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Jehova, ein Gott, der „zum Vergeben bereit“ istDer Wachtturm 1997 | 1. Dezember
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Jehova, ein Gott, der „zum Vergeben bereit“ ist
„Du, o Jehova, bist gut und zum Vergeben bereit“ (PSALM 86:5).
1. Welche schwere Last drückte König David nieder, und wie fand sein beunruhigtes Herz Trost?
DAVID, der König des alten Israel, wußte, wie schwer die Last eines schuldbeladenen Gewissens sein kann. Er schrieb: „Meine eigenen Vergehungen sind über mein Haupt gegangen; wie eine schwere Last sind sie zu schwer für mich. Ich bin empfindungslos geworden und bin über die Maßen zerschlagen; ich habe wegen des Stöhnens meines Herzens geschrien“ (Psalm 38:4, 8). Doch David fand Trost für sein beunruhigtes Herz. Er wußte, daß Jehova zwar die Sünde haßt, nicht aber den Sünder — sofern dieser wirklich bereut und sich von seinem sündigen Lauf abwendet (Psalm 32:5; 103:3). Voller Vertrauen auf die Bereitschaft Jehovas, Reumütigen Barmherzigkeit zu erweisen, sagte David: „Du, o Jehova, bist gut und zum Vergeben bereit“ (Psalm 86:5).
2, 3. (a) Welche Last werden wir wahrscheinlich spüren, wenn wir sündigen, und warum ist das heilsam? (b) Welche Gefahr besteht, falls man von Schuldgefühlen „verschlungen“ wird? (c) Welche Zusicherung enthält die Bibel in bezug auf Jehovas Bereitschaft zu vergeben?
2 Nach einer Sünde werden wahrscheinlich auch wir die erdrückende Last eines schlechten Gewissens spüren. Solche Gewissensbisse sind normal, sogar heilsam. Sie können uns dazu veranlassen, Schritte zur Berichtigung unseres Fehlers zu unternehmen. Manche Christen werden jedoch von ihren Schuldgefühlen überwältigt. Ihr zur Selbstverurteilung neigendes Herz läßt sich nicht von dem Gedanken abbringen, daß Gott ihnen nicht vollständig vergeben wird, ungeachtet dessen, wie reumütig sie sind. „Es ist ein schreckliches Gefühl, sich vorzustellen, daß Jehova einen womöglich nicht mehr liebt“, sagte eine Schwester, die sich immer wieder einen Fehler vorhielt, den sie begangen hatte. Selbst nachdem sie bereut und den guten Rat von Versammlungsältesten angenommen hatte, fühlte sie sich noch der Vergebung Gottes unwürdig. Sie erklärte: „Es vergeht kein Tag, an dem ich Jehova nicht um Vergebung bitte.“ Falls wir von Schuldgefühlen „verschlungen“ werden, könnte Satan versuchen, uns zum Aufgeben zu veranlassen, uns das Gefühl geben, wir seien unwürdig, Jehova zu dienen (2. Korinther 2:5-7, 11).
3 Jehova denkt jedoch ganz anders darüber. Wie uns in seinem Wort zugesichert wird, ist er bereit zu vergeben, ja er wird es bereitwillig tun, wenn wir wirklich von Herzen kommende Reue beweisen (Sprüche 28:13). Wer schon einmal das Gefühl hatte, niemals Gottes Vergebung erlangen zu können, benötigt möglicherweise ein besseres Verständnis darüber, warum und wie er vergibt.
Warum ist Jehova „zum Vergeben bereit“?
4. Was weiß Jehova über unsere Natur, und inwiefern wirkt sich das auf die Art und Weise aus, wie er uns behandelt?
4 Wir lesen: „So fern der Sonnenaufgang ist vom Sonnenuntergang, so weit hat er unsere Übertretungen von uns entfernt. Wie ein Vater seinen Söhnen Barmherzigkeit erweist, hat Jehova denen Barmherzigkeit erwiesen, die ihn fürchten.“ Warum ist Jehova bereit, Barmherzigkeit zu erweisen? Im nächsten Vers wird die Antwort gegeben: „Denn er selbst kennt ja unser Gebilde, ist eingedenk dessen, daß wir Staub sind“ (Psalm 103:12-14). Ja, Jehova vergißt nicht, daß wir Geschöpfe aus Staub sind, daß wir auf Grund unserer Unvollkommenheit Schwächen haben. Die Aussage, er kenne „unser Gebilde“, erinnert uns daran, daß Jehova in der Bibel mit einem Töpfer verglichen wird und wir mit den Gefäßen, die er formt (Jeremia 18:2-6).a Ein Töpfer nimmt seine Tongefäße fest in die Hand, aber behandelt sie mit Gefühl, stets mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit. Ebenso beherrscht ist auch Jehova, der große Töpfer, wenn er mit uns handelt, und zwar mit Rücksicht auf die Schwächen unserer sündigen Natur. (Vergleiche 2. Korinther 4:7.)
5. Wie wird im Bibelbuch Römer gezeigt, daß sich unser gefallenes Fleisch fest im Griff der Sünde befindet?
5 Jehova versteht, wie stark die Sünde ist. In der Bibel wird die Sünde als eine Macht beschrieben, die den Menschen mit tödlichem Griff umklammert. Wie fest ist der Griff der Sünde? Im Bibelbuch Römer erklärt es der inspirierte Apostel Paulus mit anschaulichen Worten: Wir stehen „unter der Sünde“, gleich Soldaten unter ihrem Befehlshaber (Römer 3:9); sie ‘regiert’ über die Menschheit wie ein König (Römer 5:21); sie „wohnt“ in uns (Römer 7:17, 20); ihr „Gesetz“ wirkt ständig in uns, ja versucht sogar, unsere Lebensweise zu beherrschen (Römer 7:23, 25). Welch einen harten Kampf wir doch führen müssen, um der Macht der Sünde über unser gefallenes Fleisch zu widerstehen! (Römer 7:21, 24).
