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  • Für mein Kind habe ich eine neue Sprache gelernt
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Erwachet! 1996
g96 8. 11. S. 10-13

Für mein Kind habe ich eine neue Sprache gelernt

DIE Geburt unseres Sohnes Spencer im August 1982 war einer der glücklichsten Augenblicke in unserem Leben. Er war ein richtiger Wonneproppen. Mein Mann und ich hatten uns vorgenommen, bis zu unserem ersten Kind fünf Jahre zu warten. In den Monaten nach der Geburt unseres Babys beobachteten wir nun überglücklich, wie es größer wurde. Bei den monatlichen Routineuntersuchungen war der Arzt immer zufrieden. Ich dankte Jehova, so gesegnet zu sein.

Als Spencer neun Monate alt war, kam mir jedoch der Verdacht, etwas sei nicht in Ordnung. Auf Stimmen oder gewisse Geräusche reagierte er gar nicht. Um sein Gehör zu testen, stellte ich mich so hin, daß er mich nicht sehen konnte, und schlug dann auf Pfannen oder andere Gegenstände. Manchmal drehte er sich um, aber die Reaktion war nie gleichbleibend. Als ich ihn im Alter von neun Monaten zur Untersuchung brachte, sprach ich mit dem Arzt über meine Sorge, doch er versicherte mir, unserem Sohn gehe es gut und es bestehe kein Grund, beunruhigt zu sein. Einige Monate später reagierte er allerdings immer noch nicht und brachte auch keine Laute hervor.

Als er das erste Lebensjahr vollendet hatte, trug ich dem Arzt erneut meine Bedenken vor. Wieder stellte er nichts fest, überwies ihn aber an einen Audiologen. Ich brachte Spencer dorthin, doch die Testergebnisse waren nicht eindeutig. Nachdem wir ein zweites und ein drittes Mal hingegangen waren, hieß es immer noch, die Resultate seien widersprüchlich. Der Arzt meinte, Spencer würde mit der Zeit bessere Testergebnisse erzielen. Die ersten drei Lebensjahre sind für die Sprachentwicklung entscheidend. Deshalb machte ich mir die größten Sorgen. Ich fragte den Audiologen immer wieder nach einem Test, der eindeutige Ergebnisse bringen würde. Schließlich erwähnte er einen Hirnstammhörtest, der an der Augen- und Ohrenklinik von Massachusetts vorgenommen wird.

Mir war elend zumute

In der Woche darauf fuhren wir zu der Klinik in Boston. Ich betete zu Jehova um die Kraft, das Resultat gefaßt aufzunehmen, was immer sich auch herausstellen sollte. Tief im Innern war ich überzeugt, daß Spencer schwerhörig war und nichts weiter brauchte als ein Hörgerät. Ich täuschte mich gewaltig. Nach dem Test ließ uns die Spezialistin in ihr Büro kommen. Sie sagte, die Ergebnisse seien eindeutig. Spencer leide an einer ausgeprägten sensorischen Hörschädigung. Auf die Frage, was das genau bedeute, erklärte sie mir, unser Sohn könne Sprache und auch die meisten anderen Geräusche nicht hören. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mir war elend zumute.

„Wie konnte das geschehen?“ ging es mir durch den Kopf. „Was kann nur die Ursache sein?“ Ich dachte an die Schwangerschaft und die Entbindung zurück. Alles war gutgegangen. Spencer hatte nie eine Ohrenentzündung oder eine schlimmere Erkältung gehabt. Ich war völlig aufgewühlt. Was sollte ich bloß tun? Ich rief meine Angehörigen und ein paar Freunde an, um ihnen das Ergebnis mitzuteilen. Eine Freundin, die wie ich eine Zeugin Jehovas ist, ermutigte mich, das Ganze als Herausforderung zu sehen. Ich müsse es eben nur anders anpacken, Spencer etwas beizubringen. Ich dankte Jehova, daß er mir die nötige Kraft gab.

Was wäre das Beste für Spencer?

Ich hatte weder Ahnung, wie man ein gehörloses Kind erzieht, noch wußte ich, was es überhaupt bedeutet, gehörlos zu sein. Wie sollte ich mit unserem Sohn umgehen und intensiven Gedankenaustausch pflegen? Jede Menge Gedanken und Sorgen schossen mir durch den Kopf.

