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    Erwachet! 1989 | 8. Mai
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      „Politiker in Lateinamerika machen warnend darauf aufmerksam, daß der sinkende Lebensstandard in einem Land nach dem anderen eine Hoffnungslosigkeit züchtet, die sich allmählich in einen bedrohlichen politischen Verfall umsetzt“ (The New York Times, 29. November 1988).

      In den 80er Jahren haben Millionen — die bereits unter erbärmlicher Armut litten — erlebt, daß ihre ohnehin mageren Einkünfte durch die Inflation noch mehr schrumpften. Ihnen geht es nicht nur darum, für die Lebenshaltungskosten aufzukommen, sondern sie müssen um das Überleben kämpfen. Sind dir in deinem Land die steigenden Preise für Grundnahrungsmittel aufgefallen? Hast du den Eindruck, daß du für das gleiche Geld immer weniger in der Einkaufstasche hast? Dann hast du wie viele andere selbst beobachtet, daß die Lebenshaltungskosten steigen.

      Gibt es eine Lösung?

  • Steigende Preise — Menschliches Leid
    Erwachet! 1989 | 8. Mai
    • Steigende Preise — Menschliches Leid

      Von unserem Korrespondenten in Spanien

      „Wir essen überhaupt keine Tomaten mehr, weil sie so teuer sind. Und ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Obst gekauft habe“, seufzt eine Hausfrau aus Indien.

      „Wir können weder Schuhe noch Kleidung kaufen“, klagt ein mexikanischer Textilarbeiter, der eine fünfköpfige Familie zu ernähren hat. „Vor vier Jahren hatten wir weniger Geld, aber alles war billiger. Jetzt bekommt man für sein Geld nichts mehr.“ In seinem Land ist die Kaufkraft des Peso von 1982 bis 1986 um 35,4 Prozent gesunken.

      Muhammed el-Ghani ist Nachtwächter in Kairo (Ägypten), wo sich die Preise für eine Reihe Bedarfsgüter in nur 12 Monaten verdoppelt haben. „Wir leben von einem Tag zum anderen“, erzählt er. „Es gibt Tage, an denen wir uns nichts zu essen leisten können.“

      In Brasilien hatte ein Mann, der durch ein Eisenbahnunglück zu Schaden gekommen war, das Pech, daß das Gericht erst nach 20 Jahren in seiner Klage auf Entschädigung entschied. Schließlich wurde ihm eine monatliche Entschädigung gewährt, die der Hälfte des landesweiten Mindestlohnes zur Zeit des Unglücks entsprach. Doch zufolge der Inflation reichte der Betrag wahrscheinlich nicht einmal für das Busgeld aus, das er bezahlen mußte, um die Entschädigung abzuholen.

      Bala aus Nigeria, der bereits Vater von drei Kindern ist, wurde ohnmächtig, als man ihm mitteilte, daß seine Frau Drillinge zur Welt gebracht hatte. Obwohl er zwei Arbeitsstellen hat, reicht sein Verdienst kaum aus, um die grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen, und die Preise für Nahrungsmittel steigen weiter an. Er weiß, daß er unmöglich auch nur für die wichtigsten Bedürfnisse seiner Kinder sorgen kann. So war er bereit, die Babys zur Adoption freizugeben.

      Wenn auch die Einzelheiten unterschiedlich sind, spielt sich doch weltweit das gleiche ab. Die Lebenshaltungskosten steigen unaufhaltsam. Für viele sind Brot und Milch ein Luxus geworden und drei Mahlzeiten am Tag eine Seltenheit. Aus Nigeria wird berichtet: „Brot, das bisherige Hauptnahrungsmittel der meisten Nigerianer, wird nur noch von den Wohlhabenden gegessen. Reis reicht man nur noch bei festlichen Anlässen.“

      Die einen machen die Situation erträglicher, indem sie mehr Stunden arbeiten, während es für die anderen schwer oder sogar unmöglich ist, überhaupt Arbeit zu finden. Sie sind gezwungen, sich Tag für Tag auf die endlose und oft vergebliche Suche nach Nahrungsmitteln zu begeben. Bei ihnen geht es nicht lediglich darum, für die Lebenshaltungskosten aufzukommen, sondern sie müssen um das Überleben kämpfen.

