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Seite 2Erwachet! 1987 | 8. August
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Millionen von Eltern in der ganzen Welt haben ein Kind verloren. Krankheit, Hungersnot, Krieg, Mord, Selbstmord, Unfall, Krippentod, Fehlgeburt oder Totgeburt — was auch immer die Ursache war, den Eltern bereitet der Verlust unsägliches Leid.
Ganz gleich, ob das Kind noch klein oder schon größer war, der Schmerz hält an. Wie kann man die Trauer durchstehen? Wie geht das Leben weiter? Ist die nebenstehende Abbildung eines Ehepaars, das ein auferwecktes Kind in die Arme schließt, nur ein Wunschtraum, oder wird dies bald Wirklichkeit werden?
Die folgenden Tatsachenberichte von Personen, die das schreckliche Leid nach dem Tod eines Kindes durchlebt haben, mögen dazu dienen, diese Fragen zu beantworten. Die Artikel über Trauer zeigen die weitere Entwicklung in den einzelnen Fällen. Wir sind davon überzeugt, daß sie Trost und Hoffnung vermitteln werden.
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„Das kann nicht wahr sein!“Erwachet! 1987 | 8. August
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„Das kann nicht wahr sein!“
„DER 31. Mai 1982 war ein wunderschöner Tag — strahlender Sonnenschein und blauer Himmel. Ich betrachtete dies als willkommene Gelegenheit, den Garten in Ordnung zu bringen. Wir hatten einige Zeit vorher die alte Ulme gefällt, und es lagen immer noch Äste und Zweige auf dem Rasen herum. Ich erinnerte mich, daß George, ein Freund der Familie, ein Gerät hatte, das mir die Arbeit erleichtern würde. Daher rief ich ihn an.
George war ein erfahrener Pilot, und er flog leidenschaftlich gern. Es überraschte mich nicht, daß er mit einigen Freunden fliegen wollte. Er fragte mich, ob wir Lust hätten, auch eine Runde mit ihm zu ziehen. Dianne, meine Frau, und ich dachten, dies sei eine nette Abwechslung, nachdem wir den Garten in Ordnung gebracht hätten. Wir nahmen unsere dreijährige Tochter mit. Maria, ein reizendes, aufgewecktes Mädchen mit dunklen Haaren und braunen Augen, war ganz aufgeregt.
Am Flugplatz wartete noch ein anderer Freund von George, und so zwängten wir uns alle in das viersitzige Flugzeug. Wir flogen über einen See und nahmen Kurs auf die Berge. Es war wunderschön. Wir schauten auf die vertrauten Landstriche hinab. Einige Leute machten auf einem Hügel Picknick. Maria war begeistert. Doch über dem Bergkamm geriet das Flugzeug plötzlich in einen heftigen Abwind. Der Motor blockierte, und wir stürzten ab.
Mein einziger Gedanke war, zwischen meine Frau, die Maria auf dem Schoß hatte, und den Vordersitz zu gelangen. Ich schaffte es nicht. Das Flugzeug krachte gegen den Berghang.
Ich versuchte aufzustehen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich hörte Dianne schreien, doch ich war nicht fähig, ihr zu helfen. Alles, was ich tun konnte, war um Hilfe schreien.
Schließlich kamen Notärzte und Sanitäter, um uns von dem Berg herunterzuholen. Obwohl es eine Bruchlandung wie aus dem Bilderbuch war, hatten George und sein Freund das Leben verloren. Wir übrigen waren schwer verletzt. Maria hatte Kopfverletzungen und innere Verletzungen. Meinem Schwiegervater fiel die schwere Aufgabe zu, an mein Krankenbett zu kommen und mir die schmerzliche Nachricht von ihrem Tod mitzuteilen. Es gab mir einen Stich ins Herz. ‚Warum sie? Warum hat es nicht mich getroffen? Es ist nicht gerecht, daß ein Kind wie sie sterben muß‘, dachte ich. ‚Hätte ich George nur nicht zugesagt ...‘
Um Dianne stand es sehr schlecht. Sie hatte sich die Wirbelsäule gebrochen. Drei Wochen nach dem Unfall starb auch sie. Ich hatte mit einem Mal mein Kind und meine Frau verloren. Mir war, als hätte ich alles verloren. Wie sollte mein Leben nur weitergehen?“ (Erzählt von Jess Romero, New Mexico, USA.)
„Jonathan, unser Sohn, war auf Long Island zu Besuch bei Freunden. Valentina, meine Frau, sah es nicht gern, daß er dorthin fuhr. Sie hatte immer Angst wegen des Verkehrs. Aber er interessierte sich für Elektronik, und seine Freunde hatten eine Werkstatt, wo er praktische Erfahrungen sammeln konnte. Ich war zu Hause in West Manhattan. Meine Frau war auf Besuch bei ihren Angehörigen in Puerto Rico.
Ich saß vor dem Fernseher und war am Eindösen. ‚Jonathan wird bald zurück sein‘, dachte ich. Es klingelte an der Tür. ‚Das ist er sicher.‘ Er war es nicht. Es war die Polizei.
‚Kennen Sie diesen Führerschein?‘ fragte der Polizeibeamte. ‚Ja, er gehört meinem Sohn Jonathan.‘ ‚Wir haben eine schlechte Nachricht für Sie. Es ist ein Unfall passiert, und ... Ihr Sohn, ... Ihr Sohn ist umgekommen.‘ Meine erste Reaktion war: ‚No puede ser! No puede ser!‘ — Das kann nicht wahr sein!
Diese Schreckensnachricht hat unserem Herzen eine Wunde zugefügt, die heute, nach fast zwei Jahren, noch nicht verheilt ist.“ (Erzählt von Agustín Caraballoso, New York, USA.)
„Damals im Spanien der 60er Jahre waren wir trotz der religiösen Verfolgung, die wir als Zeugen Jehovas durchmachten, eine glückliche Familie. Da waren María, meine Frau, und unsere drei Kinder David, Paquito und Isabel, die im Jahre 1963 13, 11 und 9 Jahre alt waren.