In der Woche darauf gingen wir wieder in die Klinik und besprachen mit der Spezialistin, welche Möglichkeiten sich bieten würden. Eine Methode, die orale Verständigung, so erklärte sie, konzentriere sich darauf, Sprechen und Lippenlesen zu lernen. Bei einer anderen Methode stehe die Gebärdensprache im Mittelpunkt, die Sprache der Gehörlosen. Es gebe ein Programm, bei dem die Gebärdensprache gelehrt werde und später das Lippenlesen und Sprechenlernen hinzukomme. Die Spezialistin empfahl außerdem Hörhilfen, um irgendwelche Hörreste zu verstärken. Darauf suchten wir einen Audiologen in unserer Nähe auf, der Spencer ein Hörgerät anpaßte. Der Audiologe meinte, Spencer werde sich ausgezeichnet für die orale Methode eignen.

Was wäre das Beste für Spencer? Ich dachte darüber nach, worauf es wirklich ankommt. Jehova möchte, daß wir mit unseren Kindern kommunizieren; das ist für ein glückliches Familienleben ausschlaggebend. Wir könnten uns die orale Verständigung zum Ziel setzen und den Schwerpunkt auf das Erlernen des Sprechens und Lippenlesens legen. Spencer würde vielleicht ausreichend sprechen lernen, um von anderen verstanden zu werden. Das würde sich allerdings erst nach Jahren herausstellen. Was sollten wir jetzt tun? Wir entschieden uns für die Gebärdensprache.

Im Monat darauf durfte Spencer an einem ganzheitlichen Kommunikationsprogramm teilnehmen, wie man es damals nannte. Spencer und ich lernten die Grundlagen der Gebärdensprache, und er wurde außerdem in gesprochenem Englisch und Lippenlesen unterrichtet. Man zeigte mir, wie ich meinem Sohn etwas beibringen könnte. Die Monate vergingen, und Spencer machte ausgezeichnete Fortschritte. Bei mir gab es immer noch Augenblicke, wo mir alles über den Kopf wuchs. Es machte mich mutlos, zu beobachten, wie andere Kinder „Mama“ sagten oder lernten, den Namen „Jehova“ auszusprechen. Aber dann fragte ich mich: „Warum denke ich eigentlich so? Unser Sohn ist doch gesund und munter.“ Ich betete zu Jehova, er möge mir helfen, dafür dankbar zu sein, ein so prächtiges Kind zu haben.

Als Spencer zwei Jahre alt war, bereiteten wir uns darauf vor, einen Kongreß der Zeugen Jehovas zu besuchen, wo das Programm in die Amerikanische Gebärdensprache übersetzt würde. Ich sprach mit einem Ehepaar, das schon seit Jahren mit gehörlosen Zeugen Jehovas zusammenarbeitete, über meine Mutlosigkeit. Die beiden erzählten mir von den monatlichen Zusammenkünften in der Gebärdensprache, die Jehovas Zeugen in Massachusetts abhielten, und ermunterten mich, dorthin zu gehen.

Ich befolgte ihren Rat und besuchte mit Spencer diese Zusammenkünfte. Dort hatten wir die Gelegenheit, mit gehörlosen Erwachsenen zusammenzutreffen und zu kommunizieren. In unserer englischen Versammlung hatte Spencer immer wenig von den Zusammenkünften. Er klammerte sich an mich, denn ich war die einzige, mit der er sich richtig verständigen konnte. Als er größer wurde, frustrierten ihn die Zusammenkünfte immer mehr, und sein Benehmen verschlechterte sich. Bei den Zusammenkünften in der Gebärdensprache war das jedoch nicht der Fall. Er konnte sich ungehindert mit jedem austauschen, ohne daß ich als Dolmetscherin dazwischenstand. In der Versammlung schloß er Freundschaften, die er dringend brauchte. Wir beide verbesserten uns in der Gebärdensprache, und ich lernte, eine bessere Lehrerin zu sein, wenn ich mit meinem Sohn die Bibel studierte. Es war so schön! Zum erstenmal konnte ich bei den Zusammenkünften für meinen Sohn einfach nur seine MUTTI sein statt seine Dolmetscherin.