      Schuld ist in den meisten Fällen die Inflation, das heißt die steigenden Preise. Das Einkommen mag sich zwar ebenfalls erhöhen, aber kaum im gleichen Verhältnis wie die Preise. Besonders schwer trifft es Personen mit gleichbleibenden Bezügen wie Rentner oder Arbeitslose. In vielen Entwicklungsländern der Welt ist der Lebensstandard in den letzten Jahren merklich gesunken. Weltweit gesehen, kann man sagen, daß die Reichen wahrscheinlich immer reicher, die Armen jedoch mit Sicherheit immer ärmer werden.

      Unruhen zufolge wirtschaftlicher Not

      Es überrascht daher nicht, daß viele ihre Stimme zum Protest erheben. Verarmte Lehrer aus den mexikanischen Bundesstaaten Chiapas und Oaxaca besetzten beispielsweise den Hauptplatz von Mexiko-Stadt mit Zelten in der Hoffnung, dadurch wirtschaftliche Gerechtigkeit durchzusetzen. „Die Menschen werden ausgebeutet“, versicherte einer von ihnen. In anderen Ländern sind nach starken Preiserhöhungen Krawalle ausgebrochen.

      Auch die Kriminalität, die mitunter als stille, aber gefährliche Revolution der Armen gegen die Reichen bezeichnet wird, breitet sich aus. Bei einem Polizeilehrgang wurde die internationale Verbrechenswoge der aussichtslosen Wirtschaftslage vieler Bürger zugeschrieben. Wirtschaftliche Ausweglosigkeit führt manchmal zu grauenhaften Reaktionen. 1987 wurden zum Beispiel in zwei indischen Orten über 50 Angehörige der oberen Kasten von Hunderten verhungernden Kleinbauern ermordet, die sich von den feudalen Landbesitzern ausgebeutet fühlten.

      Wer ist schuld?

      Im 20. Jahrhundert ist mehr Wohlstand erreicht worden als je zuvor. Doch während sich dieses Jahrhundert dem Ende nähert, geraten fortgesetzt Millionen in bittere Armut. Versprechungen von einer besseren Zukunft, einem wirtschaftlichen Aufschwung oder einem annehmbaren Einkommen für alle sind nur allzuoft politische Phantasien.

      Wer oder was ist schuld? Viele geben der Regierung die Schuld. Die Regierungen hingegen schieben die Schuld oft der Wirtschaftspolitik anderer Länder zu. Auch die Weltwirtschaftsordnung wird heftig kritisiert. Die Probleme sind komplex, und eine Lösung ist schwer zu finden. Im folgenden Artikel wird darauf eingegangen, worin die fundamentalen Ursachen für die Teuerungskrise bestehen und warum sie so schwer zu lösen ist.

  • Warum die Teuerungskrise?
    Erwachet! 1989 | 8. Mai
    • Warum die Teuerungskrise?

      VON Belgrad bis Buenos Aires, von Lagos bis Lima, von Manila bis Mexiko und von Washington bis Wellington kämpfen Regierungen gegen die Inflation.

      Manchmal befinden sich die Regierungen selbst in einer schlimmen finanziellen Notlage. Einem Bericht zufolge „haben die Vereinigten Staaten in den letzten fünf Jahren mehr Schulden gemacht als während ihrer gesamten früheren Geschichte“. Eine afrikanische Regierung mußte unlängst eine sehnlich erwartete Gehaltserhöhung rückgängig machen. Sie entdeckte zu ihrer Bestürzung, daß die Gelder der Staatskasse nicht einmal ausreichten, um die neuen Gehälter auszuzahlen. In einem großen lateinamerikanischen Land ist die Inflationsrate so hoch, daß die Regierung Ende 1988 befürchtete, die Gehälter von über einer Million im öffentlichen Dienst Beschäftigten nicht auszahlen zu können.

