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Frauen — Werden sie in der Familie respektiert?Erwachet! 1992 | 8. Juli
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Frauen geht die Arbeit nie aus
Oft wird gesagt, daß Frauen die Arbeit nie ausgeht. Darin liegt eine Wahrheit, die Männer häufig übersehen. Eine Frau, die Kinder hat, kann sich im Gegensatz zu Männern den Luxus einer festen Arbeitszeit von 8 bis 17 Uhr nicht leisten. Wer kümmert sich um das Baby, wenn es nachts schreit? Wer putzt, wäscht und bügelt? Wer bereitet und serviert dem Mann seine Mahlzeit, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt? Wer wäscht nach dem Essen ab und macht die Kinder fürs Bett fertig? Von wem wird außerdem in vielen Ländern erwartet, Wasser herbeizuschaffen und sogar mit dem Baby auf dem Rücken auf dem Feld zu arbeiten? Normalerweise immer von der Mutter. Sie arbeitet nicht nur 8 oder 9 Stunden am Tag, sondern meistens 12 bis 14 oder noch mehr. Die Überstunden bekommt sie allerdings nicht bezahlt — und nur allzuoft hört sie nicht einmal ein Dankeschön!
Gemäß der Zeitschrift World Health wird in Äthiopien von vielen Frauen verlangt, „16 bis 18 Stunden täglich zu arbeiten, und sie erhalten dermaßen wenig Lohn, daß sie weder sich noch ihre Familie ernähren können. ... Der Hunger ist ihr täglicher Begleiter; in der Regel bekommen sie [Brennholzsammlerinnen und -trägerinnen] nur einmal täglich eine unzureichende Mahlzeit und verlassen ihr Zuhause, ohne gefrühstückt zu haben.“
Siu, die aus Hongkong stammt und seit 20 Jahren verheiratet ist, meint: „Bei den Chinesen diskriminieren Männer gern Frauen, indem sie sie entweder als Haushaltshilfe und Kindergebärerin betrachten oder als Geliebte, Spielzeug oder Lustobjekt. Wir Frauen möchten aber, daß man mit uns wie mit intelligenten Geschöpfen umgeht. Wir möchten, daß Männer uns zuhören, wenn wir sprechen, und uns nicht lediglich als Dummerchen behandeln!“
Es ist daher nicht verwunderlich, daß man in dem Buch Mann und Frau lesen kann: „Überall, selbst dort, wo Frauen gesellschaftlich sehr anerkannt sind, werden die von Männern ausgeübten Tätigkeiten höher eingeschätzt als diejenigen, die Frauen ausüben. Dabei ist es vollkommen belanglos, wie die Rollen- und Aufgabenverteilung in der jeweiligen Gesellschaft aussieht; was Männer machen, zählt in den Augen der Gemeinschaft einfach mehr.“
Tatsache ist, daß die häusliche Rolle der Frau gewöhnlich für selbstverständlich gehalten wird. Im Vorwort des Buches The World’s Women—1970-1990 heißt es: „Im allgemeinen fällt es nicht auf, was Frauen für die Familie, die Wirtschaft und im Haushalt tun und unter welchen Bedingungen sie leben. Viele Statistiken werden erstellt, die die Lebensbedingungen und Beiträge von Männern, nicht von Frauen, wiedergeben oder die das Geschlecht einfach ignorieren. ... Ein Großteil der von Frauen verrichteten Arbeit wird noch immer als von keinem wirtschaftlichen Nutzen betrachtet — und wird gar nicht erst gewertet.“
Der nordamerikanische Autor Gerald W. Johnson gab 1934 wieder, wie man damals über Frauen am Arbeitsplatz dachte: „Oftmals erhalten Frauen den Arbeitsplatz eines Mannes, aber nur selten auch dessen Lohn. Das liegt daran, daß ein Mann jede alltägliche Arbeit besser erledigt als eine Frau. Die bekanntesten Schneider und Hutmacher sind Männer ... Die berühmtesten Köche sind durchweg Männer. ... Gerade heutzutage ist es eine Tatsache, daß jeder Arbeitgeber einem Mann für die gleiche Arbeit bereitwillig mehr Geld zahlt als einer Frau, weil er allen Grund zu der Annahme hat, daß der Mann sie besser ausführen wird.“ Dieser wenn auch etwas hintergründige Kommentar spiegelt die damaligen Vorurteile wider, die jedoch immer noch im Kopf vieler Männer vorherrschen.
