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Wie sicher sind unsere Lebensmittel?Erwachet! 1989 | 22. Juni
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Wie sicher sind unsere Lebensmittel?
JEAN war ärgerlich; sie hatte hinten im Kühlschrank ein Stück Fleisch gefunden, das für den letzten Samstag bestimmt gewesen war. Unerwarteterweise war man jedoch essen gegangen, und sie hatte vergessen, das Fleisch in die Tiefkühltruhe zu legen. Das war vor vier Tagen.
Zögernd nahm sie das Fleisch heraus und packte es aus; der Geruch bestätigte ihre Befürchtung. Doch sie dachte: „Der schwache Geruch wird vielleicht verschwinden, wenn ich es gut koche.“ Aber dann erinnerte sie sich an einen Spruch, der besagte, daß man Lebensmittel im Zweifelsfall wegwerfen soll. Das tat sie auch und ersparte ihrer Familie so möglicherweise eine Lebensmittelvergiftung.
Unsichere Lebensmittel können jedoch noch viel ernstere Probleme mit sich bringen. Krankheit zufolge verseuchter Nahrung ist einer der Hauptgründe für Leid und Tod in der dritten Welt. Selbst in Wohlstandsländern sind Millionen davon betroffen. Allein in Großbritannien werden jährlich mehr als zehntausend Lebensmittelvergiftungen gemeldet, und die tatsächliche Zahl mag das Hundertfache davon betragen. Doch wodurch werden Lebensmittel gefährlich?
Wieso gefährlich?
Lebensmittel können mit Bakterien verseucht werden, wenn man beispielsweise Behälter mit selbsteingemachtem Gemüse nicht richtig verschließt, Blattsalat nicht wäscht, gegartes Fleisch zu lange bei Zimmertemperatur liegenläßt oder wenn man bei der Zubereitung unvorsichtig ist. Nahrung kann auch durch Pestizidrückstände verdorben worden sein oder durch Kontakt mit giftigen oder sonstigen schädlichen Stoffen.
Täglich werden große Mengen verseuchter Lebensmittel importiert und exportiert. In nur drei Monaten untersagten die Vereinigten Staaten aus Sicherheitsgründen den Import von Lebensmitteln im Wert von 65 Millionen Dollar. Viele Länder können sich jedoch nicht den Luxus leisten, minderwertige Nahrungsmittel abzulehnen. Deshalb werden sie oft verkauft und gegessen.
Gemäß der Zeitschrift World Health sind Lebensmittelvergiftungen überall verbreitet — nicht nur in den Siedlungen der Ärmsten. Diese Erkrankungen, die zu einer verminderten Wirtschaftsleistung führen, stellen, so die Zeitschrift, eines der weitverbreitetsten Gesundheitsprobleme der heutigen Welt dar.
In den Vereinigten Staaten schätzt man die Zahl derjenigen, die jedes Jahr zufolge verseuchter Nahrungsmittel erkranken, auf 20 Millionen, und in Europa gelten solche Erkrankungen als zweithäufigste Todesursache nach den Infektionen der Atemwege. „Die Industrieländer haben ihre eigenen Vorlieben und Bräuche, die Lebensmittelvergiftungen Vorschub leisten“, sagte ein Wissenschaftler. „Eines der augenfälligsten Probleme ist die Vorliebe für große, häufig völlig unzureichend gegarte Fleischstücke.“
Auswärts essen
Normalerweise macht sich kaum jemand Gedanken, wenn er in ein Restaurant geht oder sich irgendwo einen Imbiß kauft. Täglich werden Hunderttausende von Mahlzeiten serviert, ohne daß jemand krank wird. Doch selbst in Industrieländern kommt es durch Speisen aus Gaststätten zu ernsthaften Erkrankungen.
Nach einem Weihnachtsessen in einem westeuropäischen Restaurant erkrankten beispielsweise mehr als 150 Personen an einer Lebensmittelvergiftung. Die Untersuchung ergab, daß gebratene Truthähne auf den gleichen hölzernen Arbeitsplatten tranchiert worden waren, auf denen man die geschlachteten Tiere ausgenommen hatte. In den Ritzen der Platten fand man Salmonellen.
Während einer 7-Tage-Kreuzfahrt erkrankten nicht weniger als ein Fünftel der Passagiere an Diarrhöen. Wie man feststellte, war die Kombüse viel zu klein und in schmutzigem Zustand, auch gab es nur mangelhafte Lagereinrichtungen. Die Buffets boten schlecht gekühlte und mehrfach hintereinander servierte Gerichte an.
Doch wenn ungenügende Lebensmittelsicherheit schon in Industrieländern zu Problemen führt, wieviel schwerwiegender sind dann erst die Folgen in Entwicklungsländern!
Dauerzustand
Gemäß World Health beruht die Mangelernährung in vielen Teilen der Welt nicht einfach auf einem Zuwenig an Nahrung, „sondern eher auf dem Verzehr verseuchter Lebensmittel“. Das führt zu wiederholten Diarrhöen und anderen Infektionskrankheiten.