      Fünfjahrespläne, Abwertungen, Lohnstopps, Preiskontrollen und andere wirtschaftliche Maßnahmen werden angekündigt. Doch die Probleme sind komplex, und eine Lösung ist schwer zu finden. Um die Schwierigkeiten zu verdeutlichen, schildert Erwachet! hier einige der Hauptursachen für die Teuerungskrise.

      Das labile internationale Wirtschaftssystem

      Weltweite gegenseitige Abhängigkeit. Ein Experte für internationale Finanzfragen erklärte: „Die Welt ist ein Ganzes. Unsere Wirtschaft ist weltumspannend. ... Die Vorstellung, in einer globalen Wirtschaft sei eine einseitige Lösung möglich, ist unsinnig.“ Eine Rezession in westlichen Ländern beispielsweise macht sich rasch in den ärmeren Ländern bemerkbar, da die Nachfrage nach ihren Erzeugnissen zurückgeht. Eine Erhöhung des Zinssatzes in den Vereinigten Staaten führt dazu, daß lateinamerikanische und afrikanische Länder größere Schwierigkeiten haben, die Zinsen für ihre Schulden zu bezahlen. Allgemein ausgedrückt: Je ärmer ein Land ist, desto weniger Einfluß hat es auf das gesamtwirtschaftliche Klima, aber desto mehr ist es für ungünstige wirtschaftliche Wetterlagen anfällig.

      Die Schwankungen der Aktienkurse heben die Labilität der Weltwirtschaft und die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit hervor. Angesichts der Wirtschaftsaussichten waren die Anleger so beunruhigt, daß das verhängnisvolle US-Handelsbilanzdefizit für August 1987 und möglicherweise eine unbedachte Äußerung vom Finanzministerium ausgereicht haben sollen, um im Oktober 1987 einen weltweiten Börsenkrach auszulösen.

      Das schlimme Schuldenproblem der Vereinigten Staaten, verbunden mit dem Unvermögen oder der mangelnden Bereitschaft der großen Wirtschaftsmächte, die Wirtschaftspolitik zu koordinieren, macht es unwahrscheinlich, daß das Vertrauen bald wiederhergestellt wird. Mit Bezug auf diese Situation sagte der Wirtschaftswissenschaftler Stephen Marris warnend: „Wir sind in einer schlimmen Lage. Es gibt keinen leichten Ausweg.“

      Preisschwankungen. In den vergangenen Jahren hat es drastische Preisschwankungen bei Öl, Metallen und anderen wichtigen Rohstoffen gegeben. Die plötzliche Erhöhung der Ölpreise in den 70er Jahren führte zu einer weitreichenden Inflation und löste eine Weltwirtschaftsrezession aus. Dritte-Welt-Länder, die kein Erdöl fördern, traf es besonders schwer.

      In den 80er Jahren sind die Preise für die meisten Rohstoffe gestürzt. Dadurch ist die Wirtschaft der ärmeren Länder, die vorwiegend Rohstoffe exportieren, ernstlich geschädigt worden. Länder wie Mexiko und Nigeria, die auf Ölexporte angewiesen sind, haben zufolge der sinkenden Ölpreise einen deutlichen Rückgang des Lebensstandards erfahren. Solche Preisschwankungen können die beste Wirtschaftsplanung zunichte machen.

      Kurzsichtige Regierungsausgaben

      Rüstungsausgaben. Die weltweiten Gesamtrüstungsausgaben für 1987 werden auf eine Billion Dollar geschätzt. Dies entspricht etwa 1,8 Millionen Dollar in der Minute. Nicht nur die reichen Länder verschwenden Geld für die Rüstung; einige der ärmsten Länder der Welt haben eine 10prozentige jährliche Zunahme der Verteidigungsausgaben geplant.

