‘Die Zeit auskaufen’ — in Italien
ALS sich der Apostel Paulus in Rom aufhielt, forderte er seine Mitchristen durch zwei Briefe auf, ‘die gelegene Zeit auszukaufen’ (Epheser 5:15, 16; Kolosser 4:5). Damals, im ersten Jahrhundert, reagierten die Leser der Briefe positiv darauf. Sie nutzten die gelegene Zeit, indem sie die „gute Botschaft“ verbreiteten und anderen halfen, Anbeter des wahren Gottes zu werden (Matthäus 24:14).
Auch die neuzeitlichen Diener Jehovas in Italien, von wo aus Paulus die betreffenden Briefe schrieb, reagieren günstig auf diesen Rat. Wie die ersten Christen halten sie nach Möglichkeiten Ausschau, ihren Anteil am Königreichspredigtwerk zu vergrößern. Wie finden sie die „gelegene Zeit“ dazu?
Der Nutzen, wenn man sich als Zeuge Jehovas zu erkennen gibt
Giuseppe, ein älterer Vollzeitverkündiger der Zeugen Jehovas aus Rom, erinnert sich an die Zeit, wo er noch einer weltlichen Arbeit nachging. Er hatte alle Kollegen wissen lassen, daß er ein Zeuge Jehovas ist. Aufgrund dieses freimütigen Bekenntnisses ergab sich für ihn die „gelegene Zeit“, über biblische Wahrheiten zu sprechen. Eines Tages beauftragte man ihn nämlich, einen Mann namens Gianni zu schulen. Dieser wurde von den anderen Arbeitern sofort darauf aufmerksam gemacht, daß sein Unterweiser ein Zeuge Jehovas sei. Als Gianni mit Giuseppe allein war, sagte er zu ihm: „Jetzt reden wir über unsere Arbeit, und in der Mittagspause möchte ich etwas über Jehova erfahren.“
In den folgenden Tagen nutzten sie die Mittagspausen für mehrere Gespräche. Giuseppe sagte Gianni zum Beispiel, daß Gottes Name Jehova lautet. Er erklärte ihm auch Gottes Vorsatz bezüglich der Erde. Was geschah jedoch, als Giannis Schulung beendet war? „Ich gab ihm meine Telefonnummer und überreichte ihm biblische Literatur“, erzählt Giuseppe. „Als er die Literatur entgegennahm, sagte er: ‚Wenn ich in diesen Publikationen irgend etwas finde, was mit der Bibel nicht übereinstimmt, werde ich zurückkommen und Sie vor allen Kollegen als Lügner bloßstellen.‘“
Monate vergingen. Gianni ließ nichts von sich hören. „Aber dann“, fährt Giuseppe fort, „rief er mich eines Tages an und fragte, ob wir uns treffen könnten, und wir verabredeten uns. Er hatte eine lange Liste von Fragen. Die Unterhaltung dauerte zehn Stunden! Ich bot ihm ein regelmäßiges Bibelstudium an, und er willigte ein.“ Was war das Ergebnis? Giuseppe sagt: „Er hatte sich so sehr zu seinem Vorteil verändert, daß seine Frau und seine Mutter wirklich beeindruckt waren und auch Interesse an einem Bibelstudium bekundeten. Heute sind Gianni, seine Frau und seine Mutter treue Diener Jehovas.“
Man zwang ihn, seine Bibel zu verbrennen
Ein vortrefflicher christlicher Lebenswandel kann ebenfalls dazu beitragen, daß man „gelegene Zeit“ hat, mit anderen über biblische Wahrheiten zu sprechen. Wie der Apostel Paulus sagte, kann ein guter Wandel „die Lehre unseres Retters, Gottes, in allen Dingen schmücken“ (Titus 2:10).