Im März jenes Jahres klagte Paquito eines Tages, als er von der Schule nach Hause kam, über heftige Kopfschmerzen. Wir rätselten über die Ursache — doch nicht lange. Drei Stunden später war er tot. Er war an einer Gehirnblutung gestorben.
Paquito starb vor 24 Jahren. Dennoch ist der tiefe Schmerz bis heute geblieben. Wenn Eltern ein Kind verloren haben, ist es ihnen, als hätten sie ein Stück von sich selbst verloren — ganz gleich, wieviel Zeit verstreicht oder wie viele Kinder ihnen noch bleiben.“ (Erzählt von Ramón Serrano, Barcelona, Spanien.)
Dies sind nur einige wenige der Millionen von Tragödien, die Familien in der ganzen Welt erschüttern. Die meisten trauernden Eltern werden bestätigen, daß der Tod wahrhaftig ein Feind ist (1. Korinther 15:25, 26).
Doch wie kamen die erwähnten Personen zurecht? Ist nach einem solchen Verlust je wieder ein normales Leben möglich? Besteht die Aussicht, verstorbene Angehörige einmal wiederzusehen? Wenn ja, wo und wie? Diese und ähnliche Fragen werden in den folgenden Artikeln betrachtet.
[Bildnachweis auf Seite 3]
The Daily Herald, Provo, Utah
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„Wie kann ich mit meiner Trauer leben?“Erwachet! 1987 | 8. August
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„Wie kann ich mit meiner Trauer leben?“
BOB und Diane Krych erlebten das tragische Geschehen vor 18 Jahren. Ihr sechsjähriger Sohn David hatte einen angeborenen Herzfehler. Diane berichtet:
„Der Arzt hatte uns geraten, ihn nach etwa einem Jahr untersuchen zu lassen, womit wir einverstanden waren. David war quicklebendig, fast zu lebhaft. Es war der 25. Januar, und ich erinnere mich, daß seine Schwester ärgerlich auf ihn war, weil er ihr Zimmer durcheinandergebracht hatte. Als er fragte, ob er draußen spielen dürfe, ließ ich ihn gehen.
Später hörte ich einen Krankenwagen. Dann kam eine Nachbarin gerannt und rief: ‚Diane, es ist David, komm, schnell!‘ Ich lief auf die Straße, und da sah ich ihn ausgestreckt über der Motorhaube des Autos liegen, das ihn angefahren hatte. Ich stand wie versteinert da. Ich war wie gelähmt. Sie fuhren ihn mit dem Krankenwagen fort. Aber es war vergebens. Sein kleines Herz versagte, und er starb.“
Wie wirkte sich dieser schreckliche Verlust auf Diane aus?
„Ich machte die verschiedensten Reaktionen durch — Betäubtsein, Nichtwahrhabenwollen, Schuldgefühle und Zorn auf meinen Mann und auf den Arzt, weil sie den Ernst der Lage unterschätzt hatten. Ich hatte mich an jenem Tag so über David aufgeregt. Damals erwartete ich Gäste zum Essen und mußte mich um ein zehn Wochen altes Baby kümmern. Es war einfach zuviel. Und dann wurde mein David auch noch ins Krankenhaus eingeliefert.
Ich wollte seinen Tod nicht wahrhaben. Ich akzeptierte das Wort ‚tot‘ nicht. Mir war es, als sei er auf eine lange Reise gegangen. ‚Er lebt im Gedächtnis Gottes und kommt bald wieder‘, dachte ich. Etwa sieben Wochen nach seinem Tod begann ich, ihm Briefe zu schreiben. Ich schrieb diese Briefe 13 Jahre lang.“
Wie lange hält die Trauer an?
Dianes anhaltende Trauer stützt folgenden Gedanken, den Dr. Arthur Freese in seinem Buch Help for Your Grief (Hilfe für Trauernde) äußert: „Die meisten Experten sind der Meinung, daß der Tod eines Kindes bei den Eltern ein bleibendes Verlustgefühl hervorruft, besonders bei der Mutter.“
Der Dichter Percy Bysshe Shelley hatte das Empfinden, die Trauer kehre mit jedem Jahr wieder. Ja, die jährlich wiederkehrenden Erinnerungen an das verstorbene Kind lassen den Schmerz wiederaufleben. Millionen von Menschen können dies bestätigen und fragen: „Wie kann ich mit meiner Trauer leben?“ Doch die Trauer ist ein Heilungsprozeß, der allerdings wohl nie ganz abgeschlossen sein wird. Die akute Trauer schwindet, aber das Verlustgefühl bleibt.
Dies können Harold und Marjorie Bird aus Großbritannien bestätigen, deren damals 19jähriger Sohn Steven vor zehn Jahren ertrunken ist. Was die Sache noch schlimmer machte, war, daß er ihr einziges Kind war und daß sein Leichnam nie gefunden wurde. Harold sagt über die Trauer: „Es heißt, die Zeit heile alle Wunden, aber in Wirklichkeit betäubt sie nur die Erinnerung an den Verstorbenen. Die Wunden werden erst verheilen, wenn wir ihn durch die Auferstehung wiedersehen.“
In einer wissenschaftlichen Studie wird der Prozeß des Trauerns wie folgt geschildert: „Der Trauernde fällt mitunter drastisch und unvermittelt von einem Gemütszustand in einen anderen; einmal verdrängt er Erinnerungen an den Verstorbenen, und dann gräbt er sie bewußt wieder hervor. Trauernde gelangen im allgemeinen von einer Phase des Nichtwahrhabenwollens zu einem allmählichen Sichabfinden mit der Realität des Verlustes.“
Dr. Freese wirft einen Lichtstrahl auf dieses düstere Thema. „Man muß die Dinge immer im richtigen Verhältnis sehen und erkennen, daß weitaus die meisten Trauernden ... wieder zu sich kommen, sich erholen und in etwa dieselbe körperliche Verfassung wiedererlangen, die sie vor der schmerzlichen und qualvollen Trauer hatten.“
In vielen Fällen ist der Betreffende nachher sogar stärker. Wie kommt das? Weil ihn das Erlebnis des Trauerns Einfühlungsvermögen gelehrt hat — mehr Verständnis für Trauernde und die Fähigkeit, sich in ihre Lage hineinzuversetzen. Und da Einfühlungsvermögen weit über Mitleid hinausgeht, wird derjenige, der Trauer durchlebt hat, für andere, die den Verlust eines geliebten Menschen beklagen, zum Rückhalt, zum Ratgeber und zum Tröster. Bob zum Beispiel, dessen Sohn David an Herzversagen starb, sagt: „Wir haben festgestellt, daß wir uns erleichtert fühlen, wenn wir anderen helfen, die Last der Trauer zu tragen.“
Warum Schuldgefühle, Zorn und Vorwürfe?