      Der Wirtschaftswissenschaftler John K. Galbraith sagte über die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Rüstungsausgaben in der dritten Welt: „Für die Rüstung müssen die Ärmsten der Armen bezahlen. Sie wird auf Kosten nichtmilitärischer Investierungen finanziert, die die Bestreitung des Lebensunterhalts erleichtern sollten, ja auf Kosten von Brot.“

      „Weiße Elefanten“. Man erzählt, daß ein König von Siam Höflingen, die er nicht mochte, einen weißen Elefanten zu schenken pflegte. Da das Tier als heilig galt, durfte man es nicht arbeiten lassen. Sein Unterhalt bedeutete für den bedauernswerten Empfänger also finanziellen Ruin. In den vergangenen Jahren haben westliche Staaten unabsichtlich den König von Siam gespielt. Durch ihre Hilfsprogramme wurden großartige technologische Projekte finanziert, die aber die Empfängerländer nicht instand halten können.

      Diese teuren, unpraktischen „weißen Elefanten“ verunstalten die ökonomische Landschaft der ärmeren Länder: luxuriöse Flughäfen, von denen nur selten Flugzeuge abfliegen, hochmoderne Bäckereien, in denen wegen Mangels an Mehl kein Brot gebacken werden kann, riesige Zementfabriken, in denen die Produktion wegen unzureichender Wartung ständig ausfällt.

      Mitunter laden sich Regierungen der dritten Welt gewaltige Schulden auf, indem sie Riesenbeträge für übertriebene Projekte ausgeben wie hydroelektrische Anlagen, Kernkraftwerke oder sogar neue Hauptstädte.

      Bevölkerungswachstum

      In vielen Ländern der Welt trägt das rasche Bevölkerungswachstum zu einem niedrigeren Lebensstandard bei. Es können einfach nicht genügend Wohnungen, Arbeitsplätze, Schulen oder auch nur Nahrungsmittel beschafft werden, um dem immer größer werdenden Bedarf gerecht zu werden. Mexiko beispielsweise muß wegen seiner zunehmenden Bevölkerung jährlich eine Million neue Arbeitsplätze schaffen, nur damit die Arbeitslosenrate nicht steigt. In zahlreichen afrikanischen Ländern hat das rasche Bevölkerungswachstum, verbunden mit der Zuwanderung in die Städte, dazu geführt, daß die Nahrungsmittelimporte im letzten Jahrzehnt verdreifacht werden mußten und der Lebensstandard gesunken ist. Manch ein verzweifelter Vater, der keinen Arbeitsplatz findet und seine große Familie nicht ernähren kann, verläßt sie einfach oder begeht sogar Selbstmord.

      Schwachstellen im System

      Unvorhersehbare Marktkräfte. Wirtschaftsprognosen sind für ihre Ungenauigkeit berüchtigt. Das Problem ist, daß es Experten schon bei fortschrittlichen Wirtschaftssystemen schwerfällt, genaue Aussagen zu machen, während dies in der dritten Welt, wo keine präzisen Angaben zur Verfügung stehen, geradezu unmöglich ist. Selbst wenn sich die Wirtschaftswissenschaftler darüber einig wären, wie die Probleme im einzelnen beschaffen sind, würden sie entsprechend ihrer eigenen politischen oder sozialen Auffassung zweifellos unterschiedliche Lösungen aufzeigen. Noch komplizierter wird die Sache dadurch, daß die Politiker, die die endgültigen Entscheidungen treffen, dazu neigen, nur ökonomischen Rat anzunehmen, der ihnen zusagt.

