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  • Harte Arbeit — Mit welchen Folgen?
    Erwachet! 1993 | 22. Juni
    • Harte Arbeit — Mit welchen Folgen?

      Von unserem Korrespondenten in Japan

      „‚ENERGIEGETRÄNKE‘, von denen es mehr als 200 Marken mit einem Gesamtjahresumsatz von 900 Millionen Yen gibt, erfreuen sich einer ungeheuren Beliebtheit“, berichtete Japans führende Zeitung Mainichi Daily News. Die Popularität dieser Produkte, die müden Arbeitnehmern einen sofortigen Energieschub versprechen, zeugen, so der Bericht weiter, „von der japanischen Eigenheit, bei der Arbeit trotz Streß, Schlafmangel und stickigem Sommerwetter Leistung bringen zu wollen“.

      Auf der anderen Seite des Pazifiks arbeitet gemäß dem Amerikanischen Amt für Arbeitsstatistik „fast jeder achte Amerikaner 60 oder mehr Stunden in der Woche“. Angestellte im mittleren Management halten es für notwendig, der Arbeit so viel ihrer Zeit und Energie zu widmen, daß diese mitunter zum beherrschenden Faktor in ihrem Leben wird.

      In fast jeder Gesellschaft gilt ausdauernde, gewissenhafte, harte Arbeit als Tugend. Schon vor langer Zeit sagte ein Bibelschreiber: „Für einen Menschen gibt es nichts Besseres, als daß er essen und trinken und seine Seele Gutes sehen lassen sollte wegen seiner harten Arbeit. Auch das habe ich gesehen, ja ich, daß dies von der Hand des wahren Gottes her ist“ (Prediger 2:24). Im großen und ganzen stimmt man überall mit solchen Wertvorstellungen überein. Ob man Arbeit nun als Tugend betrachtet oder nicht: Die meisten Menschen arbeiten von morgens bis abends, und das fünf, sechs oder sogar sieben Tage in der Woche.

      Was wird nun durch all die harte Arbeit erreicht? Neidisch blicken die Entwicklungsländer auf Länder wie Japan und Deutschland mit ihrem „Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Beide Länder erhoben sich aus der Niederlage und wurden zu Wirtschaftsmächten, die eine wichtige Rolle in der Welt spielen. Was hat die Hingabe an die Arbeit jedoch den einzelnen gebracht?

      Obwohl der Lebensstandard in Japan beträchtlich gestiegen ist, finden es doch die meisten Japaner der Mainichi Daily News zufolge „immer noch schwierig, in ihrem täglichen Leben ein echtes Gefühl des Wohlstandes zu empfinden“. Schlimmer noch, viele werden in ihrem ruhelosen Streben nach dem sogenannten guten Leben krank oder sterben sogar an Überarbeitung und Streß. In ähnlicher Weise hatte bei einer Studie in den Vereinigten Staaten ein Drittel von 3 000 Managern das Gefühl, zu hart zu arbeiten, ausgebrannt zu sein und für ihre Arbeit keine Begeisterung empfinden zu können.

      Auch berufstätige Frauen lassen Anzeichen der Überlastung erkennen. Wie eine in Italien durchgeführte Untersuchung ergab, arbeiten dort die berufstätigen Frauen im Durchschnitt 30 Stunden mehr in der Woche als ihre Ehemänner. Zusätzlich zu den vielen Stunden Arbeit in Büro oder Fabrik haben sie sich auch noch nach Feierabend um den Haushalt zu kümmern. Eine Arbeitnehmerin sagte gegenüber der Zeitschrift Europeo: „Mein gesellschaftliches Leben existiert quasi überhaupt nicht. Ich habe keine Zeit für mich selbst. Ich halte das einfach nicht mehr aus.“

      Wie sieht es mit dem Familienleben aus? „Auf der Jagd nach dem ‚American dream‘ opfern wir uns und unsere Familie für Geld und Macht“, sagte Herbert Freudenberger, ein New Yorker Experte auf dem Gebiet der Arbeitsmüdigkeit. Nicht selten fühlen sich die Ehefrauen von britischen Geschäftsleuten isoliert und unglücklich, weil ihr Mann außerhalb arbeitet und von der Arbeit völlig vereinnahmt wird. Doch damit stehen sie keineswegs allein da.