Ein großer Wendepunkt für mich

Mit Zustimmung meines Mannes meldete ich Spencer, als er drei Jahre alt war, zu einem Programm für gehörlose und schwerhörige Kinder in einer öffentlichen Schule an. Es wurden Gruppentreffen für die Weiterbildung der Eltern angeboten, und ich nutzte diese Gelegenheit, weil ich dazulernen wollte. Bei einem Treffen wandte sich eine Gruppe gehörloser Erwachsener und Jugendlicher an die Anwesenden. Sie erzählten, daß sie mit ihren Eltern und anderen Angehörigen wenig oder gar keinen Gedankenaustausch pflegten. Als ich sie nach dem Grund fragte, erklärten sie, ihre Eltern hätten die Gebärdensprache nie erlernt, so daß sie mit ihnen nicht richtig über ihr Leben, ihre Gefühle und ihre Interessen kommunizieren könnten. Es hatte den Anschein, als fühlten sie sich zu ihrer Familie nicht zugehörig.

Das war ein großer Wendepunkt für mich. Ich dachte an meinen Sohn. Der Gedanke, daß er heranwachsen und von zu Hause weggehen würde, ohne je eine richtige Beziehung zu seinen Eltern gehabt zu haben, war für mich unerträglich. Noch nie war ich so entschlossen, mich in der Gebärdensprache weiterzubilden. Mit der Zeit wurde mir immer klarer, daß die Gebärdensprache für uns das Beste war. Spencer machte darin gute Fortschritte, und wir konnten uns über jedes Thema austauschen, zum Beispiel: „Wo wollen wir unseren Urlaub verbringen?“ Oder: „Was möchtest du später einmal werden?“ Ich erkannte, wieviel mir entgangen wäre, wenn ich größeren Nachdruck auf das Sprechen gelegt hätte.

Mit fünf Jahren wurde Spencer in eine Klasse mit hörenden Kindern integriert, deren Lehrerin die Gebärdensprache beherrschte. Drei lange Jahre nahm er an diesem Unterricht teil. Er haßte die Schule, und es war nicht leicht, mit ansehen zu müssen, was für Schwierigkeiten er durchmachte. Glücklicherweise war ich in der Lage, mit ihm zu kommunizieren, und so probierten wir verschiedene Möglichkeiten aus, wie er seine Frustrationen in den Griff bekommen konnte. Dann kam ich allerdings zu dem Schluß, daß das Programm an der öffentlichen Schule seiner Selbstachtung und seiner schulischen Weiterentwicklung nicht förderlich war.

Meine Ehe ging 1989 in die Brüche. Nun war ich eine alleinerziehende Mutter mit einem sechsjährigen Sohn, der in der Gebärdensprache rasch Fortschritte machte. Obwohl wir uns verständigen konnten, war mir klar, daß ich mich in der Gebärdensprache verbessern mußte, um unsere Kommunikation aufrechtzuerhalten und zu intensivieren.

Zeit für einen Umzug

Ich informierte mich eingehend in mehreren Bundesstaaten über die verschiedensten Programme für gehörlose Kinder und stieß auf eine Schule in Massachusetts, wo eine Art zweisprachiger Unterricht — in Gebärdensprache und Englisch — erteilt wurde. Auch erfuhr ich, daß es in der Bostoner Gegend bald eine Gehörlosenversammlung der Zeugen Jehovas geben würde. Eine Freundin legte mir nahe, dorthin zu ziehen. Als Alleinerziehende konnte ich mich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, unser Zuhause und die Angehörigen und Freunde im ländlichen New Hampshire zu verlassen und in die Stadt zu ziehen. Auch Spencer lebte gern auf dem Land. Zwei Argumente sprachen jedoch für einen Umzug. Spencer wäre auf eine Schule angewiesen, wo sich Lehrer und Schüler ungehindert in der Gebärdensprache verständigen könnten, und ich fand, wir wären in einer Versammlung mit gehörlosen Zeugen besser aufgehoben.

Vor vier Jahren, als Spencer neun Jahre alt war, zogen wir um. Kurz danach wurde die Gehörlosenversammlung in Malden (Massachusetts) gegründet. Seither ist Spencer enorm vorangekommen. Sein Benehmen hat sich sehr verbessert, und er geht gern in die Zusammenkünfte. Ich freue mich riesig, wenn ich sehe, wie er mit anderen kommuniziert und Freundschaften schließt. Die gehörlosen Brüder und Schwestern in der Versammlung sind ausgezeichnete Vorbilder für meinen Sohn, denn sie machen ihm bewußt, daß auch er christliche Ziele erreichen kann. Das ist ihm auch gelungen. Er hält mittlerweile Ansprachen in der Theokratischen Predigtdienstschule und ist ein ungetaufter Verkündiger. Auch hat er den Wunsch geäußert, sich taufen zu lassen.

