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Das Höllenfeuer — Lodert es auf, oder erlischt es?Der Wachtturm 1993 | 15. April
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Das Höllenfeuer — Lodert es auf, oder erlischt es?
MIT plastischen Schilderungen der Hölle versetzte der protestantische Prediger Jonathan Edwards die Amerikaner während der Kolonialzeit im 18. Jahrhundert in Angst und Schrecken. Einmal beschrieb er anschaulich, Gott würde Sünder über den Flammen baumeln lassen, als wären sie widerliche Spinnen. Edwards schalt seine Gemeinde: „O Sünder, du hängest an einem seidenen Faden über den lodernden Flammen des göttlichen Zornes, die ihn jeden Augenblick zu verbrennen vermögen.“
Kurz nachdem Edwards diese berühmte Predigt gehalten hatte, begannen die Flammen der Hölle jedoch gleichsam zu verlöschen.a In dem Buch The Decline of Hell von D. P. Walker heißt es: „Die Lehre von der ewigen Qual der Verdammten wurde in den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts ganz offen in Frage gestellt.“ Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erloschen die Flammen der Hölle immer mehr, bis schließlich Mitte des 20. Jahrhunderts Edwards Vorstellung von der Hölle als einem „Feuerofen, in dem Sinn und Leib der Opfer ewig aufs heftigste gepeinigt werden“, überhaupt kein Gesprächsthema mehr war. „Das Bild des Schreckens von der Hölle ist ins Kreuzfeuer des modernen Intellektualismus geraten, neben den Flammen von Hiroschima und des Holocaust verblaßt und damit längst nicht mehr so furchterregend wie früher“, bemerkte der Journalist Jeffery Sheler.
Auch viele Prediger zeigten keine besondere Vorliebe mehr für Feuer und Schwefel. Von den Kanzeln der großen Kirchen der Christenheit waren keine feurigen Predigten über die Schrecken der Hölle mehr zu hören. Die meisten Theologen betrachteten das Thema Hölle inzwischen als zu altmodisch für ein ernsthaftes Studium. Vor einigen Jahren stellte ein Kirchenhistoriker für eine Vorlesung an der Universität Nachforschungen über die Hölle an und durchforstete die Indexe einschlägiger Literatur. Er konnte keinen einzigen Eintrag zum Stichwort „Hölle“ finden. Gemäß der Zeitschrift Newsweek kam der Historiker zu dem Schluß: „Die Hölle ist verschwunden. Und keiner hat es gemerkt.“
Die Hölle erlebt ein Comeback
Verschwunden? Eigentlich nicht. Erstaunlicherweise ist die Höllenlehre in den vergangenen Jahren mancherorts wieder „aufgelodert“. Umfragen in Amerika ergaben, daß die Zahl derer, die behaupten, an die Hölle zu glauben, von 53 Prozent im Jahr 1981 auf 60 Prozent im Jahr 1990 geklettert ist. Wenn man dann noch bedenkt, daß evangelikale Bewegungen, die die Hölle predigen, weltweit immer stärkeren Zulauf haben, wird deutlich, daß das Comeback der Hölle im Gedankengut der Christenheit tatsächlich ein ernstzunehmendes, globales Phänomen ist.
Lebt diese Lehre jedoch lediglich bei Kirchgängern wieder auf oder auch unter Geistlichen? Tatsache ist, daß das Höllenfeuer, wie es Jonathan Edwards vor 250 Jahren predigte, von einigen konservativen Kanzeln der Christenheit nie ganz verschwunden ist. 1991 berichtete der U.S.News & World Report: „Sogar in einigen großen liberalen Religionsgemeinschaften gibt es Anzeichen dafür, daß sich Theologen zum erstenmal seit Jahrzehnten ernsthafter mit dem Thema Hölle beschäftigen.“ Ohne Frage ist das jahrelang vernachlässigte Höllenfeuer weltweit wieder populär geworden. Hat es jedoch seinen feurigen Charakter beibehalten?
