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Gewalt in der FamilieErwachet! 1993 | 8. Februar
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Gewalt in der Familie
„Gewalttätigkeiten — ob nun in Form von Schlägen oder Stößen, ob mit dem Messer oder der Schußwaffe — kommen in der Familie öfter vor als irgendwo sonst in unserer Gesellschaft“ (Behind Closed Doors).
MAN kann irgendeine Straße in Amerika entlanggehen: In jedem zweiten Haushalt kommt es in diesem Jahr zumindest einmal zu einer Form der häuslichen Gewalt. Und in jedem vierten Haushalt wird es wiederholt vorkommen. Ironischerweise sind viele, die Angst haben, abends auf die Straße zu gehen, gefährdeter, wenn sie zu Hause sind.
Aber familiäre Gewalt ist kein rein amerikanisches Phänomen. Sie ist in der ganzen Welt anzutreffen. In Dänemark beispielsweise werden 2 von 3 Morden innerhalb der Familie verübt. Wie Untersuchungen zeigen, haben in Afrika je nach Land die Mordfälle innerhalb der Familie einen Anteil von 22 bis 63 Prozent an der Gesamtzahl der Morde. Und in Lateinamerika werden viele Menschen, insbesondere Frauen, von Macho-Männern erniedrigt, geschlagen oder umgebracht.
Etwa 100 Frauen sterben jährlich in Kanada durch die Hand ihres Ehemannes oder ihres Lebensgefährten. In den Vereinigten Staaten, wo etwa zehnmal mehr Menschen leben als in Kanada, werden jedes Jahr ungefähr 4 000 Frauen von ihrem Mann oder ihrem Freund umgebracht. Außerdem werden jedes Jahr zirka 2 000 Kinder von ihren Eltern getötet und ungefähr gleich viel Eltern von ihren Kindern.
So mißhandeln in der ganzen Welt Männer ihre Frauen, Frauen ihre Männer, Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Eltern und Kinder einander. „Am intensivsten erfahren Erwachsene den Ärger, der ihnen durch Blutsverwandte entgegengebracht wird oder den sie selbst ihnen entgegenbringen“, heißt es in dem Buch Warum Familien streiten müssen, „für Gewalt gilt das gleiche.“
Krieg in der Familie
Mißhandlung des Ehepartners: Nur zu oft betrachten Ehemänner die Heiratsurkunde als Freibrief für die Mißhandlung ihrer Frau. Es gibt zwar auch Frauen, die ihren Mann schlagen, doch der Schaden ist normalerweise nicht so groß wie der, den Männer anrichten, die ihre Frau schlagen. Die Zeitschrift Parents schreibt: „In mehr als 95 Prozent der gemeldeten Fälle von [schwerer] Mißhandlung des Ehepartners geht es um einen Mann, der eine Frau schlägt.“
Eine New Yorker Bezirksstaatsanwältin erklärte: „In der amerikanischen Gesellschaft ist das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen beängstigend. Das FBI geht davon aus, daß ... jährlich mindestens 6 Millionen Frauen geschlagen werden.“ Die Zahl der Fälle ist zwar von Land zu Land verschieden, doch wie die Berichte zeigen, ist die Mißhandlung von Frauen durch Männer in vielen, wenn nicht sogar in den meisten Ländern allgegenwärtig.
In den Vereinigten Staaten wird schätzungsweise „jede zehnte Frau während ihrer Ehe von ihrem Ehemann irgendwann ernsthaft angegriffen (geschlagen, getreten, gebissen oder noch schlimmer mißhandelt)“. Rechnet man die weniger schweren Fälle noch mit hinzu, dann wird der Zeitschrift Family Relations zufolge „jede zweite Frau in den Vereinigten Staaten häusliche Gewalt erleben“.
Tatsächlich hat sich laut Aussage einer New Yorker Bezirksstaatsanwältin herausgestellt, daß „bei Frauen die körperlichen Mißhandlungen durch ihren Ehemann mehr Krankenhauseinweisungen nach sich ziehen als alle Vergewaltigungen, Raubüberfälle und Autounfälle zusammengenommen“.
Dr. Lois G. Livezey bemerkte: „Es ist offensichtlich, daß Gewalt gegen Frauen und Gewalt innerhalb der Familie weit verbreitet ist und daß die Täter ... ganz gewöhnliche Mitbürger sind. ... Es ist ein ernsthaftes Problem in allen gesellschaftlichen und ethnischen Schichten der Bevölkerung.“
Die Opfer geben sich manchmal selbst die Schuld für die Mißhandlung, was ihr Selbstwertgefühl stark beeinträchtigt. In Parents wird dazu erklärt: „Die Frau, der es an Selbstvertrauen und Selbstachtung mangelt, macht sich zur Zielscheibe von Mißhandlungen. ... Die typische mißhandelte Frau hat Angst davor, eigenständig zu planen und zu handeln.“
Eheliche Gewalt hat auch einen unheilvollen Einfluß auf die Kinder. Sie lernen, daß Gewalt eingesetzt werden kann, um andere zu manipulieren. Einige Mütter berichten sogar von Fällen, wo ihre Kinder mit Drohungen wie „Ich bring’ Papa dazu, daß er dich schlägt“ versucht haben, ihren Willen durchzusetzen.
Kindesmißhandlung: Jedes Jahr sind Millionen von Kindern exzessiver körperlicher Züchtigung ausgesetzt, werden dabei ernsthaft verletzt, zum Krüppel gemacht oder verlieren sogar ihr Leben. Die Dunkelziffer liegt schätzungsweise bei 200 pro gemeldeten Fall. „Für Kinder ist das eigene Zuhause oft der gefährlichste Ort überhaupt“, heißt es in dem Buch Sociology of Marriage and the Family.