      Über die Vereinigten Staaten sagte der ehemalige US-Handelsminister Peter Peterson: „Im Grunde sind unsere Probleme nicht wirtschaftlicher Art. Vielmehr werden wir durch unsere mangelnde politische Übereinstimmung behindert. Wir sind uns nicht einmal über die Art unserer wirtschaftlichen Schwierigkeiten einig.“

      Blinde Selbstsucht. Jedes Land verfolgt seine eigenen staatlichen Interessen ungeachtet der Folgen für andere. Einem Land, das nicht einmal alle seine Einwohner ernähren kann, mag zum Beispiel Wirtschaftshilfe in Form von hochentwickelten Kriegsgeräten zugeführt werden. Offensichtlich hat das Geberland dabei wirtschaftliche oder politische und keine humanitären Beweggründe. Zollschranken von reichen Industrieländern zum Schutz ihrer eigenen Produzenten behindern die Bestrebungen ärmerer Länder, auch nur einfache Waren zu verkaufen.

      Entwicklungsländer werfen den internationalen Geldinstituten vor, nur an raschen Zinsrückzahlungen interessiert zu sein. Einige Projekte mußten wegen mangelnder finanzieller Unterstützung fallengelassen werden, lediglich weil sie keine rasche Rückzahlung an den Kreditgeber ermöglichten. Die hohen Zinsen, die die Schuldnerländer gegenwärtig zahlen müssen, sind hauptsächlich auf die verschwenderischen Ausgaben anderer, wesentlich wohlhabenderer Länder zurückzuführen. Präsident Alfonsín von Argentinien hob hervor, daß Lateinamerika in fünf Jahren an die Vereinigten Staaten und an Europa eine Summe entrichtet hat, die zwei Marshallplänen entspricht.a Dennoch ist es tiefer verschuldet denn je.

      Korruption und Habgier. Präsidenten von afrikanischen und asiatischen Ländern werden beschuldigt, Milliarden von Dollar veruntreut zu haben. Polizeichefs und prominente Finanzbeamte in Lateinamerika sind ebenfalls in Betrügereien verstrickt gewesen, bei denen es um Millionen von Dollar ging. Diese riesigen Geldbeträge werden oft von Programmen abgezweigt, die das Los des einfachen Volkes erleichtern sollen. Korruption auf allen Ebenen schädigt die Wirtschaftssysteme zahlloser Länder und bürdet der verarmten Bevölkerung, die dafür aufkommen muß, eine zusätzliche Last auf.

      Rücksichtslose kommerzielle Habgier trägt ebenfalls zu der Teuerungskrise bei. Die aggressive Absatzpolitik multinationaler Tabakfirmen hat beispielsweise bewirkt, daß Millionen notleidender Menschen dazu verführt wurden, ihre kärglichen Mittel für Zigaretten auszugeben. In manchen Entwicklungsländern sind Zigaretten mit hohem Teergehalt im Handel, und die meisten Verbraucher sind sich des Gesundheitsrisikos nicht bewußt. Wertvolles Ackerland wird für den Tabakanbau genutzt in der Hoffnung auf wichtige Devisen — eine Hoffnung, die sich aber oft nicht verwirklicht. So nehmen gleichzeitig mit den Lebenshaltungskosten auch die Raucherkrankheiten zu.

      Dieser kurze Überblick über die Ursachen der Teuerungskrise zeigt zur Genüge, vor welch einer Herausforderung Regierungen stehen, die die wirtschaftliche Not ihrer Bürger erleichtern wollen. Frankreichs Präsident Mitterrand klagte auf einem wirtschaftlichen Forum über eine „Welt, die einem unentwegt den Boden unter den Füßen wegzieht, um einen zu Fall zu bringen“. Politiker und Wirtschaftswissenschaftler der dritten Welt haben diese bittere Erfahrung gemacht.

      Besteht demnach keine Hoffnung, daß sich die Wirtschaft erholen wird? Ist die Weltwirtschaft nicht imstande, der ganzen Menschheit einen annehmbaren Lebensstandard zu ermöglichen? Im folgenden Artikel werden diese Fragen beantwortet.

