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Die besten Lerner des UniversumsErwachet! 2011 | Oktober
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Die besten Lerner des Universums
DAS Gehirn von Babys wurde einmal als „der gewaltigste Lernapparat des ganzen Universums“ beschrieben, und das zu Recht. Kaum geboren, saugt ihr Gehirn alles auf, was um sie herum passiert — was es zu sehen, zu hören und zu fühlen gibt.a
Besonders faszinierend für Babys sind andere Menschen — Gesichter, Stimmen und Berührungen. Dazu schreibt Penelope Leach: „Schon oft wurde untersucht, was Kleinkinder am liebsten sehen, welche Geräusche ihre Aufmerksamkeit fesseln und welche Reize sie ganz eindeutig immer wieder spüren wollen. All das erhalten sie am häufigsten und einfachsten in Gestalt eines anderen Menschen, eines Erwachsenen, der sich um sie kümmert“ (Babyhood). Keine Frage, Eltern sind für die Entwicklung ihres Kindes immens wichtig!
„Ich redete wie ein kleines Kind“
Eltern und Kinderärzte sind immer wieder verblüfft, dass Neugeborene eine Sprache einfach nur durch Zuhören lernen. Wie Studien zeigen, dauert es nur wenige Tage, bis ein Baby die Stimme seiner Mutter erkennt und sie lieber hört als die von Fremden; nach wenigen Wochen kann es den Klang seiner Muttersprache von anderen Sprachen unterscheiden; und schon nach einigen Monaten kann es erkennen, wo Wörter anfangen und aufhören, was also normale Sprache ist und was unverständliche Laute sind.
Der Apostel Paulus schrieb: „Als ich ein kleines Kind war, redete ich wie ein kleines Kind“ (1. Korinther 13:11, Modern King James Version). Wie sprechen denn Babys oder kleine Kinder? Normalerweise brabbeln und lallen sie einfach drauflos. Ist das nur sinnloses Gebabbel? Wohl kaum. Wie Dr. Lise Eliot in ihrem Buch Was geht da drinnen vor? erklärt, ist Sprechen „eine komplexe motorische Aufgabe und verlangt die rasche Koordination einer Vielzahl von Muskeln, die Lippen, Zunge, Gaumen und Kehlkopf steuern“. Sie ergänzt: „Auch wenn uns das Lallen als eine bezaubernde Methode des Babys erscheint, Aufmerksamkeit zu erregen, hat es eine wichtigere Funktion: Damit werden die wichtigen gymnastischen Abläufe des Sprechens eingeübt.“
Eltern antworten auf das Brabbeln ihres Babys automatisch mit einer eigenen, überdeutlichen Sprache. Auch das hat seinen Sinn: Ihre übertriebene Sprechweise animiert das Kind zu reagieren. Durch dieses muntere Hin und Her lernt das Kind die ersten Ansätze der Kommunikation — eine Fähigkeit fürs Leben.
„Machtwechsel“
Ein Neugeborenes hält seine Eltern ganz schön auf Trab: Das Baby schreit, und schon wird es gestillt oder gefüttert. Das Baby schreit, und schwupp, wird die Windel gewechselt. Das Baby weint, und schon wird es in den Arm genommen. So verwöhnt zu werden ist nicht nur richtig, sondern auch wichtig. In dieser Phase haben Eltern hauptsächlich die Aufgabe, ihr Kind zu versorgen (1. Thessalonicher 2:7).
So gesehen ist es ganz natürlich, dass sich ein Baby für den Mittelpunkt der Welt hält, in der Erwachsene — vor allem Eltern — nur dazu da sind, nach seiner Pfeife zu tanzen. Diese Sicht der Dinge ist zwar etwas verzerrt, aber absolut verständlich. Immerhin kennt es das Baby nicht anders, und das seit seiner Geburt. Ein einjähriges Baby sieht sich als König eines Reiches, in dem lauter Riesen leben, die ihm zu Diensten stehen. Der Familienpsychologe John Rosemond schreibt dazu: „Es dauert nicht einmal zwei Jahre, diese fantastische Illusion zu schaffen; aber es dauert mindestens sechzehn weitere Jahre, das Bild zu korrigieren! Das ist das Paradoxe am Elternsein: Erst bläst man für sein Kind die schimmernde Seifenblase auf, und dann muss man sie möglichst sachte platzen lassen.“
Mit etwa zwei Jahren platzt die Seifenblase dann tatsächlich, wenn die bisher so fürsorglichen Eltern ihr Kind mehr und mehr erziehen. Jetzt merkt der kleine König, dass nicht mehr er es ist, der den Ton angibt, sondern die Eltern. Er wird sozusagen vom Thron gestürzt — und das passt ihm überhaupt nicht. Energisch versucht er, seine Stellung zu behaupten. Wie?
O nein, das Trotzalter!
Zweijährige neigen oft zu Trotz- und Wutanfällen. Diese krasse Verhaltensänderung ist typisch für das sogenannte Trotzalter und treibt etliche Eltern schier zur Verzweiflung. Plötzlich besteht der Wortschatz des Kleinen nur noch aus „Nein!“ oder „Ich will nicht!“. Seine kleine Welt gerät total aus den Fugen. Frustriert von sich und von seinen Eltern kämpft er mit widersprüchlichen Gefühlen: Erst will er in den Arm genommen werden, dann wieder nicht. Die ratlosen Eltern können sich darauf keinen Reim machen und nichts scheint zu helfen. Was passiert da eigentlich?
Man muss sich nur einmal klarmachen, wie sehr die Welt des Kindes auf den Kopf gestellt wurde. Vor Kurzem reichte ein kleines Quengeln, und schon kamen die Erwachsenen angelaufen. Doch jetzt merkt es, dass seine „Herrschaft“ abgelaufen ist und es nicht mehr rund um die Uhr bedient wird. Es spürt immer deutlicher, was seine wirkliche Rolle ist. Um es mit der Bibel zu sagen: „Kinder, seid euren Eltern in allem gehorsam“ (Kolosser 3:20).
In dieser kritischen Phase sollten die Eltern die Zügel nicht aus der Hand geben. Wenn sie fest, aber liebevoll bleiben, wird das Kind sich an seine neue Rolle anpassen. So stellen sie die Weichen richtig, und es kann spannend und interessant weitergehen.
Moralisches Empfinden
Worte erkennen und Sprache nachahmen — das können auch Tiere und sogar Maschinen. Doch nur der Mensch besitzt die Fähigkeit, über sich selbst nachzudenken. Deshalb kann schon ein kleiner Mensch von zwei oder drei Jahren Gefühle empfinden wie Stolz, Scham, Schuld und Verlegenheit. Das sind die ersten Schritte auf dem Weg zu einem moralisch gefestigten Erwachsenen, der für das eintritt, was richtig ist, und sich vom Verhalten anderer nicht beirren lässt.
Um diese Zeit herum können Eltern noch etwas ganz Erstaunliches erleben: Ihr Kind beginnt, die Gefühle anderer wahrzunehmen. Mit zwei Jahren hat es einfach neben anderen gespielt, doch jetzt spielt es mit ihnen. Außerdem spüren die meisten Kinder, wie ihre Eltern empfinden, und möchten, dass sie sich über sie freuen — eine gute Basis, an die Hand genommen und geformt zu werden.
Deutlicher als zuvor fängt ein Dreijähriger an zu begreifen, was mit Richtig und Falsch, mit Gut und Böse gemeint ist. Das ist der ideale Zeitpunkt, sein Kind so zu lenken und zu erziehen, dass es zu einem reifen, verantwortungsbewussten Menschen heranwächst.
[Fußnote]
a Aus Gründen der Einfachheit werden in dieser Ausgabe Kinder oder Jugendliche vor allem in der männlichen Form genannt. Die Gedanken gelten natürlich für beide Geschlechter.
[Herausgestellter Text auf Seite 5]
Schon nach wenigen Tagen erkennt ein Baby die Stimme seiner Mutter und hört sie lieber als die von Fremden
[Herausgestellter Text auf Seite 6]
Deutlicher als zuvor fängt ein Dreijähriger an zu begreifen, was mit Richtig und Falsch, mit Gut und Böse gemeint ist
[Kasten auf Seite 6]
WARUM NUR DIESE TROTZANFÄLLE?
„Manche Eltern führen die Trotzanfälle ihres Kindes darauf zurück, dass sie irgendetwas nicht richtig gemacht haben“, schreibt John Rosemond in seinem Buch New Parent Power. „Eltern, die meinen, der Wutanfall des Kindes sei ihre Schuld, wollen das Unrecht verständlicherweise schnellstens wiedergutmachen — und sagen Ja, obwohl sie erst Nein gesagt haben. Oder sie haben dem Kind ein paar Klapse auf den Hintern gegeben und versuchen jetzt, ihr Gewissen zu beruhigen, indem sie besonders großzügig sind. Diese Taktik wirkt. Der Wutanfall ist vorbei und die Eltern atmen auf. Das Kind merkt sich, was es mit Wutanfällen erreichen kann, und macht beim nächsten Mal noch viel mehr Theater.“
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Eltern kommen zu WortErwachet! 2011 | Oktober
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Eltern kommen zu Wort
Eltern von Vorschulkindern haben es nicht immer leicht. Wie soll man mit den Trotzanfällen umgehen? Wie bringt man seinem Kind bei, was richtig und falsch ist? Und wie kann man es lenken, ohne es in eine Form zu pressen? Hier einige Erfahrungen.