Offene Fragen
Der Theologe W. F. Wolbrecht hatte keinerlei Zweifel: „Hölle bleibt Hölle, und kein menschlicher Wunsch oder Gedanke wird an der ewigen Verdammnis etwas deuteln können.“ Viele Kirchgänger sind sich dessen allerdings nicht so sicher. Wenn sie auch die Existenz einer Hölle nicht abstreiten, haben sie doch Zweifel, was das Wesen der Hölle betrifft. So räumte ein anderer Theologe ein: „Für mich ist die Hölle ebenfalls eine unbestreitbare Tatsache, die in der Bibel klar und deutlich verkündigt wird, nur das genaue Wesen der Hölle liegt im dunkeln.“ Ja, für immer mehr Theologen und Laien stellt sich heute nicht mehr die Frage: „Gibt es eine Hölle?“, sondern: „Was ist die Hölle?“
Wie würdest du antworten? Was hat man dir über das Wesen der Hölle gesagt? Warum sind aufrichtige Christen über diese Lehre beunruhigt?
[Fußnote]
a Am 8. Juli 1741 hielt Edwards die Predigt „Sinners in the Hands of an Angry God“ (Sünder in der Hand eines zornigen Gottes).
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Die Lehre von der ewigen Qual — Warum so bedrückend?Der Wachtturm 1993 | 15. April
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Die Lehre von der ewigen Qual — Warum so bedrückend?
„Ich habe gehört, daß ihr euren Pfarrer entlassen habt. Was hat er denn falsch gemacht?“
„Na ja, er erzählte uns ständig, wir kämen alle in die Hölle.“
„Und was sagt der neue Pfarrer?“
„Der neue Pfarrer sagt auch, daß wir in die Hölle kommen.“
„Wo ist denn da der Unterschied?“
„Nun, beim alten Pfarrer hörte es sich an, als freue er sich darüber; aber beim neuen klingt es, als breche es ihm das Herz.“
DIESE Geschichte aus einem Buch über Veranschaulichungen zeigt auf ihre Art, daß vielen Predigern und Kirchgängern bei der Höllenlehre nicht ganz wohl ist. Im weiteren Sinn wird dadurch auch die Beobachtung des kanadischen Theologen Clark H. Pinnock bestätigt: „Von allen theologischen Glaubensartikeln, die das menschliche Gewissen über die Jahrhunderte hinweg gequält haben, waren wohl nur wenige beängstigender als die landläufige Lehre, Körper und Seele würden in der Hölle bei vollem Bewußtsein ewig bestraft.“
Moralische Einwände
Warum quält viele die Vorstellung von einem Inferno, so wie es die Christenheit lehrt? (Siehe Kasten.) Professor Pinnock sagt dazu: „Die Vorstellung, ein Geschöpf, das bei Bewußtsein ist, solle endlose körperliche und seelische Qualen erleiden, ist höchst bedrückend, und der Gedanke, dies geschehe auf göttliche Anordnung hin, verstößt gegen meine Überzeugung von der Liebe Gottes.“
Ja, die Lehre von der ewigen Qual führt zu einem moralischen Problem. Beispielsweise machen sich aufrichtige Christen Gedanken über folgende Fragen, die der katholische Theologe Hans Küng aufwirft: „Diese hoffnungslose, erbarmungslose, lieblose, diese grauenhaft physisch-psychische Tortur seiner Geschöpfe ohne Ende ... sollte ein Gott der Liebe ... eine Ewigkeit lang mit ansehen?“ Küng schreibt weiter: „Ist er solch ein hartherziger Gläubiger? ... Was würde man von einem Menschen halten, der derart unversöhnlich und unersättlich seinen Rachedurst befriedigte?“a Wie könnte der Gott, der uns in der Bibel sagt, wir sollen unsere Feinde lieben, seine Feinde bis in alle Ewigkeit quälen wollen? (1. Johannes 4:8-10). Kein Wunder, daß einige zu dem Schluß kommen, das Wesen der Hölle lasse sich mit dem Wesen Gottes einfach nicht vereinbaren und sei vom moralischen Standpunkt aus unlogisch.