Experten auf dem Gebiet der Trauerreaktionen räumen ein, daß Schuldgefühle, Zorn und Vorwürfe, die häufig mit der Trauer einhergehen, für diese Situation normal sind. Die Hinterbliebenen suchen oft nach Gründen, obwohl es keine triftigen oder logischen Gründe gibt. „Warum gerade ich? Womit habe ich das verdient? Hätte ich doch nur ...!“ sind einige übliche Reaktionen. Andere wenden sich gegen Gott und fragen: „Warum hat Gott das zugelassen? Warum hat Gott mir das angetan?“
Die Bibel antwortet: „Zeit und unvorhergesehenes Geschehen trifft sie alle.“ Unfälle können überall und jederzeit geschehen; der Tod sieht nicht auf die Person. Ein Gott der Liebe würde bestimmt nicht jemand herauspicken und ihm ein Kind wegnehmen (Prediger 9:11; 1. Johannes 4:8).
Agustín und Valentina, die im einleitenden Artikel erwähnt werden, brachen immer noch in Tränen aus, als sie mit unserem Korrespondenten über den Tod Jonathans sprachen. Machten sie sich gegenseitig Vorwürfe? Valentina antwortet: „Ich war nie damit einverstanden, daß er mit jemand anders im Auto nach Long Island fuhr. Ehrlich gesagt, ich gab Agustín die Schuld. Heute erkenne ich, daß es unvernünftig war, aber damals dachte ich immer wieder: ‚Wenn Papa ihm nicht erlaubt hätte, dorthin zu fahren, dann wäre er noch am Leben.‘ Ich machte ihm ständig Vorwürfe. Ich mußte aus mir herausgehen, weil es mir weh tat, es für mich zu behalten.“
Diane Krychs Zorn über Davids frühen Tod kam sogar in Verärgerung über Tiere zum Ausdruck. Sie sagte gegenüber Erwachet!: „Wenn ich einen Hund oder eine Katze auf der Straße sah, dachte ich: ‚Dieses Tier hat ein gesundes Herz. Warum konnte mein Sohn kein gesundes Herz haben? Warum kann ein Tier so unbeschwert umherlaufen und mein David nicht?‘“
Experten versichern, daß all diese Reaktionen, wenn sie auch oft unvernünftig zu sein scheinen, ganz natürlich sind. Das Fragenstellen ist eine Art Rationalisieren, ein Teil des Prozesses, in dessen Verlauf man sich mit der Realität abfindet. Man wird innerlich gefestigt, und der gesunde Menschenverstand gewinnt die Oberhand. Dr. Freese erklärt: „Eine positive Trauer — das heißt, daß man die emotionellen Probleme des Kummers und des Leides hinreichend verarbeitet, den Tod akzeptiert und sich ehrlich mit den damit zusammenhängenden Gefühlen auseinandersetzt — ist daran zu erkennen, daß der Trauernde schließlich die schlechten Zeiten hinnimmt, in denen er Schmerz erleidet oder vorübergehend traurigen Gedanken nachhängt.“
Dies führt dazu, daß man sein Gleichgewicht wiedererlangt. Dr. Freese fährt fort: „Ideal ist es, wenn Sehnsucht, angenehme Erinnerungen und die Fähigkeit, offen und voller Zuneigung über den Verstorbenen zu sprechen, an die Stelle des quälenden Schmerzes, des Leides und des Kummers treten.“ In dieser Phase rufen Erinnerungen an den Verstorbenen eher Zuneigung als Kummer wach.
Eine Totgeburt verwinden
Monna, die bereits mehrere Kinder hatte, sah der Geburt ihres nächsten Sprößlings mit freudiger Erwartung entgegen. Vor der Geburt spielte sie mit ihm, sprach mit ihm und sehnte sich nach ihm.