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Frauen — Werden sie am Arbeitsplatz respektiert?Erwachet! 1992 | 8. Juli
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Frauen — Werden sie am Arbeitsplatz respektiert?
„Die Mehrheit der Männer betrachtete Frauen als Freiwild — ob diese ledig oder verheiratet waren“ (Jenny, die früher als Rechtsanwaltssekretärin gearbeitet hat).
„Krankenhäuser sind als Ort für sexuelle Belästigungen und Mißhandlungen von Frauen bekannt“ (Sara, eine Krankenschwester).
„Immer wieder wurden mir bei der Arbeit unsittliche Anträge gemacht“ (Jean, eine Krankenschwester).
SIND diese Fälle Ausnahmen, oder geschieht so etwas häufiger? Ein Erwachet!-Korrespondent interviewte eine Anzahl Frauen, die schon manche Erfahrungen am Arbeitsplatz gesammelt haben. Behandelten ihre Arbeitskollegen sie respektvoll und mit Würde? Es folgen einige ihrer Kommentare:
Sara, eine Krankenschwester aus New Jersey (USA), die neun Jahre in amerikanischen Militärkrankenhäusern gearbeitet hat, sagt: „Als ich in San Antonio (Texas) arbeitete, wurde in der Abteilung für Nierendialyse eine Stelle frei. Ich fragte eine Gruppe von Ärzten, was ich tun müßte, um die Stelle zu bekommen. Einer grinste und sagte: ‚Geh mit dem Chefarzt ins Bett.‘ Ich erwiderte: ‚Wenn das so ist, verzichte ich auf die Stelle.‘ So etwas passiert oft, wenn es um Beförderung oder Stellenvergabe geht. Die Frau muß den Wünschen des sexgierigen Mannes, der das Sagen hat, nachgeben.
Bei einer anderen Gelegenheit war ich gerade auf der Intensivstation und legte einem Patienten eine Infusion an, als der Arzt kam und mich in den Hintern kniff. Ich lief wütend in ein Nachbarzimmer, er kam aber hinterher und sagte etwas Unanständiges. Ich schlug ihn, so daß er beim Mülleimer landete! Daraufhin ging ich sofort zum Patienten zurück. Es erübrigt sich wohl zu sagen, daß der Arzt mich nie wieder belästigte.“
Miriam, eine verheiratete Frau aus Ägypten, die früher in Kairo als Sekretärin gearbeitet hat, beschreibt die Situation der Frauen im moslemischen Ägypten: „Die Frauen kleiden sich bescheidener als in westlichen Kreisen. Mir ist nicht bekannt, daß an meinem Arbeitsplatz jemand sexuell belästigt wurde. Dafür ist es in der Kairoer U-Bahn so schlimm, daß der erste Wagen jetzt ausschließlich für Frauen reserviert ist.“
Jean, eine ruhige, aber entschlossene Frau, die 20 Jahre Krankenschwester war, erzählt: „Ich achtete streng darauf, nie mit einem Arbeitskollegen auszugehen. Aber trotzdem, ob ich nun mit einem Arzt oder einem Krankenpfleger zu tun hatte, immer wurde ich belästigt. Sie dachten stets, sie seien psychologisch im Vorteil. Gingen wir Krankenschwestern nicht auf die sexuellen Wünsche der Krankenpfleger ein, dann waren sie plötzlich nicht aufzufinden, wenn sie uns helfen sollten, einen Patienten aufs Bett zu heben oder so.“
Jenny arbeitete sieben Jahre als Rechtsanwaltssekretärin. Sie schildert, was sie im Umgang mit Rechtsanwälten beobachtete. „Die Mehrheit der Männer betrachtete Frauen als Freiwild — ob diese ledig oder verheiratet waren. Sie waren der Meinung: ‚Als Rechtsanwälten steht uns eine Menge zu, auch Frauen.‘“ Offensichtlich ist man in anderen Berufsständen derselben Meinung. Was kann eine Frau daher tun, um weniger belästigt zu werden?