Viele weitere, die an die Hölle glauben, versuchen ihr Gewissen zu beschwichtigen, indem sie diesen Fragen aus dem Weg gehen. Die Ungereimtheiten einfach zu ignorieren löst aber das Problem nicht. Stellen wir uns der Frage: Welche moralische Bedeutung birgt diese Lehre in sich? In der Zeitschrift Criswell Theological Review schreibt Professor Pinnock: „Vom moralischen Standpunkt aus gesehen, ist ewige Qual unhaltbar, weil Gott dadurch zu einem blutrünstigen Monster wird, das ein ewiges Auschwitz unterhält für Opfer, denen es nicht einmal gestattet zu sterben.“ Er fragt: „Wie kann jemand, der von der Milch der frommen Denkart erfüllt ist, bei dem Gedanken an solch eine Vorstellung ruhig bleiben? ... Wie in aller Welt können Christen solch ein grausames und rachsüchtiges Gottesbild vermitteln?“
Über den schlechten Einfluß, den diese Lehre womöglich auf das Verhalten von Menschen ausgeübt hat, sagt Pinnock: „Ich frage mich sogar, was für Greueltaten diejenigen begangen haben, die an einen Gott glaubten, der seine Feinde quält.“ Seine Schlußfolgerung: „Ist dies nicht eine höchst bedrückende Vorstellung, die noch einmal überdacht werden sollte?“ Ja, wenn Gott eine solche Grausamkeit zugeschrieben wird, verwundert es nicht, daß einfühlsame Kirchgänger die Lehre vom Höllenfeuer genauer unter die Lupe nehmen. Worauf stoßen sie dabei? Auf ein weiteres Problem, das mit der Vorstellung von der ewigen Qual zusammenhängt.
Hölle und Gerechtigkeit
Nach dem Empfinden vieler, die sich mit der traditionellen Höllenlehre beschäftigen, wird Gott dadurch offenbar so hingestellt, als handle er ungerecht; es widerspricht ihrem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden. Inwiefern?
Vergleichen wir beispielsweise die Lehre von der ewigen Qual mit der Rechtsnorm Gottes: „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ (2. Mose 21:24). Angenommen, man wendet dieses Gesetz über entsprechende Vergeltung, das Gott dem alten Israel gab, auf die Lehre vom Höllenfeuer an. Zu welcher Schlußfolgerung kommt man höchstwahrscheinlich? Nur jene Sünder verdienen ewige Qualen, die selbst ewige Qualen verursacht haben — ewige Qual für ewige Qual. Da der Mensch aber lediglich zeitlich Qualen verursachen kann (und sei er noch so schlecht), entsteht durch seine Bestrafung mit ewiger Qual ein Mißverhältnis zwischen seinen Sünden und der unbegrenzten Höllenstrafe.
Einfach gesagt, die Strafe wäre zu hart. Sie ginge weit über den Grundsatz „Auge für Auge und Zahn für Zahn“ hinaus. Bedenkt man außerdem, daß der Begriff der Vergeltung durch Jesu Lehren abgemildert wurde, würde es wahren Christen zugegebenermaßen äußerst schwer fallen, ewige Qual für gerecht zu halten (Matthäus 5:38, 39; Römer 12:17).