Die Bindung zwischen der Mutter und dem ungeborenen Kind war stark. Sie sagt: „Rachel Anne war ein Baby, das so kräftig gegen meinen Bauch trat, daß mir Bücher hinunterrutschten, und das mich nachts wach hielt. Ich kann mich noch an die ersten leichten Stöße erinnern — zaghafte, liebevolle Stupser. Immer wenn sie sich bewegte, wurde ich von Liebe erfüllt. Ich kannte sie so gut, daß ich wußte, wann sie Schmerzen hatte, wann es ihr schlechtging.“
Monna erzählt weiter: „Der Arzt wollte mir nicht glauben, bis es zu spät war. Er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Ich glaube, ich spürte, wie sie starb. Sie drehte sich plötzlich mit aller Kraft um. Am nächsten Tag war sie tot.“
Monnas Erlebnis ist kein Einzelfall. Die Autorinnen R. Friedman und B. Gradstein schreiben in ihrem Buch Surviving Pregnancy Loss (Eine Fehlgeburt verwinden), daß allein in den Vereinigten Staaten jährlich rund eine Million Schwangere ihr Kind verlieren. Oft erkennen andere nicht, daß eine Fehl- oder eine Totgeburt für eine Frau etwas äußerst Tragisches ist und daß sie trauert — vielleicht ihr Leben lang. Veronica aus New York zum Beispiel, die nun die Fünfzig überschritten hat, denkt immer noch an ihre Fehlgeburten, besonders an das totgeborene Baby, das bis zum neunten Monat lebte und bei der Geburt 12 Pfund wog. Mindestens zwei Wochen lang trug sie es tot im Leib. Sie sagt: „Ein totes Baby zur Welt zu bringen ist für eine Mutter etwas Schreckliches.“
Die Reaktionen solcher verzweifelten Mütter werden selbst von anderen Frauen nicht immer verstanden. Eine Psychiaterin, die ihr Kind durch eine Fehlgeburt verloren hat, schreibt: „Ich lernte auf schmerzliche Weise, daß ich, ehe dies geschah, keine Ahnung hatte, was meine Freundinnen durchgemacht hatten. Ich war ihnen gegenüber so gefühllos, wie es nach meinem Empfinden andere Leute jetzt mir gegenüber sind.“
Ein weiteres Problem für die trauernde Mutter ist der Eindruck, daß ihr Mann den Verlust nicht so empfindet wie sie. Eine Ehefrau erzählt: „Damals war ich von meinem Mann tief enttäuscht. Er brauchte die Schwangerschaft ja nicht durchzumachen. Er konnte nicht nachfühlen, welches Leid ich durchlitt. Er hatte sehr viel Verständnis für meine Ängste, aber nicht für meine Trauer.“
Diese Reaktion ist für einen Ehemann vielleicht natürlich — er hat nicht wie seine schwangere Frau die körperliche und emotionelle Bindung zu dem Kind. Dennoch leidet er unter dem Verlust. Es ist für den Mann und die Frau wichtig, zu erkennen, daß sie gemeinsam leiden, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Sie sollten ihren Kummer teilen. Wenn der Mann seinen Kummer verbirgt, hält seine Frau ihn womöglich für gefühllos. (Siehe Seite 12.) Weint daher gemeinsam, und tauscht Gedanken und Zärtlichkeiten aus. Ihr braucht einander wie nie zuvor.
Der rätselhafte Krippentod und Trauer
Millionen von Müttern leben täglich mit einer heimlichen Angst. Eine Mutter sagt: „Ich bete jeden Abend darum, daß ich mein Baby am nächsten Morgen lebend vorfinde.“ Was diese Mütter fürchten, ist der Krippentod oder plötzliche Kindstod, bei Fachleuten auch bekannt als SIDS (Sudden Infant Death Syndrome). Dr. Marie Valdes-Dapena, Professorin für Pathologie an der Universität Miami (Florida), berichtet, daß es allein in den Vereinigten Staaten jährlich zu 6 000 bis 7 000 Fällen von SIDS kommt. Sie erklärt: „Es steht außer Frage, daß dies, was die öffentliche Gesundheit betrifft, ein echtes Problem ist.“
Der Krippentod tritt nachts auf, häufig zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat. Die Wissenschaft kann immer noch nicht mit einer zufriedenstellenden Erklärung aufwarten, und sogar Autopsien geben keinen Aufschluß über den plötzlichen Kindstod. Er ist nach wie vor rätselhaft.a
Oft folgen auf den Krippentod entsetzliche Schuldgefühle. Was kann den Eltern in diesem Fall helfen? Erstens müssen sie sich bewußt werden, daß sie das Geschehen nicht hätten verhindern können. Der Krippentod ist nicht vorherzusehen und gewöhnlich auch unvermeidbar. Daher besteht kein Grund für irgendwelche Schuldgefühle. Zweitens wird es den Eltern helfen, die Trauer zu durchleben, wenn sie sich gegenseitig unterstützen, Vertrauen zueinander haben und einer für den anderen Verständnis aufbringt. Sprecht mit anderen über euer Baby. Teilt eure Gefühle mit.
Großeltern trauern auch
Großeltern leiden auch — auf besondere Art und Weise. Ein trauernder Vater erklärt: „Sie reagieren nicht nur auf den Tod eines Enkels, sondern auch auf die Trauer ihres eigenen Kindes.“
Doch es gibt Möglichkeiten, die Großeltern den Verlust leichter ertragen zu lassen. Zunächst sollte man sie mit berücksichtigen. Das Kind war auch ihr Nachkomme. Daher sollten die Großeltern in den Prozeß des Trauerns einbezogen werden. Das heißt natürlich nicht, daß sie ohne die Zustimmung der Eltern die Sache in die Hand nehmen sollten. Wenn sie jedoch einbezogen werden möchten — und gewöhnlich ist das der Fall —, sollte man sie nicht hindern.
Diese kurze Abhandlung über Trauer soll die Gefühle Trauernder verstehen helfen. Aber es ist noch etwas zu berücksichtigen: Wie können andere helfen, besonders durch ihre Äußerungen? Und wie können Ehemänner ihre Trauer zum Ausdruck bringen? Lies bitte den nächsten Artikel.
[Fußnote]
a In einer künftigen Erwachet!-Ausgabe wird SIDS näher erläutert.
[Kasten auf Seite 7]
Der Prozeß des Trauerns
Dies bedeutet nicht, daß die Trauer nach einem festen Schema oder Programm verläuft. Trauerreaktionen sind von Fall zu Fall verschieden; sie können sich überschneiden und unterschiedlich lang andauern.