6. Wie betrachtet Jehova diejenigen, die mit einem reumütigen Herzen seine Vergebung suchen?
6 Unser barmherziger Gott weiß somit, daß uns vollkommener Gehorsam unmöglich ist, so sehr unser Herz auch darauf bedacht ist, Gott diesen zu leisten (1. Könige 8:46). Liebevoll sichert er uns zu, Vergebung zu üben, wenn wir mit einem reumütigen Herzen seine väterliche Barmherzigkeit suchen. Der Psalmist David sagte: „Die Schlachtopfer für Gott sind ein zerbrochener Geist; ein gebrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten“ (Psalm 51:17). Jehova wird niemals ein Herz zurückweisen oder abweisen, das durch die Last der Schuldgefühle gebrochen und zerschlagen ist. Wie wunderbar dies doch Jehovas Bereitschaft zum Vergeben beschreibt!
7. Warum dürfen wir Gottes Barmherzigkeit nicht ohne weiteres voraussetzen?
7 Heißt das allerdings, wir dürften Gottes Barmherzigkeit ohne weiteres voraussetzen und Sünden mit unserer sündhaften Natur entschuldigen? Keinesfalls! Jehova läßt sich nicht von bloßen Gefühlen leiten. Seine Barmherzigkeit hat Grenzen. Er wird niemandem vergeben, der hartherzig und in boshafter Weise willentlich Sünde treibt und nicht bereut (Hebräer 10:26-31). Andererseits ist Jehova „zum Vergeben bereit“, wenn er ein „gebrochenes und zerschlagenes Herz“ sieht (Sprüche 17:3). Beschäftigen wir uns einmal mit der ausdrucksstarken Sprache, in der die Bibel die Vollständigkeit der göttlichen Vergebung beschreibt.
Wie vollständig vergibt Jehova?
8. Was tut Jehova tatsächlich, wenn er unsere Sünden verzeiht, und wie sollte uns das berühren?
8 Der reumütige König David sagte: „Meine Sünde habe ich dir schließlich bekannt, und mein Vergehen habe ich nicht zugedeckt. Ich sagte: ‚Ich werde meine Übertretungen Jehova bekennen.‘ Und du selbst hast das durch meine Sünden verursachte Vergehen verziehen“ (Psalm 32:5). Mit dem Ausdruck „verziehen“ wird ein hebräisches Wort übersetzt, dessen Grundbedeutung „emporheben“, „tragen“ ist. So, wie es hier gebraucht wird, bedeutet es Schuld, Sünde und Übertretung wegnehmen. Jehova hob Davids Sünden sozusagen empor und trug sie weg. (Vergleiche 3. Mose 16:20-22.) Das erleichterte zweifellos die Last der Schuldgefühle, die David drückte. (Vergleiche Psalm 32:3.) Auch wir können völlig auf den Gott vertrauen, der die Sünden derjenigen verzeiht, die auf der Grundlage ihres Glaubens an das Loskaufsopfer Jesu Christi Gottes Vergebung suchen (Matthäus 20:28; vergleiche Jesaja 53:12). Jemand, dessen Sünden Jehova auf diese Weise „emporhebt“ und „wegträgt“, muß nicht länger die Last der Schuldgefühle wegen früherer Sünden tragen.
9. Welche Bedeutung haben Jesu Worte: „Vergib uns unsere Schulden.“?
9 Jesus nahm auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner Bezug, um zu veranschaulichen, wie Jehova vergibt. So forderte Jesus uns beispielsweise auf zu beten: „Vergib uns unsere Schulden“ (Matthäus 6:12). „Sünden“ verglich Jesus also mit „Schulden“ (Lukas 11:4). Wenn wir sündigen, werden wir „Schuldner“ Jehovas. Das griechische Wort, das mit „vergeben“ übersetzt wird, kann bedeuten: „auf eine Schuld verzichten, sie erlassen, indem man sie nicht einfordert“. Wenn Jehova vergibt, streicht er gewissermaßen die Schuld, mit der unser Konto sonst belastet wäre. Reumütige Sünder können also Mut fassen. Jehova wird niemals die Bezahlung einer Schuld verlangen, die er gestrichen hat (Psalm 32:1, 2; vergleiche Matthäus 18:23-35).
10, 11. (a) Was wird mit dem Ausdruck „ausgelöscht“ in Apostelgeschichte 3:19 bildlich beschrieben? (b) Wie wird die Vollständigkeit der Vergebung Jehovas veranschaulicht?
10 In der Bibel wird in Apostelgeschichte 3:19 ein weiteres anschauliches Wortbild gebraucht, um Gottes Vergebung zu beschreiben: „Bereut daher und kehrt um, damit eure Sünden ausgelöscht werden.“ „Ausgelöscht“ ist die Übersetzung eines griechischen Verbs, das bildlich gebraucht „wegwischen, tilgen, löschen oder unbrauchbar machen“ bedeuten kann. Nach Ansicht einiger Gelehrter wird damit der Gedanke zum Ausdruck gebracht, etwas Geschriebenes wegzuwischen. Wie sollte das geschehen? Die Tinte, die in alter Zeit gewöhnlich verwendet wurde, war eine Mischung aus Kohle, Klebstoff und Wasser. Was mit dieser Tinte geschrieben worden war, konnte anschließend mit einem feuchten Schwamm wieder weggewischt werden.