      Wie sehen die Folgen für das Familienleben in Japan aus, wo mehr als die Hälfte der Büroangestellten mittleren Alters nicht vor 20 Uhr nach Hause kommen? Einige Frauen haben ihren Mann als Ehepartner schon aufgegeben; ihnen liegt nichts mehr daran, daß er mehr Zeit zu Hause verbringt als im Moment. In einer Fernsehwerbung wird die Enttäuschung mit folgenden Worten auf den Punkt gebracht: „Ehemänner sind am besten gesund und außer Haus.“

      Dem soeben Gesagten zufolge hat harte Arbeit sowohl eine positive als auch eine negative Seite. Übertreibt man es damit, kann die harte Arbeit eine Belastung werden. Wie kann daher harte Arbeit nicht eine Last, sondern etwas Positives, eine Quelle des Glücks werden?

      Wie ernst ist es andererseits, wenn jemand die Arbeit allem anderen voranstellt oder sich voranbringen will, koste es, was es wolle? Schauen wir uns diese Aspekte der harten Arbeit einmal etwas genauer an.

  • Harte Arbeit — Eine Gefahr für die Gesundheit?
    Erwachet! 1993 | 22. Juni
    • Harte Arbeit — Eine Gefahr für die Gesundheit?

      DER Versicherungsagent im mittleren Alter fiel gegen sein Auto, übergab sich und brach zusammen. Dabei hielt er die Aktentasche, das Symbol seiner Arbeit, fest umklammert. Seine Firma hatte das Motto ausgegeben: „Jetzt ist der entscheidende Punkt. Setz deine Kraft zu 150 Prozent ein.“ Diesem Motto entsprechend hatte er in dem Monat, wo er zusammenbrach, etwa 3 000 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Vier Tage später starb er.

      Das ist kein Einzelfall. „Firmenkrieger“, wie man sie in Japan nennt, werden von einem Alptraum verfolgt, einem Alptraum namens karoshi — dem Tod durch Überarbeitung. Ein Anwalt, der sich auf solche Fälle spezialisiert hat, geht davon aus, daß „in Japan jedes Jahr mindestens 30 000 Karoshi-Opfer zu beklagen sind“. Kein Wunder, daß bei einer kürzlich durchgeführten Umfrage 40 Prozent der japanischen Büroangestellten vor einem möglichen Tod durch Überarbeitung Angst hatten.

      Eine Verbindung zwischen Überarbeitung und gesundheitlichen Problemen mag zwar schwer zu beweisen sein, aber die Angehörigen der Opfer haben wenig Zweifel daran. Tatsächlich wurde die Wendung „Tod durch Überarbeitung“ für Schadensersatzklagen von Hinterbliebenen geprägt. „Medizinisch betrachtet, bezieht sich dies“, wie Tetsunojo Uehata vom Institut für Volksgesundheit in Japan ausführte, „auf den Tod beziehungsweise eine Behinderung durch Gehirnschlag, Herzinfarkt oder durch akutes Herzversagen als Folge einer stark belastenden Arbeit, die Bluthochdruck und Arteriosklerose fördert.“ In einem unlängst erschienenen Bericht des japanischen Ministeriums für Gesundheit und Soziales wurde die Warnung ausgesprochen, ständige Überstunden würden den notwendigen Schlaf rauben und schließlich zu mangelndem Wohlbefinden und zu Krankheiten führen.

      Doch so, wie Raucher es hassen, sich die Gefahren des Rauchens einzugestehen, und Alkoholiker die Gefahren des Trinkens, so erkennen Workaholics auch nur widerwillig die Gefahren an, die von unvernünftig vielen Überstunden ausgehen. Und der Tod ist nicht das einzige Risiko.