Erste Reaktionen:
Schock; Nichtwahrhabenwollen; Betäubtsein; Schuldgefühle; Zorn
Die akute Trauer kann folgendes einschließen:
Gedächtnisverlust und Schlaflosigkeit; Übermüdung; plötzliche Stimmungsschwankungen; Fehlurteile und Fehleinschätzungen; Weinkrämpfe; Veränderung des Appetits mit Gewichtszunahme oder -abnahme; verschiedene Symptome für gesundheitliche Störungen; Teilnahmslosigkeit; verminderte Arbeitsfähigkeit; Halluzinationen, d. h. den Verstorbenen fühlen, hören oder sehen
Die Phase des Sichabfindens:
Mit Sehnsucht einhergehende Traurigkeit; überwiegend angenehme Erinnerungen an den Verstorbenen, zuweilen sogar mit Humor gefärbt
(Gestützt auf das Buch Help for Your Grief von Dr. Arthur Freese, Seite 23 bis 26.)
[Kasten auf Seite 9]
Schritte, die helfen, die Trauer zu überwinden
Jeder muß die Trauer auf seine Weise durchstehen. Wichtig ist dabei, sich nicht in sein Schneckenhaus zurückzuziehen oder in Selbstmitleid zu verfallen. Einige Trauernde, die von Erwachet! interviewt wurden, haben folgende Anregungen gegeben, die sich auf ihre eigene Erfahrung stützen:
◼ Halte dich beschäftigt, und setze deine alltäglichen Arbeiten und sonstigen Tätigkeiten fort. Zeugen Jehovas betonten vor allem, wie wichtig es ist, christliche Zusammenkünfte zu besuchen und sich am Predigtdienst zu beteiligen. Viele äußerten sich darüber, daß ihnen das Gebet eine große Hilfe war.
◼ Zeige deine Trauer; versuche nicht, sie zu verbergen. Je eher du weinst und trauerst, um so schneller wird die Phase der akuten Trauer vergehen.
◼ Sondere dich nicht ab; geh unter Menschen, und laß sie auf dich zukommen. Sprich freimütig über den Verstorbenen, wenn dir das hilft.
◼ Beginne so bald wie möglich, dich für andere und ihre Probleme zu interessieren. Bemühe dich, anderen zu helfen, und du wirst dir selbst helfen.
[Kasten auf Seite 10]
Wie können andere helfen?
Unsere Korrespondenten führten in verschiedenen Ländern viele Interviews mit Trauernden. Es ergaben sich unter anderem folgende Anregungen, die trauernden Familien helfen sollen. Natürlich muß man flexibel sein, je nachdem wie die Trauernden empfinden.
1. Besuche die Familie vom ersten Tag an, und lade sie auch zu dir ein. Bereite Mahlzeiten für sie zu. Behalte dies so lange wie nötig bei, nicht nur die ersten Wochen.
2. Laß die Eltern entscheiden, ob sie Kleidung und andere Dinge, die sie an das verstorbene Kind erinnern, bei sich oder woanders aufbewahren möchten.
3. Nenne das verstorbene Kind, wenn du von ihm sprichst, mit Namen, falls der Trauernde andeutet, daß er dies wünscht. Erinnere an die humorvollen Seiten seiner Persönlichkeit und an die glücklichen Augenblicke seines Lebens. Schweige nicht — die Eltern möchten vielleicht über ihr Kind reden.
4. Schreibe ermunternde und tröstende Briefe, falls du zu weit weg wohnst, um persönlich zu helfen. Vermeide nicht die Erwähnung des Kindes.
5. Ermuntere die Eltern — wenn es angebracht ist —, sich beschäftigt zu halten und ihren gewohnten Tagesablauf beizubehalten. Bringe sie dazu, aus dem Haus zu gehen und etwas für andere zu tun.
[Kasten auf Seite 10]
Eine Großmutter schreibt:
„Nachdem ich meine lieben Eltern, einen Bruder, eine Schwester, meinen treuen Lebensgefährten, liebsten Freund und Ehemann, meinen Jim, den ich mit 13 Jahren kennen- und liebenlernte, und meinen prächtigen kleinen Enkel Stuart Jamie durch den Tod verloren habe, kann ich sagen, daß es kein Leid, keinen Schmerz oder keine qualvolle Trauer gibt, die mich, selbst während ich dies schreibe, so sehr durchflutet wie die Trauer nach dem Tod eines Kindes.“
(Edna Green [England] über den Tod ihres Enkelsohns, der mit zwei Jahren und neun Monaten starb.)
[Bild auf Seite 8]
Wenn ihr eure Trauer gemeinsam durchlebt, helft ihr euch gegenseitig, sie zu bewältigen
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Äußerungen, die nicht unbedingt Trost spendenErwachet! 1987 | 8. August
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Äußerungen, die nicht unbedingt Trost spenden
HAST du dich, falls du schon einmal in tiefer Trauer warst, wegen der Äußerungen anderer manchmal verletzt gefühlt? Zwar finden wohl die meisten Menschen die richtigen Worte, doch viele Trauernde können sich an Bemerkungen erinnern, die ihnen nicht halfen. Ursula Mommsen-Henneberger schreibt in den Kieler Nachrichten: „Wenn Außenstehende die Eltern auf die anderen Kinder verweisen, trifft sie das tief. Die Geschwister können das tote Kind nicht ersetzen.“
Kathleen Capitulo, Beraterin für Trauernde, sagte gegenüber Erwachet!: „Eine andere Bemerkung, die man vermeiden sollte, ist: ‚Ich weiß, wie du fühlst.‘ Tatsache ist, daß niemand wirklich weiß, was ein anderer durchmacht. Doch man kann dem Trauernden zeigen, daß seine Gefühle begründet sind. Man kann ihm versichern, daß sie ganz natürlich sind.“
In dem Buch Recovering From the Loss of a Child (Den Tod eines Kindes verwinden) heißt es von Abe Malawski, er sei „überzeugt, daß nur jemand, der ein Kind verloren hat, weiß, was das bedeutet“. Er sagt: „Auch wenn man fünfzehn Kinder hat, ist das Leid unermeßlich. Ein Kind ist nicht zu ersetzen.“
Im Fall einer Fehlgeburt oder einer Totgeburt sind folgende Äußerungen, wenn auch aufrichtig, nicht erbauend: „Bald wirst du wieder schwanger sein und das alles vergessen.“ „Es ist besser so. Das Kind wäre ja mißgebildet gewesen.“ Oder: „Im nachhinein ist es ein Segen.“ Im grausamen Moment des Verlustes können solche Klischees, obwohl gut gemeint, die Qual nicht erleichtern.