Universitätsprofessor John E. Bates zufolge ist die Mißhandlung der stärkste häusliche Einfluß mit Auswirkung darauf, wie sich das Kind in seinem späteren Leben verhalten wird. Dr. Susan Forward erklärt: „Ich habe festgestellt, daß kein anderes Ereignis im Leben das Selbstbewußtsein so beeinträchtigt oder größere emotionale Schwierigkeiten im Erwachsenenalter fördert.“ Zeichen von Aggressivität als Reaktion auf schwierige Situationen können schon bei Kindern im Alter von vier bis fünf Jahren beobachtet werden. In späteren Jahren findet sich unter solchen Kindern ein höherer Prozentsatz an Drogen- und Alkoholmißbrauch, kriminellem Verhalten, Psychosen und Entwicklungsstörungen.
Verständlicherweise sind viele mißhandelte Kinder wütend auf den mißhandelnden Elternteil; doch oft sind sie auch auf den Elternteil wütend, der sie zwar nicht mißhandelt, aber die Mißhandlung geschehen läßt, ohne einzugreifen. In den Augen des Kindes ist der schweigende Zeuge ein Mittäter.
Mißhandlung älterer Menschen: Schätzungsweise 15 Prozent der älteren Menschen in Kanada haben unter körperlicher oder psychischer Mißhandlung seitens ihrer erwachsenen Kinder zu leiden. Ein Arzt sagte vorausschauend: „Die Situation kann sich nur noch verschlimmern, denn der Anteil der älteren Bevölkerung nimmt immer mehr zu, ebenso wie die finanziellen und emotionalen Belastungen ihrer Kinder.“ Ähnliche Befürchtungen gibt es auf der ganzen Welt.
Oft zögern ältere Menschen, Mißhandlungen zu melden. Sie sind möglicherweise von dem Mißhandler abhängig und ziehen es daher vor, weiter unter diesen entsetzlichen Zuständen zu leben. „Das nächste Mal“, lautete ausnahmslos die Antwort einer älteren Frau, wenn sie gefragt wurde, wann sie ihren Sohn und ihre Schwiegertochter anzeigen würde. Sie hatten sie so schlimm geschlagen, daß sie einen Monat lang im Krankenhaus liegen mußte.
Mißhandlung von Geschwistern: Hierbei handelt es sich um eine weitverbreitete Form der familiären Gewalt. Einige verharmlosen dies mit Sprüchen wie „Jungs sind nun mal so“. Doch bei einer Befragung hatte die Hälfte der befragten Kinder an ihren Geschwistern Gewalttätigkeiten verübt, die ausreichen würden, eine Strafverfolgung in Gang zu setzen, wenn sie sich gegen jemanden außerhalb der Familie gerichtet hätten.
Viele sind der Ansicht, Gewalt unter Geschwistern könne ein Verhaltensmuster vermitteln, das auch im Erwachsenenalter beibehalten werde. In einigen Fällen könnte das sogar eine gewichtigere Ursache für die spätere Mißhandlung des Ehepartners sein als das Beobachten von Gewalttätigkeiten unter den Eltern.
Ein gefährliches Schlachtfeld
Nach Einschätzung eines Juristen wird die Polizei öfter zu Familienkonflikten gerufen als zu allen Verbrechen außerhalb der Familie zusammengenommen. Außerdem würden mehr Polizisten im Einsatz bei Familienstreitigkeiten sterben als bei irgendeiner anderen Art von Vorfällen, zu der die Polizei gerufen werde. „Bei einem Raub weißt du wenigstens, was dich erwartet“, sagte ein Polizist. „Doch betritt jemandes Haus ... Du weißt nie, was passiert.“
Eine großangelegte Studie über familiäre Gewalt brachte ein amerikanisches Forscherteam zu der Schlußfolgerung, daß, mit Ausnahme des Militärs in Kriegszeiten, die Familie die gewalttätigste gesellschaftliche Einheit ist, die es gibt.
Was ist die Ursache familiärer Gewalt? Wird sie jemals enden? Ist sie je gerechtfertigt? Der folgende Artikel wird sich mit diesen Fragen beschäftigen.
[Herausgestellter Text auf Seite 4]
„In der amerikanischen Gesellschaft ist das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen beängstigend“ (eine Bezirksstaatsanwältin)
[Herausgestellter Text auf Seite 5]
„Für Kinder ist das eigene Zuhause oft der gefährlichste Ort überhaupt“ (Sociology of Marriage and the Family)
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Was sind die Ursachen häuslicher Gewalt?Erwachet! 1993 | 8. Februar
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Was sind die Ursachen häuslicher Gewalt?
„Statt ein Zufluchtsort vor den Belastungen, den Spannungen und der Unvernunft der Gesellschaft draußen zu sein, scheint die Familie oft diese Spannungen zu übertragen oder sogar zu vergrößern“ (The Intimate Environment—Exploring Marriage and the Family).
DIE Erforschung der familiären Gewalt ist ein relativ neues Gebiet. Erst in den letzten Jahrzehnten sind umfangreichere Untersuchungen durchgeführt worden. Die Ergebnisse sind zwar nicht immer übereinstimmend, aber es lassen sich doch einige grundlegende Muster erkennen. Wir wollen einmal einige davon betrachten.
Welche Rolle spielt der familiäre Hintergrund?
Eine Reihe von Wissenschaftlern sagte über ihre Resultate: „Je gewalttätiger das befragte Paar ist, desto gewalttätiger sind ihre Kinder untereinander und gegenüber den Eltern.“
Kinder werden allein schon dadurch nachhaltig beeinflußt, daß sie Augenzeuge familiärer Gewalt sind. „Ein Kind zwingen, mit ansehen zu müssen, wie seine Mutter verprügelt wird, ist ebenso schlimm, wie das Kind zu schlagen“, schreibt der Therapeut John Bradshaw. Ein Jugendlicher namens Ed haßte es, mit anzusehen, wie sein Vater seine Mutter schlug. Dennoch wurde er, wohl ohne sich selbst dessen bewußt zu sein, darauf konditioniert, daß Männer Frauen beherrschen und sie dazu einschüchtern, verletzen und erniedrigen müßten. Als Erwachsener setzte er diese beleidigenden, gewalttätigen Methoden gegenüber seiner Frau ein.