WUTANFÄLLE
„In der Trotzphase erwartet ein Kind, zu bekommen, was es will. Unser Sohn war genauso. Bekam er nicht, was er wollte, schmiss er mit Sachen um sich. Da er unser erstes Kind war, kannten wir uns mit Trotzanfällen überhaupt nicht aus. Andere erklärten uns, so was sei normal, aber das hat uns auch nichts genützt“ (Susan, Kenia).
„Mit zwei Jahren warf sich unsere Tochter auf den Boden, brüllte, heulte und trat um sich . . . Es war zum Verzweifeln! Sie war einfach nicht ansprechbar, also schickten wir sie in ihr Zimmer. Dabei sagten wir ihr ganz lieb, wenn sie sich beruhigt habe, könne sie rauskommen und wir würden die Sache dann mit ihr besprechen. Sobald sie ruhiger wurde, ging einer von uns in ihr Zimmer und erklärte ihr, warum wir ihr Verhalten nicht dulden konnten. Das half. Einmal hörten wir sogar, wie sie zu Gott betete und ihn bat, ihr zu verzeihen. Irgendwann wurden die Trotzanfälle weniger und schließlich hörten sie ganz auf“ (Yolanda, Spanien).
„Die Kleinen wollen ausloten, wie weit sie gehen können. Einem Kind etwas zu erlauben, was man vorher ausdrücklich verboten hat, verwirrt es nur. Weil wir konsequent und fest geblieben sind, haben unsere Kinder langsam, aber sicher gelernt, dass sie mit Geschrei nicht weiterkommen“ (Neil, Großbritannien).
ERZIEHUNG
„Bei einem Kind unter fünf kann man nur schwer feststellen, wie gut es einem zuhört. Da gibts nur eins: wiederholen. Und zwar immer und immer wieder, tausendfach, mit Gesten und fester Stimme“ (Serge, Frankreich).
„Obwohl unsere vier Kinder alle im gleichen Umfeld aufwuchsen, hatte jedes seine eigene Persönlichkeit. Während die eine schon weinte, wenn sie uns mal enttäuscht hatte, wollte die andere immer austesten, wie weit sie gehen konnte. Manchmal reichte ein strenger Blick oder ein deutliches Wort; ein andermal ging es nicht ohne Strafe“ (Nathan, Kanada).
„Wichtig ist, keine Kompromisse zu machen. Gleichzeitig darf man als Vater oder Mutter nicht dogmatisch oder zu streng sein. Tut dem Kind eine Sache wirklich leid, ist es nur vernünftig, ihm entgegenzukommen“ (Matthieu, Frankreich).
„Bei mir gibt es nicht viele Regeln, doch an den vorhandenen wird nicht gerüttelt. Mein dreijähriger Sohn weiß, was passiert, wenn er nicht hört, und das hilft ihm, sich entsprechend zu verhalten. Wenn ich müde bin, wäre es sicher leichter, ihm mehr durchgehen zu lassen. Dann zwinge ich mich, konsequent zu bleiben und zu handeln. Ohne Konsequenz geht nichts!“ (Natalie, Kanada).
KONSEQUENZ
„Man könnte fast meinen, kleine Kinder hätten einen Speicherchip, der jede Inkonsequenz der Eltern festhält“ (Milton, Bolivien).
„Manchmal stellt mein Sohn die gleiche Frage immer wieder anders, nur um zu sehen, ob wir bei unserer Antwort bleiben. Und falls ich mal etwas anderes sage als seine Mutter, sieht er das als die Gelegenheit, doch noch seinen Willen zu bekommen“ (Ángel, Spanien).
„War ich gut gelaunt, ließ ich meinem Sohn schon mal einiges durchgehen; war ich schlecht drauf, habe ich ihn streng bestraft. Das war nicht gut, sein Verhalten wurde dadurch nur schlimmer“ (Gyeong-ok, Korea).
„So klein sie auch sind, Kinder müssen begreifen, dass ein Verhalten, das heute falsch ist, morgen und übermorgen noch genauso falsch ist“ (Antonio, Brasilien).
„Sind Papa und Mama nicht konsequent, kann das Kind sie nicht einschätzen und denkt, Entscheidungen würden von ihrer Stimmung abhängen. Halten die Eltern jedoch an ihren Prinzipien fest, verstehen die Kinder, dass Falsches falsch bleibt. Das gibt ihnen Sicherheit und sie fühlen sich geliebt“ (Gilmar, Brasilien).
„Kinder nutzen gerne Situationen aus, in denen Eltern scheinbar kaum anders können als nachzugeben, beispielsweise wenn Fremde dabei sind. Wenn ich zu etwas Nein sagen will, sage ich das gleich und mache meinem Sohn klar, dass ständiges Quengeln bei mir nicht funktionieren wird“ (Chang-seok, Korea).
„Beide Eltern müssen an einem Strang ziehen. Sind meine Frau und ich in einer Sache uneins, besprechen wir das unter vier Augen. Kinder merken sehr wohl, wenn ihre Eltern nicht einer Meinung sind, und versuchen garantiert, das auszunutzen“ (Jesús, Spanien).
„Zu wissen, dass sich die Eltern einig sind und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, gibt dem Kind Sicherheit. Und es weiß, womit es zu rechnen hat, je nachdem, ob es gehorcht oder nicht“ (Damaris, Deutschland).
„Konsequenz bedeutet für meine Frau und mich, dass wir uns auch dann an unsere Aussagen halten, wenn wir unserer Tochter etwas Schönes versprochen haben. So lernt sie, dass sie sich auf unser Wort verlassen kann“ (Hendrick, Deutschland).
„Wenn mein Chef ständig etwas anderes von mir verlangen würde, wäre ich ziemlich irritiert. Kinder sind da nicht anders. Regeln zu kennen und zu wissen, dass diese nicht geändert werden, gibt ihnen Sicherheit. Außerdem müssen sie die Konsequenzen kennen und wissen, dass daran genauso wenig zu rütteln ist“ (Glenn, Kanada).
[Herausgestellter Text auf Seite 8]
„Euer Ja bedeute Ja und euer Nein Nein“ (Jakobus 5:12)
[Kasten/Bilder auf Seite 9]
FAMILIEN ERZÄHLEN
Unerwartet schwanger: Ein Ehepaar erinnert sich
Erzählt von Tom und Yoonhee Han
Tom: Wir waren erst ein halbes Jahr verheiratet, als Yoonhee schwanger wurde. Nach außen blieb ich gefasst — schließlich wollte ich für meine Frau da sein und ihr Halt geben. Aber eigentlich war ich völlig aufgewühlt!
Yoonhee: Ich war geschockt und hatte echt Angst! Ich habe tagelang geweint. Der Gedanke, jetzt schon Mutter zu werden, hat mich einfach überfordert.
Tom: . . . und mich erst der Gedanke, Vater zu werden! Von anderen Eltern haben wir dann mitbekommen, dass ungeplante Schwangerschaften gar nicht so selten sind. Es hat uns auch gutgetan, von anderen zu hören, wie schön es ist, Papa oder Mama zu sein. Allmählich wurde aus meiner Angst und Unsicherheit Vorfreude.
Yoonhee: Nach Amandas Geburt standen wir vor ganz neuen Problemen. Sie schrie ununterbrochen und ich habe wochenlang kein Auge zugetan. Ich verlor den Appetit und war irgendwann völlig ausgelaugt. Ich wollte nur noch meine Ruhe haben, aber dann habe ich mir gesagt, dass es nichts bringt, sich zu Hause zu verkriechen. Also habe ich mich mit anderen jungen Müttern getroffen. Wir tauschten uns aus, und ich merkte, dass ich mit meinen Sorgen nicht allein war.
Tom: Mir war es wichtig, als Familie weiter einen geregelten Alltag zu haben. Als Zeugen Jehovas wollten wir auch auf keinen Fall das Predigen und unsere Zusammenkünfte vernachlässigen. Außerdem kostet ein Kind Geld und manche Ausgabe kommt überraschend. Um unnötigen Stress zu vermeiden, achteten wir darauf, keine Schulden zu machen.
Yoonhee: Erst dachte ich, mit einem Baby kann man nicht predigen gehen, das stört doch nur. Aber die Leute mögen Babys! Das hat es mir leichter gemacht, aktiv zu bleiben und mein Kind mit ganz anderen Augen zu sehen.