      [Fußnote]

      a Der Marshallplan war ein von den USA finanziertes Programm, das die wirtschaftliche Erholung des kriegsgeplagten Europa unterstützen sollte. Von 1948 bis 1952 wurde Hilfe im Wert von rund 12 Milliarden Dollar geleistet.

      [Kasten auf Seite 8]

      Das Schuldenproblem

      Staatsschulden

      In vielen Ländern übersteigen die Regierungsausgaben bei weitem die Einnahmen. Die dafür erforderlichen hohen Kredite führen im Laufe der Jahre zu einem beträchtlichen Haushaltsdefizit, das heißt zu Staatsschulden. Die Tilgung dieser Schulden und die Zahlung der Zinsen zwingen die Regierung, neue Kredite aufzunehmen, wodurch die Zinssätze und die Inflation hochgetrieben werden. Außerdem widerstrebt es den Regierungen, wie das Magazin Time erklärte, die Ausgaben zu kürzen, weil „die Wähler, die nun mal Menschen sind, mehr Vorteile und weniger Steuern wünschen und die Politiker, die nun mal Politiker sind, den Wählerwünschen entsprechen“. Der Tag der Abrechnung wird also hinausgeschoben, und in der Zwischenzeit steigen die Lebenshaltungskosten.

      Internationale Schulden

      Aus verschiedenen Gründen importieren manche Länder mehr Waren und Dienstleistungen, als sie exportieren, was zu einem Handelsbilanzdefizit führt. Der Fehlbetrag muß in einer für andere Länder annehmbaren Währung beglichen werden, gewöhnlich in Dollar oder einer anderen stabilen Währung. Dieses Geld muß entweder von den Reserven genommen oder von anderen Ländern geliehen werden. Wenn die Reserven eines Landes stark zurückgehen und keine Kredite zur Verfügung stehen, werden womöglich Einfuhrbeschränkungen auferlegt, oder die Währung wird abgewertet. Beide Maßnahmen verursachen einen starken Anstieg der Preise für importierte Waren, von denen viele für Industrie und Verbraucher unentbehrlich sein mögen.

      Besonders Länder der dritten Welt haben Probleme mit der Handelsbilanz, weil der Wert der Waren, die sie exportieren, fast ausnahmslos stark gesunken ist. 1960 beispielsweise waren für eine Tonne Kaffee 37 Tonnen Düngemittel zu haben, während es 1982 nur noch 16 Tonnen waren. Ähnliche Zahlen gelten für Kakao, Tee, Baumwolle, Kupfer, Zinn und andere Grundstoffe, die zu den Hauptexportwaren der Entwicklungsländer gehören. Größtenteils als Folge des ungünstigen Austauschverhältnisses, auf das die Länder der dritten Welt kaum Einfluß haben, hatten sie 1987 Riesenschulden in Höhe von einer Billion Dollar. Dieser Mühlstein an ihrem Hals behindert ihre wirtschaftliche Erholung ernstlich und gefährdet sogar die Stabilität einiger Regierungen.

      Die New York Times schrieb unlängst: „Das einzige, was Lateinamerika verbindet, sind die Schulden ... Die Regierungen machen dieses Problem für ihre schwindende Beliebtheit verantwortlich und betrachten es als politischen Schlüsselfaktor, der sich auf ihre unmittelbare Zukunft auswirkt.“

      [Karte auf Seite 7]

      (Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

      Weltinflationsrate 1980—1985

      (gestützt auf El Mundo en Cifras, veröffentlicht in der Zeitschrift The Economist)

      ■ 0 bis 15 %

      ■ 15 bis 30 %

      ■ 30 bis 100 %

      ■ über 100 %

      ■ keine Zahlen vorhanden

  • Wird sich die Wirtschaft erholen?
    Erwachet! 1989 | 8. Mai
    • Wird sich die Wirtschaft erholen?