Die Lehre rechtfertigen
Nichtsdestoweniger versuchen viele Höllenverfechter, die Lehre zu rechtfertigen. Wie? Der britische Schriftsteller Clive S. Lewis vertritt in dem Buch mit dem Titel Über den Schmerz den Standpunkt der meisten Verfechter dieser Lehre: „Es gibt keine Lehre, die ich lieber aus dem Christentum tilgen möchte als diese — wenn es nur in meiner Macht läge. Aber sie hat eine klare Stütze in der Heiligen Schrift und besonders in den eigenen Worten unseres Herrn.“ Befürworter geben somit zu, ewige Qual sei entsetzlich, behaupten aber im selben Atemzug, die Lehre sei ein Muß, weil sie ihrer Meinung nach in der Bibel gelehrt werde. Hierzu bemerkt der Theologe Pinnock: „Sie räumen ein, daß es ihnen widerstrebt, daran zu glauben, und hoffen, damit ihre unerschütterliche Bibeltreue und ein gewisses Heldentum beweisen zu können, da sie eine solch schreckliche Wahrheit glauben, nur weil die Schrift sie lehrt. Sie tun gerade so, als stünde die Unfehlbarkeit der Bibel auf dem Spiel. Stimmt das aber wirklich?“
Man fragt sich vielleicht auch, ob einem wirklich nichts anderes übrigbleibt, als diese Lehre anzunehmen, wenn man bibeltreu sein will. Was sagt die Bibel wirklich?
[Fußnote]
a Ewiges Leben?, Seite 175, 176.
[Kasten auf Seite 5]
DREI ÜBEREINSTIMMENDE VORSTELLUNGEN
In der Westminster Confession, einem Glaubensbekenntnis, nach dem sich viele Protestanten richten, heißt es, die Verworfenen würden „ewige Qualen erleiden und mit ewiger Vernichtung bestraft“. „Die römisch-katholische Kirche“, wird in der Encyclopedia of Religion erklärt, „betrachtet die Hölle als einen Zustand endloser Strafe, die aus ... Feuerqualen und anderen Folterungen besteht.“ In dieser Enzyklopädie heißt es weiter, die östlichen orthodoxen Kirchen würden ebenfalls lehren, daß „die Hölle das Geschick der Verdammten ist, die ewiges Feuer und Bestrafung erwartet“ (Band 6, Seite 238, 239).
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Die Hölle — Ewige Qual oder allgemeines Grab?Der Wachtturm 1993 | 15. April
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Die Hölle — Ewige Qual oder allgemeines Grab?
VIELLEICHT hat man dir erzählt, die frühen Kirchenväter, Theologen des Mittelalters und Reformatoren hätten behauptet, die Qualen der Hölle seien ewig. Dann wird es dich wahrscheinlich überraschen, zu erfahren, daß einige hochgeachtete Bibelgelehrte diese Ansicht jetzt in Frage stellen. Dazu gehört auch John R. W. Stott aus Großbritannien, der schreibt, daß die „Heilige Schrift auf Vernichtung hindeutet“ und daß „die Lehre von der ‚ewigen Qual bei Bewußtsein‘ eine Überlieferung ist, die sich der höchsten Autorität der Heiligen Schrift unterordnen muß“ (Essentials—A Liberal-Evangelical Dialogue).
Wie kam er zu dem Schluß, die Lehre von der ewigen Qual sei nicht biblisch fundiert?
Sprachunterricht
Zunächst begründet er es mit der Sprache. Wie er erklärt, gebraucht die Bibel, wenn sie sich auf den endgültigen Zustand der Verdammnis („Gehenna“; siehe Kasten, Seite 8) bezieht, häufig Wörter für „Vernichtung“ — das griechische „Verb apóllymi (vernichten) und das Substantiv apṓleia (Vernichtung)“. Deuten diese Wörter auf Qualen hin? Stott macht darauf aufmerksam, daß das aktive und transitive Verb „apóllymi“ „töten“ bedeutet (Matthäus 2:13; 12:14; 21:41). Wenn die Elberfelder Bibel daher in Matthäus 10:28 sagt, Gott vernichte ‘sowohl Seele als Leib in der Hölle’, ist der Kerngedanke eine Vernichtung durch den Tod, nicht etwa durch ewige Qual. In Matthäus 7:13, 14 stellt Jesus den ‘eingeengten Weg, der zum Leben führt’, dem ‘breiten Weg, der in die Vernichtung führt’, gegenüber. Stott bemerkt dazu: „Es wäre merkwürdig, wenn Menschen, die Vernichtung erleiden sollen, in Wirklichkeit gar nicht vernichtet werden.“ Mit gutem Grund schlußfolgert er daher: „Wenn töten bedeutet, dem Körper das Leben zu nehmen, müßte es sich bei der Hölle um den Verlust sowohl des physischen als auch des geistigen Lebens handeln, das heißt um das Auslöschen des Seins“ (Essentials, Seite 315, 316).