Religiöse Phrasen, wie man sie zuweilen von Geistlichen hört, verbittern den Trauernden ebenfalls. Die Worte „Gott wollte ein Engelchen im Himmel haben“ stellen Gott als grausam und selbstsüchtig hin und laufen auf Gotteslästerung hinaus. Außerdem läßt sich dies weder logisch noch mit der Bibel begründen.
Sollte ein Christ trauern?
Wie steht es mit Christen, die ein Kind durch den Tod verlieren? Manchmal werden die Worte des Paulus an die Thessalonicher zitiert: „Ihr sollt nicht trauern wie die andern, die keine Hoffnung haben“ (1. Thessalonicher 4:13, Rösch). Verbot Paulus das Trauern? Nein, er sagte lediglich, daß Christen, die eine Hoffnung haben, nicht in derselben Art und Weise trauern wie diejenigen, die keine Hoffnung haben (Johannes 5:28, 29).
Wie reagierte Jesus beispielsweise, als Maria ihm sagte, daß Lazarus gestorben war? In dem Bericht heißt es: „Als Jesus daher sah, wie sie [Maria] weinte und wie die Juden, die mit ihr kamen, weinten, seufzte er im Geist und wurde beunruhigt.“ Dann brachte man ihn dorthin, wo der Tote lag. Es heißt: „Jesus brach in Tränen aus.“ Ist es also verkehrt zu trauern? Zeugt es von mangelndem Glauben an Gottes Verheißung einer Auferstehung? Nein, vielmehr ist es ein Zeichen tiefer Liebe zu dem Verstorbenen (Johannes 11:30-35; vergleiche Johannes 20:11-18).
Fehl am Platz ist es außerdem, wenn jemand dem Trauernden mit gönnerhafter Miene versichert: „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Man sollte auch nicht fragen: „Bist du schon darüber hinweg?“ Eine Mutter aus Großbritannien sagte: „Wer fragt, ob man schon darüber hinweg sei, hat keine Ahnung, was es heißt, einen Menschen zu verlieren, der einem so nahesteht wie ein Kind. Wir werden erst darüber hinwegkommen, wenn unser Sohn durch die Auferstehung wiederkommt.“ Vielleicht ist Shakespeares Ausspruch passend: „Jeder kann den Schmerz bemeistern, nur der nicht, der ihn fühlt.“
Manchmal muß der Vater unter der Gedankenlosigkeit anderer leiden. Ein trauernder Vater ärgerte sich, wenn die Leute fragten: „Wie geht es deiner Frau?“ Er sagte: „Sie würden nie nach dem Ehemann fragen. ... Das ist völlig falsch und so ungerecht. Der Mann empfindet genauso stark wie die Frau. Er trauert auch.“
Haltung bewahren?
In vielen Kulturen wird die Auffassung vertreten, besonders Männer sollten ihre Gefühle und ihre Trauer nicht zeigen, sondern „Haltung bewahren“ oder „die Zähne zusammenbeißen“. Oliver Goldsmith, ein englischer Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, sprach von der „stillen Männlichkeit der Trauer“. Aber ist diese „stille Männlichkeit“ unbedingt die beste Möglichkeit, die Trauer zu verarbeiten?
In ihrem Buch Verwaiste Eltern schildert Harriet Sarnoff Schiff, wie es sich im Fall ihres Mannes verhielt. „Hier war ein Mann, ein Vater, der zusehen mußte, wie sein Kind zu Grabe getragen wurde, und von dem aufgrund gesellschaftlicher Konvention erwartet wurde, daß er ‚Haltung bewahrte‘“, schreibt sie. „Er mußte für sein ‚Haltung-Bewahren‘ teuer zahlen. Die Zeit verging, und er kam nicht etwa langsam aus der Trauer heraus, sondern versank immer tiefer darin.“
Einige werden sich in die Lage dieses Ehemannes hineinversetzen können, der seine Empfindungen selbst wie folgt beschreibt: „Ich komme mir vor, als ob ich über arktische Schneefelder gehe ... Ich bin sehr müde. Ich weiß, wenn ich mich hinlege, schlafe ich ein. Ich weiß, wenn ich einschlafe, erfriere ich. Es ist mir egal. Ich kann nicht mehr.“
Was rät Harriett Sarnoff Schiff daher? „Für einen leidtragenden Vater ist es ungeheuer wichtig, daß er alle konventionelle männliche Ethik beiseite schiebt und weint. Laß die Tränen kommen. Laß ihnen freien Lauf. Sie waschen den Kummer mit ab.“ Die Autorinnen des Buches Surviving Pregnancy Loss geben folgenden Hinweis, der sowohl für Männer als auch für Frauen gilt: „Einige bewundern zwar den Stoizismus sehr, doch nur wenn man sich mit der Trauer auseinandersetzt, kann man schließlich davon befreit werden“ (Kursivschrift von uns). Andernfalls besteht die Gefahr, „unvollständig“ zu trauern, was verheerende Folgen für die kommenden Jahre haben kann.
Unvollständige Trauer heißt, daß der Betreffende die Trauer eindämmt, statt sie durchzumachen und die Trennung letztlich hinzunehmen. Diese Trauer kann sich zumindest in dreierlei Hinsicht offenbaren — als unterdrückte, als verspätete oder als chronische Trauer. Wie ist zu helfen?
Möglicherweise muß ein Experte zu Rate gezogen werden. Ein hilfsbereiter Hausarzt oder ein religiöser Ratgeber kann Erleichterung bringen. Auch feinfühlige Angehörige können helfen. Der Betreffende braucht Hilfe, um die Trauer zu durchleben.
