (5). Dabei stellen wir fest, dass es kein gewöhnliches Seil ist. Es besteht aus zwei in sich gedrehten Strängen, die in gleichmäßigen Abständen von winzigen Stäbchen zusammengehalten werden. Das Seil ist wie eine gewundene Strickleiter geformt (6). Jetzt ist uns alles klar! Es ist das Modell eines DNA-Moleküls – eines der größten Rätsel des Lebens.
Das DNA-Molekül verdichtet sich mit all seinen Spulen und dem Gerüst zu Chromosomen. Die Sprossen der DNA-Leiter werden Basenpaare genannt (7). Worin besteht ihre Funktion? Wozu ist der ganze Aufbau da? Eine Schautafel liefert uns eine vereinfachte Erklärung.
EIN OPTIMALER DATENTRÄGER
Auf der Tafel steht, dass die Leitersprossen der Schlüssel zu den Geheimnissen der DNA sind. Durchtrennt man die Leiter in der Mitte, stehen von beiden Seiten Sprossenteile ab. Davon gibt es nur vier Typen: A, T, C und G. Wissenschaftler waren fasziniert, als sie entdeckten, dass die Reihenfolge dieser Buchstaben verschlüsselte Informationen liefert.
Im 19. Jahrhundert wurde das Morsealphabet für die Nachrichtenübermittlung per Telegraf erfunden. Dieses Alphabet bestand aus nur zwei Zeichen – Strich und Punkt –, mit denen man unzählige Wörter und Sätze bilden konnte. Die DNA besitzt wie gesagt ein Alphabet aus vier „Buchstaben“: A, T, C und G. Auch aus diesen Buchstaben werden „Wörter“ gebildet, Codons genannt. Die Codons fügen sich zu „Geschichten“ zusammen, den Genen. Ein Gen enthält in der Regel 27 000 Buchstaben. Die Gene und die dazwischenliegenden langen Abschnitte bilden „Kapitel“, die Chromosomen. Für das ganze „Buch“ – das Genom oder die gesamte Erbinformation eines Menschen – braucht man 23 Chromosomen.b
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Wer hat die Bauanleitung geschrieben?Der Ursprung des Lebens: Fünf Fragen kritisch beleuchtet
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a In dem Lehrbuch Molekularbiologie der Zelle wird ein anderer Vergleich herangezogen. Das ganze „Seil“ in einen Zellkern zu packen sei so, als wollte man einen 40 Kilometer langen, extrem dünnen Faden in einem Tennisball unterbringen – und zwar so ordentlich, dass man jedes Stück des Fadens leicht herausziehen könnte.
b Zellen enthalten das Genom in zweifacher Ausfertigung, also insgesamt 46 Chromosomen.
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