Manche Eltern verbieten ihren Kindern vorsichtigerweise, sich im Fernsehen Gewalt anzuschauen, und das ist gut so. Allerdings sollten Eltern noch vorsichtiger sein, wenn es um ihr eigenes Verhalten als Rollenvorbild für ihre leicht formbaren Kinder geht.
Welche Rolle spielen Belastungen?
Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit, der Tod eines Elternteils, Umzug, Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten und anderes bringen Belastungen mit sich. Die meisten Menschen begegnen Belastungen, ohne gewalttätig zu werden. Doch für einige können sie, insbesondere in Verbindung mit anderen Faktoren, der Auftakt zu Gewalttätigkeiten sein. Beispielsweise führt die Pflege eines betagten — und speziell eines kranken — Elternteils nicht selten zu Mißhandlungen, wenn der Pflegende mit weiteren Familienverpflichtungen überlastet ist.
Die Erziehung von Kindern bringt ebenfalls Belastungen mit sich. Demzufolge kann mit zunehmender Familiengröße auch die Wahrscheinlichkeit von Kindesmißhandlung steigen. Kinder können auch eine Ursache für die Mißhandlung eines Ehepartners sein, denn dem Buch Behind Closed Doors zufolge „sind es Streitigkeiten wegen der Kinder, die höchstwahrscheinlich zu Gewalttätigkeiten zwischen Ehepartnern führen“.
Falsche Ansicht über die Geschlechter
Dan Bajorek, der eine Beratungsgruppe in Kanada leitet, erklärte, mißhandelnde Männer hätten eine falsche Ansicht über Frauen: „Aus welchem Kulturkreis sie auch immer stammen, sie sind in dem Glauben erzogen worden, Männer seien die Nummer eins.“ Hamish Sinclair, Leiter eines Behandlungsprogramms für mißhandelnde Männer, sagte, Männern werde beigebracht, sie seien den Frauen überlegen und es sei ihr Recht, „sie zu strafen, zu züchtigen und einzuschüchtern“.
In vielen Ländern wird dem Mann das Recht zugesprochen, seine Frau als bloßes Objekt zu betrachten — wie etwas, was zu seinem Hab und Gut gehört. Die Kontrolle und Herrschaft über seine Frau wird als Maß seiner Männlichkeit und Ehre angesehen. Oft werden Frauen auf entsetzliche Weise verprügelt und anderweitig mißhandelt, ohne daß sich die Justiz groß darum kümmert, denn so sind in diesen Ländern nun einmal die gesellschaftlichen Normen. Der Mann ist höherstehend, die Frau ist tieferstehend; sie muß ihm absoluten Gehorsam erweisen, ungeachtet wie unehrenhaft, gewalttätig, pervers oder selbstsüchtig er sich benimmt.
Der CBS-Fernsehreporter Morley Safer berichtete über ein südamerikanisches Land: „Nirgends in Lateinamerika ist der Macho-Kult augenscheinlicher als hier ... Er durchdringt die gesamte Gesellschaft, einschließlich des Gerichtssaals, wo ein Mann selbst bei Mord freigesprochen werden kann, sofern es um die Verteidigung seiner Ehre geht, insbesondere wenn das Opfer seine Frau oder seine Geliebte ist.“ Safer ist der Ansicht, es gebe keinen Ort auf der Erde, wo Frauen mehr herabgesetzt würden als in diesem Land. Männliche Vorherrschaft und die Herabsetzung von Frauen ist allerdings weit verbreitet. Es beschränkt sich nicht nur auf ein Land, wie schlimm es dort auch immer sein mag.
Gemäß Minna Schulman, Leiterin einer polizeilichen Dienststelle für häusliche Gewalt in New York, ist Gewalt ein Instrument, das von Männern gebraucht wird, um das Heft in der Hand zu behalten und um Macht und Autorität über eine Frau zu demonstrieren. Und sie fügte hinzu: „Wir betrachten häusliche Gewalt als einen Macht- und Kontrollmißbrauch.“
Einige Männer, die ihre Frau schlagen, leiden unter mangelnder Selbstachtung — das gleiche Gefühl, das sie in ihrem Opfer zu erzeugen versuchen. Wenn ihnen das gelingt, ist ihrem Ego Genüge getan, und sie fühlen ein Maß an Überlegenheit und Kontrolle über einen anderen Menschen. Sie sind der Meinung, sie würden auf diese Weise ihre Männlichkeit beweisen. Aber tun sie das wirklich? Ist es wirklich ein Beweis dafür, daß sie starke Männer sind, wenn sie doch Gewalt gegenüber einer körperlich schwächeren Frau anwenden, oder beweist es nicht vielmehr ihre Unvernunft? Ist es wirklich männlich von einem stärkeren Mann, eine schwächere, relativ wehrlose Frau zu schlagen? Ein charakterfester Mann würde gegenüber einem Schwächeren, der sich nicht verteidigen kann, Rücksicht und Mitgefühl zeigen und nicht die Schwäche ausnutzen.
Das unvernünftige Denken des Mißhandelnden findet auch darin seinen Ausdruck, daß er oftmals seine Frau beschuldigt, sie würde ihn provozieren. Er unterstellt oder sagt ihr vielleicht direkt: „Du hast das nicht richtig gemacht. Darum schlage ich dich“ oder: „Das Essen war zu spät fertig, du bekommst also das, was du verdienst.“ Der Mißhandelnde glaubt, es sei ihr Fehler. Doch kein Fehler des Ehepartners rechtfertigt es, ihn zu schlagen.