Tom: Die Bibel sagt, dass Kinder „ein Erbe von Jehova“ und „eine Belohnung“ sind (Psalm 127:3). Für mich heißt das: Ein Kind ist ein kostbares Geschenk. Wie mit jedem Erbe steht man vor der Wahl: Entweder man macht etwas daraus oder man vergeudet es. Ich merke immer mehr, dass jeder Lebensabschnitt eines Kindes einzigartig ist und ich bei meiner Tochter keinen davon verpassen darf. Was man einmal versäumt hat, kann man nicht mehr zurückholen.
Yoonhee: Das Leben hält so manche Überraschung bereit . . . doch unerwartet ein Kind zu bekommen ist keine böse Überraschung. Amanda ist inzwischen sechs. Heute kann ich mir mein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen.
[Bild]
Tom und Yoonhee mit ihrer Tochter Amanda
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Vom Kleinkind zum Jugendlichen: Worauf es jetzt ankommtErwachet! 2011 | Oktober
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Vom Kleinkind zum Jugendlichen: Worauf es jetzt ankommt
„Bis fünf kennen die Kinder vor allem die Geborgenheit der Familie, wo es leichter ist, ihnen die richtigen Werte zu vermitteln. Doch sobald sie zur Schule gehen, lernen sie ein anderes Verhalten und einen anderen Wortschatz kennen“ (Valter, Italien)
JE ÄLTER Kinder werden, desto größer und interessanter wird ihre Welt. Sie haben mit immer mehr Menschen Kontakt — Spielkameraden, Mitschüler und Verwandte. Wie im Zitat oben erwähnt, sind Eltern in dieser Phase nicht mehr der einzige Einfluss im Leben ihres Kindes. Umso wichtiger ist es, diese Jahre gut zu nutzen, um dem Kind beizubringen, wie wertvoll gutes Benehmen und Gehorsam sind. Ebenso wichtig ist, ihren Sinn für Richtig und Falsch zu formen.
All das fällt einem Kind nicht einfach in den Schoß. Es ist darauf angewiesen, dass Vater oder Mutter ihm ins Gewissen reden, es warnen und ermahnen, und das mit viel Geduld und Geschick (2. Timotheus 4:2). Im alten Israel hatten Eltern einen klaren Auftrag: „Du sollst sie [Gottes Gebote] deinem Sohn einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst“ (5. Mose 6:6, 7). Wie dieser Text verrät, ist bei der Kindererziehung Ausdauer gefordert.
Kinder zu erziehen ist eine anspruchsvolle Aufgabe mit vielen Facetten. Hier einige Gedanken zu fünf Bereichen.
Eine Zeit zum Zuhören
Gemäß der Bibel gibt es „eine Zeit zum Reden“, aber auch eine Zeit, still zu sein und zuzuhören (Prediger 3:7). Wie kann man seinem Kind beibringen hinzuhören, wenn andere — die Eltern eingeschlossen — mit ihm sprechen? Zum einen durch das eigene Beispiel: Was beobachtet mein Kind bei mir? Höre ich selber gut zu, egal ob ihm oder anderen?
Kinder sind schnell abgelenkt, was manchen Versuch der Eltern, ihnen etwas zu sagen, zu einer echten Geduldsprobe werden lässt. Außerdem ist jedes Kind anders. Deshalb müssen Eltern auch gute Beobachter sein und herausfinden, wie sie am besten mit ihrem Kind kommunizieren. David (Großbritannien) erzählt, wie er vorgeht: „Ich bitte meine Tochter, in eigenen Worten zu wiederholen, was ich gerade gesagt habe. Das funktioniert gut und sie lernt, immer besser zuzuhören.“
Als Jesus seinen Jüngern einige wichtige Gedanken erklärte, sagte er zu ihnen: „Gebt . . . acht, wie ihr zuhört“ (Lukas 8:18). Wenn sogar Erwachsene daran erinnert werden müssen, dann Kinder erst recht!
„Bereitwillig vergeben”
Die Bibel fordert uns auf: „Fahrt fort, einander zu ertragen und einander bereitwillig zu vergeben, wenn jemand Ursache zu einer Klage gegen einen anderen hat“ (Kolosser 3:13). Wie können Kinder lernen, gern zu vergeben?
Genauso, wie sie die Kunst des Zuhörens lernen: Durch das, was sie bei ihren Eltern beobachten — ob diese nachtragend sind oder versöhnlich. Marina (Russland) achtet bewusst darauf, ein gutes Beispiel zu sein: „Wir versuchen unseren Kindern vorzuleben, wie wichtig es ist, zu verzeihen, Zugeständnisse zu machen und nicht schnell beleidigt zu sein. . . . Mache ich einen Fehler, entschuldige ich mich bei meinen Kindern; ich hoffe, dass sie das bei anderen dann auch tun.“
In der Welt der Erwachsenen muss man fähig sein, Konflikte zu lösen und anderen zu verzeihen. Ein Grund mehr, schon als Kind zu lernen, nachsichtig zu sein, aber auch eigene Fehler zuzugeben. Wer es schafft, seinen Kindern das zu vermitteln, gibt ihnen einen guten Start ins Leben.
„Erweist euch als dankbar“
Wir leben in schwierigen Zeiten, in denen viele Menschen „nur noch sich selbst lieben“ (2. Timotheus 3:1, 2, Zink). Der Apostel Paulus schrieb jedoch: „Erweist euch als dankbar“ (Kolosser 3:15). Wann sollte man Kindern beibringen, dankbar zu sein? Am besten jetzt, wenn sie noch klein sind.
Trotz ihres zarten Alters können Kinder lernen, sich gut zu benehmen und an andere zu denken. Wie? „Die beste Möglichkeit, Kinder zu dankbaren Menschen zu erziehen, ist, es ihnen Tag für Tag vorzuleben“, so Dr. Kyle Pruett in der Zeitschrift Parents. Er erklärt: „Das bedeutet, einander regelmäßig zu sagen, wie sehr man erhaltene Hilfe oder rücksichtsvolle Gesten schätzt . . . Das muss man einfach üben, und zwar immer wieder.“
Richard (Großbritannien) bemüht sich, das umzusetzen. Er erzählt: „Meine Frau und ich zeigen den Kindern, wie man sich bei denen bedanken kann, die einem etwas Gutes getan haben, ob Lehrer oder Großeltern. Nach jeder Einladung schreiben wir eine Dankeskarte und alle Kinder unterschreiben oder malen etwas dazu.“ Wenn Kinder gute Manieren haben und dankbar sind, fällt es ihnen später leichter, enge, dauerhafte Beziehungen zu pflegen.
„Erzieh deinen Sohn mit Strenge“
Je älter ein Kind wird, desto deutlicher muss es verstehen, dass Handlungen Folgen haben. Schon kleine Kinder müssen lernen, für das, was sie tun, geradezustehen — nicht nur zu Hause, sondern auch in der Schule oder anderswo. Nur, wie kann man seinem Kind beibringen, dass man immer erntet, was man sät? (Galater 6:7).
Die Bibel sagt: „Erzieh deinen Sohn mit Strenge“ (Sprüche 23:13, Gute Nachricht Bibel [GNB]). Hat man seinem Kind klar gesagt, welches Verhalten welche Folgen nach sich zieht, sollte man sich nicht davor scheuen, zu seinem Wort zu stehen. „Ohne Konsequenz geht es nicht“, berichtet Norma (Argentinien). „Fehlende Konsequenz versteht das Kind als Aufforderung, seinen Kopf durchzusetzen.“
Die Eltern haben es in der Hand: Je besser ihr Kind vorher versteht, welche Folgen Ungehorsam hat, desto weniger Stress und Streit gibt es wahrscheinlich hinterher. Kinder brauchen Regeln: Sie müssen sie kennen und wissen, was passiert, wenn sie sich darüber hinwegsetzen; außerdem muss ihnen klar sein, dass es dann nichts mehr zu feilschen gibt.
Natürlich ist es nicht der richtige Weg, sein Kind im Zorn zu bestrafen. Die Bibel sagt, dass „boshafte Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und lästerliches Reden“ für Christen absolut tabu sind (Epheser 4:31). Deshalb darf eine Strafe niemals in brutale Züchtigung oder Misshandlung ausarten — weder körperlich noch emotional.