11 Das ist eine schöne Veranschaulichung dafür, wie vollständig die Vergebung Jehovas ist. Wenn er unsere Sünden vergibt, nimmt er gleichsam einen Schwamm und wischt sie weg. Wir brauchen nicht zu befürchten, daß er uns diese Sünden in Zukunft vorhalten wird, denn die Bibel offenbart noch etwas wirklich Bemerkenswertes, was die Barmherzigkeit Jehovas betrifft: Wenn er vergibt, vergißt er auch.
„Ihrer Sünde werde ich nicht mehr gedenken“
12. Bedeutet die Aussage der Bibel, Jehova vergesse unsere Sünden, daß er sich nicht mehr daran erinnern kann, und warum antwortest du so?
12 Durch den Propheten Jeremia verhieß Jehova folgendes in bezug auf diejenigen, die in den neuen Bund aufgenommen werden sollten: „Ich werde ihre Vergehung vergeben, und ihrer Sünde werde ich nicht mehr gedenken“ (Jeremia 31:34). Bedeutet das, daß sich Jehova nicht mehr an Sünden erinnern kann, wenn er sie vergeben hat? So ist das wohl nicht zu verstehen. In der Bibel wird über die Sünden vieler Personen berichtet, denen Jehova vergab, David eingeschlossen (2. Samuel 11:1-17; 12:1-13). Jehova ist sich offenbar immer noch bewußt, welche Verfehlungen sie verübten, und wir sollten es ebenfalls sein. Der Bericht über ihre Sünden sowie über ihre Reue und Gottes Vergebung wurde zu unserem Nutzen festgehalten (Römer 15:4). Was ist denn damit gemeint, wenn es in der Bibel heißt, Jehova werde vergebener Sünden nicht mehr „gedenken“?
13. (a) Was schließt die Bedeutung des hebräischen Verbs ein, das mit „ich werde gedenken“ wiedergegeben wird? (b) Was sichert Jehova uns zu, wenn er sagt: „Ihrer Sünde werde ich nicht mehr gedenken.“?
13 Das hebräische Verb, das mit „ich werde gedenken“ wiedergegeben wird, bedeutet nicht nur, sich an Vergangenes zu erinnern. Gemäß einem Wörterbuch beinhaltet es „den zusätzlichen tieferen Sinn, angemessen vorzugehen“ (Theological Wordbook of the Old Testament). In diesem Sinne der Sünden zu „gedenken“ schließt somit ein, etwas gegen die Sünder zu unternehmen. Als der Prophet Hosea mit Bezug auf widerspenstige Israeliten sagte: „Er [Jehova] wird ihrer Vergehung gedenken“, meinte er damit, daß Jehova gegen sie vorgehen würde, weil sie keine Reue zeigten. Daher lautet der Vers weiter: „Er wird die Aufmerksamkeit auf ihre Sünden richten“ (Hosea 9:9). Wenn Jehova dagegen sagt: „Ihrer Sünde werde ich nicht mehr gedenken“, sichert er uns damit zu, daß er gegen einen reumütigen Sünder, dem er vergeben hat, nicht doch noch irgendwann wegen dieser Sünde vorgehen wird (Hesekiel 18:21, 22). Er vergißt somit in dem Sinne, daß er uns nicht immer wieder unsere Sünden vorhält, um uns ständig anzuklagen oder zu bestrafen. Jehova gibt uns dadurch ein hervorragendes Beispiel, das wir im Umgang mit anderen nachahmen sollten. Wenn Unstimmigkeiten auftreten, ist es das beste, frühere Fehler nicht wieder auszugraben, die man eigentlich längst vergeben hat.
Was ist mit den Folgen?
14. Warum bedeutet Vergebung nicht, daß ein reumütiger Sünder vor allen Folgen seines verkehrten Handelns bewahrt bleibt?
14 Bedeutet Jehovas Bereitschaft zu vergeben, daß ein reumütiger Sünder vor allen Folgen seines verkehrten Handelns bewahrt bleibt? Keineswegs. Niemand kann ungestraft sündigen. Paulus schrieb: „Was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Galater 6:7). Es ist durchaus möglich, daß wir mit bestimmten Folgen unserer Handlungsweise oder unserer Probleme konfrontiert werden, doch wenn uns Jehova Vergebung gewährt hat, veranlaßt er nicht, daß uns Unglück widerfährt. Treten Schwierigkeiten auf, sollte ein Christ nicht denken, Jehova strafe ihn wegen früherer Sünden. (Vergleiche Jakobus 1:13.) Jehova bewahrt uns allerdings nicht vor den Folgen unseres verkehrten Tuns. Scheidung, unerwünschte Schwangerschaft, Ansteckung mit einer sexuell übertragbaren Krankheit, Verlust des Vertrauens oder der Achtung anderer — all das können die traurigen Folgen der Sünde sein, vor denen Jehova uns nicht schützen wird. Denken wir daran, daß Jehova zwar die Sünden vergab, die David in Verbindung mit Bathseba und Uria begangen hatte, ihn jedoch nicht vor den katastrophalen Folgen bewahrte (2. Samuel 12:9-14).
15, 16. Inwiefern diente das in 3. Mose 6:1-7 aufgezeichnete Gesetz sowohl zum Nutzen des Opfers als auch zum Nutzen des Täters?