Welche Rolle spielt Alkohol?
Da Alkohol die Selbstkontrolle herabsetzt und dem impulsiven Handeln Vorschub leistet, ist es nicht überraschend, daß einige der Meinung sind, Alkohol könne bei Mißhandlungen als Katalysator wirken. In vielen Fällen kann der Betreffende seine gewalttätigen Gefühle zwar unter Kontrolle halten, wenn er nüchtern ist, doch wird er gewalttätig, nachdem er einige Gläser getrunken hat. Der Alkohol benebelt seinen Geist und beeinträchtigt seine Fähigkeit, sich zu beherrschen.
Andere glauben allerdings, die Wurzel des Problems sei eher in den Belastungen als im Alkohol selbst zu suchen. Eine Person, die zur Streßbewältigung Alkohol benutze, sei die gleiche Art Mensch, die zu demselben Zweck Gewalt einsetze. Demnach würde der Trinker in gleichem Maße zu Gewalt neigen, ob er nun nüchtern oder betrunken ist. Wie auch immer die Argumentation aussehen mag, fest steht, daß Alkohol einem nicht hilft, seine Gefühle zu beherrschen, sondern normalerweise das Gegenteil bewirkt.
Wie die Medien die Handlungsweise beeinflussen
Film und Fernsehen liefern, so die Ansicht einiger, den männlichen Zuschauern Macho-Vorbilder und vermitteln ihnen den Gedanken, Gewalt sei ein probates Mittel im Umgang mit Konflikten und Wut. „Ich war fasziniert von meiner eigenen heftigen Reaktion auf den Film Rambo“, gibt ein Familienberater zu. „Während ich als gesetzestreuer Erwachsener von Rambos Massenmord entsetzt bin, zollt ihm das Kind in mir Beifall.“
Da viele Kinder Tausende von Stunden dem Fernsehen ausgesetzt sind und dabei unzählige Gewalttaten, Vergewaltigungen und Erniedrigungen anderer Menschen, insbesondere von Frauen, miterleben, wundert es einen nicht, daß etliche dieser Kinder zu Menschen heranwachsen, die diese zutiefst unsozialen Handlungsweisen selbst an den Tag legen. Doch nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene sind davon betroffen.
Besonders in den letzten Jahren hat sich das Ausmaß der im Fernsehen und im Kino explizit dargestellten Gewalt, Unmoral und Erniedrigung von Frauen deutlich vergrößert. Das führt zwangsläufig zu einer immer gewaltorientierteren häuslichen Atmosphäre. Wie eine Forschungsgruppe herausgefunden hat, besteht „ein eindeutiger ... Zusammenhang zwischen dem Anschauen von Gewalt und aggressivem Verhalten“.
Die Auswirkung der Vereinsamung
Heutzutage ist für viele das Leben unpersönlich und einsam. Supermärkte und Discountläden haben den freundlichen Tante-Emma-Laden an der Ecke ersetzt. Stadtsanierungen, wirtschaftliche Probleme und Arbeitslosigkeit zwingen zahlreiche Familien, ihren Wohnort häufig zu wechseln. Besonders viel häusliche Gewalt ist unter Menschen zu beobachten, die keine starken sozialen Bindungen haben.
James C. Coleman erklärt in seinem Buch Intimate Relationships, Marriage, and the Family, warum dies seiner Ansicht nach so ist. Ein Einzelgänger zu sein schränke tiefer gehende Gespräche ein und mache es für einen Mißhandler schwierig, seine Situation objektiv zu betrachten und bei einem Menschen seines Vertrauens Hilfe zu suchen. Menschen, die keine Freunde oder nahen Angehörigen haben, die als ausgleichende Kraft wirken können, neigen eher dazu, ihre Selbstsucht auszuleben, da ihrem falschen Denken nicht täglich von denen, die ihnen nahestehen, etwas entgegengesetzt wird. In Sprüche 18:1 ist zu lesen: „Wer sich absondert, wird nach seinem eigenen selbstsüchtigen Verlangen trachten; gegen alle praktische Weisheit wird er losbrechen.“
Hilfe für gewalttätige Familien
Wir konnten hier nur einige der Erklärungen erwähnen, die für häusliche Gewalt gegeben werden. Es gibt noch andere. Nachdem wir jedoch verschiedene Gründe kennengelernt haben, ist es nun notwendig, Lösungsmöglichkeiten zu untersuchen. Wie können in einer gewalttätigen Familie die Strukturen der Mißhandlung aufgebrochen werden? Was sagt die Bibel dazu? Wird die häusliche Gewalt jemals enden? Der Artikel auf Seite 10 beschäftigt sich mit diesen Fragen.
[Kasten/Bild auf Seite 9]
Seelische Grausamkeit — Harte Schläge mit Worten
BEI der körperlichen Mißhandlung geschieht der Angriff mit den Fäusten; bei der psychischen Mißhandlung sind es Worte. Der einzige Unterschied ist die Wahl der Waffen. Es ist so, wie man in Sprüche 12:18 lesen kann: „Da ist einer, der gedankenlos redet wie mit Schwertstichen, aber die Zunge der Weisen ist Heilung.“
Wie gefährlich ist die psychische Mißhandlung einschließlich dieser „Schwertstiche“? Dr. Susan Forward schreibt: „Das Ergebnis ist das gleiche [wie bei der körperlichen Mißhandlung]. Sie empfinden die gleiche Angst, fühlen sich ebenso wehrlos und leiden [emotionell gesehen] ebensolche Schmerzen.“
Psychische Mißhandlung des Ehepartners: „Gewalt in der Ehe ist nicht nur physischer Natur. Zu einem beträchtlichen, wenn nicht zum größten Teil ist sie verbaler und emotioneller Natur“, erklärte ein langjähriges Opfer. Die Mißhandlung kann Beschimpfungen, Geschrei, Nörgelei, herabsetzende Bemerkungen und Gewaltandrohung einschließen.