Darlene, eine schwarze Amerikanerin, die als Sekretärin und als Empfangsdame in einem Restaurant gearbeitet hat, meint: „Wenn man nicht genau festlegt, wie weit man gehen sollte, kann es böse enden. Fängt ein Mann plötzlich das Necken an, und man geht darauf ein, geraten die Dinge vielleicht sehr schnell außer Kontrolle. Ab und zu mußte ich deutlich meine Meinung sagen, zum Beispiel: ‚Ich würde es schätzen, wenn Sie nicht auf diese Weise mit mir sprechen würden.‘ Oder: ‚Ich finde es ungehörig, wenn Sie mit mir als verheirateter Frau so sprechen, und ich glaube nicht, daß es meinem Mann gefallen würde.‘
Es ist wichtig, sich den Respekt zu verdienen. Meiner Meinung nach tut eine Frau das nicht dadurch, daß sie versucht mitzuhalten, wenn Männer, wie ich es nenne, Umkleideraum-Gespräche führen: sich schmutzige Witze erzählen oder zweideutige Bemerkungen loslassen. Läßt man zu, daß die Grenze zwischen ordentlichem und ungehörigem Reden und Benehmen verwischt, werden einige Männer versuchen, sich darüber hinwegzusetzen.“
Der Tyrann
Connie, die 14 Jahre als Krankenschwester gearbeitet hat, berichtet von einer anderen Form der Belästigung, die vielerorts plötzlich auftreten kann. „Ein Arzt machte mit mir eine ganz normale Visite, um bei den Patienten die Verbände zu wechseln. Ich befolgte alle herkömmlichen Regeln, die ich gelernt hatte. Über alles, was mit Keimfreiheit zu tun hat, weiß ich gut Bescheid. Aber diesem Arzt konnte ich nichts recht machen. Er blaffte mich an und kritisierte meine Arbeit immer mehr. Es kommt sehr oft vor, daß Frauen auf diese Art herabgesetzt werden. Gewisse Männer haben Persönlichkeitsprobleme, und anscheinend müssen sie in der Zusammenarbeit mit Frauen ihre Autorität ausnutzen.“
Sara, die schon zuvor angeführt wurde, hat über dieses Thema auch noch etwas zu berichten. „Ich überprüfte die Lebenszeichen eines Patienten, der operiert werden sollte. Mir war klar, daß seine Verfassung das nicht erlaubte, denn die Form des EKG war absolut unregelmäßig. Ich machte den Fehler und sagte dies dem Chirurgen. Er antwortete wütend: ‚Krankenschwestern sollten sich um Bettpfannen kümmern, nicht um EKGs.‘ Also teilte ich es kurz dem Chefanästhesisten mit, und er erwiderte, daß sein Team unter diesen Umständen nicht mit dem Chirurgen zusammenarbeiten würde. Daraufhin wandte sich der Chirurg unvermittelt an die Frau des Patienten und erzählte ihr, ich sei daran schuld, daß ihr Mann noch nicht operiert worden sei. In solch einer Situation kann eine Frau nichts mehr machen, da sie unabsichtlich eine Bedrohung für das männliche Ego war.“
Frauen sind am Arbeitsplatz eindeutig Belästigungen und demütigenden Behandlungen ausgesetzt.
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