Doch wie können sich Eltern im Griff haben, wenn das Kind ihre Geduld aufs Äußerste strapaziert? Peter (Neuseeland) gibt zu: „Das ist nicht immer leicht. Aber Kinder müssen merken, dass sie bestraft werden, weil sie etwas angestellt haben, und nicht, weil ihren Eltern die Sicherung durchgebrannt ist.“
Peter und seine Frau möchten ihren Kindern verstehen helfen, warum es für sie gut ist, sich formen zu lassen. „Selbst wenn die Kinder etwas wirklich Gemeines angestellt haben“, erklärt Peter, „schimpfen wir sie nicht einfach aus, sondern führen ihnen vor Augen, was für Menschen sie sein sollen.“
„Lasst eure Vernünftigkeit . . . bekannt werden“
Als Gott seinem Volk ankündigte, ihm eine verdiente Strafe aufzuerlegen, sprach er davon, das „in rechtem Maße“ zu tun (Jeremia 46:28). Am wirkungsvollsten sind Erziehungsmaßnahmen, wenn sie fair und angemessen sind. Nicht umsonst schrieb Paulus an Christen: „Lasst eure Vernünftigkeit . . . bekannt werden“ (Philipper 4:5).
Vernünftig zu sein schließt ein, Kinder so zurechtzuweisen, dass ihre Würde gewahrt bleibt. Santi, ein Vater aus Italien, sagt: „Ich würde meinen Sohn oder meine Tochter niemals niedermachen. Ich versuche vielmehr den Grund für ihr Verhalten herauszufinden, und da setze ich an. Außerdem korrigiere ich meine Kinder möglichst nicht voreinander, und erst recht nicht vor anderen. Und ich mache mich nicht über ihre Fehler lustig, weder öffentlich noch zu Hause.“
Auch Richard, der bereits zu Wort kam, plädiert für Vernünftigkeit: „Wenn das Kind wieder mal etwas angestellt hat, sollte man es auf keinen Fall für etwas mitbestrafen, was eigentlich schon erledigt ist. Ist eine Sache gelaufen, darf man nicht länger darauf herumreiten und das Kind ständig an seine Fehler erinnern.“
Kinder zu erziehen verlangt Eltern viel ab, gibt ihnen aber auch viel zurück. Jelena (Russland) kann das nur bestätigen: „Ich arbeite Teilzeit, damit ich mehr mit meinem Sohn zusammen sein kann. Das ist nicht einfach und ich habe weniger Geld zur Verfügung. Aber wenn ich sehe, wie sehr sich mein Sohn freut und wie vertraut wir miteinander sind, lohnt sich das Opfer allemal.“
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Kinder können lernen, an andere zu denken
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Wahre ich die Würde meines Kindes, auch wenn es etwas angestellt hat?
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Eltern kommen zu WortErwachet! 2011 | Oktober
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Eltern kommen zu Wort
Wie können Eltern ihren heranwachsenden Kindern vermitteln, dass es für sie gut ist, sich etwas sagen zu lassen? Was kann man ihnen jetzt schon für das Erwachsenenleben mitgeben? Hier einige Erfahrungen von Eltern aus aller Welt.
SOZIALES VERHALTEN
„Wenn wir am Esstisch sitzen und jeder erzählt, wie sein Tag war, lernen unsere Kinder, wie man zuhört. Beobachten sie, dass Mama und Papa geduldig zuhören, lernen sie respektvolles Verhalten und Selbstachtung“ (Richard, Großbritannien).
„Es tut echt gut, zu sehen, wie unsere Kinder fair miteinander umgehen und ihre Konflikte oft ohne uns lösen. Sie sprechen auch ganz frei mit Erwachsenen“ (John, Südafrika).
„Jeder macht Fehler. Auch ich verletze manchmal ungewollt die Gefühle meiner Kinder. Wenn das passiert, entschuldige ich mich auf jeden Fall bei ihnen“ (Janelle, Australien).
„Wir zeigen unseren Kindern, wie sie sich im Haus nützlich machen können. Ihnen beizubringen, etwas für andere zu tun, fördert das reibungslose und friedliche Miteinander und gibt ihnen ein Erfolgserlebnis“ (Clive, Australien).
„Man braucht Geduld, aber sie müssen lernen, den anderen zu verstehen, zu respektieren und ihm zu verzeihen“ (Yuko, Japan).
HYGIENE UND GESUNDHEIT
„Als unsere Kinder noch klein waren, haben wir ihnen gezeigt, wie sie sich selber baden können und dass das Spaß macht: mit Seifenfigürchen, Shampoo mit Comicmotiven und Schwämmen, die aussehen wie kleine Tiere“ (Edgar, Mexiko).
„Wo wir früher wohnten, gab es kein fließendes Wasser. Ich habe aber immer dafür gesorgt, dass Seife und ein Kanister Wasser bereitstand, damit wir uns die Hände waschen konnten, sobald wir ins Haus kamen“ (Endurance, Nigeria).
„Bei uns kommt jeden Tag etwas Gesundes auf den Tisch und wir erklären den Kindern, warum es sehr wichtig ist, sich ausgewogen zu ernähren. Da es sie sowieso interessiert, was in den verschiedenen Gerichten drin ist, lasse ich sie bei der Zubereitung mitmachen. Dabei kommen oft die schönsten Gespräche zustande“ (Sandra, Großbritannien).
„Sport ist wichtig, und als Eltern wollen wir ein gutes Beispiel sein. Die Kinder gehen echt gern mit uns joggen, schwimmen, Tennis oder Basketball spielen und Rad fahren. So lernen sie, dass Sport nicht nur wichtig ist, sondern auch Spaß macht“ (Keren, Australien).
„Was Kinder vor allem brauchen, ist Zeit mit ihren Eltern. Das ist durch nichts zu ersetzen — auch nicht durch Geschenke, Geld oder Ausflüge. Ich arbeite nur vormittags, während die Kinder in der Schule sind. Dann kann ich nachmittags ganz für sie da sein“ (Romina, Italien).
ERZIEHUNG
„Nach unserer Erfahrung gibt es kein Patentrezept. Wie man sein Kind korrigiert, hängt von der Situation ab. Manchmal genügt ein ernstes, offenes Gespräch, ein andermal muss es zur Strafe auf etwas verzichten“ (Ogbiti, Nigeria).
„Wir bitten die Kinder, unsere Anweisungen zu wiederholen, um sicher zu sein, dass sie alles verstanden haben. Dann bleiben wir auch dabei. Wir möchten uns darauf verlassen können, dass sie tun, was wir ihnen sagen. Aber dafür müssen wir Eltern entsprechend konsequent sein, falls sie nicht hören“ (Clive, Australien).
„Ich beuge mich zu meinen Jungs runter, wenn ich sie korrigiere. Auf Augenhöhe bekomme ich ihre volle Aufmerksamkeit; außerdem sagt ihnen mein Gesichtsausdruck mindestens so viel wie meine Worte“ (Jennifer, Australien).
„Selbst wenn die Kinder anscheinend wirklich auf Durchzug schalten, halten wir uns mit Äußerungen zurück wie: ‚Kannst du nie zuhören?!‘ Und wir schimpfen nicht mit dem einen, wenn der andere es hören kann. Entweder sagen wir nur ganz leise etwas oder wir sprechen unter vier Augen mit ihm“ (Rudi, Mosambik).
„Kinder sind leicht formbar und ahmen andere gern nach. Deshalb müssen wir dem negativen Einfluss ihres Umfelds, seien es Mitschüler oder die Medien, etwas entgegensetzen. Wir wollen ihnen helfen, sittlich gefestigte Menschen zu werden, die sich an biblischen Grundsätzen orientieren. Dann werden sie zu Dingen, die ihnen schaden könnten, eher Nein sagen“ (Grégoire, Demokratische Republik Kongo).
„Erziehung erfordert eine klare Linie, Fairness und Konsequenz. Kinder müssen die Folgen von Fehlverhalten kennen und wissen, dass man das, was man sagt, auch so meint“ (Owen, England).
[Herausgestellter Text auf Seite 14]
„Reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht mutlos werden“ (Kolosser 3:21)
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FAMILIEN ERZÄHLEN
Allein mit zwei Kindern
Ein Gespräch mit Lucinda Forster
Du bist alleinerziehend. Was fällt dir besonders schwer?
Mutter zu sein ist schon Aufgabe genug, doch besonders schwer finde ich es, mir meine Zeit und Kraft gut einzuteilen: Ich möchte meinen Töchtern Prinzipien und Werte vermitteln, aber auch mit ihnen lachen und relaxen können. Da bleibt nach der Hausarbeit oft kaum Zeit für mich selbst.
Was tust du für eine gute Kommunikation?
Nach einer Scheidung sind Kinder oft verunsichert und aufgebracht. Bei Problemen warte ich, bis wir alle ruhiger sind, und erkläre dann, ohne zu dramatisieren, was mir Sorgen macht. Dabei achte ich besonders auf Augenkontakt und einen freundlichen Ton. Ich frage sie, wie sie denken, höre genau hin und lasse sie spüren, dass ich ihre Gefühle ernst nehme. Mich interessiert auch, wie es in der Schule läuft, und ich lobe sie. Zum Essen sitzen wir immer gemütlich zusammen. Und ich sage ihnen oft, wie lieb ich sie habe.
Bist du eher streng mit ihnen?
