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Drogen erobern die WeltErwachet! 1999 | 8. November
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EIN Neugeborenes in einem Krankenhaus in Madrid schreit zum Herzerweichen. Eine Krankenschwester bemüht sich verzweifelt, aber vergeblich, es zu beruhigen. Das Baby leidet qualvoll an Heroinentzugserscheinungen. Schlimmer noch, es ist HIV-positiv. Seine Mutter ist heroinsüchtig.
In Los Angeles fährt eine Mutter mit ihrem Auto versehentlich in ein Viertel, das von einer Drogenhändlerbande kontrolliert wird. Sie gerät in einen Kugelhagel, in dem ihre kleine Tochter getötet wird.
Tausende Kilometer entfernt, in Afghanistan, baut ein Landwirt auf seinem Feld Mohn an. Es war ein gutes Jahr; der Ertrag ist um 25 Prozent gestiegen. Die Familie des Landwirts kämpft ums Überleben, und Schlafmohn erzielt gute Preise. Allerdings werden die hübschen Mohnpflanzen zu Heroin verarbeitet, und Heroin zerstört Leben.
In Sydney (Australien) besucht ein schüchternes Mädchen im Teenageralter jeden Samstagabend eine Diskothek. Es fiel ihr immer schwer, sich unter Leute zu mischen, doch seit kurzem ist sie dank einer Pille namens Ecstasy mutiger geworden. Die Pillen, die sie nimmt, sind aus den Niederlanden nach Australien geschmuggelt worden, aber zunehmend beliefern auch einheimische Drogenlabors den Markt. Ecstasy läßt die Musik besser klingen, und das Mädchen verliert die Hemmungen. Sie kommt sich sogar attraktiver vor.
Für Manuel, einen markigen Bauern, der seinem kleinen Hof in den Anden seinen Lebensunterhalt abringt, wurde das Leben ein wenig leichter, als er anfing, Koka anzupflanzen. Manuel würde gern wieder damit aufhören, aber er befürchtet, dadurch den Zorn der skrupellosen Männer heraufzubeschwören, die den Kokaanbau in seiner Gegend kontrollieren.
Hinter der Drogenepidemie, die auf der ganzen Welt wütet, verbergen sich unzählige Schicksale wie die oben geschilderten.a Drogen ergreifen unerbittlich vom Leben der Betroffenen Besitz, seien es Konsumenten, Erzeuger oder auch völlig Unbeteiligte.
Wie groß ist das Drogenproblem?
Kofi Annan, der UN-Generalsekretär, bemerkte: „Drogen reißen unsere Gesellschaft auseinander, bilden den Nährboden für Verbrechen, verbreiten Krankheiten wie Aids und vernichten unsere Jugend und unsere Zukunft.“ Weiter sagte er: „Heute gibt es schätzungsweise 190 Millionen Drogenkonsumenten weltweit. Kein Land ist gegen die Drogengefahr immun. Kein Land kann allein gegen den Drogenhandel innerhalb seiner Grenzen ankämpfen. Die Globalisierung des Drogenhandels erfordert international Reaktionen.“
Verschlimmert wird die Situation noch durch Designerdrogenb, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind. Diese synthetischen Chemikalien sollen den Konsumenten „high“ machen, in ihm ein rauschhaft gesteigertes Hochgefühl erzeugen. Designerdrogen lassen sich praktisch überall mit wenig Aufwand und geringen Kosten herstellen, so daß es Strafverfolgungsbehörden so gut wie unmöglich ist, sie in den Griff zu bekommen. 1997 wies die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen besorgt darauf hin, daß diese synthetischen Drogen in vielen Ländern mittlerweile zur „gängigen Konsumentenkultur“ gehören und als „ernstzunehmende Bedrohung der internationalen Gemeinschaft im kommenden Jahrhundert“ anzusehen sind.
Die neueren Drogen wirken nicht weniger stark als ihre Vorgänger. Crack-Kokain macht noch stärker abhängig als Kokain. Produkte aus neuen Hanfsortenc wirken stärker halluzinogen, und eine neue Designerdroge namens „Ice“ zählt vermutlich zu den am zerstörerischsten wirkenden Drogen, die es überhaupt gibt.