Gehässige Äußerungen, die herabsetzen, demütigen oder einschüchtern, können gewaltigen Schaden anrichten. So, wie Wasser, das auf einen Stein tropft, so scheint vielleicht auch versteckte Geringschätzung anfangs harmlos zu sein. Doch schon bald unterminiert sie die Selbstachtung. „Wenn ich die Wahl hätte“, sagte eine Frau, „zwischen Schlägen und verbaler Mißhandlung, würde ich immer die Prügel vorziehen. Man kann die Spuren sehen. Dann tut man anderen wenigstens leid. Bei Worten wird man einfach nur verrückt. Die Wunden sind unsichtbar. Niemand kümmert sich darum.“
Psychische Mißhandlung von Kindern: Dazu gehört beispielsweise ständiges Kritisieren und Herabwürdigen des Aussehens, der Intelligenz, der Fähigkeiten und des Wertes eines Kindes als eigenständige Persönlichkeit. Besonders verletzend ist Sarkasmus. Kinder nehmen sarkastische Bemerkungen oft für bare Münze, da sie nicht zwischen Äußerungen unterscheiden können, die ernst gemeint sind, und solchen, die „im Spaß“ gemacht werden. Der Familientherapeut Sean Hogan-Downey bemerkte: „Das Kind fühlt sich verletzt, aber alles lacht. So lernt das Kind, seinen Gefühlen zu mißtrauen.“
Demzufolge ist in den meisten Fällen ein Körnchen Wahrheit an dem folgenden Satz aus dem Werk des schottischen Historikers und Essayisten Thomas Carlyle: „Sarkasmus ist, wie ich jetzt einsehe, im großen und ganzen die Sprache des Teufels; aus welchem Grunde ich ihr auch schon längst so gut wie ganz entsagt habe.“
Joy Byers, eine Expertin auf dem Gebiet der Kindesmißhandlung, sagte: „Durch körperliche Mißhandlung kann ein Kind sterben, aber auch das Gemüt eines Kindes kann getötet werden, und genau das geschieht möglicherweise durch gewohnheitsmäßige negative Kommentare der Eltern.“ Die Zeitschrift FLEducator schreibt: „Im Gegensatz zu blauen Flecken, die man sehen kann und die wieder verschwinden, rufen psychische Mißhandlungen im Sinn und in der Persönlichkeit des Kindes unsichtbare Verschiebungen hervor, die seine Realität und seine Interaktionen mit anderen dauerhaft verändern.“
[Bild auf Seite 7]
Gewalttätigkeit übt einen großen Einfluß auf die spätere Verhaltensweise eines Kindes aus
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Ein Ende der Gewalt in der FamilieErwachet! 1993 | 8. Februar
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Ein Ende der Gewalt in der Familie
„Zur Vorbeugung gegen häusliche Gewalt und zur Eindämmung der Gewalt in der Familie sind sowohl in der Gesellschaft wie auch in der Familie weitreichende strukturelle Veränderungen nötig“ (Behind Closed Doors).
DER erste Mord in der Menschheitsgeschichte war ein Brudermord (1. Mose 4:8). In den Jahrtausenden, die seither vergangen sind, mußten Menschen unter allen möglichen Formen der häuslichen Gewalt leiden. An Lösungsvorschlägen fehlt es nicht, doch viele haben ihre Nachteile.
Beispielsweise erreicht die Rehabilitation nur Mißhandler, die sich ihr Problem eingestehen. Ein Mann, der sich wegen der Mißhandlung seiner Frau in der Therapie befand, klagte: „Auf jeden von uns [in der Therapie] kommen drei Männer draußen, die sagen: ‚Du mußt deine Alte unter Kontrolle halten.‘“ Der Mißhandler muß sich also erst einmal selbst seiner Situation bewußt werden. Warum hat er sich zu einem Mißhandler entwickelt? Hilfe von außen beim Bekämpfen seines Fehlverhaltens kann die Voraussetzung für eine Besserung schaffen.
Die Sozialprogramme sind jedoch personell unterbesetzt. In schätzungsweise 90 Prozent der Kindesmorde in den Vereinigten Staaten lagen schon vor der Tat Hinweise von Außenstehenden über die gefährliche Situation in der Familie vor. Doch die sozialen Einrichtungen und die Polizei verfügen nur über begrenzte Möglichkeiten. Etwas anderes ist dringend notwendig.
„Die neue Persönlichkeit“
„Nichts weniger als eine Umgestaltung der Beziehungsstrukturen innerhalb der Familie ist vonnöten“, erklärte ein Forscherteam. Häusliche Gewalt ist nicht so sehr ein Problem der Fäuste, sondern vielmehr des Kopfes. Der Samen der Gewalt stammt aus der Einstellung zueinander: wie der einzelne die anderen — den Partner, die Kinder, Eltern, Geschwister — betrachtet. Eine Umgestaltung dieser Beziehungen bedeutet, das anzuziehen, was die Bibel „die neue Persönlichkeit“ nennt (Epheser 4:22-24; Kolosser 3:8-10).
Wir wollen einmal einige biblische Grundsätze untersuchen, die sich auf die Familie anwenden lassen und die uns beim Anziehen der neuen, christusähnlichen Persönlichkeit helfen, welche wiederum zu besseren Beziehungen innerhalb der Familie beitragen kann. (Siehe Matthäus 11:28-30.)
Einstellung zu Kindern: Zur Elternschaft gehört mehr, als einfach nur ein Kind in die Welt zu setzen. Traurigerweise betrachten jedoch viele Eltern heutzutage ihre Kinder als Last und entledigen sich demzufolge ihrer Verantwortung ohne echte Hingabe. Solche Eltern sind potentielle Mißhandler.