Auslegung vermeintlicher Höllenschilderungen
Viele religiös eingestellte Menschen werden dennoch Morris H. Chapman, dem Präsidenten der Southern Baptist Convention, zustimmen, der sagte: „Ich predige eine buchstäbliche Hölle.“ Er erklärte außerdem: „Die Bibel nennt sie ‚Feuersee‘, und meiner Meinung nach kann man es nicht besser ausdrücken.“
Natürlich könnte man mit dem Feuer, das in der Bibel bildlich gebraucht wird, unwillkürlich Qual verbinden. In dem Buch Essentials heißt es allerdings: „Wir wissen alle, daß eine Verbrennung schmerzt, und assoziieren Feuer sicherlich deshalb mit ‚Qualen bei Bewußtsein‘. Feuer soll jedoch keine Schmerzen hervorrufen, sondern in erster Linie vernichten, was durch Verbrennungsöfen überall auf der Erde deutlich wird“ (Seite 316). Behält man diesen bezeichnenden Unterschied im Sinn, wird man nichts in die Bibel hineinlesen, was dort gar nicht steht. Einige Beispiele:
Jesus sagte über diejenigen, die in die Gehenna geworfen werden, daß „ihre Made nicht stirbt und das Feuer nicht ausgelöscht wird“ (Markus 9:47, 48). Von den Worten in dem apokryphen Buch Judit beeinflußt (‘Er wird Feuer und Würmer in ihr Fleisch senden. Heulen werden sie in Ewigkeit vor Schmerzen!’ [Judit 16:17, Jerusalemer Bibel]), behaupten einige Bibelkommentatoren, Jesu Worte spielten auf ewige Qual an. Allerdings kann das apokryphe Buch Judit, das nicht von Gott inspiriert ist, wohl kaum zur Interpretation des Markusevangeliums herangezogen werden. In Jesaja 66:24 — der Bibeltext, auf den Jesus sich offensichtlich bezog — heißt es, das Feuer und die Würmer würden die toten Körper (mit den Worten Jesajas „die Leichname“) der Feinde Gottes vernichten. Weder in den Worten Jesajas noch Jesu Worten findet sich ein Hinweis auf ewige Qual bei Bewußtsein. Feuer steht für völlige Vernichtung.
In Offenbarung 14:9-11 wird von einigen gesprochen, die „mit Feuer und Schwefel gequält werden. Und der Rauch ihrer Qual steigt auf für immer und ewig.“a Ist das ein Beweis dafür, daß Menschen ewig bei Bewußtsein im Höllenfeuer gequält werden? Im Grunde genommen sagt dieser Text lediglich aus, daß die Bösen gequält werden, nicht jedoch, daß sie für immer gequält werden. Es heißt dort, der Rauch — also der Beweis dafür, daß das Feuer sein Werk der Vernichtung vollbracht hat — bestünde fort, nicht die Feuerqualen.