Jess Romero gibt zu, daß er hemmungslos weinte, als seine Tochter und seine Frau bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren. Er sagte gegenüber Erwachet!: „Nach einigen Wochen brachten mich meine Schwestern von der Klinik nach Hause, und als ich zur Tür hineinging, sah ich das Bild meiner Tochter an der Wand. Mein Schwager merkte, wie tief es mich berührte, und sagte: ‚Weine ruhig.‘ Das tat ich auch. So konnte ich einen Teil meines angestauten Kummers loswerden.“
Zwar kann durch den Prozeß des Trauerns der Schmerz bis zu einem gewissen Grad gelindert werden, doch gibt es für die meisten nur e i n e bleibende Lösung — den geliebten Menschen wiederzusehen.
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Hoffnung für die Toten, Trost für die TrauerndenErwachet! 1987 | 8. August
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Hoffnung für die Toten, Trost für die Trauernden
JESS Romero, der im einleitenden Artikel erwähnt wird, heiratete schließlich wieder. Agustín und Valentina Caraballoso schmerzt der Tod Jonathans noch, aber sie haben eine gewisse Ruhe gefunden. Ramón und María Serrano aus Spanien kommen 24 Jahre nach Paquitos Tod immer noch die Tränen. Doch was hat sie alle aufrechterhalten? Sie antworten: „Die Auferstehungshoffnung!“
Aber was ist genau mit „Auferstehung“ gemeint? Wer wird auferstehen? Wann? Und wieso können wir dessen sicher sein?
Hoffnung für die Toten — gemäß Jesu Lehre
Jesus auferweckte während seines irdischen Dienstes verschiedene Personen (Markus 5:35-42). Dies war ein Vorbild für die Auferstehung großen Ausmaßes, die vonstatten gehen wird, wenn die Erde wieder ganz der Herrschaft Gottes untersteht. Millionen beten darum, wenn sie sagen: „Dein Königreich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf der Erde“ (Matthäus 6:9, 10).
Gottes Macht in dieser Hinsicht zeigte sich zum Beispiel, als Jesus seinen Freund Lazarus auferweckte. Aus dem Bericht darüber geht außerdem hervor, in welchem Zustand sich die Toten befinden. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Lazarus, unser Freund, ist zur Ruhe gegangen, doch begebe ich mich dorthin, um ihn aus dem Schlaf zu wecken.“ Die Jünger, die das nicht begriffen, erwiderten: „Herr, wenn er zur Ruhe gegangen ist, wird er gesund werden.“ Sie schlossen aus Jesu Worten, Lazarus schlafe lediglich, doch in Wirklichkeit war er tot. Daher sagte Jesus offen: „Lazarus ist gestorben.“
Man beachte, daß Jesus keinerlei Anspielung auf eine unsterbliche Seele machte, die in einen anderen Zustand oder Bereich übergeht. Er hatte sich nicht von der griechischen Philosophie beeinflussen lassen, sondern hielt sich an die klare biblische Lehre aus den Hebräischen Schriften. Lazarus ruhte im Todesschlaf und war, als Jesus kam, schon vier Tage in der Gedächtnisgruft. Welche Hoffnung bestand für ihn?
Als Jesus mit Martha, der Schwester des Lazarus, sprach, versicherte er ihr: „Dein Bruder wird auferstehen.“ Wie reagierte sie? Sagte sie, seine Seele sei bereits im Himmel oder irgendwo anders? Sie antwortete: „Ich weiß, daß er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten Tag.“ Auch sie war von der biblischen Lehre von einer Auferstehung zum Leben auf der Erde überzeugt. Jesus gab ihr mit folgenden Worten noch mehr Grund zu glauben: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer Glauben an mich ausübt, wird zum Leben kommen, auch wenn er stirbt.“ Als Beweis dafür ging er dann zur Gedächtnisgruft des Lazarus und rief mit lauter Stimme: „Lazarus, komm heraus!“ Was geschah?
In dem historischen Bericht heißt es: „Der Mann, der tot gewesen war, kam heraus, seine Füße und Hände mit Binden umwickelt, und sein Angesicht war mit einem Tuch umbunden. Jesus sprach zu ihnen: ‚Bindet ihn los, und laßt ihn gehen‘“ (Johannes 11:1-44).
Auf dieses Geschehen gründet sich unter anderem die Hoffnung, die die von Erwachet! interviewten Trauernden gestützt hat. Diese Zuversicht hilft ihnen, der nahen Zukunft erwartungsvoll entgegenzublicken, wenn die Erde ein Paradies werden wird und sich folgende Hoffnung erweckende Worte Jesu erfüllen werden: „Wundert euch nicht darüber, denn die Stunde kommt, in der alle, die in den Gedächtnisgrüften sind, seine Stimme hören und herauskommen werden, die, welche Gutes getan haben, zu einer Auferstehung des Lebens, die, welche Schlechtes getrieben haben, zu einer Auferstehung des Gerichts“ (Johannes 5:28, 29).
„Mein Lieblingstext ist ...“
Erwachet! hat verschiedene Eltern und Geschwister verstorbener Kinder interviewt.a Während sie schilderten, wie sie ihre Trauer durchlebten, hörte man immer wieder die Äußerung: „Mein Lieblingstext ist ...“ Falls du um jemanden trauerst, werden dir diese Bibeltexte sicher auch helfen.