      Ausgebrannt und depressiv

      Während einige Workaholics sterben oder Behinderungen davontragen, fühlen sich andere ausgebrannt. „Das Ausgebranntsein ist medizinisch nicht genau definiert“, erklärt die Zeitschrift Fortune, „doch die allgemein akzeptierten Symptome schließen Müdigkeit, Lustlosigkeit, häufiges Fehlen am Arbeitsplatz, zunehmende Gesundheitsprobleme und Drogen- oder Alkoholmißbrauch ein.“ Einige Betroffene verhalten sich ihrer Umwelt gegenüber feindselig, während andere anfangen, nachlässig zu werden und Fehler zu machen. Wie kommt es jedoch dazu, daß sich jemand durch die Arbeit ausgebrannt fühlt?

      Im allgemeinen sind es keine verhaltensgestörten Personen oder solche mit seelischen Problemen. Oft handelt es sich um Menschen, die ihre Arbeit sehr ernst nehmen. Sie mögen hart kämpfen, um den mörderischen Konkurrenzkampf zu überleben, oder sich abplagen, um die Karriereleiter hinaufzuklettern. Sie arbeiten lange und hart und versuchen, alles unter Kontrolle zu haben. Doch wenn unerschütterliche Hingabe und pausenloser Arbeitseinsatz nicht die erwartete Befriedigung und Belohnung verschaffen, werden die Betreffenden desillusioniert, fühlen sich ausgezehrt und von der Arbeit ausgebrannt.

      Was sind die Folgen? In Tokio erhält ein Telefondienst, der unter dem Namen „Lebensverbindung“ eingerichtet wurde, um Menschen mit Selbstmordabsichten zu helfen, immer mehr Anrufe von verzweifelten Büroangestellten im mittleren Alter und darüber. Von den über 25 000 Personen, die 1986 in Japan Selbstmord begingen, waren erstaunlicherweise 40 Prozent in ihren Vierzigern oder Fünfzigern, und 70 Prozent waren männlich. „Das liegt daran, daß unter den Gehaltsempfängern mittleren Alters die Depressionen auf dem Vormarsch sind“, klagte Hiroshi Inamura, Professor für Psychiatrie.

      Dann gibt es noch das, was als Feiertagsneurose bezeichnet wird. Welche Symptome dabei auftreten? Eine Gereiztheit infolge des Nichtstuns an Feiertagen. Vom Zwang zur Arbeit getrieben, plagt den Arbeitsfanatiker an freien Tagen das schlechte Gewissen. Unfähig, zur Ruhe zu kommen, läuft er in seinem kleinen Raum auf und ab wie ein Tiger im Käfig. Wenn dann der Montag kommt, geht er erleichtert wieder ins Büro.

      Eine außergewöhnliche Art der Depression, die heutzutage Arbeitnehmer mittleren Alters in die Wartezimmer der Ärzte treibt, ist die Furcht vor dem Zuhause. Ausgezehrte Arbeitnehmer verbringen ihren Feierabend in Cafés und Bars. Schließlich kommen sie gar nicht mehr nach Hause. Warum fürchten sie sich davor, nach Hause zu gehen? Ehefrauen ohne Mitgefühl können zwar auch eine Ursache dafür sein, doch „viele haben zu hart gearbeitet und darüber die Fähigkeit verloren, sich in der Welt draußen und oft sogar in der eigenen Familie zurechtzufinden“, so Dr. Toru Sekiya, der für solche Patienten ein „Nachtkliniksystem“ betreibt.

      Das Familienleben erstickt

      Der Workaholic leidet vielleicht noch nicht einmal am meisten. Wie die Zeitschrift Entrepreneur beobachtete, ist „Arbeitssucht häufig eher ein Problem für diejenigen, die ihr Leben mit einem Workaholic teilen müssen“. Das Leben des Ehepartners kann zu einem einzigen Alptraum werden. Der Workaholic „hat bereits die Liebe seines Lebens gefunden“, heißt es in der Zeitschrift The Bulletin (Sydney, Australien), „und den zweiten Platz in der Rangfolge zu akzeptieren ist nicht immer leicht“. Was passiert in solchen Ehen?