15 Unsere Sünden können auch noch andere Konsequenzen haben. Betrachten wir beispielsweise die Ausführungen in 3. Mose, Kapitel 6. Im mosaischen Gesetz wird hier die Situation behandelt, daß jemand eine schwere Sünde begeht, indem er sich den Besitz eines Mitisraeliten durch Raub, Erpressung oder Betrug aneignet. Der Sünder leugnet dann seine Schuld ab und wagt es sogar, falsch zu schwören. Das Wort des einen steht gegen das Wort des anderen. Später rührt sich allerdings das Gewissen des Übeltäters, und er bekennt seine Sünde. Damit er Gottes Vergebung erlangen kann, muß er noch drei weitere Dinge tun: das Entwendete zurückgeben, an den Geschädigten eine Strafe in Höhe von 20 Prozent des Wertes zahlen und einen Widder als Schuldopfer darbringen. Schließlich heißt es in dem Gesetz: „Der Priester soll vor Jehova für ihn Sühne leisten, und so soll ihm vergeben werden“ (3. Mose 6:1-7; vergleiche Matthäus 5:23, 24).
16 Dieses Gesetz war eine barmherzige Vorkehrung Gottes. Es diente zum Nutzen des Opfers, das sein Eigentum zurückerhielt und das zweifellos sehr erleichtert darüber war, daß der Täter seine Sünde schließlich eingestanden hatte. Gleichzeitig war dieses Gesetz auch für denjenigen von Nutzen, dessen Gewissen keine Ruhe gab, bis er seine Schuld zugab und sein Fehlverhalten korrigierte. Hätte er sich geweigert, das zu tun, wäre ihm Gottes Vergebung verwehrt geblieben.
17. Was erwartet Jehova von uns, wenn andere durch unsere Sünden geschädigt wurden?
17 Wir stehen zwar nicht unter dem mosaischen Gesetz, aber es gewährt uns einen wertvollen Einblick in die Gedanken Jehovas, einschließlich seiner Einstellung zur Vergebung (Kolosser 2:13, 14). Fühlen sich andere durch unsere Sünden verletzt oder sind sie dadurch zu Schaden gekommen, wird es Jehova gefallen, wenn wir alles, was uns möglich ist, zur „Berichtigung des Unrechts“ tun (2. Korinther 7:11). Das schließt ein, unsere Sünde einzugestehen, unsere Schuld anzuerkennen und uns außerdem bei dem Geschädigten zu entschuldigen. Dann können wir uns auf der Grundlage des Opfers Jesu an Jehova wenden und die Erleichterung verspüren, wieder ein reines Gewissen zu haben sowie die Zusicherung, daß Gott uns vergeben hat (Hebräer 10:21, 22).
18. Welche Zuchtmaßnahme kann mit der Vergebung Jehovas einhergehen?
18 Gleich einem liebevollen Vater wird Jehova wahrscheinlich Vergebung in Verbindung mit einem gewissen Maß an Zucht gewähren (Sprüche 3:11, 12). Ein reumütiger Christ muß möglicherweise seine Dienstvorrechte als Ältester, Dienstamtgehilfe oder Pionier aufgeben. Es könnte schmerzlich für ihn sein, für einige Zeit Vorrechte zu verlieren, die er sehr geschätzt hat. Eine solche Zuchtmaßnahme bedeutet jedoch nicht, daß er die Gunst Jehovas verloren hat oder daß Jehova mit der Vergebung noch wartet. Außerdem müssen wir bedenken, daß die Zucht Jehovas ein Beweis seiner Liebe zu uns ist. Sie anzunehmen und entsprechend zu handeln ist in unserem eigenen Interesse und kann zu ewigem Leben führen (Hebräer 12:5-11).
19, 20. (a) Warum dürfen wir im Fall einer Verfehlung nicht schlußfolgern, wir kämen für Jehovas Barmherzigkeit nicht mehr in Frage? (b) Womit wird sich der nächste Artikel beschäftigen?
19 Wie erfrischend ist doch das Bewußtsein, einem Gott zu dienen, der „zum Vergeben bereit“ ist! Jehova sieht keineswegs nur unsere Sünden und Fehler (Psalm 130:3, 4). Er weiß, was in unserem Herzen ist. Sollten wir das Gefühl haben, unser Herz sei wegen früherer Sünden gebrochen und zerschlagen, dürfen wir nicht schlußfolgern, für Jehovas Barmherzigkeit nicht mehr in Frage zu kommen. Sofern wir wirklich bereut und Schritte unternommen haben, das Unrecht zu berichtigen, sowie inbrünstig zu Jehova gebetet haben, uns doch auf der Grundlage des vergossenen Blutes Jesu zu vergeben, können wir ungeachtet dessen, welche Fehler wir begangen haben, völlig darauf vertrauen, daß die Worte aus 1. Johannes 1:9 auf uns Anwendung finden: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, uns die Sünden zu vergeben und uns von aller Ungerechtigkeit zu reinigen.“
20 In der Bibel werden wir ermuntert, im Umgang miteinander Jehovas Bereitschaft zur Vergebung nachzuahmen. Inwieweit kann von uns erwartet werden, daß wir vergeben und vergessen, wenn andere gegen uns sündigen? Damit wird sich der nächste Artikel beschäftigen.
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‘Fahrt fort, einander bereitwillig zu vergeben’Der Wachtturm 1997 | 1. Dezember
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‘Fahrt fort, einander bereitwillig zu vergeben’
„Fahrt fort, einander zu ertragen und einander bereitwillig zu vergeben“ (KOLOSSER 3:13).