      Während der Herrschaft Ludwigs XVI. von Frankreich soll Königin Marie Antoinette den königlichen Finanzminister einmal gefragt haben: „Was gedenken Sie hinsichtlich des Defizits zu unternehmen, Monsieur le Ministre?“ Er entgegnete: „Nichts, Madame. Es ist zu ernst.“

      DIE Zeiten haben sich zwar geändert, doch diese Auffassung scheint immer noch aktuell zu sein. Politiker und Wirtschaftswissenschaftler klagen gleichermaßen über die riesigen internationalen Schulden, das große wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen reichen und armen Ländern und die bittere Armut in so vielen Ländern. Aber es wird kaum etwas getan, wenn überhaupt — die Probleme sind zu ernst. Ist das in ökonomischer Hinsicht sinnvoll?

      Das Wort „Ökonomie“ kommt von dem griechischen Wort oikonómos, das Haushalter oder Verwalter bedeutet. Bei der Weltökonomie geht es im Grunde um die Verwaltung des „Hauses“ der Welt. Wie wird es verwaltet?

      Stellen wir uns zur Veranschaulichung die Erde als eine Dorfgemeinschaft und die einzelnen Länder als Nachbarn vor. Einer der reichsten Bewohner hat einen Hang zur Verschwendung und schuldet fast jedem Geld, doch da er der beste Kunde ist, zögern die Gläubiger, ihn zur Rückzahlung zu drängen. Einige der ärmeren Familien sind so tief verschuldet, daß sie Geld leihen müssen, nur um die hohen Zinsen für ihre Kredite zahlen zu können. Der Vater der ärmsten Familie veranstaltet für sich und seine Freunde ein üppiges Festessen, während mehrere seiner Kinder am Verhungern sind.

      Die wohlhabenderen Familien essen reichlich und gut und werfen viele Nahrungsmittel in die Mülltonne. Sie geben für ihre Tiere mehr aus, als die ärmeren Familien für ihre Kinder aufbringen können. Von Zeit zu Zeit finden Nachbarschaftsversammlungen statt, bei denen über alle Probleme in der Gegend gesprochen wird, aber nichts tut sich. Zwischen den reichen und den armen Familien wächst die Spannung. Offensichtlich ist an der Verwaltung dieser Dorfgemeinschaft etwas faul.

      Ein Verwalter der Weltwirtschaft

      Eine gute Verwaltung ist auch eine Frage der Moral. Wie wir gesehen haben, tragen Selbstsucht und Habgier auf nationaler und auf individueller Ebene erheblich zu der Teuerungskrise bei, besonders in ärmeren Ländern. Die wirtschaftliche Ungerechtigkeit ist in Wirklichkeit nur eines von vielen Merkmalen eines ungerechten Systems der Dinge.

      Zugegeben, es ist nicht leicht, die Probleme zu lösen. Sie sind zu gewaltig, als daß ein einziges Land sie angehen könnte, und es gibt keine internationale Körperschaft, die die notwendige Macht hätte, sie zu lösen. Außerdem wirft man den Führern der Welt oft vor, es fehle ihnen an politischem Willen, sie anzupacken.

      Dennoch berichtet die Geschichte von einem Herrscher, dem das Wohl der wirtschaftlich Benachteiligten sehr am Herzen lag. Er erließ bestimmte Gesetze zu ihrem Schutz und ihrer Versorgung.

      Es handelt sich um den Herrscher, der die Israeliten vor rund 3 500 Jahren aus Ägypten befreite und sie während ihrer 40jährigen Wanderung durch die Wildnis durch ein Wunder mit Manna versorgte. Dieser unsichtbare König achtete darauf, daß jeder das zum Leben Notwendige hatte (2. Mose 16:18; vergleiche 2. Korinther 8:15).