Im Predigtdienst geht mir das Herz auf, wenn ich beobachte, wie er sich mit anderen Gehörlosen in der Gebärdensprache über seinen Glauben unterhält. Seine Selbstachtung hat starken Auftrieb bekommen. Spencer hat mir erklärt, wie er über die Versammlung denkt. Er sagte: „Wir gehören dorthin. Die Brüder und Schwestern können mit mir kommunizieren.“ Mein Sohn bittet mich nicht mehr, gleich nach der Zusammenkunft den Königreichssaal zu verlassen. Jetzt muß ich ihm klarmachen, wann es Zeit ist zu gehen.

In seiner jetzigen Schule kann sich Spencer frei mit den anderen gehörlosen Kindern austauschen. Durch seine Unterhaltungen mit ihnen ist ihm aufgefallen, daß ein Unterschied darin besteht, wie die Welt zu Kindern eingestellt ist und wie Jehova sie betrachtet. Spencer und ich verständigen uns mit Leichtigkeit und haben ein enges, von biblischen Grundsätzen geprägtes Verhältnis zueinander. Wenn er nachmittags nach Hause kommt, erledigen wir zusammen seine Hausaufgaben. Wir gehen gemeinsam in die Zusammenkünfte und in den Predigtdienst von Haus zu Haus. Spencer merkt allerdings, daß nicht alle Kinder in seiner Schule eine so enge Beziehung zu ihren Eltern haben (Kolosser 3:20, 21).

„Wir können über alles reden“

Ungefähr vor einem Jahr fiel mir einmal auf, daß Spencer mich ansah, als wollte er mir etwas mitteilen. Ich fragte ihn, ob er etwas brauche. „Nein“, antwortete er. Darauf stellte ich ihm ein paar Fragen über die Schule und so verschiedenes. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß er etwas auf dem Herzen hatte. Bei unserem gemeinsamen Wachtturm-Studium fragte er dann: „Hast du gewußt, daß die Eltern von manchen meiner Mitschüler die Gebärdensprache nicht können?“ Ich blickte ihn überrascht an. „Im Ernst“, erklärte er, „es gibt Eltern, die sich mit ihren Kindern nicht unterhalten können.“ Einige Eltern waren in die Schule gekommen, so berichtete er mir, und er hatte gesehen, wie sie gestikulierten und in Pantomime darstellten, was sie sagen wollten, um sich mit ihren Kindern zu verständigen. „Ich kann wirklich froh sein, daß du die Gebärdensprache gelernt hast. Wir können uns unterhalten. Du gestikulierst nicht einfach. Wir können über alles reden.“

Ich war tief gerührt. Viele schätzen die Bemühungen ihrer Eltern erst, wenn sie erwachsen sind. Und da sagt mir mein Sohn mit seinen 12 Jahren, wie dankbar er ist, daß wir tiefgehende Unterhaltungen miteinander führen können.

Eines meiner Ziele als Mutter besteht darin, ein gutes, vertrautes Verhältnis zu meinem Sohn zu haben. Das wäre höchstwahrscheinlich nicht möglich gewesen, wenn ich die Gebärdensprache nicht gelernt hätte. Meine Hingabe an Jehova motivierte mich, meine Verantwortung als Mutter sehr ernst zu nehmen. Dadurch fiel es mir leichter, wichtige Entscheidungen zu treffen, die unsere Kommunikation angingen. Diese Entscheidungen sind uns beiden in geistiger Hinsicht zugute gekommen. Wie wichtig sind doch die Worte in 5. Mose 6:7, wo Eltern angewiesen werden, ihren Kindern die Gebote Jehovas mitzuteilen, ‘wenn sie in ihrem Haus sitzen und wenn sie auf dem Weg gehen und wenn sie sich niederlegen und wenn sie aufstehen’. Ich bin von Herzen dankbar, daß Spencer und ich uns frei und unbeschwert „über die großen Dinge Gottes“ unterhalten können (Apostelgeschichte 2:11). (Von Cindy Adams erzählt.)

[Herausgestellter Text auf Seite 12]

Der Gedanke, daß er heranwachsen würde, ohne je eine richtige Beziehung zu seinen Eltern gehabt zu haben, war für mich unerträglich

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