1. (a) Warum wird Petrus seinen Vorschlag, anderen „bis zu siebenmal“ zu vergeben, wahrscheinlich für großzügig gehalten haben? (b) Was meinte Jesus mit seiner Aussage, wir sollten „bis zu siebenundsiebzigmal“ vergeben?
„HERR, wievielmal mag mein Bruder gegen mich sündigen und soll ich ihm vergeben? Bis zu siebenmal?“ (Matthäus 18:21). Petrus hielt seinen Vorschlag wahrscheinlich für recht großzügig. Gemäß der damaligen rabbinischen Tradition mußte man dasselbe Vergehen höchstens dreimal vergeben.a Stellen wir uns daher die Überraschung des Petrus vor, als Jesus erwiderte: „Ich sage dir: Nicht bis zu siebenmal, sondern: Bis zu siebenundsiebzigmal“ (Matthäus 18:22). Die Wiederholung von sieben bedeutet soviel wie „auf unabsehbare Zeit“. Für Jesus gab es praktisch keine Grenze dafür, wie oft ein Christ anderen vergeben sollte.
2, 3. (a) Unter welchen Umständen könnte es schwerfallen, anderen zu vergeben? (b) Warum können wir sicher sein, daß es in unserem eigenen Interesse liegt, anderen zu vergeben?
2 Es ist jedoch nicht immer leicht, diesen Rat zu befolgen. Wer von uns hat nicht schon den Schmerz einer gemeinen Kränkung gespürt? Vielleicht hat jemand, von dem wir es nicht erwartet hätten, etwas Vertrauliches weitererzählt (Sprüche 11:13). Gedankenlose Bemerkungen eines engen Freundes könnten uns ‘wie Schwertstiche’ getroffen haben (Sprüche 12:18). Eine beleidigende Behandlung seitens einer Person, die wir geliebt oder der wir vertraut haben, kann tiefe Wunden verursachen. Es wäre eine natürliche Reaktion, auf solche Geschehnisse mit Verärgerung zu reagieren. Womöglich möchten wir mit demjenigen, der uns beleidigt hat, am liebsten nicht mehr reden, ihn möglichst völlig meiden. Dem Betreffenden zu vergeben könnte in unseren Augen gleichbedeutend damit sein, daß er uns ungestraft verletzen durfte. Nähren wir jedoch den Groll in uns, schaden wir uns letztlich nur selbst.
3 Jesus lehrt uns daher zu vergeben — „bis zu siebenundsiebzigmal“. Seine Lehren werden sich gewiß niemals zu unserem Schaden auswirken. Alles, was er lehrte, stammte von Jehova, ‘der uns zu unserem Nutzen lehrt’ (Jesaja 48:17; Johannes 7:16, 17). Es muß somit in unserem eigenen Interesse liegen, anderen zu vergeben. Bevor wir besprechen, warum wir vergeben sollten und wie wir es tun können, ist es gewiß nützlich, uns zunächst Klarheit darüber zu verschaffen, was Vergebung ist und was sie nicht bedeutet. Das, was wir unter Vergebung verstehen, könnte durchaus Einfluß darauf haben, ob wir vergeben können, wenn wir von anderen beleidigt werden.
4. Was bedeutet es nicht, wenn man anderen vergibt, und wie wird Vergebung definiert?
4 Anderen persönliche Angriffe zu vergeben heißt nicht, daß wir ihr Tun gutheißen oder verharmlosen; es bedeutet auch nicht, sich ausnutzen zu lassen. Wenn Jehova uns unsere Sünden vergibt, bagatellisiert er sie schließlich auch nicht, und er wird es sündigen Menschen niemals gestatten, seine Barmherzigkeit mit Füßen zu treten (Hebräer 10:29). In dem Werk Einsichten über die Heilige Schriftb wird Vergebung wie folgt definiert: „Die Handlung, durch die jemandem, der sich etwas hat zuschulden kommen lassen, verziehen wird, was einschließt, daß man ihm deswegen nicht mehr böse ist und jeden Anspruch auf Vergeltung aufgibt“ (Band 2, Seite 1208). In der Bibel werden uns vernünftige Gründe aufgezeigt, warum wir anderen vergeben sollten.
Warum anderen vergeben?
5. Welcher wichtige Grund, warum wir anderen vergeben sollten, geht aus Epheser 5:1 hervor?
5 Ein wichtiger Grund, warum wir anderen vergeben sollten, geht aus Epheser 5:1 hervor: „Darum werdet Nachahmer Gottes als geliebte Kinder.“ In welcher Hinsicht sollten wir „Nachahmer Gottes“ werden? Das Wort „darum“ verbindet diese Aussage mit dem vorhergehenden Vers, der lautet: „Werdet aber gütig zueinander, voll zarten Erbarmens, einander bereitwillig vergebend, so wie auch Gott euch durch Christus bereitwillig vergeben hat“ (Epheser 4:32). Ja, was das Vergeben betrifft, sollten wir Nachahmer Gottes werden. Wie ein kleiner Junge, der so sein möchte wie sein Vater, sollten wir als inniggeliebte Kinder Jehovas den Wunsch haben, unserem himmlischen Vater zu gleichen, der zum Vergeben bereit ist. Wie muß es das Herz Jehovas erfreuen, wenn er vom Himmel herabblickt und sieht, daß sich seine irdischen Kinder bemühen, wie er zu sein, indem sie einander vergeben! (Lukas 6:35, 36; vergleiche Matthäus 5:44-48).
