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Anorexia und Bulimie — Fakten und GefahrenErwachet! 1999 | 22. Januar
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Anorexia — sich zu Tode hungern
Anorektiker, also Personen, die an Anorexia leiden, weigern sich entweder zu essen oder essen so kleine Portionen, daß sie unterernährt sind. So erzählt die 17jährige Antoinette beispielsweise, ihr Gewicht sei irgendwann auf 37 Kilogramm gesunken — ein ziemlich niedriges Gewicht für eine Jugendliche mit 1,70 Meter Größe. „Ich habe am Tag nicht mehr als 250 Kalorien zu mir genommen und über alles, was ich gegessen habe, Buch geführt“, sagt sie.
Bei Anorektikern drehen sich die Gedanken ständig ums Essen, und sie tun alles Erdenkliche, um nicht zuzunehmen. „Ich fing damit an, das Essen in die Serviette zu spucken, wobei ich so tat, als ob ich mir den Mund abwischen würde“, erzählt Heather. Susan trainierte hart, um ihr Gewicht niedrig zu halten. „Fast jeden Tag ging ich 12 Kilometer joggen oder eine Stunde lang schwimmen. Wenn ich das nicht tat, wurde mir angst und bange, und ich hatte ein entsetzliches Schuldgefühl. Mein größtes Vergnügen — und gewöhnlich auch mein einziges echtes Vergnügen — war es, jeden Morgen auf die Waage zu steigen und zu sehen, daß mein Gewicht weit unter 45 Kilogramm lag.“
Paradoxerweise sind etliche Anorektikerinnen ausgezeichnete Köchinnen und servieren exquisite Mahlzeiten, die sie selbst nicht anrühren. „In meiner schlimmsten Zeit“, sagt Antoinette, „bereitete ich zu Hause jede einzelne Abendmahlzeit zu und packte für meinen kleinen Bruder und meine kleine Schwester die Lunchpakete zusammen. Ich ließ sie nicht einmal in die Nähe des Kühlschranks. Die Küche war mein Revier.“
Gemäß dem Buch A Parent’s Guide to Anorexia and Bulimia bekommen einige Anorektikerinnen „einen regelrechten Ordnungsfimmel und verlangen bisweilen von der ganzen Familie, daß sie ihren unrealistisch hohen Erwartungen gerecht wird. Keine Zeitschrift, kein Paar Hausschuhe und keine Kaffeetasse darf auch nur einen Moment lang am falschen Platz liegen oder stehen. Noch besessener sind sie unter Umständen von ihrer persönlichen Hygiene und ihrem Aussehen, was bedeutet, daß sie sich stundenlang im Badezimmer einschließen und niemand anders hereinlassen, auch wenn sich derjenige für die Schule oder die Arbeit fertig machen muß.“
Wie entsteht diese ungewöhnliche Krankheit, die den Namen Anorexia trägt? Charakteristisch für die Krankheit ist, daß eine Jugendliche oder eine junge Frau — zumeist handelt es sich um das weibliche Geschlecht — damit beginnt, eine bestimmte Anzahl Kilogramm abzunehmen. Hat sie ihr Ziel erreicht, ist sie jedoch nicht zufrieden. Wenn sie in den Spiegel schaut, findet sie sich nach wie vor dick und beschließt, besser noch ein paar Kilogramm abzunehmen. Diese Entwicklung setzt sich immer weiter fort, bis das Gewicht der Diäthaltenden mindestens 15 Prozent niedriger ist als das Normalgewicht für ihre Größe.
An diesem Punkt fangen Freunde und Familienangehörige an, ihre Besorgnis zu äußern und der Diäthaltenden zu sagen, sie sehe extrem dünn aus, ja abgemagert. Aber Anorektiker sehen das anders. „Ich fand nicht, daß ich dürr aussah“, sagt Alan, ein 1,75 Meter großer Anorektiker, der irgendwann nur noch 33 Kilogramm wog. „Je mehr man abnimmt, um so verzerrter und undeutlicher wird das Bild, das man von sich hat“, meint er.a
Mit der Zeit kann Anorexia zu schweren gesundheitlichen Problemen wie Osteoporose und Nierenschäden führen. Sie kann sogar lebensbedrohlich werden. „Mein Arzt hat zu mir gesagt, ich hätte meinem Körper so viele Nährstoffe verweigert, daß ich an Unterernährung gestorben wäre, wenn ich noch zwei Monate lang so weitergemacht hätte“, erzählt Heather. Nach einem Bericht im Harvard Mental Health Letter sterben in einem Zeitraum von 10 Jahren 5 Prozent der Frauen, bei denen Anorexia diagnostiziert wurde.
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Anorexia und Bulimie — Fakten und GefahrenErwachet! 1999 | 22. Januar
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a Wie einige Experten sagen, kann ein 20- bis 25prozentiger Verlust des Gesamtgewichts chemische Veränderungen auslösen, die unter Umständen bewirken, daß die Wahrnehmung des Betreffenden verzerrt ist und er Fett sieht, wo gar kein Fett ist.
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