Kinder brauchen klare Grenzen und Konsequenz. Ich bemühe mich, nicht zu streng, aber fest zu sein. Meine Mädchen wollen verstehen, warum ein bestimmtes Verhalten falsch ist, und ich erkläre es ihnen. Muss ich sie für etwas korrigieren, versuche ich zuerst, aus ihnen herauszulocken, warum sie das getan haben. Bin ich im Unrecht, weil ich vielleicht etwas missverstanden habe, entschuldige ich mich.
Wie bringst du deinen Kindern bei, andere zu respektieren?
Unser Leitmotiv sind die Worte Jesu: Andere so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte (Lukas 6:31). Ich halte die beiden an, ihre Konflikte so gut es geht selbst zu lösen, und erkläre ihnen, dass sie nicht gleich aus der Haut fahren dürfen, wenn sie sich mal ärgern.
Wie gestaltet ihr eure Freizeit?
Wir haben nicht immer das Geld, in den Ferien wegzufahren; dann suchen wir in der Zeitung nach günstigen Freizeitangeboten. Wir gehen auch picknicken oder bummeln durch Gartencenter. Außerdem ziehen wir selber Kräuter; es macht echt Spaß, beim Kochen die Kräuter frisch aus dem Garten zu holen. Hauptsache, wir entspannen uns, und wenn wir einfach nur in den Park gehen.
Was macht euch Freude?
Der Alltag als Einelternfamilie ist nicht leicht. Allerdings halten wir seitdem noch mehr zusammen und haben gelernt, dankbar zu sein. Mitzuerleben, wie jedes Kind seine Persönlichkeit entwickelt, ist richtig schön. Meine zwei wollen jetzt viel Zeit mit mir verbringen und ich genieße das. Sie merken genau, wie es mir geht, und umarmen mich manchmal einfach, um mir Mut zu machen. Diese rührenden Gesten machen mich besonders glücklich. Aber das Wertvollste ist, deutlich zu spüren, wie liebevoll unser Schöpfer auch in schweren Situationen immer für uns sorgt. Ich möchte eine gute Mutter sein, und aus der Bibel schöpfe ich die Kraft dazu (Jesaja 41:13).
[Bild]
Lucinda und ihre Töchter Brie und Shae
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Jugendliche: Auf dem Weg zum ErwachsenenErwachet! 2011 | Oktober
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Jugendliche: Auf dem Weg zum Erwachsenen
WIE ergeht es einem Reisenden, der von einer tropischen Insel direkt zum Polarkreis fliegt? Beim ersten Schritt aus dem Flugzeug merkt er, wie ihm die Kälte entgegenschlägt. Wird er es schaffen, sich umzustellen? Wenn er sich etwas anpasst, bestimmt.
So ungefähr ergeht es Eltern, wenn aus ihren Kindern Jugendliche werden. Es ist, als würde das Klima über Nacht umschlagen. Der Junge, der seinem Vater nie von der Seite wich, ist auf einmal lieber mit Gleichaltrigen zusammen. Das Mädchen, das es sonst kaum abwarten konnte, seiner Mutter zu erzählen, was es tagsüber erlebt hat, antwortet nur noch im Telegrammstil:
„Wie war es in der Schule?“
„Gut.“
Schweigen.
„Beschäftigt dich irgendwas?“
„Nö.“
Noch mehr Schweigen.
Was ist passiert? Bis vor Kurzem „hatten Sie quasi einen Backstageausweis für das Leben Ihres Kindes“, so zwei 16-jährige Autorinnen. „Heute bekommen Sie bestenfalls einen Platz irgendwo im Publikum, und auch das wahrscheinlich nur in der letzten Reihe“ (Breaking the Code).
Müssen sich Eltern damit abfinden, so auf Distanz gehalten zu werden? Auf keinen Fall. Eltern können sogar in dieser Zeit Zugang zu ihren Kindern behalten — vorausgesetzt, sie verstehen, was in dieser faszinierenden und oftmals turbulenten Entwicklungsphase abläuft.
Sie sind keine Kinder mehr
Früher dachte man, die Gehirnentwicklung des Kindes sei mit fünf Jahren so gut wie abgeschlossen. Heute sagt man, dass das zwar weitgehend auf die Größe des Gehirns zutrifft, aber nicht auf seine Funktion. Mit der Pubertät wird bei jungen Leuten eine hormonelle Revolution ausgelöst, die ihr ganzes Denken umkrempelt. Ein Beispiel: Während Kinder die Dinge meist konkret wahrnehmen, sozusagen in schwarz und weiß, denken Jugendliche eher abstrakt und wägen ab, was hinter einer Sache steckt (1. Korinther 13:11). Sie entwickeln Überzeugungen und halten damit selten hinter dem Berg.
Paolo (Italien) hat genau das beobachtet: „Wenn ich mir meinen Sohn mit seinen 15 Jahren so ansehe, habe ich nicht mehr das Gefühl, ein Kind vor mir zu haben, sondern einen jungen Mann. Ich meine nicht nur vom Äußeren her, sondern vor allem, wie er jetzt denkt. Er hat überhaupt keine Scheu, seine Ansichten zu äußern und sie zu verteidigen!“
Das kommt vielen Eltern bestimmt bekannt vor. Früher hat ihr Kind vielleicht ohne Probleme gehorcht. Ein einfaches „Weil ich das sage!“ war ihm Erklärung genug. Doch der Jugendliche will Gründe genannt bekommen und stellt womöglich sogar die Wertvorstellungen seiner Eltern infrage. Manchmal tritt er dabei so energisch auf, dass es schon aufsässig wirkt.
Es wäre falsch, jetzt vorschnell zu schlussfolgern, der Jugendliche wolle alle elterlichen Werte über Bord werfen. Vielleicht bemüht er sich ja wirklich, sie zu übernehmen, und sucht in seinem eigenen Leben nur noch den richtigen Platz dafür. Zur Verdeutlichung: Jemand zieht um und nimmt seine Möbel mit. Findet er in der neuen Wohnung für jedes einzelne Stück sofort einen Platz? Wohl kaum. Aber deshalb wirft er ein Möbelstück, das ihm viel bedeutet, doch nicht gleich weg.
Einem Jugendlichen, der eines Tages „seinen Vater und seine Mutter verlassen“ wird, geht es nicht viel anders (1. Mose 2:24). Natürlich hat er bis dahin noch ein ganzes Stück Weg vor sich, immerhin ist er ja noch nicht erwachsen. Aber er hat gewissermaßen schon angefangen zu packen: Die nächsten Jahre prüft er die Wertvorstellungen, mit denen er aufgewachsen ist, und entscheidet, welche er ins Erwachsenenleben mitnehmen wird.a
Bei diesem Gedanken wird manchen Eltern ganz anders zumute. Aber soviel ist sicher: Wenn der Jugendliche den Schritt ins Erwachsenenleben macht, wird er nur an den Werten festhalten, die ihm selbst etwas bedeuten. Deshalb nimmt er die Prinzipien, nach denen er leben wird, gründlich unter die Lupe — und zwar jetzt, während er noch zu Hause wohnt (Apostelgeschichte 17:11).
Warum ist das gut für seine Entwicklung? Wer die Ansichten seiner Eltern nie hinterfragt, neigt eher dazu, Ansichten anderer Leute ebenso unkritisch zu übernehmen (2. Mose 23:2). Wie leicht solche Jugendlichen getäuscht werden können, schildert die Bibel am Beispiel eines jungen Mannes, „dem es an Herz mangelte“ — eine Wendung, die unter anderem fehlendes Urteilsvermögen bedeutet (Sprüche 7:7). Ein junger Mensch ohne Überzeugungen kann „wie von Wellen umhergeworfen und von jedem Wind der Lehre hierhin und dorthin getrieben werden durch das Trugspiel der Menschen“ (Epheser 4:14).
Wie können Eltern verhindern, dass es ihrem Kind so ergeht? Hier drei Grundpfeiler einer guten Vorbereitung auf das Leben als Erwachsener.
1 URTEILSFÄHIGKEIT
Der Apostel Paulus wies darauf hin, dass reife Menschen dank ihrer gut geschulten Urteilsfähigkeit zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können (Hebräer 5:14). „Aber ich habe meinem Kind doch von klein auf beigebracht, was richtig und was falsch ist“, wird mancher sagen. Das war damals zweifellos genau das Richtige und hat das Kind gut auf die nächste Entwicklungsphase vorbereitet (2. Timotheus 3:14). Paulus aber sprach von der Notwendigkeit, seine Urteilsfähigkeit auszubilden. Während man Kindern lediglich das Wissen vermitteln kann, was richtig und falsch ist, sollten Jugendliche „Erwachsene an Verständnisvermögen“ werden, also lernen, ihren Verstand zu gebrauchen (1. Korinther 14:20; Sprüche 1:4; 2:11). Die wenigsten Eltern wollen, dass ihr Teenager ihnen einfach blind gehorcht. Wie können sie ihm helfen, sich selbst von dem zu überzeugen, was richtig ist? (Römer 12:1, 2).