6. Welcher wesentliche Unterschied besteht zwischen der Vergebung, die Jehova gewährt, und unserer Vergebung?
6 Zugegeben, wir können niemals in dem vollkommenen Sinne vergeben, wie es Jehova tut. Doch das liefert uns noch mehr Grund, einander zu vergeben. Bedenken wir folgendes: Zwischen der Vergebung, die Jehova gewährt, und unserer Vergebung besteht ein wesentlicher Unterschied (Jesaja 55:7-9). Wenn wir denjenigen vergeben, die gegen uns gesündigt haben, geschieht das oft in dem Bewußtsein, daß wir früher oder später auf ihre Bereitschaft angewiesen sind, auch uns zu vergeben. Bei Menschen ist es immer so, daß Sünder anderen Sündern vergeben. Die Vergebung Jehovas ist dagegen stets einseitig. Er vergibt uns, wir dagegen werden ihm niemals vergeben müssen. Wenn Jehova, der nicht sündigt, uns so liebevoll und vollständig vergeben kann, sollten wir sündigen Menschen uns da nicht bemühen, einander zu vergeben? (Matthäus 6:12).
7. Inwiefern kann es unser eigenes Verhältnis zu Jehova negativ beeinflussen, wenn wir uns weigern, anderen zu vergeben, obwohl Grund zur Barmherzigkeit besteht?
7 Und was noch wichtiger ist: Wenn wir uns weigern, anderen zu vergeben, obwohl Grund zur Barmherzigkeit besteht, kann dies unser eigenes Verhältnis zu Gott negativ beeinflussen. Jehova bittet uns nicht nur, einander zu vergeben; er erwartet es von uns. Gemäß der Bibel vergeben wir unter anderem, damit Jehova uns vergibt beziehungsweise weil er uns vergeben hat (Matthäus 6:14; Markus 11:25; Epheser 4:32; 1. Johannes 4:11). Wie können wir also erwarten, daß Jehova uns seine Vergebung gewährt, wenn wir nicht bereit sind, anderen zu vergeben, obwohl es gute Gründe dafür gibt? (Matthäus 18:21-35).
8. Warum ist es in unserem Interesse, anderen zu vergeben?
8 Jehova lehrt seine Diener „den guten Weg ..., auf dem sie wandeln sollten“ (1. Könige 8:36). Wenn er uns anweist, einander zu vergeben, können wir darauf vertrauen, daß ihm unser Wohl am Herzen liegt. Aus gutem Grund werden wir in der Bibel aufgefordert: „Gebt dem Zorn Raum“ (Römer 12:19). Groll ist eine schwere Last, die man sich aufladen kann. Hegen wir Groll, beherrscht er unsere Gedanken, raubt uns den Frieden und erstickt unsere Freude. Andauernder Ärger kann sich wie die Eifersucht nachteilig auf unsere physische Gesundheit auswirken (Sprüche 14:30). Und es kann sein, daß der Beleidiger von unserem inneren Aufruhr überhaupt nichts bemerkt! Unser liebevoller Schöpfer weiß, daß wir anderen nicht nur zu ihrem Nutzen großzügig vergeben müssen, sondern auch zu unserem eigenen. Der biblische Rat zu vergeben ist tatsächlich ‘der gute Weg, auf dem wir wandeln sollten’.
„Fahrt fort, einander zu ertragen“
9, 10. (a) Unter welchen Umständen ist nicht unbedingt eine formelle Vergebung erforderlich? (b) Welche Empfehlung beinhaltet die Aussage „Fahrt fort, einander zu ertragen“?
9 Körperliche Verletzungen können von kleinen Schnitten bis zu tiefen Wunden reichen, und daher erfordern nicht alle Verletzungen das gleiche Maß an Aufmerksamkeit. Ähnlich verhält es sich mit verletzten Gefühlen — manche Wunden sind tiefer als andere. Müssen wir wirklich jede kleine Verletzung, die uns im Umgang mit anderen zugefügt wird, aufbauschen? Kleinere Reizungen, Beleidigungen und Ärgernisse sind ein Bestandteil des Lebens und erfordern nicht unbedingt eine formelle Vergebung. Wer dafür bekannt ist, andere wegen jeder kleinen Enttäuschung zu meiden und auf einer Entschuldigung zu bestehen, bevor er sie wieder freundlich behandelt, zwingt jeden dazu, in seiner Gesellschaft übervorsichtig zu sein — oder sicheren Abstand zu wahren.
10 Weit besser ist es dagegen, „in dem Ruf [zu stehen], vernünftig zu sein“ (Philipper 4:5, Phillips). Als unvollkommene Geschöpfe, die Schulter an Schulter tätig sind, müssen wir realistischerweise damit rechnen, daß unsere Brüder uns von Zeit zu Zeit „auf den Schlips treten“, und es wird uns bei ihnen womöglich nicht anders ergehen. In Kolosser 3:13 wird uns geraten: „Fahrt fort, einander zu ertragen.“ Diese Aussage beinhaltet die Empfehlung, mit anderen geduldig zu sein, die Dinge zu tolerieren, die wir an ihnen nicht mögen, oder die Charakterzüge, an denen wir uns vielleicht stoßen. Solche Geduld und Nachsicht kann uns helfen, mit den kleineren Schrammen und Kratzern zurechtzukommen, die wir im Umgang mit anderen abbekommen — ohne den Frieden der Versammlung zu stören (1. Korinther 16:14).
