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  • Die Religionsfreiheit — Segen oder Fluch?
    Erwachet! 1999 | 8. Januar
    • Die Religionsfreiheit — Segen oder Fluch?

      Die Geburt des Gedankens der Religionsfreiheit war innerhalb der Christenheit von heftigen Wehen begleitet. Es war ein Kampf gegen Dogmatismus, Voreingenommenheit und Intoleranz. Der Preis waren Tausende und aber Tausende von Menschenleben, die in blutigen religiösen Konflikten ausgelöscht wurden. Was lehrt uns diese tragische Geschichte?

      „VERFOLGUNG ist in der christlichen Geschichte ein fortdauernder Tatbestand“, schrieb Robin Lane Fox in dem Buch Pagans and Christians. Die ersten Christen wurden als Sekte bezeichnet und beschuldigt, die öffentliche Ordnung zu bedrohen (Apostelgeschichte 16:20, 21; 24:5, 14; 28:22). Daraufhin wurde eine Anzahl von ihnen gefoltert und in römischen Arenen von wilden Tieren zerfleischt. Angesichts dieser erbitterten Verfolgung plädierten einige für Religionsfreiheit, wie zum Beispiel der Theologe Tertullian (Bild auf Seite 8). Er schrieb im Jahr 212 u. Z.: „Es ist ein Menschenrecht und eine Sache natürlicher Freiheit für jeden, das zu verehren, was er für gut hält“.

      Die Christenverfolgung durch die römische Welt endete 313 u. Z. unter Konstantin mit dem Edikt von Mailand, das Christen und Heiden gleichermaßen Religionsfreiheit gewährte. Durch die Legalisierung des „Christentums“ im Römischen Reich wendete sich das Blatt. Doch um das Jahr 340 u. Z. rief ein nominell christlicher Schriftsteller zur Verfolgung der Heiden auf. 392 u. Z. schließlich verbot Kaiser Theodosius I. durch das Edikt von Konstantinopel das Heidentum im Reich, und die Religionsfreiheit wurde früh zu Grabe getragen. Mit dem römischen „Christentum“ als Staatsreligion begaben sich Kirche und Staat auf einen Verfolgungsfeldzug, der Jahrhunderte andauerte und seinen Höhepunkt in den blutigen Kreuzzügen vom 11. bis zum 13. Jahrhundert erreichte wie auch in der grausamen Inquisition, die im 12. Jahrhundert einsetzte. Wer es wagte, Zweifel an der bestehenden Rechtgläubigkeit, der alleingültigen Lehre, anzumelden, wurde als Ketzer gebrandmarkt und in dem Hexenjagdklima der damaligen Zeit verfolgt. Was verbarg sich hinter diesen Maßnahmen?

      Religiöse Intoleranz wurde damit entschuldigt, daß religiöse Einheit die solideste Grundlage des Staates bilde und daß religiöse Unterschiede die öffentliche Ordnung bedrohen würden. In England argumentierte ein Minister von Königin Elisabeth im Jahr 1602: „Solange der Staat zwei Religionen duldet, ist er niemals sicher.“ Tatsächlich war es weitaus leichter, religiöse Abweichler zu verbieten, als herauszufinden, ob sie den Staat oder die alteingesessene Religion wirklich bedrohten. Die Catholic Encyclopedia merkt dazu an: „Weder die weltliche noch die kirchliche Obrigkeit machten den geringsten Unterschied zwischen gefährlichen und harmlosen Ketzern.“ Das sollte sich aber bald ändern.

      Die schmerzhafte Geburt der Toleranz

      Der Katalysator für den Wandel in Europa waren die Umwälzungen im Zuge des Protestantismus, einer sektiererischen Bewegung, die sich hartnäckig hielt. Mit erstaunlicher Schnelligkeit splitterte die protestantische Reformation die religiöse Landschaft Europas auf und rief den Gedanken der Gewissensfreiheit ins Leben. Der berühmte Reformator Martin Luther etwa rechtfertigte seine Ansichten 1521 mit der Aussage: „So bin ich ... überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes.“ Spaltungen entfachten auch den Dreißigjährigen Krieg (1618—1648), eine Serie grausamer Religionskriege, die in Europa wüteten.