Zuerst einmal muss er sich frei äußern können — ohne unterbrochen zu werden und ohne Angst, dass seine Eltern überreagieren, auch wenn er etwas sagt, was sie lieber nicht gehört hätten. Die Bibel rät: „Jeder Mensch soll schnell sein zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn“ (Jakobus 1:19; Sprüche 18:13). Jesus erklärte, warum: „Aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Matthäus 12:34). Nur wer gut zuhört, kann herausfinden, was einen Jugendlichen wirklich beschäftigt.
Sind die Eltern an der Reihe, fahren sie oft besser damit, Fragen zu stellen, als ihm ihre Meinung direkt ins Gesicht zu sagen. Wollte Jesus jemanden aus der Reserve locken, ob seine Jünger oder etwas sture Zeitgenossen, fragte er manchmal einfach „Was denkt ihr?“ (Matthäus 21:23, 28). Bei einem Jugendlichen kann man ähnlich vorgehen, selbst wenn er eine Ansicht äußert, mit der man nicht gerechnet hat. Ein Beispiel:
Der Jugendliche sagt: „Ich weiß nicht, ob ich überhaupt an Gott glauben kann.“
Statt zu erwidern: „Was haben wir dir denn beigebracht?! Natürlich glaubst du an Gott!“
. . . könnte man fragen: „Warum denkst du so?“
Warum nachfragen? Weil man sonst nur hört, was der Jugendliche sagt, aber noch nicht weiß, was er wirklich denkt (Sprüche 20:5). Vielleicht hat er ja eher ein Problem mit Gottes Maßstäben als mit seiner Existenz.
Manchmal versuchen Jugendliche, Gott aus ihrem Denken auszublenden, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen, seine Moralvorschriften zu übertreten (Psalm 14:1). Nach dem Motto: „Wenn es keinen Gott gibt, brauche ich auch nicht nach der Bibel zu leben.“
In diesem Fall sollte sich der Jugendliche mit der Frage auseinandersetzen: „Glaube ich denn, dass Gottes Maßstäbe gut für mich sind?“ (Jesaja 48:17, 18). Ist er davon überzeugt, kann man ihm klarmachen, dass es sich für ihn lohnt, dafür auch einzustehen (Galater 5:1).
Oder der Jugendliche sagt: „Das ist vielleicht eure Religion, aber nicht unbedingt meine.“
Statt zu erwidern: „Das ist unsere Religion, du bist unser Kind, und du wirst gefälligst das glauben, was wir dir sagen.“
. . . könnte man sagen: „Das sind ziemlich harte Worte. Du hast bestimmt was Besseres gefunden, wenn dir mein Glaube nicht gefällt. Also, woran glaubst du? Welche Maßstäbe sollten denn gelten, wenn es nach dir ginge?“
Warum nachfragen? Weil man ihm dadurch hilft, sein eigenes Denken zu hinterfragen. Vielleicht stellt er ja erstaunt fest, dass er eigentlich dasselbe glaubt wie seine Eltern und sein Problem in Wirklichkeit ganz woanders liegt.
Möglicherweise weiß er nur nicht, wie er anderen seine Glaubensansichten erklären soll (Kolosser 4:6; 1. Petrus 3:15). Oder er hat sich in jemanden verguckt, der nicht seinen Glauben teilt. Wie auch immer, wichtig ist, dass nicht nur die Eltern erkennen, was das eigentliche Problem ist, sondern auch der Jugendliche. Je öfter er Gelegenheit hat, seine Urteilsfähigkeit zu schärfen, desto besser wird er als Erwachsener zurechtkommen.
2 ORIENTIERUNG AN ERWACHSENEN
Eine Sturm-und-Drang-Phase, die nach Ansicht einiger Psychologen fester Bestandteil der Teenagerjahre sein soll, lässt sich in manchen Kulturen kaum oder gar nicht nachweisen. Interessanterweise werden junge Leute in diesen Gesellschaften vergleichsweise früh in die Welt der Erwachsenen integriert. Sie arbeiten mit Erwachsenen, verbringen ihre freie Zeit mit Erwachsenen und übernehmen Verantwortung wie Erwachsene. Begriffe wie „Jugendkultur“, „Jugendkriminalität“ und sogar „Jugend“ oder „Adoleszenz“ sind dort unbekannt.
In vielen Ländern herrscht ein ganz anderes Bild: Hier werden junge Menschen in überfüllte Schulen gepfercht, wo sie hauptsächlich dem Einfluss anderer Jugendlicher ausgesetzt sind. Kommen sie nach Hause, ist niemand da. Beide Eltern arbeiten und die Verwandten sind weit weg. Wer bleibt übrig? Eigentlich nur Gleichaltrige.b Die Nachteile liegen auf der Hand. Jugendliche müssen noch nicht einmal an die falschen Leute geraten. Wie Jugendforscher herausgefunden haben, lassen sich selbst mustergültige junge Leute auf verantwortungsloses Verhalten ein, wenn sie keinen Anschluss an die Welt der Erwachsenen haben.
Ein Beispiel für eine Gesellschaft, die Jugendliche nicht isolierte, war das alte Israel. Die Bibel berichtet von Usija, der schon mit 16 Jahren König von Juda wurde. Wie schaffte er es, dieser großen Verantwortung gerecht zu werden? Das hatte er offenbar zumindest teilweise dem Einfluss eines Erwachsenen zu verdanken: Sacharja, dem „Unterweiser in der Furcht des wahren Gottes“ (2. Chronika 26:5).
„Wer mit Weisen wandelt, wird weise werden“, sagt die Bibel in Sprüche 13:20. Eine Frage für Eltern: Hat unser Kind einen oder mehrere erwachsene Freunde, von denen es sich etwas sagen lässt und die ihm die gleichen Werte vermitteln wie wir? Das wäre kein Grund zum Neid, denn der Jugendliche kann davon nur profitieren.
3 VERANTWORTUNG ÜBERTRAGEN
In etlichen Ländern ist gesetzlich geregelt, wie viele Stunden junge Leute maximal pro Woche arbeiten dürfen und welche Arbeiten für sie überhaupt nicht infrage kommen. Diese Gesetze wurden erlassen, um Kinder vor gefährlichen Arbeitsbedingungen zu schützen — eine Folge der industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert.
Nach Ansicht mancher Fachleute bieten Gesetze gegen Kinderarbeit einerseits zwar einen notwendigen Schutz vor Gefahren und Ausbeutung, hindern Heranwachsende aber andererseits daran, Verantwortung zu übernehmen. Wie zwei Psychologen schreiben, entwickeln viele Jugendliche „ein mürrisches Anspruchsdenken, als stehe es ihnen förmlich zu, alles zu bekommen, ohne dafür auch nur einen Finger krumm zu machen. Dieses Denken scheint eine fast natürliche Reaktion auf das Leben in einer Welt zu sein, die viel stärker darauf gepolt ist, Jugendliche zu unterhalten, als irgendetwas von ihnen zu fordern“ (Escaping the Endless Adolescence).
Die Bibel dagegen berichtet von jungen Leuten, die schon früh große Verantwortung übernahmen. So auch Timotheus, der wahrscheinlich noch ein Teenager war, als er den Apostel Paulus kennenlernte — einen Mann, der ihn stark prägte. Später forderte Paulus ihn auf, „die Gabe Gottes“, die er hatte, „wie ein Feuer anzufachen“, also sich voll und ganz für die Aufgabe einzusetzen, die ihm anvertraut wurde (2. Timotheus 1:6). Mit Anfang 20 oder sogar früher verließ Timotheus sein Elternhaus und begleitete Paulus auf seinen Reisen, auf denen sie Versammlungen gründeten und ihre Glaubensbrüder ermunterten und stärkten. Nach etwa 10 Jahren, in denen Timotheus ihm treu zur Seite stand, schrieb Paulus an die Christen in Philippi: „Ich habe sonst niemand, der die gleiche Einstellung hat wie er und sich mit echter Sorge um die euch betreffenden Dinge kümmern wird“ (Philipper 2:20).
Viele Jugendliche würden liebend gern Verantwortung übernehmen, vor allem, wenn man ihnen etwas Sinnvolles zu tun gibt und sie ein Erfolgserlebnis haben können. Das bereitet sie nicht nur darauf vor, verantwortungsvolle Erwachsene zu werden, es hilft ihnen auch, jetzt schon ihr eigenes Potenzial zu entdecken.
Sich dem neuen „Klima“ anpassen
Wie eingangs erwähnt: Wer jugendliche Kinder hat, kennt wahrscheinlich das Gefühl, auf einmal in einem ganz anderen „Klima“ gelandet zu sein als noch vor wenigen Jahren. Doch wer es geschafft hat, sich auf die vorherigen Entwicklungsphasen einzustellen, wird auch diesen „Klimawechsel“ meistern.