In der Zeitschrift Weltgesundheit hieß es: „Allein 1980 traten [in Entwicklungsländern] schätzungsweise mehr als eine Milliarde Fälle akuten Durchfalls bei Kindern unter fünf Jahren auf (ohne China). Fünf Millionen dieser Kinder starben.“ Das bedeutet zehn durchfallbedingte Todesfälle in jeder Minute, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Aber nicht nur Kinder sind gefährdet. Das 1984 erstellte Gutachten „Die Rolle der Lebensmittelsicherheit bei Gesundheit und Entwicklung“ besagt, daß „die Reise-Diarrhoe heute ein weitverbreitetes Phänomen ist, das circa 20—50 Prozent aller Touristen in Mitleidenschaft zieht“.
Die Ursache der meisten Lebensmittelinfektionen ist zweifellos ein mangelndes Hygienebewußtsein. Die Nahrungsmittel mögen anfangs unbedenklich sein, aber dann durch den Verbraucher, den Zwischenhändler, den Geschäftsinhaber oder den Koch verdorben werden.
Manchmal tragen auch kulturelle Vorstellungen dazu bei. In gewissen Gegenden Mexikos glaubt man zum Beispiel, man dürfe Hände, die durch Nähen, Bügeln oder Backen „heiß“ geworden seien, nicht unmittelbar danach waschen, da ein zu frühes Abkühlen mit Wasser Rheuma oder Krämpfe hervorrufen könnte. So mag eine Frau mit „heißen“ Händen die Toilette benutzen und dann, ohne sich die Hände zu waschen, die Mahlzeit für die Familie zubereiten, wodurch gefährliche Bakterien verbreitet werden.
In einigen Kulturen gibt es hingegen Bräuche, die, sofern man sie beachtet, Erkrankungen vorbeugen. In Indien, wo Mahlzeiten oft auf dem Boden zubereitet werden, ist es üblich, die Straßenschuhe vor Betreten des Hauses und besonders der Küche auszuziehen. Früchte werden vor dem Verzehr geschält, Fleisch wird innerhalb weniger Stunden nach dem Schlachten gegessen, und häufig ißt man von frisch gewaschenen Blättern statt von Tellern.
Das Problem anpacken
Wie weit ist man von dem Ziel entfernt, allen Menschen ausreichend sichere Nahrung zu bieten? Diesbezüglich heißt es in einer Untersuchung der Vereinten Nationen über Lebensmittelsicherheit: „In den vergangenen 40 Jahren haben internationale Organisationen eine große Anzahl von Studien veröffentlicht und viele Programme ins Leben gerufen. Doch Lebensmittelinfektionen nehmen weiterhin zu.“
Erforderlich wäre eine Gesundheitserziehung der Allgemeinheit und insbesondere der Mütter. Dann könnte der einzelne einer Lebensmittelverseuchung vorbeugen und sich selbst und seiner Familie gesunde Eßgewohnheiten angewöhnen. Im folgenden Artikel werden einige Ratschläge gegeben.
[Bild auf Seite 17]
Ein sauberer Küchenbereich wie in diesem indischen Haus ist Voraussetzung für eine sichere Ernährung
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Lebensmittel sicher zubereitenErwachet! 1989 | 22. Juni
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Bereite Speisen erst kurz vor dem Verzehr zu, besonders bei warmem Wetter, da sich sonst Bakterien rapide vermehren. Möchtest du im voraus kochen, so kühle die Speisen nach dem Garen und erhitze sie vor dem Verzehr nochmals gründlich.
Gegarte Speisen sollten hinreichend heiß (über 60 °C) oder kalt (unter 10 °C) aufbewahrt werden. Der Gefahrenbereich — in dem die Bakterien wachsen und sich vermehren — liegt dazwischen. Das würde bedeuten, daß man Reste nicht aufhebt, wenn man sie nicht kühlen kann. Hast du keinen Kühlschrank, dann koche nur so viel, wie du für eine Mahlzeit benötigst. In verschiedenen Ländern sind auch Kräuter und Gewürze häufig mit Bakterien belastet. Daher sollten sie immer von Anfang an mitgekocht werden, damit sie ebenfalls gründlich erhitzt werden.
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Lebensmittel sicher zubereitenErwachet! 1989 | 22. Juni
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Gare Fleisch, Fisch und Geflügel gründlich, so daß Krankheitserreger abgetötet werden. Gefrorenes Fleisch und Geflügel muß vor dem Garen vollständig aufgetaut werden, damit die Hitze auch die Mitte erreicht. Schweine können mit Trichinen infiziert sein. Wird daher Schweinefleisch nur ungenügend gegart, kann man sich eine Trichinose zuziehen. In einigen Ländern sind auf den Märkten der großen Städte laut Angaben etwa 10 Prozent der Wurstwaren trichinverseucht. Durch gründliches Garen bei großer Hitze werden die Trichinen getötet, was allerdings bei anderen Zubereitungsarten wie Räuchern und Pökeln nicht der Fall ist.
Fische und Schalentiere können Leber- oder Lungenegel beherbergen, die bei unzureichendem Garen auf den Menschen übergehen. Um sie abzutöten, reicht es nicht, die Nahrungsmittel zu salzen, zu marinieren oder in Reiswein einzulegen.
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