Die 14jährige Yunhee aus Seoul (Republik Korea) starb 1985 an Leukämie. Chun Kwang-kook, ihr Vater, offenbarte, wie er Yunhee in den letzten Wochen ihres Lebens tröstete. „Ich sprach mit ihr über Lazarus“, erzählte er. „Jesus sagte, daß Lazarus nur schlafe. Und wenn Jesus ruft: ‚Yunhee, wach auf!‘, wird sie genau wie er aus dem Schlaf erwachen.“
Janet Hercock aus England war 13 Jahre alt, als sie 1966 an Krebs starb. Ihre Eltern und ihre zwei Brüder, David und Timothy, trauerten um sie. David sagte, welcher Text ihm am meisten geholfen hat: „Es war Apostelgeschichte 17:31, wo es heißt: ‚Er [Gott] hat einen Tag festgesetzt, an dem er die bewohnte Erde in Gerechtigkeit richten will durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und er hat allen Menschen eine Gewähr dafür gegeben, indem er ihn von den Toten zur Auferstehung gebracht hat.‘ Bei der Beerdigung betonte der Redner, daß Jesu Auferstehung eine Gewähr für die künftige Auferstehung ist. Das hat mir viel Kraft gegeben.“
Im Dezember 1975 nahm George, gerade 14 Jahre alt, das Gewehr seines Vaters und erschoß sich. Wie reagierte Russell, Georges Vater, auf den Selbstmord seines Sohnes?b
„Bestimmte Schriftstellen wurden mir zum Anker. So zum Beispiel die Worte aus Sprüche 3:5: ‚Vertraue auf Jehova mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand.‘ In gewissem Maße vertraute ich nämlich auf meinen eigenen Verstand in dem Versuch, mich mit dem Geschehen abzufinden.“
Die Familie Morgan aus England war gerade in Schweden, als ihr Sohn Darrall plötzlich erkrankte. In Stockholm wurde eine Notoperation vorgenommen. Darauf wurde er nach England geflogen, wo er kurz vor seinem 24. Geburtstag starb. Nell, seine Mutter, sagt: „Ein Bibeltext, der mir immer wieder in den Sinn kommt, ist Matthäus 22:32. Dort wird Jehova von Jesus wie folgt zitiert: ‚Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.‘ Dann fährt Jesus fort: ‚Er ist nicht der Gott der Toten, sondern der Lebenden.‘ Diese Worte bedeuten, daß Darrall im Gedächtnis Gottes ist und daß er in der Auferstehung wiederkommen wird, das weiß ich.“
Hoffnung für die Toten — bald verwirklicht
Die biblischen Prophezeiungen deuten darauf hin, daß die Zeit nahe ist, wo Gott Schritte unternehmen wird, um der gehorsamen Menschheit Frieden und ewiges Leben zu schenken. Gott hat verheißen: „Ich will ihre Trauer in Frohlocken umwandeln, und ich will sie trösten und sie erfreuen, indem ich sie ihrem Kummer entreiße.“ „‚Halte deine Stimme zurück vom Weinen und deine Augen von Tränen, denn es gibt eine Belohnung für deine Tätigkeit‘, ist der Ausspruch Jehovas, ‚und sie werden gewißlich aus dem Land des Feindes [des Todes] zurückkehren‘“ (Jeremia 31:13-17).
Dann wird Jehova nach und nach die im Laufe der Menschheitsgeschichte Verstorbenen durch die Auferstehung wieder zum Leben bringen. Unter der himmlischen Regierung in Gottes neuem System werden sie die Gelegenheit haben, ewiges Leben zu wählen, indem sie Gottes Geboten gehorchen, deren Beachtung lebenswichtig ist. Wenn wir uns also der Bibel zuwenden, finden wir darin eine echte Hoffnung für die Toten und Trost für die Lebenden (Apostelgeschichte 24:15; Offenbarung 20:12-14; 21:1-4).
[Fußnoten]
a Eine künftige Erwachet!-Ausgabe wird die Reaktion eines Kindes auf den Tod eines Bruders oder einer Schwester behandeln.
b Das Thema Selbstmord und Trauer der Eltern wird in einer künftigen Erwachet!-Ausgabe besprochen.
[Kasten auf Seite 14]
Diane Krych, die im zweiten Artikel vom Tod ihres Sohnes erzählt, durchlitt extreme Reaktionen der Trauer und des Nichtwahrhabenwollens. Dies zeigt sich in den Briefen, die sie 13 Jahre lang an David schrieb und die sie aufbewahrt hat. Sie hörte auf zu schreiben, als ihr Vater starb, den sie gepflegt hatte, und sie sich so mit der Realität des Todes erneut auseinandersetzen mußte. (Erwachet! empfiehlt nicht, als eine Art Trost Briefe zu schreiben. Dennoch zitieren wir den ersten Brief, um zu zeigen, daß die Auferstehungshoffnung für sie ein Anker war und sie bis auf den heutigen Tag gestützt hat.)
Liebster David!
Nun schläfst Du schon seit 46 Tagen. Mir ist, als wären Jahre vergangen, seit ich Dich das letzte Mal sah und in den Armen hielt. Aber die Tage Deines Schlafes sind gezählt. Ich wünschte, ich wüßte die Zahl, denn dann würde ich jeden Tag einen Strich machen. Für uns ist es eine lange, harte und einsame Wartezeit, aber Dir wird es wie wenige Minuten vorkommen. Dafür bin ich dankbar. Wir freuen uns auf den Tag, an dem Dich Jehova in der neuen Ordnung aus dem Schlaf erwecken wird. Dann werden wir das größte Fest feiern, das Du je erlebt hast. Es wird mindestens drei Tage dauern. Wir laden alle ein, die wir kennen. Es wird Dein Fest sein. Ich hoffe nur, daß wir nicht zu lange darauf warten müssen. Ich kann es nicht erwarten, Dich wieder in die Arme zu schließen. Wir vermissen Dich alle schrecklich. Das Haus ist so leer ohne Dich. Nichts wird so sein wie früher, bis Du wieder unter uns bist.
Nun, mein Schatz, wir versuchen, geduldig zu sein und auf Jehova zu warten, bis Du zurückkehrst, und in der Zwischenzeit werden wir dir Briefchen schreiben, um für Dich festzuhalten, was während Deines Schlafes geschieht.
Mit all meiner Liebe
Mami
[Bilder auf Seite 15]
Die Bibel verheißt, daß die Toten, wie Maria und David, auferweckt werden
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