Wenn die Wunden tiefer sind
11. Was kann uns helfen, anderen zu vergeben, die gegen uns sündigen?
11 Wie sieht es jedoch aus, wenn andere gegen uns sündigen und uns eine spürbare Wunde zufügen? Solange die Sünde nicht allzu schwer ist, haben wir wahrscheinlich kaum Schwierigkeiten, den Rat der Bibel anzuwenden, ‘einander bereitwillig zu vergeben’ (Epheser 4:32). Diese Bereitschaft zu vergeben steht im Einklang mit folgenden inspirierten Worten des Petrus: „Habt vor allem inbrünstige Liebe zueinander, denn Liebe deckt eine Menge von Sünden zu“ (1. Petrus 4:8). Wenn wir im Sinn behalten, daß auch wir Sünder sind, können wir mit den Übertretungen anderer nachsichtig sein. Vergeben wir in dieser Weise, verscheuchen wir den Groll, statt ihn zu nähren. Infolgedessen wird unser Verhältnis zu dem, der uns beleidigt hat, wahrscheinlich keinen dauerhaften Schaden nehmen, und wir tragen ebenfalls dazu bei, den kostbaren Frieden der Versammlung zu bewahren (Römer 14:19). Im Laufe der Zeit wird die Erinnerung an das, was uns der Betreffende angetan hat, verblassen.
12. (a) Welche Initiative unsererseits mag erforderlich sein, damit wir jemandem vergeben können, der uns tief verletzt hat? (b) Inwiefern lassen die Worte aus Epheser 4:26 erkennen, daß wir die Angelegenheit schnell klären sollten?
12 Wie verhält es sich jedoch, wenn jemand in ernsterer Weise gegen uns sündigt, uns tief verletzt? Ein Freund, auf den wir uns verließen, könnte beispielsweise ganz persönliche Dinge, die wir ihm anvertrauten, an andere weitergegeben haben. Wir fühlen uns zutiefst verletzt, in Verlegenheit gebracht und verraten. Eigentlich würden wir lieber darüber hinweggehen, aber die Angelegenheit geht uns nicht mehr aus dem Sinn. In einem solchen Fall müssen wir nötigenfalls die Initiative ergreifen, um das Problem zu lösen, vielleicht indem wir mit demjenigen sprechen, der es verursacht hat. Es ist weise, das zu tun, bevor das Problem an uns zu nagen beginnt. Paulus richtet an uns die Ermahnung: „Seid erzürnt, und doch sündigt nicht [nämlich dadurch, daß Groll gehegt oder diesem freier Lauf gelassen wird]; laßt die Sonne nicht über eurer gereizten Stimmung untergehen“ (Epheser 4:26). Die Worte des Paulus erhalten dadurch noch größeres Gewicht, daß bei den Juden der Sonnenuntergang das Ende des einen Tages und den Beginn des nächsten anzeigte. Der Rat lautet daher: Kläre die Angelegenheit unverzüglich! (Matthäus 5:23, 24).
13. Was sollte unser Ziel sein, wenn wir jemanden ansprechen, der uns etwas angetan hat, und welche Empfehlungen können eine Hilfe sein, dieses Ziel zu erreichen?
13 Auf welche Weise sollten wir denjenigen ansprechen, der uns etwas angetan hat? „Suche Frieden und jage ihm nach“, heißt es in 1. Petrus 3:11. Unser Ziel besteht somit nicht darin, unseren Ärger zum Ausdruck zu bringen, sondern darin, mit unserem Bruder Frieden zu schließen. Deshalb sollten wir harte Worte und aggressive Gesten am besten vermeiden; diese könnten unser Gegenüber zu einer ähnlichen Reaktion reizen (Sprüche 15:18; 29:11). Vermeiden sollten wir auch Verallgemeinerungen wie die Behauptung, jemand würde ja immer (oder nie) dies oder jenes tun. Solche Übertreibungen würden den Betreffenden wahrscheinlich nur veranlassen, sich zu verteidigen. Statt dessen sollten der Ton unserer Stimme und unser Gesichtsausdruck zeigen, daß wir eine Angelegenheit bereinigen möchten, die uns tief verletzt hat. Legen wir im einzelnen dar, wie wir über den Vorfall denken. Geben wir dem anderen Gelegenheit, sein Handeln zu erklären. Hören wir uns das an, was er zu sagen hat (Jakobus 1:19). Inwiefern wird sich das positiv auswirken? In Sprüche 19:11 wird die Erklärung gegeben: „Eines Menschen Einsicht verlangsamt sicherlich seinen Zorn, und es ist für ihn etwas Schönes, Übertretung zu übergehen.“ Die Gefühle des anderen sowie die Gründe für sein Handeln zu verstehen kann negative Gedanken und Empfindungen ihm gegenüber zerstreuen. Wird mit dem Ziel, auf Dauer Frieden zu schließen, an die Angelegenheit herangegangen, können sehr wahrscheinlich irgendwelche Mißverständnisse geklärt werden, es wird eine angemessene Entschuldigung folgen und Vergebung gewährt werden können.