Die Bibel nennt Kinder „ein Erbe von Jehova“ und „eine Belohnung“ (Psalm 127:3). Eltern tragen gegenüber dem Schöpfer die Verantwortung, für dieses Erbe zu sorgen. Wer seine Kinder als Belastung ansieht, muß in dieser Hinsicht die neue Persönlichkeit anziehen.a
Realistische Erwartungen: Einer Studie zufolge erwarten viele Mütter, die ihre Kinder mißhandeln, daß diese schon im Alter von einem Jahr wissen, was richtig und was falsch ist. Ein Drittel der Befragten erwartete das schon von sechs Monaten an.
Wie die Bibel zeigt, wird jeder als unvollkommener Mensch geboren (Psalm 51:5; Römer 5:12). Sie sagt nicht, Unterscheidungsvermögen würde bei der Geburt erlangt. Vielmehr werde jemandes „Wahrnehmungsvermögen durch Gebrauch geübt ... zur Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht“ (Hebräer 5:14). Des weiteren spricht die Bibel von den ‘Merkmalen eines Unmündigen’, der „Torheit“ der Kindheit und der „Nichtigkeit“ der Jugend (1. Korinther 13:11; Sprüche 22:15; Prediger 11:10). Eltern müssen diese Grenzen akzeptieren und dürfen nicht mehr von ihrem Kind verlangen, als das, was seinem Alter und seinen Fähigkeiten entspricht.
Kinder in Zucht nehmen: Das in der Bibel mit „in Zucht nehmen“ übersetzte griechische Wort bedeutet „erziehen“. Das Ziel der Zucht ist somit nicht in erster Linie, Schmerzen zuzufügen, sondern zu schulen. Zum größten Teil kann das ohne körperliche Züchtigungen erreicht werden, auch wenn diese hin und wieder notwendig sein mögen (Sprüche 13:24). In der Bibel wird gesagt: „Hört auf Zucht, und werdet weise“ (Sprüche 8:33). Paulus schrieb zudem, man müsse sich ‘unter üblen Umständen beherrschen’ und Ermahnungen „mit aller Langmut“ erteilen (2. Timotheus 2:24; 4:2). Das schließt Wutausbrüche und brutale Gewalt auch dann aus, wenn eine körperliche Züchtigung notwendig ist.
In Anbetracht dieser biblischen Grundsätze sollte man sich fragen: Ist meine Zucht von erzieherischem Wert, oder übt sie nur durch Schmerzzufügung Kontrolle aus? Vermittelt meine Zucht rechte Grundsätze, oder erzeugt sie lediglich Angst?
Verhaltensgrenzen für Erwachsene: Ein Mißhandler erklärte einmal, er habe einfach „die Selbstbeherrschung verloren“ und daher seine Frau geschlagen. Von einem Familienberater befragt, ob er jemals mit einem Messer auf seine Frau losgegangen sei, antwortete er: „Das würde ich niemals tun!“ Ihm wurde gezeigt, daß er schon innerhalb bestimmter Grenzen handelte, daß es aber eben nicht die richtigen waren.
Wo liegen unsere Grenzen? Hören wir auf, bevor eine Meinungsverschiedenheit in eine Form der Mißhandlung ausartet? Oder kochen wir über und fangen dann an, herumzuschreien, zu beleidigen, zu schubsen, mit Gegenständen zu werfen oder zu schlagen?
Die neue Persönlichkeit hat strenge Grenzen weit vor der psychischen Mißhandlung und der körperlichen Gewalt. „Kein faules Wort gehe aus eurem Mund hervor“, heißt es in Epheser 4:29. Und in Vers 31 wird hinzugefügt: „Möge alle boshafte Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und lästerliches Reden samt aller Schlechtigkeit von euch entfernt werden.“ Das griechische Wort für „Zorn“ bezeichnet eine „triebhafte Art“. Interessanterweise erwähnt das Buch Vergiftete Kindheit als gemeinsames Merkmal von Kindesmißhandlern „einen erschreckenden Mangel an Impulskontrolle“. Die neue Persönlichkeit zieht den Trieben, ob nun verbaler oder physischer Natur, enge Grenzen.
Natürlich muß die Frau genauso wie der Mann die neue Persönlichkeit anziehen. Sie sollte daran arbeiten, ihren Mann nicht herauszufordern, sondern seine Bemühungen, für die Familie zu sorgen, schätzen und mit ihm zusammenarbeiten. Und keiner von beiden darf von dem anderen das verlangen, was keiner von ihnen an den Tag legen kann: Vollkommenheit. Statt dessen sollten beide 1. Petrus 4:8 beherzigen, wo es heißt: „Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander, denn Liebe deckt eine Menge von Sünden zu.“
Respekt vor den Älteren: „Begegnet älteren Menschen mit Achtung und helft ihnen, wo ihr könnt“, lesen wir in 3. Mose 19:32 (Die Bibel in heutigem Deutsch). Das kann eine echte Herausforderung sein, wenn an Jahren fortgeschrittene Eltern krank und möglicherweise fordernd sind. 1. Timotheus 5:3, 4 spricht davon, Eltern zu „ehren“ und ihnen eine „gebührende Vergütung“ zu erstatten. Das schließt finanzielle Hilfe ebenso ein wie Respekt. Angesichts all dessen, was unsere Eltern für uns getan haben, als wir hilflose Kinder waren, sollten wir wenn nötig in gleicher Weise für sie sorgen.
Rivalität zwischen Geschwistern überwinden: Bevor Kains Feindseligkeit zum Mord an seinem Bruder Abel führte, wurde er gewarnt: „Die Sünde [lauert] vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie“ (1. Mose 4:7, Lutherbibel). Gefühle können kontrolliert werden. Daher sollten wir lernen, miteinander geduldig zu sein, „aufgrund der gegenseitigen Liebe großzügig Nachsicht miteinander übend“ (Epheser 4:2, Phillips).
