Gehörlose preisen Jehova
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN NIGERIA
FÜR Jehovas Zeugen war es in Nigeria jahrelang sehr schwierig, Gehörlose in der Bibel zu unterweisen. Es gab einfach zu wenig Zeugen Jehovas, die die Gebärdensprache beherrschten. Aber das ändert sich jetzt. Immer mehr Zeugen erlernen die Gebärdensprache und geben Gehörlosen Zeugnis. Der Bezirkskongreß der Zeugen Jehovas, der vor mehr als einem Jahr in Nigeria stattfand, trug wesentlich zu dieser Entwicklung bei.
„Es herrschte eine spannungsgeladene Atmosphäre“, sagte ein Delegierter des Kongresses in Ota. „Da war so ein gewisses ehrfürchtiges Staunen“, sagte ein anderer. Was hatte diese Empfindungen hervorgerufen? Zum ersten Mal wurde in Nigeria das gesamte Programm in die Gebärdensprache übersetzt. Von den 96 Kongressen, die in dem Jahr im Land stattfanden, war dieser Kongreß der einzige, auf dem das ganze Programm für Gehörlose gedolmetscht wurde.
Zu den Tausenden von Anwesenden gehörten 43 gehörlose Delegierte, die vorn links neben der Bühne saßen. Über ihnen hing ein großes weißes Schild, auf dem in roten Lettern „Gebärdensprache“ stand. Die gehörlosen Delegierten waren begeistert, dabeisein zu können. Einer schrieb: „Voller Freude und mit Tränen in den Augen schreibe ich Euch. Noch vor kurzem schluckten wir, als wir erfuhren, was für das geistige Wohl unserer gehörlosen Mitchristen in anderen Ländern getan wird. Wir ahnten ja nicht, daß wir hier einmal die gleichen Segnungen erleben würden.“
Wer waren die Besucher?
Gehörlose kamen aus allen Teilen Nigerias angereist. Eine gehörlose Zeugin brachte drei weitere Gehörlose mit, mit denen sie die Bibel studiert. Eine andere Gruppe Gehörloser, die eine Strecke von 700 Kilometern zum Kongreß zurücklegen mußte, hatte sieben Monate lang Geld für diese Reise gespart. Als die Zeit für die Abreise kam, konnten sie jedoch kein Fahrzeug bei der staatlichen Verkehrsgesellschaft mieten, weil gerade Ferienzeit war. Sowie die Landesregierung von den Schwierigkeiten erfuhr, stellte sie 13 000 Naira (152 Dollar) zur Verfügung, damit sie auf andere Transportmittel ausweichen konnten.
Familien mit gehörlosen Kindern machten sich auf die Reise, um bei diesem einmaligen Bezirkskongreß dabeizusein. Eine Frau aus einer ländlichen Gegend hörte von dem Kongreß und kam mit ihrem gehörlosen Sohn. Weder sie noch ihr Sohn wußten viel von der Gebärdensprache. Von dem, was sie sahen, zu Tränen gerührt, wollen sie nun unbedingt die Gebärdensprache erlernen.
Manche der Tausende von Anwesenden hatten Hunderte von Kilometern zurückgelegt, nur um mitzuerleben, wie die Gehörlosen das Programm „hören“ würden. Am Sonntag wurden 13 936 Anwesende gezählt — auf keinem anderen der 96 Bezirkskongresse in Nigeria konnte eine so hohe Besucherzahl verzeichnet werden. Die gehörlosen Delegierten waren überglücklich, zu dieser großen Menge zu gehören.
Zuschauer sind beeindruckt
Viele Gehörlose „hörten“ die gute Botschaft in der Gebärdensprache zum ersten Mal. Und die Hörenden sahen die Gebärdensprache zum ersten Mal. Ein Delegierter sagte, es habe ihn erstaunt, daß einfach alles übersetzt wurde — Lieder, Gebete, Bekanntmachungen und sogar das Drama. „Es ist überwältigend“, sagte ein anderer.
Die Freude der gehörlosen Delegierten spiegelte sich in ihrem Gesang wider. Voller Begeisterung gebrauchten sie ihre Hände, um Jehova zu preisen. Den Hörenden ging es sehr nahe, die Gehörlosen beim „Singen“ zu beobachten. Vielen standen Tränen in den Augen. Einen Delegierten hörte man dankbar und ehrfurchtsvoll „O Jehova!“ ausrufen. Einmal klatschten die Zuhörer in der Nähe der Gehörlosengruppe nach dem Ende eines Liedes spontan Beifall.
Zu den Taufbewerbern, die nach der Taufansprache aufstanden, gehörte auch ein junger Mann im Gehörlosensektor. Als er die beiden vom Redner gestellten Fragen mit dem Zeichen für „Ja“ beantwortete, ging ein beifälliges Raunen durch die Zuhörerschaft.
Es war für die gehörlosen Delegierten eine große Freude, Glaubensbrüder und -schwestern aus anderen Landesteilen zu treffen. Arme und Finger bewegten sich äußerst lebhaft beim gegenseitigen Kennenlernen. Viele schüttelten sich die Hände und tauschten Adressen aus.
Neun Dolmetscher waren aus dem ganzen Land angereist. Es war herrlich, zu beobachten, wie sie mit ihren Händen und Armen alle Ansprachen und Lieder behende übersetzten. Die Brüder dankten ihnen ihre Anstrengungen mit Umarmungen, Händeschütteln und viel Lob. Auch wurden sie mit Fragen bombardiert: „Wie hast du das gelernt?“ „Kann ich das auch lernen?“ „Gibt es Lehrbücher für die Gebärdensprache?“
Ein neues Betätigungsfeld
Ein Höhepunkt des Kongresses war für die Gehörlosen die Freigabe des Buches Erkenntnis, die zu ewigem Leben führt auf Video in der Gebärdensprache. Ein Aufruf zum Erlernen der Gebärdensprache erging an die Brüder, damit die Gehörlosen in ganz Nigeria mit dem neuen Lehrmittel erreicht werden können. Viele fühlten sich angesprochen.
„Wenn wir früher im Predigtdienst einen Gehörlosen antrafen, sind wir einfach zum nächsten Haus weitergegangen“, sagte eine Schwester. „Heute wissen wir, was zu tun ist.“ Da in Nigeria schätzungsweise fünf Millionen Hörgeschädigte leben, gibt es sicher noch viele, denen geholfen werden kann. Ein Bruder sagte: „Der Anfang ist gemacht. Nun gilt es, sich diesem einzigartigen neuen Betätigungsfeld zu widmen.“
Genau das wurde in den Monaten nach dem Kongreß getan. Gemeinsam bemüht man sich, die biblische Wahrheit den Millionen hörgeschädigten Nigerianern zu vermitteln. Auch sie müssen die gute Botschaft von der herannahenden neuen Welt unter Gottes Königreich kennenlernen, in der Wunderheilungen geschehen und ‘die Ohren der Tauben aufgetan werden’ (Jesaja 35:5).