      Nehmen wir das Beispiel von Larry, einem amerikanischen Arbeitnehmer bei einer japanischen Firma in den Vereinigten Staaten. Er machte eine Unmenge von unbezahlten Überstunden und erhöhte die Produktivität der Fabrik um 234 Prozent. Erfolgreich und glücklich? „Verrückt!“ meinte seine Frau vor Gericht, als sie sich von ihm scheiden ließ.

      Noch schlimmer war der Fall eines japanischen Geschäftsmanns, der jeden Morgen um fünf Uhr zur Arbeit fuhr und nicht vor neun Uhr abends zurückkam. Seine Frau begann zu trinken. Eines Tages erwürgte der Mann seine Frau bei einer Auseinandersetzung wegen ihres Alkoholkonsums. Das Gericht sprach ihn des Mordes schuldig und erklärte: „Völlig der Arbeit verschrieben, haben Sie nicht die Einsamkeit Ihrer Frau bemerkt und sich nicht genügend bemüht, ihr Ursachen zu geben, sich ihres Lebens zu erfreuen.“

      Den Ehepartner zu erwürgen ist zwar eine sehr extreme Folge der Überarbeitung, doch kann das Familienleben auch auf andere Weise zerstört werden. Wenn der Mann an Sonntagen zu Hause ist, sitzt er vielleicht nur vor dem Fernseher, wo sein Lieblingssportprogramm läuft, und verdöst den ganzen Nachmittag. Solche Ehemänner bemerken nicht, wie sehr sie sich von anderen Aspekten des Lebens entfernt haben. Von ihrer Arbeit überwältigt, vernachlässigen sie etwas, was zu dem Wertvollsten ihres Lebens zählt: ihre Familie. Sie ignorieren die Notwendigkeit des familiären Gedankenaustauschs und schaffen sich so die besten Voraussetzungen für einen einsamen Lebensabend.

      Alt, aber unzufrieden

      In der Einleitung des Buches At Work ist folgende nachdenklich stimmende Passage zu finden: „In unserer Gesellschaft ... ist die Verbindung zwischen Arbeit, Selbstachtung und gesellschaftlicher Stellung so eng, daß es einigen nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben äußerst schwer fällt, sich in ein Leben ohne ihre frühere Rolle am Arbeitsplatz hineinzufinden.“ Wer die Arbeit zum Mittelpunkt seines Lebens macht, muß sich die Frage stellen: Was verbleibt mir, wenn ich die Arbeit verliere? Man sollte nicht vergessen: Im Ruhestand dreht sich das Leben möglicherweise um die Familie, die Nachbarn und die Bekannten.

      Wer den notwendigen Gedankenaustausch mit den Angehörigen und den Nachbarn vernachlässigt hat, weiß nicht, worüber er mit ihnen reden soll, wenn er im Ruhestand ist. „Sie zahlen wahrhaftig die Rechnung dafür, daß sie sich geweigert haben, an irgend etwas anderes als die Arbeit zu denken“, sagte in Japan eine Expertin, die seit Jahren Ehepaare mittleren Alters berät. „Ihrem Leben fehlt es am menschlichen Aspekt, und sie haben alles als selbstverständlich betrachtet, nur weil sie der Ernährer der Familie waren. Doch sobald sie auf Rente oder in Pension gehen, scheint alles anders zu sein.“

      Die 30 oder 40 Jahre harte Arbeit, angeblich zum Wohl der Familie, können genau das Gegenteil bewirken. Wie traurig ist es doch, wenn nach Jahren harter Arbeit der ehemalige Ernährer von seiner Familie als nureochiba (nasses, heruntergefallenes Laub) und als „industrieller Ausschuß“ betrachtet wird. Der Ausdruck nureochiba wird in Japan für Ehemänner gebraucht, die nicht mehr im Berufsleben stehen und die nichts anderes zu tun haben, als den lieben langen Tag ihrer Frau im Weg zu stehen. Sie werden daher mit nassen, heruntergefallenen Blättern verglichen, die sich am Besen festsetzen und nicht abgeschüttelt werden können, die nichts sind als eine Plage.