14. In welchem Sinne sollten wir vergessen, wenn wir anderen vergeben?
14 Bedeutet Vergebung, daß wir den Vorfall tatsächlich vergessen müssen? Erinnern wir uns an das Beispiel Jehovas in dieser Hinsicht, das im vorigen Artikel besprochen wurde. Wenn es in der Bibel heißt, daß Jehova unsere Sünden vergißt, ist damit nicht gemeint, daß er sich nicht mehr daran erinnern kann (Jesaja 43:25). Er vergißt vielmehr in dem Sinne, daß er uns Sünden, die er einmal vergeben hat, in Zukunft nicht doch noch vorhält (Hesekiel 33:14-16). Anderen Menschen zu vergeben bedeutet in ähnlicher Weise nicht unbedingt, daß wir uns danach nicht mehr an das erinnern können, was sie getan haben. Wir können allerdings in dem Sinne vergessen, daß wir es dem Beleidiger künftig weder übelnehmen noch es zur Sprache bringen. Ist die Angelegenheit geklärt, wäre es unpassend, darüber Geschwätz zu verbreiten; genauso lieblos wäre es, den Beleidiger völlig zu meiden, ihn so zu behandeln, als wäre er ausgeschlossen (Sprüche 17:9). Es kann zwar einige Zeit dauern, bis sich unser Verhältnis zu ihm wieder völlig normalisiert; vielleicht wird unsere Beziehung nie mehr so eng wie früher. Doch wir lieben den Betreffenden immer noch als unseren christlichen Bruder und tun unser Bestes, friedliche Beziehungen zu pflegen. (Vergleiche Lukas 17:3.)
Wenn es unmöglich scheint zu vergeben
15, 16. (a) Müssen Christen einem Missetäter vergeben, der nicht bereut? (b) Wie können wir den Rat der Bibel gemäß Psalm 37:8 befolgen?
15 Wie verhält es sich jedoch, wenn andere auf eine Weise gegen uns sündigen, daß uns tiefste Wunden zugefügt werden, aber von seiten des Missetäters weder ein Eingeständnis der Sünde kommt noch Reue, noch eine Entschuldigung? (Sprüche 28:13). Aus der Bibel geht deutlich hervor, daß Jehova reuelosen, verstockten Sündern nicht vergibt (Hebräer 6:4-6; 10:26, 27). Und wir? In dem Werk Einsichten über die Heilige Schrift heißt es: „Von Christen [wird] nicht verlangt, daß sie Personen vergeben, die böswillig und absichtlich Sünde treiben und nicht bereuen. Solche Personen werden Feinde Gottes“ (Band 2, Seite 1208). Kein Christ, der Opfer einer extrem ungerechten, verabscheuungswürdigen oder abscheulichen Behandlung wurde, sollte sich gezwungen fühlen, dem Missetäter zu vergeben, solange dieser nicht bereut (Psalm 139:21, 22).
16 Verständlicherweise wird jemand, der Opfer eines groben Fehlverhaltens wurde, wahrscheinlich verletzt und erzürnt sein. Denken wir jedoch daran, daß es für uns sehr schädlich sein kann, andauernd Zorn und Groll zu hegen. Vergeblich auf ein Eingeständnis oder eine Entschuldigung zu warten könnte uns nur noch mehr aufregen. Die Fixierung auf das Unrecht könnte den Zorn in uns überschäumen lassen — mit verheerenden Folgen für unsere geistige, psychische und physische Gesundheit. Wir gestatten eigentlich demjenigen, der uns verletzt hat, uns fortwährend zu verletzen. In der Bibel wird der kluge Rat gegeben: „Steh ab vom Zorn, und laß den Grimm“ (Psalm 37:8). Manche Christen haben sich daher nach einiger Zeit entschließen können, in dem Sinne zu vergeben, daß sie keinen Groll mehr hegen — sie entschuldigen nicht, was ihnen angetan worden ist, sondern wollen sich nicht vom Zorn verzehren lassen. Dadurch, daß sie die Sache völlig in die Hände des Gottes der Gerechtigkeit legen, verspüren sie große Erleichterung und können wieder ein normales Leben führen (Psalm 37:28).
17. Welche tröstliche Zusicherung gibt uns die Verheißung Jehovas, die in Offenbarung 21:4 festgehalten wurde?
17 Wenn eine Wunde sehr tief ist, wird es uns womöglich nicht gelingen, die Sache gänzlich aus dem Sinn zu verbannen, zumindest nicht im gegenwärtigen System der Dinge. Jehova hat jedoch eine neue Welt verheißen, in der er „jede Träne von ... [den] Augen abwischen [wird], und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen“ (Offenbarung 21:4). Das, woran wir uns dann erinnern, wird uns nicht den heftigen Schmerz verspüren lassen, der heute unser Herz belasten mag (Jesaja 65:17, 18).
18. (a) Warum müssen wir im Umgang mit unseren Brüdern und Schwestern zum Vergeben bereit sein? (b) In welchem Sinne können wir vergeben und vergessen, wenn andere gegen uns sündigen? (c) Inwiefern ist das für uns von Nutzen?
18 Bis dahin müssen wir jedoch mit Brüdern und Schwestern zusammenleben und -arbeiten, die unvollkommene, sündige Menschen sind. Wir alle machen Fehler. Von Zeit zu Zeit enttäuschen wir einander oder verletzen einander sogar. Jesus war sich durchaus bewußt, daß wir anderen vergeben müssen, „nicht bis zu siebenmal, sondern: Bis zu siebenundsiebzigmal“ (Matthäus 18:22). Wir können zwar nicht so vollständig vergeben, wie Jehova es tut. Doch in den meisten Fällen, in denen unsere Brüder gegen uns sündigen, können wir in dem Sinne vergeben, daß wir Groll überwinden, und in dem Sinne vergessen, daß wir ihnen die Sache nicht noch in ferner Zukunft vorhalten. Wenn wir auf diese Weise vergeben und vergessen, tragen wir dazu bei, daß nicht nur der Frieden der Versammlung bewahrt bleibt, sondern auch unser eigener Herzensfrieden. Und wir werden vor allem den Frieden genießen, den allein unser liebevoller Gott, Jehova, geben kann (Philipper 4:7).
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