In Offenbarung 20:10-15 ist zu lesen, daß sie im „Feuer- und Schwefelsee ... Tag und Nacht gequält werden für immer und ewig“. Auf den ersten Blick sieht das vielleicht nach einem Beweis dafür aus, daß Menschen ewig bei Bewußtsein im Feuer gequält werden; aber das ist keineswegs der Fall. Weshalb? Unter anderem deshalb, weil auch ‘das wilde Tier und der falsche Prophet’ sowie „der Tod und der Hades“ in diesem sogenannten „Feuersee“ enden werden. Wie unschwer zu erkennen ist, sind das wilde Tier, der falsche Prophet, der Tod und der Hades keine buchstäblichen Personen; daher können sie nicht bei Bewußtsein gequält werden. Wie G. B. Caird in dem Werk A Commentary on the Revelation of St. John the Divine schreibt, bedeutet der „Feuersee“ statt dessen „Vernichtung und völlige Vergessenheit“. Das ist leicht einzusehen, sagt doch die Bibel selbst über den Feuersee: „Dies bedeutet den zweiten Tod: der Feuersee“ (Offenbarung 20:14).
Ein „theologisches Geschwisterpaar“ trennen
Trotz dieser Argumentation beharren viele Verfechter der Höllenlehre darauf, daß das Wort „Vernichtung“ nicht buchstäblich zu verstehen ist, sondern ewige Qual bedeutet. Warum? Weil ihre Denkweise geprägt ist von der Lehre, die am engsten mit der Höllenfeuerlehre verwandt ist — die Lehre von der Unsterblichkeit der Menschenseele. Und da ihre Kirche dieses „theologische Geschwisterpaar“ womöglich über Jahrhunderte hinweg sorgsam gehütet hat, denken sie vielleicht, in Texten, die von Vernichtung sprechen, sei in Wirklichkeit ewige Qual gemeint. Schließlich kann die unsterbliche Menschenseele nicht einfach aufhören zu existieren — das jedenfalls wird behauptet.
Dabei gilt es jedoch den Gedanken des anglikanischen Geistlichen Philip E. Hughes zu beachten: „Wer behauptet, die Menschenseele sei von Natur aus unsterblich, vertritt eine Ansicht, die nirgendwo in der Bibel gestützt wird, denn dort wird die menschliche Natur stets als Gesamtheit des Geistigen und Körperlichen dargestellt. ... Gottes Warnung zu Anfang in Verbindung mit der verbotenen Frucht (‚an dem Tag, an dem du davon ißt, wirst du sterben‘) war an den Menschen als körperlich-geistiges Geschöpf gerichtet — würde er davon essen, würde er als solches sterben. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, daß ein Teil von ihm unsterblich gewesen und er daher nur teilweise gestorben wäre“ (The True Image—The Origin and Destiny of Man in Christ).
Ähnlich äußert sich der Theologe Clark Pinnock: „Diese Anschauung [der Unsterblichkeit der Menschenseele] hat die Theologie sehr lange geprägt, ist aber unbiblisch. Die Bibel lehrt nicht, die Seele sei von Natur aus unsterblich.“ Das wird in Hesekiel 18:4, 20 und Matthäus 10:28 bestätigt. Außerdem sagte Jesus über seinen toten Freund Lazarus, er sei „zur Ruhe gegangen“ oder schlafe. Jesus erklärte, er werde ‘ihn aus dem Schlaf wecken’ (Johannes 11:11-14). Der Mensch, das heißt die Menschenseele, Lazarus war somit gestorben, konnte aber — selbst nachdem bereits geraume Zeit verstrichen war — auferweckt oder wieder zum Leben gebracht werden. Die Tatsachen beweisen dies. Jesus auferweckte Lazarus von den Toten (Johannes 11:17-44).
Wie berühren diese Argumente die Lehre von der ewigen Qual? Im 17. Jahrhundert bemerkte der Essayist William Temple: „Es gibt ... [Schrifttexte], die davon sprechen, daß man ins unauslöschliche Feuer geworfen werde. Wenn wir an diese jedoch nicht mit der vorgefaßten Meinung herangehen, das, was dort hineingeworfen werde, sei unzerstörbar, gewinnen wir die Überzeugung, daß es nicht ewig brennt, sondern vielmehr vernichtet wird.“ Diese korrekte Darlegung trifft heute noch zu, denn genau das lehrt die Bibel in Wirklichkeit.