      Wenn man all die Gefahren betrachtet, kommen unwillkürlich die Fragen auf: Wie kann harte Arbeit wirklich lohnend sein? Gibt es eine Arbeit, die wirkliche Befriedigung einträgt? Der nächste Artikel dieser Serie greift diese Fragen auf.

      [Kasten auf Seite 6]

      Zeitgemäße Warnung

      „Wenn Ihr Ehemann den Appetit verliert, an Schlaflosigkeit leidet, nicht mehr mit Ihnen spricht, dann sind das Warnsignale. Sagen Sie ihm, er soll an etwas anderem als der Arbeit Freude finden und versuchen, mit Menschen zusammenzusein, die nicht zur Firma gehören“ (Dr. Toru Sekiya, Neurologische Klinik Sekiya [Tokio, Japan]).

      „Ich arbeite gern lange, doch wenn man dabei seinen Mann oder seine Familie verliert, macht man etwas verkehrt. Es macht keinen Spaß, sein Geld allein zu zählen“ (Mary Kay Ash, Chefin der Firma Mary Kay Cosmetics).

      [Bild auf Seite 5]

      Überarbeitung führt nicht selten zu schweren Problemen

      [Bilder auf Seite 7]

      Workaholics ruinieren oftmals das Leben derer, die ihnen am nächsten sein sollten

  • Harte Arbeit — Wann ist sie lohnend?
    Erwachet! 1993 | 22. Juni
    • Harte Arbeit — Wann ist sie lohnend?

      IN GANZ Südostasien unterbrechen viele junge Hausmädchen ihre Küchenarbeit und sitzen wie angewurzelt vor dem Fernseher, sobald die in Japan produzierte Fernsehserie Oshin beginnt. Es ist eine jener Vom-Aschenbrödel-zur-Prinzessin-Storys: die Geschichte einer Frau, die nach vielen Jahren der Plagerei und des Leidens endlich Erfolg hat. Mit Tränen in den Augen identifizieren sich die Mädchen mit der Heldin Oshin. Die Episoden scheinen genau das zu sein, was sie brauchen, um einen weiteren Tag harter Arbeit durchzustehen.

      Ja, wenn Menschen Tag für Tag sklavisch arbeiten und dabei ihre Gesundheit und sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, dann müssen sie dafür einen guten Grund haben. Warum tun sie das? Wie bei diesen asiatischen Hausmädchen ist der Wunsch, den Lebensstandard zu verbessern, sicherlich ein häufiger und starker Anreiz für harte Arbeit. Offensichtlich spielt jedoch nicht nur der materielle Aspekt eine Rolle.

      „Die finanzielle Entlohnung ist ein erwünschter, doch fast nebensächlicher Anreiz“, schreibt Stephen D. Cohen über die japanische Arbeitsmoral. Was ist es dann, was die Japaner dazu motiviert, so hart zu arbeiten? „Die Verkaufserfolge einer Firma im Vergleich zu ihrer Konkurrenz sind eine Quelle ungeheuren Stolzes und der Selbstzufriedenheit. Harte Arbeit, die zu diesem Ziel führt, ist Belohnung in sich selbst“, erklärt Cohen. Die Ergebenheit gegenüber der Firma wird für die Arbeitnehmer ein Anreiz zu harter Arbeit, und die Arbeit wird für sie zum einzigen, über das sie ihren eigenen Wert definieren. Nicht übersehen sollte man dabei den Drang, die Karriereleiter hinaufzuklettern. Die Möglichkeit, eines Tages ganz oben zu stehen, ist eine starke Motivation.

      Gründe, die Gesundheit zu riskieren?