      Als die Israeliten später in das Land der Verheißung gelangten, wurden die Bedürftigen durch göttliche Gesetze geschützt. Wer in Not geraten war, konnte zinslos Geld leihen. Die Armen durften auf den Feldern und in den Obst- und Weingärten Nachlese halten. Und die Besitzer mußten den Nachlesenden etwas übriglassen. Überdies gebot Gott den wohlhabenderen Israeliten, ‘ihre Hand für die Niedergedrückten im Land freigebig zu öffnen’ (5. Mose 15:7-11).

      Gott verwaltete Israel auf eine Weise, daß das Volk gedeihen konnte, vorausgesetzt, es befolgte seine Anweisungen. Von seinen Vertretern, wie König Salomo, wurde erwartet, daß sie sein Beispiel nachahmten. Über Salomo schrieb der Psalmist: „Den Benachteiligten soll er Recht verschaffen und den Bedürftigen Hilfe bringen ... Er rettet die Bedürftigen, die zu ihm schreien, die Entrechteten, die keinen Helfer haben. Er kümmert sich um die Schwachen und Armen ..., denn vor ihm hat ihr Leben einen Wert“ (Psalm 72:4, 12-14, Die Bibel in heutigem Deutsch).

      Doch Gott wies in seinem Wort auf eine spätere ernste Teuerungskrise hin. Die Bibel sagt die schlechte Wirtschaftslage, unter der die Menschheit schließlich leiden würde, wie folgt voraus: „Für den Lohn eines ganzen Arbeitstages gibt es ein Kilo Weizen oder drei Kilo Gerste“ (Offenbarung 6:6, Hoffnung für alle). In genau dieser Lage befinden sich heute viele Arme der Welt. Der Lohn eines ganzen Arbeitstages reicht nicht einmal für eine einzige Mahlzeit.

      Eine echte Erholung der Wirtschaft in Sicht

      Willy Brandt zeigte einmal den einzigen Ausweg aus dieser beklagenswerten Situation auf. Er sagte: „Es muß ein wachsendes Bewußtsein dafür geben, daß arme und reiche Länder ... durch ihr gemeinsames Interesse am Überleben miteinander verbunden sind und daß Lösungen nur zu verwirklichen sind, wenn man einen weitsichtigen und weltweiten Ansatz verfolgt.“

      Genau das hat Gott im Sinn — einen weitsichtigen und weltweiten Ansatz. Im Gegensatz zu menschlichen Herrschern hat Gott sowohl den Willen als auch die Möglichkeit, eine weltweite Erholung der Wirtschaft zu bewirken.

      In derselben Prophezeiung, in der wirtschaftliche Not angekündigt wird, weist er auf den von ihm eingesetzten Herrscher hin, der imstande ist, Abhilfe zu schaffen. Er wird als Reiter auf einem „weißen“ Pferd beschrieben, der ‘siegend auszieht’. Es ist Jesus Christus, der in kurzem ‘siegen’ wird, um Gottes Königreichsherrschaft auszudehnen — eine einzige Regierung über die ganze Menschheit. Dieses Königreich in den Händen Jesu Christi ist Gottes Lösung für alle Probleme, die Teuerungskrise eingeschlossen (Offenbarung 6:2; vergleiche Daniel 2:44).

      In bezug auf die Untertanen dieser Königreichsherrschaft, die in der Prophezeiung Jesajas als „neuer Himmel“ bezeichnet wird, verheißt Gott: „Sie werden sich nicht vergeblich abmühen. Die Frauen gebären ihre Kinder nicht länger für eine Zukunft voller Schrecken.“ „Meine Diener ... bekommen zu essen und zu trinken ... Sie werden jubeln vor Freude“ (Jesaja 65:13, 14, 17, 23, Die Bibel in heutigem Deutsch).

      Millionen, die sich heute vergeblich abmühen, schöpfen aus diesen Worten Mut. In Gottes neuer Welt werden ihre Kinder keine Not leiden. Die Sorgen wegen der Lebenshaltungskosten werden der Freude am Leben weichen.

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