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Warum eine Geißel unserer Zeit?Erwachet! 1990 | 22. Dezember
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Immer mehr Fälle von Eßstörungen
Die meisten Experten berichten über eine Zunahme der Eßstörungen, und manche sprechen sogar von einer Epidemie. In einem Artikel, überschrieben „Eßstörungen: Folgen für die 90er Jahre“, erklärten Forscher, daß diese Störungen „seit 1970 drastisch zugenommen haben und nun in den Krankenhausalltag eingekehrt sind“. Wie verlautet, sterben jährlich 150 000 an Komplikationen, die auf Magersucht oder Freß-Brech-Sucht zurückgehen.
Ann hingegen ist völlig geheilt. Sie hatte Glück. Bei 21 Prozent der Betroffenen führt die Magersucht zum Tod. Bulimie geht häufig mit Selbstmordgedanken einher, und verschiedene Ärzte berichten, daß ein Drittel ihrer Patientinnen Selbstmordversuche unternommen haben.
Eßstörungen kommen in allen Altersstufen, in allen ethnischen und rassischen Gruppen und in allen sozialen Schichten vor. Diese Geißel greift in vielen Industrieländern um sich. Aus Japan wird ein „drastischer“ Anstieg seit 1981 gemeldet. In Schweden, Großbritannien, Hongkong, Südafrika, Australien und Kanada ist ebenfalls eine Zunahme zu verzeichnen.
Doch warum sind Eßstörungen, obwohl schon seit Hunderten von Jahren bekannt, im 20. Jahrhundert zu einer Epidemie geworden?
Der „Schlankheitskult“
Nach 40 Jahren Forschung schrieb Dr. Hilde Bruch: „Ich bin geneigt, eine Verbindung zu vermuten zwischen der Magersucht und dem von der Mode so ungeheuer betonten Schlanksein. ... Zeitschriften und Filme verbreiten die gleiche Botschaft. Am aufdringlichsten ist jedoch das Fernsehen, das seinen Zuschauern Tag für Tag einhämmert, nur wenn man schlank sei, werde man geliebt und geachtet.“
Vor dem Jahr 1900 war das Tragen modischer Kleidung hauptsächlich den Wohlhabenden vorbehalten. Doch nach dem Ersten Weltkrieg (1914—18) wurde durch das Aufkommen von Kaufhäusern, Frauenzeitschriften und der Modefotografie unter den Frauen ein vermehrtes Interesse an der Mode geweckt. Schicke neue Mode wurde massenweise in Standardgrößen angefertigt. Aber um sie tragen zu können, mußte eine Frau die „richtige“ Figur haben. Figurprobleme waren nun für Frauen, die nicht in solche moderne Kleidung hineinpaßten, frustrierend und peinlich.
Dann wurde in Amerikas erstem Bestseller über Ernährung (1918) Gewichtskontrolle mit Selbstachtung in Verbindung gebracht. Übergewicht bei Frauen wurde als Charakterschwäche und als gesellschaftlicher Makel angesehen. In ihrem Buch Fasting Girls schreibt Joan Brumberg über die Folgen: „In den 20er Jahren war die äußere Erscheinung wichtiger als der Charakter, da die sexuelle Anziehungskraft als ‚strahlender Schmuck‘ der Frau an die Stelle der Religiosität trat. ... Viele übernahmen die Vorstellung, das Selbstwertgefühl sei an Körpergröße und Figur zu messen.“
So entstand ein Schlankheits- und Schönheitswahn. Heute halten ständig schätzungsweise 50 Prozent der Amerikanerinnen Diät, zumeist um ihres Aussehens willen. Bei einer von der Zeitschrift Glamour gestarteten Umfrage wurden 33 000 Frauen gefragt: „Was würde Sie am glücklichsten machen?“ 42 Prozent antworteten: „Abnehmen.“ Das war fast doppelt soviel wie bei den anderen Antwortmöglichkeiten, von denen eine lautete: „Beruflicher Erfolg“.
Heute, zu Beginn der 90er Jahre, ist Schlankheit ein Symbol für Stärke, Leistung und Attraktivität geworden. „Bei unserem anhaltenden und übertriebenen Schlankheitskult ist es kein Wunder, daß viele junge Frauen aus dem Abnehmen eine Religion machen“, erklärt J. Brumberg. Eine offensichtliche Folge? Die Epidemie der Eßstörungen.
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Warum eine Geißel unserer Zeit?Erwachet! 1990 | 22. Dezember
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Bulimie kennzeichnet sich durch wiederholte Freßanfälle. Es werden riesige Nahrungsmengen in kurzer Zeit unbeherrscht hinuntergeschlungen. Darauf versucht der Betreffende, die Kalorien durch selbst herbeigeführtes Erbrechen, abführende und harntreibende Mittel oder anstrengende Übungen wieder loszuwerden. Er ist ständig um seine Figur und sein Gewicht besorgt.
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Warum eine Geißel unserer Zeit?Erwachet! 1990 | 22. Dezember
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Bulimie
Unregelmäßige Menstruation, Muskelschwäche und Krämpfe, Dehydratation, Benommenheit, Zahnschmelzschäden, Kälteempfindlichkeit, Erschöpfung, Verdauungsbeschwerden, unregelmäßiger Herzschlag, der zu einem plötzlichen Herzanfall führen kann, Risse und Blutungen in der Speiseröhre, Unterleibsschmerzen.
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