      Sind dies vernünftige Gründe, seine Gesundheit und sein Leben aufs Spiel zu setzen? Die Bibel schreibt über jemanden, der hart arbeitet, um reich zu werden: „Auch sind seine Augen selbst mit Reichtum nicht gesättigt.“ Schließlich mag er sich fragen: „Für wen arbeite ich hart und lasse es meiner Seele an guten Dingen fehlen?“ (Prediger 4:8). Personen, die hart arbeiten, um reich zu werden, scheinen nicht zu wissen, wann oder wo sie aufhören sollten. Sie fangen sich selbst in der Tretmühle aus Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit. Die Bibel gibt die simple Warnung: „Mühe dich nicht, Reichtum zu gewinnen“ (Sprüche 23:4).

      Wie steht es mit der Loyalität gegenüber der Firma? Sie kann zwar eine Tugend sein, doch darf man nicht die möglichen Folgen übermäßiger Arbeit übersehen. „Wenn jemand ausgebrannt ist, will ich ihn sowieso nicht in meiner Gruppe“, sagte ein leitender Angestellter einer amerikanischen Firma. Die Frau eines „Firmenkriegers“, der an Überarbeitung starb, bevor er die Vierzig erreichte, schrieb an eine Zeitung: „Was für einen Trost sollen wir in ihren Beteuerungen finden: ‚Wir bedauern, einen so wertvollen Menschen verloren zu haben.‘? Die Firmenmärtyrer werden, sobald sie gestorben sind, betrachtet, als wären sie ‚Wegwerfartikel‘.“

      Doch was geschieht beim Erreichen der Rente, selbst wenn der Betreffende nicht ausgebrannt ist oder zuvor durch Überarbeitung sein Leben verloren hat? „Obwohl sie sehr hart für ihre Firma gearbeitet haben, werden sie“, wie Motoyo Yamane, eine japanische Nachrichtensprecherin, erklärte, „auf die Tatsache gestoßen, daß ihre Firma sie nicht mehr länger braucht und daß sie nutzlos sind.“ Für die unpersönliche Firma sind die hart arbeitenden Arbeitnehmer nur ein Rädchen im Firmengetriebe, ein Rädchen, das ersetzt wird, sobald es abgenutzt ist. Kein Wunder daher, wenn viele Japaner den Glauben an ihre Firma verlieren. Sie fangen an zu begreifen, daß ihre Hingabe an die Firma eine unerwiderte Liebe ist.

      Was kann über den Aufstieg auf der Erfolgsleiter gesagt werden? Diejenigen, die das mittlere Management erreicht haben, müssen bald feststellen, daß nicht jeder es in die Spitze schafft. Was dann? Der Aussicht auf eine Beförderung beraubt, beginnen sie, von einer Arbeitsstelle zur anderen zu springen. So sieht es also mit der Tugend der Firmenloyalität aus!

      Eine ausgeglichene Ansicht über harte Arbeit

      Harte Arbeit, deren Motiv Geldliebe, Loyalität gegenüber der Firma oder Wettbewerbsgeist ist, führt zwar im Endeffekt zu Enttäuschung und Verbitterung, doch die Bibel tut harte Arbeit nicht als wertlos ab. „Jeder Mensch [sollte] essen und trinken und Gutes sehen ... für all seine harte Arbeit. Es ist die Gabe Gottes“ (Prediger 3:13). Die Bibel empfiehlt, sich an den Früchten seiner harten Arbeit zu freuen. Das gibt uns einen Hinweis darauf, was die richtige Ansicht über harte Arbeit sein könnte.

      Das japanische Ministerium für Gesundheit und Soziales hat kürzlich Arbeitnehmern geraten, „nach Feierabend die Arbeit zu vergessen und mit ihrer Familie Abendbrot zu essen“. Einige führende Geschäftsleute schätzen offensichtlich die Weisheit dieses Rates. So erklärte beispielsweise der Präsident eines wachsenden Biotechnologieunternehmens: „Ich möchte, daß sich alle unsere Arbeitnehmer in erster Linie gut um ihre Familie kümmern. Die Arbeit in unserem Unternehmen ist lediglich ein Mittel zum Zweck.“

      Ein gutes Verhältnis der Familienmitglieder zueinander ist zweifellos etwas, wofür es sich lohnt, hart zu arbeiten. Wenn die Familienatmosphäre oder die Gesundheit unter der Arbeit leidet, dann sieht man nicht Gutes für all seine harte Arbeit.