Es gibt also unbestreitbar zwingende Gründe, die Vorstellung, Menschen würden ewig bei Bewußtsein in der Hölle gequält, in Frage zu stellen. Vielleicht möchte man sogar darüber hinaus dem Rat des Theologieprofessors Pinnock folgen, der sagte: „Das gesamte Glaubensmuster, das mit der Hölle und endloser Qual zu tun hat, ... sollte im Namen der glaubwürdigen Lehre fallengelassen werden.“ Ja, genau das gebietet die Ethik, der Gerechtigkeitssinn und vor allem Gottes Wort, die Bibel.
Dann wird man feststellen, daß das wahre Wesen der Hölle absolut glaubwürdig ist. Hilfreiche Informationen zu diesem Thema sind in dem Buch Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben zu finden.b Bitte erkundige dich bei Jehovas Zeugen nach diesem Buch. Lies die Kapitel „Was geschieht beim Tod?“, „Gibt es wirklich eine ‚Hölle‘?“, „Auferstehung — für wen und wo?“ Du wirst herausfinden, daß das wahre Wesen der Hölle nicht nur glaubwürdig ist, sondern auch Hoffnung vermittelt.
[Fußnoten]
a In diesem Bibeltext ist mit der Wendung ‘mit Feuer gequält’ keine buchstäbliche ewige Qual gemeint. Weitere Einzelheiten sind in dem von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebenen Buch Die Offenbarung — Ihr großartiger Höhepunkt ist nahe! zu finden.
b Herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft.
[Kasten auf Seite 8]
BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
In diesem Artikel beziehen sich die Begriffe „Hölle“ und „Höllenfeuer“, wie sie von Theologen der Christenheit gebraucht werden, auf den griechischen Ausdruck géenna, der im „Neuen Testament“ 12mal vorkommt (Matthäus 5:22, 29, 30; 10:28; 18:9; 23:15, 33; Markus 9:43, 45, 47; Lukas 12:5; Jakobus 3:6). In verschiedenen Bibelübersetzungen ist dieses griechische Wort mit „Hölle“ übersetzt, andere geben es mit der Umschrift „Gehenna“ wieder. Es entspricht dem ‘zweiten Tod, dem Feuersee’, der im letzten Bibelbuch als Sinnbild für ewige Vernichtung gebraucht wird (Offenbarung 20:14).
Über zwei andere Ausdrücke, die manchmal mit „Hölle“ übersetzt werden, heißt es in dem von William Smith herausgegebenen Werk A Dictionary of the Bible (1914): „Der hebräische Ausdruck Scheol wird von unseren Übersetzern leider im allgemeinen mit dem Wort Hölle wiedergegeben. Es wäre vielleicht besser gewesen, das hebräische Wort Scheol beizubehalten oder es jedesmal mit ‚das Grab‘ oder ‚die Grube‘ wiederzugeben. ... In dem N[euen] T[estament] bedeutet das griechische Wort Hades ebenso wie Scheol mitunter lediglich ‚das Grab‘ ... In diesem Sinne heißt es in Glaubensbekenntnissen über unseren Herrn: ‚Er fuhr in die Hölle‘, womit der Zustand der Toten im allgemeinen gemeint ist.“
Im Gegensatz zu dem Ausdruck Gehenna, der für endgültige Vernichtung steht, beziehen sich die Begriffe Hades und Scheol auf den Tod im allgemeinen Grab der Menschheit mit der Aussicht, wieder zum Leben erweckt zu werden (Offenbarung 20:13).
[Bild auf Seite 9]
Jesus weckte Lazarus aus dem Todesschlaf
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