      Mitten im Kriegsgeschehen wurde jedoch vielen klar, daß man mit Kämpfen nicht weiterkam. Daher versuchte man mit einer Reihe von Edikten, wie dem Edikt von Nantes in Frankreich (1598), im kriegsgebeutelten Europa Frieden zu schaffen — allerdings erfolglos. Aus diesen Edikten erwuchs nach und nach der moderne Toleranzgedanke. Zunächst hatte „Toleranz“ einen negativen Beiklang. „Wenn man unter gewissen Bedingungen die Sekten tolerierte ..., so wäre das zweifellos ein Übelstand, und ich gebe zu, ein schwerer Übelstand, aber jedenfalls ein leichterer Übelstand als der Krieg“, schrieb der bekannte Humanist Erasmus 1530. Wegen dieses negativen Sinnes sprachen einige, darunter der Franzose Paul de Foix im Jahr 1561, lieber von „Religionsfreiheit“ als von „Toleranz“.

      Mit der Zeit galt die Toleranz dann aber nicht mehr als kleineres Übel, sondern als Beschützerin der Freiheitsrechte. Man sah sie nicht mehr als Schwächeeingeständnis an, sondern als Garant. Während die Pluralität der Glaubensrichtungen und das Recht, anders zu denken, als Basis einer modernen Gesellschaft an Achtung gewannen, war der Fanatismus zum Rückzug gezwungen.

      Ende des 18. Jahrhunderts wurde Toleranz mit Freiheit und Gleichheit in Zusammenhang gebracht. Das drückte sich in Gesetzen und Erklärungen aus wie den berühmten Menschen- und Bürgerrechten (1789) in Frankreich oder der Bill of Rights (1791) in den Vereinigten Staaten. In dem Maß, wie diese Dokumente vom 19. Jahrhundert an das liberale Denken beeinflußten, galt Toleranz und damit auch Freiheit nicht mehr als Fluch, sondern als Segen.

  • Die Religionsfreiheit — Segen oder Fluch?
    Erwachet! 1999 | 8. Januar
    • Verfechter der Religionsfreiheit

      Dem Blutbad der Religionskriege im Europa des 16. Jahrhunderts entsprangen leidenschaftliche Rufe nach Religionsfreiheit. Diese Aufrufe sind für die Diskussion um Religionsfreiheit nach wie vor relevant.

      Sebastian Castellio (1515—1563): „Was ist ein Ketzer? Ich kann nichts feststellen, außer daß wir alle die als Ketzer ansehen, die nicht mit unserer Meinung einiggehen. ... Gilt man in dieser Stadt oder Gegend als Anhänger des wahren Glaubens, so gilt man in der nächsten als Ketzer.“ Der berühmte französische Bibelübersetzer und energische Toleranzverfechter Castellio berührte einen Schlüsselfaktor bei der Debatte über Religionsfreiheit: Wer bestimmt, wer ein Ketzer ist?

      Dirck Volckertszoon Coornhert (1522 bis 1590): „Man liest, daß ehedem ... selbst Christus in Jerusalem und dann viele Märtyrer in Europa ... [die Gesellschaft] mit ihren Worten der Wahrheit störten. ... Die Bedeutung des Wortes ‚stören‘ muß genau und deutlich bestimmt werden.“ Coornhert trat dafür ein, religiöse Andersartigkeit nicht mit einer Störung der öffentlichen Ordnung gleichzusetzen. Er fragte: Sind die, die das Gesetz gewissenhaft befolgen und respektieren wirklich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung?

      Pierre de Belloy (1540—1611): Es zeugt von „Unwissenheit, zu glauben, daß religiöse Vielfalt Aufruhr im Staat verursacht und nährt“. Belloy, ein französischer Rechtsgelehrter, argumentierte zur Zeit der Religionskriege (1562—1598), die staatliche Einheit fuße nicht auf religiöser Uniformität, außer natürlich, wenn die Regierung religiösem Druck nachgebe.

      Thomas Helwys (ca. 1550 bis ca. 1616): „Solange seine [des Königs] Untertanen allen menschlichen Gesetzen Gehorsam und Treue zollen, sollte es ihm genügen.“ Helwys, Mitbegründer der English Baptists, befürwortete die Trennung von Kirche und Staat. Er forderte den König auf, allen Kirchen und Sekten Religionsfreiheit zu gewähren und mit der staatlichen Macht über Menschen und Ländereien zufrieden zu sein. Seine Schriften befaßten sich mit einer aktuellen Frage: Inwieweit darf der Staat das Glaubensleben reglementieren?

      Anonymer Schreiber (1564): „Zur Einführung der Gewissensfreiheit reicht es nicht aus, jemandem zu erlauben, eine von ihm mißbilligte Religion nicht auszuüben, sondern es muß ihm auch die freie Ausübung der von ihm gebilligten Religion gestattet sein.“

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