Die Teenagerjahre bieten Eltern große Chancen: In dieser Zeit kann der Jugendliche 1. seine Urteilsfähigkeit entwickeln, 2. sich an Erwachsenen orientieren und 3. lernen, Verantwortung zu übernehmen. So vorbereitet, kann das Erwachsenenleben kommen!
[Fußnoten]
a Ein Ratgeber bezeichnet die Jugendzeit passend als „einen einzigen langen Abschied“. Siehe dazu auch den Wachtturm vom 1. Mai 2009, Seite 10—12.
b Die Unterhaltungsindustrie profitiert davon, dass junge Leute gern unter sich sind und fördert gezielt die Vorstellung von einer jugendlichen Subkultur, die Erwachsene nicht verstehen und in der sie auch nicht erwünscht sind.
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„ICH KANN MIR KEINE BESSEREN ELTERN VORSTELLEN“
Zeugen Jehovas möchten, dass ihre Kinder nach biblischen Prinzipien leben (Epheser 6:4). Sie leiten sie darin an und versuchen, ihnen Vorbild zu sein, zwingen sie aber nicht dazu. Ihnen ist bewusst, dass ihre Söhne und Töchter eines Tages selbst entscheiden müssen, welche Werte in ihrem Leben zählen.
Aislyn (18) findet die Werte, mit denen sie aufgewachsen ist, gut. Sie erzählt: „Für mich heißt Glaube nicht, nur an einem bestimmten Wochentag etwas dafür zu tun; für mich ist das ein Lebensweg. Er beeinflusst alles, was ich tue und entscheide — welche Freunde ich mir suche, welche Kurse ich belege und welche Bücher ich lese.“
Aislyn schätzt ihre christliche Erziehung über alles. „Ich kann mir keine besseren Eltern vorstellen, und ich bin so froh, dass sie in mir den Wunsch geweckt haben, eine Zeugin Jehovas zu sein und zu bleiben. Ich werde mein Leben lang schätzen, was sie mir mitgegeben haben.“
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Zuhören, zuhören, zuhören!
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Erwachsene Freunde bieten Jugendlichen wertvolle Orientierung
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Durch sinnvolle Aufgaben lernen Jugendliche, Verantwortung zu übernehmen
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Eltern kommen zu WortErwachet! 2011 | Oktober
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Eltern kommen zu Wort
Die Teenagerjahre stellen viele Eltern vor ganz neue Herausforderungen. Wie können sie ihrem Kind helfen, diesen Lebensabschnitt zu meistern, der für beide Seiten so verwirrend sein kann? Hier einige Erfahrungen aus aller Welt.
VERÄNDERUNGEN
„Als mein Sohn jünger war, nahm er alles, was ich ihm sagte, einfach an. Aber als er ins Teenageralter kam, hinterfragte er ständig, was ich sagte und wie ich es sagte. Er schien mir nicht mehr so zu vertrauen“ (Frank, Kanada).
„Mein Sohn erzählt nicht mehr so viel. Wenn ich wissen will, was in ihm vorgeht, muss ich ihn schon fragen. Es ist nicht so leicht, eine Antwort aus ihm herauszubekommen. Er antwortet schon, aber das dauert“ (Francis, Australien).
„Man braucht eine Engelsgeduld. Manchmal würden wir unseren Kindern am liebsten mal gründlich den Kopf waschen. Doch es ist immer besser, sich zu beruhigen und vernünftig mit ihnen zu sprechen“ (Felicia, Vereinigte Staaten).
KOMMUNIKATION
„Mal igelt meine 17-jährige Tochter sich ein, mal denkt sie, ich hätte ständig was an ihr auszusetzen. Dann hilft nur, sie daran zu erinnern, dass ich sie liebe, dass wir im gleichen Team spielen und ich ihr größter Fan bin“ (Lisa, Vereinigte Staaten).
„Früher wusste ich immer, was in meinen Kindern vorgeht; ich brauchte nie lange nachzubohren, bis sie etwas erzählt haben. Heute muss ich mich mehr in sie hineinversetzen und sie spüren lassen, dass ich sie respektiere. Das ist die einzige Chance, von ihnen zu erfahren, was sie denken und fühlen“ (Nan-hi, Mutter aus Korea).
„Teenagern gewisse Dinge nur zu verbieten, reicht nicht. Was sie brauchen, sind Gründe und echte Herz-zu-Herz-Gespräche. Das funktioniert jedoch nur, wenn wir bereit sind, ihnen richtig zuzuhören, selbst wenn sie manches sagen, was wir lieber nicht gehört hätten“ (Dalila, Brasilien).
„Ich versuche, meine Tochter nicht vor anderen zu korrigieren, sondern möglichst unter vier Augen“ (Edna, Nigeria).
„Manchmal lasse ich mich mitten im Gespräch mit meinem Sohn von irgendeiner Hausarbeit ablenken und höre nur noch halb hin. Das merkt er natürlich. Vermutlich ist das ein Grund, warum er nicht viel mit mir spricht. Damit er sich weiter mitteilt, muss ich mich mehr auf ihn konzentrieren, wenn wir miteinander reden“ (Miriam, Mexiko).
FREIHEITEN
„Ich hatte immer Bedenken, meinen Teenagern mehr Freiheiten zu lassen; das war ein echtes Reizthema. Wir haben die Sache offen miteinander besprochen. Ich habe ihnen meine Ängste geschildert und sie haben mir erklärt, warum sie mehr Freiheiten wollten. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass sie größere Freiheiten haben durften, aber innerhalb vernünftiger Grenzen“ (Edwin, Ghana).
„Mein Sohn wollte ein Motorrad. Ich war absolut dagegen und ertappte mich dabei, mit ihm zu schimpfen und ihm alle Nachteile aufzuzählen, ohne ihn überhaupt zu Wort kommen zu lassen. Er wurde wütend und wollte erst recht eins haben. Also probierte ich es anders und bat ihn, die Sache mal von allen Seiten zu durchdenken, einschließlich der Risiken und Kosten und was dazugehört, einen Führerschein zu machen und zu behalten. Ich gab ihm auch den Tipp, reife Brüder in der Versammlung zu fragen. Als ich aufhörte, meinen Sohn zu bevormunden und offen mit ihm über seine Wünsche sprach, kam ich besser an ihn heran“ (Hye-young, alleinerziehende Mutter aus Korea).
„Wir haben Grenzen gesetzt, aber auch Freiheiten gewährt. Je besser unsere Kinder mit ihren Freiheiten umgingen, desto mehr haben wir ihnen erlaubt. Wir zeigten ihnen, dass wir sie nicht einengen wollten, und gaben ihnen oft Gelegenheit, sich unser Vertrauen zu verdienen. Doch wenn sie es missbrauchten, mussten sie auch die Folgen tragen“ (Dorothée, Frankreich).
„Bei mir gab es immer feste Regeln. Wenn sich meine Kinder daran hielten, bin ich ihnen auch entgegengekommen und erlaubte ihnen beispielsweise, länger wegzubleiben. Aber wenn sie mehr als einmal später heimkamen als ausgemacht, hatte das Konsequenzen“ (Il-hyun, Mutter aus Korea).
„Je gewissenhafter und verantwortungsbewusster ein Mitarbeiter ist, desto mehr Handlungsfreiheit räumt sein Chef ihm ein. Unser Sohn weiß: Je gewissenhafter er die von uns gesteckten Grenzen respektiert und je mehr Reife er zeigt, desto mehr Freiheiten wird er mit der Zeit erhalten. Er weiß aber auch: So, wie ein nachlässiger Angestellter zur Rechenschaft gezogen wird, kann auch er gewisse Freiheiten wieder einbüßen, wenn er nicht richtig damit umgeht“ (Ramón, Mexiko).
[Herausgestellter Text auf Seite 22]
„Bring einem Kind am Anfang seines Lebens gute Gewohnheiten bei, es wird sie auch im Alter nicht vergessen“ (Sprüche 22:6, GNB)
[Kasten/Bilder auf Seite 23]
FAMILIEN ERZÄHLEN
„Kinder in diesem Alter zu haben ist super“
Joseph: Meine beiden ältesten Töchter sind Teenager — ein Alter, in dem man ihnen zuhören und ihre Ansichten ernst nehmen muss. Ich rede respektvoll mit ihnen und tu auch nicht so, als hätte ich keine Fehler. So hat keiner von uns Hemmungen, etwas anzusprechen. Kinder in diesem Alter zu haben ist super, und mit der Bibel haben wir ja die beste Anleitung überhaupt.
Lisa: Als unsere Große ins Teenageralter kam, musste ich mehr für sie da sein als je zuvor. Ich habe ihr stundenlang zugehört, mit ihr gesprochen und ihr Mut gemacht. Unsere Töchter wissen, dass sie meinem Mann und mir alles offen sagen können und dass wir ihre Gefühle respektieren. Ich versuche umzusetzen, was in Jakobus 1:19 steht: „Schnell sein zum Hören, langsam zum Reden“
Victoria: Meine Mama ist meine beste Freundin. Ich kenne niemand, der so nett und liebevoll ist — und so ist sie zu jedem. Das ist einfach ihre Art. Jemand wie sie gibt es kein zweites Mal.