Pietro, heute ein Zeuge Ende Zwanzig, wurde durch das christliche Verhalten eines Klassenkameraden von dieser „Lehre“ angezogen. „Damals war ich in der fünften Klasse“, berichtet Pietro. „Ich kann mich noch daran erinnern, wie sich der Junge verhielt. Er war der einzige, der den Klassenraum verließ, wenn wir Religionsunterricht hatten.“
Eines Tages fragte Pietro den Jungen, warum er stets hinausgehe. Dieser erklärte, daß er als Zeuge Jehovas vom Unterricht befreit sei. Pietros Interesse war geweckt. Er bat den Jungen, ihm eine Bibel zu besorgen. Nachdem Pietro einiges in der Bibel gelesen hatte, war er überzeugt, daß sie die Wahrheit enthielt. „Ich entschloß mich, die Grundsätze der Bibel ab sofort zu befolgen. Sogar in die Schule nahm ich sie mit und sagte jedem, ich sei ein Zeuge Jehovas. Damals war ich erst zehn Jahre alt.“
Doch dann begannen die Schwierigkeiten. Pietro berichtet weiter: „Der Priester, der in der Schule Religionsunterricht erteilte, sagte meinen Eltern, daß ich in der Schule die Bibel gebrauchte, und riet ihnen, sie zu vernichten. Als ich nach Hause kam, versuchte meine Mutter, mir die Bibel wegzunehmen, aber ich hielt sie so fest, wie ich konnte. Daraufhin schlug sie auf mich ein und riß sie mir aus den Händen. Dann zwang sie mich, meine eigene Bibel zu verbrennen.“ Pietro verlor zwar seine Bibel, nicht aber seinen Glauben. Er dachte bei sich: „Wenn ich erwachsen bin, kaufe ich mir eine neue Bibel, und ich werde zu anderen gehen und ihnen von ihrer Botschaft erzählen.“
Zwei Jahre vergingen. Dann erfuhr Pietro, daß bei einem Freund ein Bibelstudium durchgeführt wurde. Heimlich besuchte er das Studium. „Eines Tages“, erzählt Pietro, „erklärte ich meinen Eltern: ‚Ich will ein Zeuge Jehovas werden. Diesmal lasse ich mich durch nichts daran hindern!‘“ Als die Eltern die Entschlossenheit ihres 12jährigen Sohnes sahen, gaben sie nach. Pietro begann sofort, die Zusammenkünfte im Königreichssaal zu besuchen. Vier Jahre später ließ er sich als Zeuge Jehovas taufen. Heute, 18 Jahre nachdem er die Wahrheit der Bibel aufgrund des treuen Wandels seines Klassenkameraden kennengelernt hat, ist Pietro bemüht, die ‘gelegene Zeit auszukaufen’, indem er in Italien als Vollzeitverkündiger dient.
Mit siebzig noch voller Eifer
Mafalda, eine Christin aus Livorno, gehört ebenfalls zu den über 22 000 eifrigen Pionieren oder Vollzeitverkündigern in Italien. Im Alter von 56 Jahren nahm sie den Pionierdienst auf. „Ein Pionier“, erklärt sie, „soll im Jahr wenigstens 1 000 Stunden auf den Predigtdienst verwenden. Da die Botschaft jedoch so wichtig ist, setze ich im Pionierdienst jedes Jahr 2 000 Stunden ein.“ Heute ist Mafalda 70 Jahre alt. Wie sehen ihre Pläne aus? „Unter den ersten Christen gab es hart arbeitende Hausfrauen, die sich am Dienst beteiligten“, sagt sie. „Wie sie möchte ich fortfahren, Gottes Königreich zu verkündigen. Das ist mein Lebensinhalt.“
Von den schneebedeckten Alpengipfeln im Norden bis zur Mittelmeerinsel Sizilien im Süden spiegeln die neuzeitlichen Zeugen Jehovas in Italien den Eifer ihrer Vorbilder aus dem ersten Jahrhundert wider. Jeden Tag des Jahres verbringen sie durchschnittlich über 100 000 Stunden im Königreichspredigtwerk. Was wurde dadurch erreicht? Allein im letzten Jahr ließen sich fast 12 000 Personen taufen und wurden ordinierte Diener Jehovas. Zusammen mit den 131 000 anderen Zeugen Jehovas in Italien bemühen sie sich jetzt, die ‘gelegene Zeit auszukaufen’.