Geld und Macht durch Drogen
Wenn auch die Anzahl der Drogenkonsumenten vergleichsweise gering ist, reicht sie doch aus, Drogenbaronen — denen, die die Herstellung und Verbreitung von Drogen organisieren — zu unglaublich großer Macht zu verhelfen. Diese gewissenlosen Personen betreiben ein Geschäft, das sich zum einträglichsten und praktisch größten auf der ganzen Welt entwickelt hat. Vermutlich etwa 8 Prozent des gesamten internationalen Handels entfallen auf Drogengeschäfte; das sind ungefähr 400 000 000 000 Dollar pro Jahr. Mit den Drogengeldern, die weltweit in Umlauf kommen, füllen sich Verbrecher ihre Taschen, lassen sich Polizisten bestechen, Politiker kaufen, und sogar der Terrorismus wird damit finanziert.
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Wie sich unerlaubte Drogen auf unser Leben auswirkenErwachet! 1999 | 8. November
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Leicht verdientes Geld durch Drogenhandel — die unwiderstehliche Versuchung
Traut man sich in seiner Wohngegend nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße, kann das durchaus am Drogenhandel liegen. Raubüberfälle und gewalttätige Auseinandersetzungen auf den Straßen gehen Hand in Hand mit dem Drogenhandel. Um ihre Sucht zu finanzieren, verlegen sich Drogenabhängige häufig auf Verbrechen oder Prostitution; gleichzeitig gehen rivalisierende Banden über Leichen in dem Kampf, sich die Kontrolle über die Verteilung der Drogen zu sichern. Daß nach Meinung der Strafverfolgungsbehörden in vielen Städten bei den meisten Morden, die sie aufzuklären haben, Drogen im Spiel sind, ist nachvollziehbar.
In manchen Ländern haben Aufständische ebenfalls erkannt, welche Vorteile sich herausschlagen lassen, wenn sie in den lukrativen Handel mit Rauschgift einsteigen. Eine große Guerillaorganisation in Südamerika bezieht mittlerweile die Hälfte ihrer Einkünfte daraus, daß sie Drogenschmugglern Schutz gewährt. „Einige der am heftigsten tobenden religiösen und ethnischen Konflikte in der Welt werden durch Einkünfte aus dem Handel mit unerlaubten Drogen finanziert“, berichtet das Internationale Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen.
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Wie sich unerlaubte Drogen auf unser Leben auswirkenErwachet! 1999 | 8. November
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Korruption und Umweltschäden
Genauso, wie Familien durch Drogen zerrüttet werden, lassen sich auch Regierungen durch dieses Problem erschüttern. Statt durch Drogen selbst wird das System auf diesem Gebiet durch Drogengelder vergiftet. Ein Botschafter eines südamerikanischen Landes klagte: „Drogen haben zu Korruption unter Regierungsbeamten, bei der Polizei und in der Armee geführt.“ Weiter sagte er, die im Umlauf befindlichen Geldmengen seien „einfach eine zu große Versuchung“ für die, die gerade genug verdienten, um zu überleben.
In einem Land nach dem anderen haben sich Richter, Bürgermeister, Polizisten und sogar Drogenfahnder in das Netz der Korruption verstricken lassen. Politiker, deren Wahlkampf womöglich von Drogenbaronen finanziert wurde, stellen sich taub, wenn dazu aufgerufen wird, entschieden gegen den Drogenschmuggel vorzugehen. Nicht wenige ehrliche Beamte, die mutig gegen Drogen ins Feld zogen, wurden ermordet.
Selbst der Erdboden und die Wälder sowie die darin lebenden Tierarten haben unter der weltweiten Drogenplage zu leiden. Die Herstellung von Opium und Kokain findet zu großen Teilen in zwei Regionen statt, die zu den ökologisch sensibelsten gehören: in den Regenwäldern des westlichen Amazonasgebiets sowie Südostasiens. In diesen Gegenden sind große Verwüstungen angerichtet worden. Und selbst lobenswerte Bemühungen, den Anbau unerlaubter Drogen zu unterbinden, rufen schwere Schäden hervor, weil dabei hochgiftige Unkrautvertilgungsmittel eingesetzt werden.
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