      In der japanischen Gesellschaft, in der das System der Beförderung nach Dienstalter vorherrscht, haben einige die Einstellung entwickelt: „Nicht fehlen, nicht zu spät kommen, nicht arbeiten“. Sie geben vor, fleißig zu sein, und bleiben lange an ihrem Arbeitsplatz, warten dort aber nur, bis ihr Vorgesetzter nach Hause gegangen ist. Kenji, ein Verkäufer einer in Hiroschima ansässigen Firma für Inneneinrichtungen, hatte diese Einstellung. Er trödelte bei der Arbeit und verschwendete Zeit im Café oder in der Flipperhalle.

      Führt diese Einstellung zum Glück? „Die lässige Hand wird zwangsarbeitspflichtig werden“, lautet ein Bibelspruch. Heute wird man wegen Faulheit wohl kaum zwangsarbeitspflichtig werden, aber die Arbeit kann psychisch gesehen zu einer Plagerei, einer Zwangsarbeit, werden. Andererseits weist der gleiche Bibeltext auf den Vorteil fleißiger Arbeit hin: „Die Hand der Fleißigen ist die, die herrschen wird“ (Sprüche 12:24). Selbst wenn man niemals über ein Land oder über eine Firma gebieten wird, so wird man doch zumindest von seiner Familie respektiert werden und sein eigener Herr sein. Außerdem gewinnt man möglicherweise das Vertrauen seines Arbeitgebers und hat ein reines Gewissen.

      Kenji kann das bestätigen. Er entschloß sich, die Bibel zu studieren, wodurch sich sein Leben grundlegend änderte. Er berichtet: „Ich wandte den Grundsatz der Ehrlichkeit auf meine Arbeit an und fing an, gewissenhaft zu arbeiten, ob der Chef da war oder nicht. Dadurch habe ich sein Vertrauen gewonnen.“

      Wenn harte Arbeit zu etwas Lohnendem wird

      Die Wahrheit ist, daß Arbeit, die von Bedeutung sein soll, anderen von Nutzen sein muß. „Befriedigende Arbeit“, definierte ein Wirtschaftspublizist, „ist Arbeit, die vielen anderen Menschen Annehmlichkeiten, Wohlergehen oder Freude bringt.“ Solche Arbeit bereitet dem, der sie tut, tiefe Befriedigung. Es ist so, wie Jesus es sagte: „Beglückender ist Geben als Empfangen“ (Apostelgeschichte 20:35).

      Arbeit zum Guten anderer ist lobenswert, es gibt jedoch noch einen weiteren Schlüsselfaktor, wenn es darum geht, wie man bei der Arbeit und in seinem Leben Zufriedenheit erlangen kann. König Salomo kam, nachdem er allen Reichtum und Luxus, den das Leben bietet, geschmeckt hatte, zu der erhabenen Feststellung: „Fürchte den wahren Gott, und halte seine Gebote. Denn das ist des Menschen ganze Pflicht“ (Prediger 12:13).

      Ganz bestimmt sollten wir bei allem, was wir tun, Gottes Willen in Betracht ziehen. Arbeiten wir in Harmonie mit seinem Willen oder im Gegensatz dazu? Bemühen wir uns, Gott zu gefallen oder nur uns selbst? Wenn wir Gottes Willen vernachlässigen, werden wir zu nichts anderem als zu Materialisten oder zu Hedonisten und werden schließlich unter Einsamkeit, Leere und Verzweiflung leiden.