Lernen, sich jemandem anzuvertrauen
Viele Opfer häuslicher Gewalt leiden schweigend. Doch Dr. John Wright rät: „Mißhandelte Frauen sollten emotionellen und physischen Schutz bei einer befähigten dritten Partei suchen.“ Dasselbe trifft auf jedes mißhandelte Familienmitglied zu.
Manchmal fällt es einem Opfer schwer, sich jemand anders anzuvertrauen. Schließlich hat das Vertrauen innerhalb der engsten gesellschaftlichen Einheit — der Familie — schmerzliche Erfahrungen mit sich gebracht. Allerdings gibt es gemäß Sprüche 18:24 einen „Freund, der anhänglicher ist als ein Bruder“. So jemanden zu finden und zu lernen, sich ihm mit Besonnenheit anzuvertrauen, ist ein wichtiger Schritt, die notwendige Hilfe zu erhalten. Natürlich braucht auch der Mißhandler Hilfe.
Jedes Jahr werden Hunderttausende Zeugen Jehovas. Sie stellen sich der Herausforderung, eine neue Persönlichkeit anzuziehen. Unter ihnen befinden sich auch solche, die früher ihre Familienangehörigen mißhandelt haben. Um jeden Schritt zurück im Keim zu ersticken, müssen sie die Bibel immer als „nützlich zum Lehren, zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen der Dinge“ betrachten (2. Timotheus 3:16).
Für diese neuen Zeugen ist das Anziehen der neuen Persönlichkeit ein fortlaufender Prozeß, denn in Kolosser 3:10 wird gesagt, sie werde „fortdauernd erneuert“ (Die Heilige Schrift für das Leben erklärt, Herder). Somit sind ständige Anstrengungen erforderlich. Zum Glück haben Jehovas Zeugen die Unterstützung einer Menge geistiger „Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder“ (Markus 10:29, 30; siehe auch Hebräer 10:24, 25).
Außerdem gibt es in allen der weltweit etwa 70 000 Versammlungen der Zeugen Jehovas liebevolle Aufseher, die wie ein „Schutz vor dem Wind und ein Versteck vor Stürmen“ sind. Ihre „Augen und Ohren werden offen gegenüber den Bedürfnissen des Volkes sein“ (Jesaja 32:2, 3, Today’s English Version). Neuen Zeugen Jehovas wie auch erfahrenen steht bei den Bemühungen, die neue Persönlichkeit anzuziehen, ein wunderbarer Schatz in Form von Hilfe innerhalb der Versammlung zur Verfügung.
Mitfühlende Aufseher
Wer christliche Aufseher in einer Versammlung der Zeugen Jehovas um Rat bittet, wendet sich an Personen, die darin geschult sind, allen unparteiisch zuzuhören. Sie sind angehalten, allen — und besonders Opfern schlimmer Mißhandlung — großes Mitgefühl und Verständnis entgegenzubringen (Kolosser 3:12; 1. Thessalonicher 5:14).
Vielleicht wurde eine mißhandelte Frau brutal verletzt. Hätte sich diese Gewalt gegen jemanden außerhalb des Familienkreises gerichtet, so könnte der Gewalttäter dafür heutzutage in vielen Ländern ins Gefängnis kommen. Die mißhandelte Frau muß mit besonderer Freundlichkeit behandelt werden, wie das bei den Opfern aller Arten des Mißbrauchs wie beispielsweise des sexuellen Mißbrauchs notwendig ist.
Darüber hinaus müssen diejenigen, die sich gegen Gottes Gesetz vergehen, zur Rechenschaft gezogen werden. Auf diese Weise wird die Versammlung rein erhalten, und Unschuldige werden beschützt. Sehr wichtig ist außerdem, daß so der Fluß des Geistes Gottes nicht behindert wird (1. Korinther 5:1-7; Galater 5:9).
Gottes Ansicht über die Ehe
Wenn jemand ein Zeuge Jehovas wird, willigt er ein, sich an die Grundsätze christlichen Lebens zu halten, die in Gottes Wort zu finden sind. Er lernt, daß der Mann als Haupt der Familie eingesetzt ist, um sie in der wahren Anbetung zu leiten (Epheser 5:22). Doch die Stellung als Haupt ermächtigt ihn niemals dazu, seine Frau brutal zu behandeln, ihre Persönlichkeit zu zerstören oder ihre Wünsche zu ignorieren.
Im Gegenteil, Gottes Wort fordert Ehemänner unmißverständlich auf: „Liebt eure Frauen weiterhin, so wie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich für sie dahingegeben hat. Ebenso sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst, denn kein Mensch hat je sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er nährt und pflegt es“ (Epheser 5:25, 28, 29). Ja, Gottes Wort zeigt eindeutig, daß Frauen „Ehre“ erwiesen werden sollte (1. Petrus 3:7; siehe auch Römer 12:3, 10; Philipper 2:3, 4).
Sicherlich kann kein christlicher Ehemann mit Recht behaupten, er liebe und ehre seine Frau, wenn er sie verbal oder körperlich mißhandelt. Das wäre Heuchelei, denn in Gottes Wort heißt es: „Ihr Männer, liebt eure Frauen weiterhin, und laßt euch nicht gegen sie erbittern“ (Kolosser 3:19). Wenn Gottes Gericht an dem gegenwärtigen bösen System bald in Harmagedon vollstreckt wird, werden Heuchler das gleiche Schicksal erleiden wie Gegner der Herrschaft Gottes (Matthäus 24:51).
Ein gottesfürchtiger Ehemann sollte seine Frau lieben wie seinen eigenen Körper. Würde er sich selbst verprügeln, sich ins Gesicht schlagen oder sich brutal an den Haaren ziehen? Würde er sich durch sarkastische Äußerungen vor anderen herabsetzen und verächtlich machen? Wer so etwas täte, würde wohl, gelinde gesagt, als geistig unausgeglichen gelten.