Olivia: Mein Papa ist immer für uns da und er ist großzügig. Er teilt alles, sogar wenn wir selbst gerade nicht so viel haben. Er kann ernst sein, aber mit ihm kann man auch echt viel Spaß haben. Er ist der beste Papa und ich bin total froh, dass er mein Papa ist!
„Langeweile gibts bei uns nicht!“
Sonny: Wenn die Mädchen ein Problem haben, setzen wir uns mit ihnen hin und sprechen darüber. Wir gehen offen miteinander um, und bei Entscheidungen verlassen wir uns auf biblische Grundsätze. Ynez und ich achten darauf, dass unsere Mädchen vernünftige Freunde haben. Ihre Freunde sind unsere Freunde und umgekehrt.
Ynez: Wir sind aktiv und unternehmen viel gemeinsam. Als Zeugen Jehovas haben wir alle Hände voll zu tun: Bibelstudium als Familie oder allein, predigen gehen und Freiwilligendienst — einschließlich Katastropheneinsätzen oder Mithilfe beim Bau von Königreichssälen. Bei alldem darf die Entspannung aber nicht zu kurz kommen. Langeweile gibts bei uns nicht!
Kellsie: Mein Vater kann prima zuhören und bezieht bei allen wichtigen Entscheidungen die ganze Familie mit ein. Und meine Mama ist immer für mich da, egal ob ich Hilfe brauche oder einfach nur reden will.
Samantha: Bei meiner Mama fühle ich mich so geschätzt, geliebt und wichtig — selbst wenn sie gar nicht bewusst darauf achtet. Sie hört zu. Sie fühlt mit. Ich würde unsere Freundschaft für nichts in der Welt eintauschen.
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Die Familie Camera: Joseph, Lisa, Victoria, Olivia und Isabella
Die Zapatas: Kellsie, Ynez, Sonny und Samantha
[Bild auf Seite 22]
Eltern setzen ihren Kindern vernünftige Grenzen, auch wenn sie ihnen gewisse Freiheiten gewähren
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Stichwort: ErziehungszieleErwachet! 2011 | Oktober
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Stichwort: Erziehungsziele
WIE soll mein Kind später einmal sein? Hier drei Möglichkeiten:
A Eine Kopie von mir selbst
B Ein Rebell, der alles daransetzt, das Gegenteil von mir zu sein
C Ein selbstständiger Erwachsener, der vernünftige Entscheidungen trifft
Manche Eltern wünschen sich Ziel C, verhalten sich aber so, als würden sie Ziel A ansteuern: Sie versuchen, ihrem jugendlichen Sohn (oder ihrer Tochter) ihre Werte und Ansichten aufzuzwingen, indem sie ihm etwa vorschreiben, was er mit seinem Leben anfangen soll. Das Ergebnis? Kaum hat er mehr Freiheit, schlägt er die Gegenrichtung ein. Paradoxerweise landen viele Eltern, die auf Ziel A hinsteuern, ausgerechnet bei Ziel B.
Warum absolute Kontrolle nichts bringt
Im Allgemeinen wollen Eltern ihre Kinder zu selbstständigen Menschen erziehen, die gute Entscheidungen treffen. Nur wie? Eins ist klar: Totale Kontrolle ist der falsche Weg. Warum?
1. Es ist unbiblisch. Der Schöpfer, Jehova, hat den Menschen einen freien Willen gegeben. Er lässt sie ihren Lebensweg frei wählen, sei er gut oder schlecht. Ein Beispiel: Als Gott Kains mörderischen Zorn auf seinen Bruder Abel beobachtete, sagte er zu ihm: „Wird es nicht Erhebung geben, wenn du darangehst, gut zu handeln? Wenn du aber nicht darangehst, gut zu handeln, so kauert die Sünde am Eingang, und nach dir steht ihr tiefes Verlangen; und wirst du, ja du, die Herrschaft über sie erlangen?“ (1. Mose 4:7).
Jehova gab Kain deutlichen Rat, zwang ihn aber nicht, ihn zu befolgen. Kain musste selbst entscheiden, ob er seinen Zorn in den Griff bekommen wollte oder nicht. Die Lehre für Eltern: Wenn sogar Gott darauf verzichtet, seine Geschöpfe zu bevormunden oder ihren Gehorsam zu erzwingen, sollten Eltern von Jugendlichen das auch nicht versuchen.a
2. Druck und Zwang sind meist kontraproduktiv. Angenommen, jemand will uns mit aller Gewalt etwas verkaufen. Je hartnäckiger er auf uns einredet, desto unwilliger werden wir. Selbst wenn wir das Produkt brauchen: Sein Vorgehen schreckt uns ab. Am liebsten würden wir das Weite suchen.
Ähnlich könnte es laufen, wenn Eltern versuchen, einem Heranwachsenden ihre Wertvorstellungen, Glaubensansichten und Ziele aufzuzwingen. Kann das gutgehen? Unter Umständen erreichen sie gerade das Gegenteil: Der Jugendliche entwickelt eine Abneigung gegen das, was seine Eltern ihm vermitteln wollen. Mit Zwang und Druck kommen sie meistens nicht weiter. Was funktioniert denn dann?
Einen Jugendlichen von A bis Z zu kontrollieren oder ihm die eigenen Prinzipien aufzwingen zu wollen, als sei er ein kleines Kind, ist nicht der richtige Weg. Er muss sich selbst davon überzeugen können, wie wertvoll es ist, das Richtige zu tun. Für christliche Eltern bedeutet das unter anderem, ihren Kindern vorzuleben, dass ein Leben nach biblischen Prinzipien wirklich zufriedener macht (Jesaja 48:17, 18).
Eltern sollten also selbst so sein, wie sie sich ihren Sohn oder ihre Tochter wünschen (1. Korinther 11:1). Außerdem sollten sie konsequent zu ihren Werten stehen (Sprüche 4:11). Ein Jugendlicher, der gelernt hat, Gott und seine Grundsätze zu lieben, wird auch dann gute Entscheidungen treffen, wenn die Eltern nicht dabei sind (Psalm 119:97; Philipper 2:12).
Dem Jugendlichen beibringen, für sich selbst zu sorgen
Auf Seite 2 wurde es bereits angesprochen: Der Tag kommt — vielleicht schneller, als den Eltern lieb ist —, an dem ihr Kind erwachsen ist und „seinen Vater und seine Mutter verlassen“ wird (1. Mose 2:24). Eltern möchten natürlich, dass es auf das Leben als unabhängiger Erwachsener gut vorbereitet ist. Was können sie ihm mit auf den Weg geben?
Eigener Haushalt. Kann er oder sie etwas Vernünftiges kochen? Waschen und bügeln? Das Zimmer sauber und ordentlich halten? Kleinigkeiten am Auto erledigen? Solche Fertigkeiten brauchen junge Leute, um eines Tages ihren eigenen Haushalt zu führen. Der Apostel Paulus schrieb, er habe gelernt, in jeder Lebenslage für sich selbst zu sorgen (Philipper 4:11).
Soziales Verhalten (Jakobus 3:17). Kommt er mit anderen gut aus? Kann er Streitigkeiten im Guten beilegen? Hat er gelernt, andere respektvoll zu behandeln und Konflikte auf friedliche Weise zu lösen? (Epheser 4:29, 31, 32). Die Bibel verlangt schließlich, alle Menschen zu ehren (1. Petrus 2:17).
Umgang mit Geld (Lukas 14:28). Eltern könnten sich auch fragen: Stehen wir ihm während seiner Ausbildung zur Seite? Hat er gelernt, sein Geld einzuteilen und keine Schulden zu machen? Ist er bereit, für nötige Anschaffungen zu sparen, und meidet er Spontankäufe? Ist er zufrieden mit dem, was er hat? (Sprüche 22:7). Paulus schrieb, wer alles Lebensnotwendige habe, solle damit zufrieden sein (1. Timotheus 6:8).
Junge Leute, die moralisch gefestigt sind und für sich selbst sorgen können, haben den bestmöglichen Start ins Erwachsenenleben. Glückwunsch an die Eltern: Erziehungsziel erreicht! (Sprüche 23:24).
[Fußnote]
a Dazu auch Der Wachtturm vom 1. Februar 2011, Seite 18, 19.
FRAGEN ZUM NACHDENKEN
● Was ist mein Erziehungsziel? (Hebräer 5:14)
● Welche Entscheidung muss der Jugendliche eines Tages selber treffen? (Josua 24:15)
[Bilder auf Seite 25]
Mein Erziehungsziel?
Kopie
Rebell
Reif und selbstständig
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