      Denken wir daran: Der Dienst für Jehova Gott — Arbeit, die unserem Schöpfer gefällt — wird uns nie das Gefühl der Unzufriedenheit geben. Jehova selbst arbeitet hart, und er lädt uns ein, uns ihm anzuschließen und seine „Mitarbeiter“ zu werden (1. Korinther 3:9; Johannes 5:17). Aber bringt uns solch harte Arbeit wirklich echtes Glück?

      Der Geschäftsführer einer Druckerei besuchte einmal die Druckeinrichtungen der Watch Tower Society in Japan, um deren Konzeption kennenzulernen. Doch seine Aufmerksamkeit richtete sich nicht nur auf die Maschinen. Er sah junge Männer, denen die Arbeit Freude machte, und er war überrascht zu hören, daß dort alle unentgeltlich arbeiten und sich noch sehr viele andere um die Mitarbeit beworben haben. Warum war er überrascht? Er erklärte: „In unserer Firma müssen wir schon froh sein, wenn von zehn Leuten, die wir einstellen, nach einem Jahr noch vier bei uns sind. Ihr Wachtturm-Leute habt in diesen jungen Arbeitern einen echten Schatz!“

      Was macht diese jungen Männer zu so glücklichen und hart arbeitenden Menschen? Offensichtlich ist es nicht das Geld. Was motiviert sie dann? Ihre Hingabe an Jehova, ihren Schöpfer, ihre Wertschätzung für ihn und ihre Liebe zum Nächsten. Wie ihre Einstellung zeigt, arbeiten sie „nicht ... als Menschengefällige, sondern als Sklaven Christi, die den Willen Gottes mit ganzer Seele tun“ (Epheser 6:6).

      Doch das ist alles nur ein Vorgeschmack des Kommenden. Diejenigen, die heute im Dienst für Jehova hart arbeiten, können der nahe bevorstehenden Zeit entgegenblicken, in der Gott das Paradies wiederherstellen wird und es auf der ganzen Erde nur Arbeit geben wird, die wirklich lohnenswert sein wird. Der Prophet Jesaja sagte über diese Zeit voraus: „Sie werden gewiß Häuser bauen und sie bewohnen; und sie werden bestimmt Weingärten pflanzen und deren Fruchtertrag essen. Sie werden nicht bauen und ein anderer es bewohnen; sie werden nicht pflanzen und ein anderer essen. ... das Werk ihrer eigenen Hände werden meine Auserwählten verbrauchen“ (Jesaja 65:21, 22).

      Was für ein Segen die Arbeit dann sein wird! Wie schön wäre es doch, wenn wir uns dadurch, daß wir Gottes Willen uns betreffend kennenlernen und entsprechend handeln, unter denen befinden, die von Jehova gesegnet werden und immer ‘Gutes sehen für all ihre harte Arbeit’! (Prediger 3:13).

      [Kasten auf Seite 9]

      Eine ausgeglichene Ansicht über Arbeit rettet eine Ehe

      Für Yasuo, der auf Hokkaido (Japan) lebt, war die Arbeit bis vor einigen Jahren die einzige Freizeitbeschäftigung. Er hatte eine Position im mittleren Management und war von steigenden Verkaufszahlen besessen. Jeden Tag arbeitete er bis spätabends, manchmal bis 23 Uhr, ohne jemals Urlaub zu nehmen. „Dann“, so erinnert er sich, „wurde mir bewußt, daß mir die Arbeit keine Freude machte, so sehr ich mich auch verausgabte.“ Yasuos Gesundheit begann sich zu verschlechtern. Im Gespräch mit seiner Frau wurde ihm klar, daß es etwas Wichtigeres gibt als seine Arbeit, nämlich seine Familie. Er änderte seinen Lebensstil und schloß sich seiner Frau in ihrem Bibelstudium an. Heute ist er das geliebte und respektierte Haupt einer glücklichen Familie.

      [Bild auf Seite 9]

      Die Arbeit darf nicht den familiären Zusammenhalt gefährden

      [Bild auf Seite 10]

      Bald werden alle freudig arbeiten, um die Erde zu einem Paradies zu machen

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