Wenn ein Christ seine Frau schlägt, sind alle seine christlichen Werke in den Augen Gottes wertlos. Vergessen wir nicht, kein „Schläger“ eignet sich für Vorrechte in der Christenversammlung (1. Timotheus 3:3; 1. Korinther 13:1-3). Natürlich übertritt auch jede Frau, die ihren Mann in ähnlicher Weise behandelt, Gottes Gesetz.
Galater 5:19-21 erwähnt unter den Werken, die Gott verurteilt, „Feindschaften, Streit, ... Wutausbrüche“ und führt aus, daß „die, die solche Dinge treiben, Gottes Königreich nicht erben werden“. Daher ist das Mißhandeln des Ehepartners oder der Kinder nie gerechtfertigt. Für gewöhnlich verstößt es gegen das Gesetz des Landes, und ganz sicher verstößt es gegen das Gesetz Gottes.
Der Wachtturm, eine von Jehovas Zeugen herausgegebene Zeitschrift, hat einen biblischen Gesichtspunkt in dieser Frage aufgezeigt, als er über solche, die sich als Christen bezeichnen, aber andere schlagen, schrieb: „Jemandem, der vorgibt, ein Christ zu sein, und sich wiederholt zu gewalttätigen Wutausbrüchen hinreißen läßt, ohne zu bereuen, [kann] die Gemeinschaft entzogen werden“, das heißt, er wird exkommuniziert (1. September 1975, Seite 543; vergleiche 2. Johannes 9, 10).
Was Gottes Gesetz gestattet
Gott wird schließlich alle richten, die seinen Gesetzen zuwiderhandeln. Doch welche Möglichkeiten räumt sein Wort bis dahin christlichen Ehepartnern ein, die geschlagen werden, wenn sich der Mißhandler nicht ändert, sondern weiter seinen Ehepartner schlägt? Sind unschuldige Opfer verpflichtet, weiterhin ihre physische, seelische oder geistige Gesundheit oder sogar ihr Leben aufs Spiel zu setzen?
In einem Kommentar zu häuslicher Gewalt erklärte Der Wachtturm, was Gottes Gesetz gestattet. Es heißt dort: „Der Apostel Paulus gibt den Rat: ‚Eine Ehefrau [sollte] nicht von ihrem Mann weggehen ...; doch wenn sie wirklich wegginge, so bleibe sie unverheiratet, oder sonst söhne sie sich mit ihrem Mann wieder aus; und ein Ehemann sollte seine Frau nicht verlassen.‘“ Und weiter wird gesagt: „Sollte aber die Behandlung unerträglich werden oder das Leben des gläubigen Partners gar gefährdet sein, mag er sich dazu entschließen ‚wegzugehen‘. Es sollte ihm jedoch daran gelegen sein, sich zur gegebenen Zeit ‘wieder auszusöhnen’ (1. Korinther 7:10-16). Das ‚Weggehen‘ allein ist allerdings kein schriftgemäßer Grund für eine Scheidung und Wiederverheiratung; doch eine gesetzliche Scheidung oder Trennung mag immerhin ein gewisser Schutz vor weiteren Mißhandlungen sein“ (15. Juni 1983, Seite 28, 29; siehe auch die Ausgabe vom 1. November 1988, Seite 22, 23).
Was ein Opfer unter solchen Umständen tut, muß seine persönliche Entscheidung bleiben. „Denn jeder wird seine eigene Last tragen“ (Galater 6:5). Niemand kann der Frau die Entscheidung abnehmen. Und niemand sollte versuchen, sie zur Rückkehr zu einem mißhandelnden Ehemann zu bewegen, bei dem ihre Gesundheit, ihr Leben oder ihr geistiges Wohl bedroht sind. Dazu muß sie sich selbst gemäß ihrem eigenen freien Willen entscheiden und nicht, weil andere versuchen, ihr ihren Willen aufzudrängen. (Siehe Philemon 14.)
Ein Ende der häuslichen Gewalt
Jehovas Zeugen haben erkannt, daß häusliche Gewalt typisch für das ist, was die Bibel über die letzten Tage, in denen wir leben, vorausgesagt hat, wo viele „ihre Mitmenschen beleidigen“ und „lieblos, ... unbeherrscht und gewalttätig“ sein würden (2. Timotheus 3:2, 3, Die Bibel in heutigem Deutsch). Gott wird gemäß seiner Verheißung im Anschluß an diese letzten Tage eine friedliche neue Welt herbeiführen, in der die Menschen „tatsächlich in Sicherheit wohnen, ohne daß jemand sie aufschreckt“ (Hesekiel 34:28).
In dieser wunderbaren neuen Welt wird häusliche Gewalt für immer der Vergangenheit angehören. „Die Sanftmütigen aber werden die Erde besitzen, und sie werden wirklich ihre Wonne haben an der Fülle des Friedens“ (Psalm 37:11).
Wir laden alle ein, mehr über die biblischen Verheißungen kennenzulernen. Ja, man kann jetzt schon gute Ergebnisse erzielen, wenn man die biblischen Grundsätze im Familienkreis anwendet.
[Fußnote]
a Eine Fülle guter Ratschläge für eine erfolgreiche Elternschaft ist in dem von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebenen Buch Das Familienleben glücklich gestalten in den Kapiteln 7 bis 9 zu finden, die betitelt sind: „Kinder — Verpflichtung und Belohnung“, „Die Rolle der Eltern“ und „Kinder von frühester Jugend an erziehen“.
[Bilder auf Seite 10]
Biblische Grundsätze helfen bei familiären Konflikten
[Bild auf Seite 13]
Opfer müssen sich bei einer befähigten, ihnen nahestehenden Person aussprechen
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