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Der Kult der Muttergöttin — Gibt es ihn heute noch?Der Wachtturm 1991 | 1. Juli
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DER Kult der Muttergöttin wurde noch in den Tagen der ersten Christen praktiziert. Der Apostel Paulus machte in Ephesus (Kleinasien) seine Erfahrungen damit. Wie in Athen, wo ebenfalls Göttinnen verehrt wurden, hatte er auch dort den „Gott, der die Welt ... gemacht hat“, den lebendigen Schöpfer, verkündigt, der nicht „gleich dem Gold oder Silber oder Stein, gleich einem Gebilde der Kunst und Findigkeit des Menschen“ ist. Das war zuviel für die Epheser, von denen die meisten die Muttergöttin Artemis anbeteten. Handwerker, die ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung von Silberschreinen der Göttin verdienten, stachelten die Leute zu einem Aufruhr an. Etwa zwei Stunden lang schrie die Menge: „Groß ist die Artemis der Epheser!“ (Apostelgeschichte 17:24, 29; 19:26, 34).
Die Artemis der Epheser
Auch die Griechen beteten eine Artemis an, die jedoch mit der in Ephesus verehrten Artemis nur wenig gemein hatte. Die griechische Artemis war eine jungfräuliche Göttin der Jagd und der Geburt, die ephesische Artemis dagegen eine Fruchtbarkeitsgöttin. Der riesige Artemistempel in Ephesus galt als eines der Sieben Weltwunder. Ihr Standbild, das angeblich vom Himmel gefallen war, stellte sie als Personifizierung der Fruchtbarkeit dar, denn ihr Oberkörper war mit Reihen eiförmiger Brüste bedeckt. Die eigenartige Form dieser Brüste hat Anlaß zu verschiedenen Erklärungsversuchen gegeben. Angeblich soll es sich um Kränze aus Eiern oder aber um die Darstellung von Stierhoden handeln. Ungeachtet dessen, welche Erklärung zutrifft, sind es doch eindeutig Fruchtbarkeitssymbole.
Interessanterweise war das Originalstandbild gemäß der New Encyclopædia Britannica „aus Gold, Ebenholz, Silber und schwarzem Stein“. Eine bekannte Statue der ephesischen Artemis, die in das zweite Jahrhundert u. Z. datiert wird, zeigt sie mit schwarzem Gesicht sowie mit schwarzen Händen und Füßen.
Das Bildnis der Artemis wurde im Festzug durch die Straßen getragen. Der Bibelgelehrte R. B. Rackham schreibt: „Im Tempel [der Artemis] wurden ihre ... Bildnisse, Schreine und heiligen Gegenstände aus Gold und Silber aufbewahrt, die zu den großen Festen in prachtvoller Prozession durch die Stadt getragen wurden.“ Diese Feste zogen Hunderttausende von Pilgern aus ganz Kleinasien an. Sie kauften kleine Schreine der Göttin und priesen sie als groß, als ihre Herrin, als die Königin, die Jungfrau, „diejenige, die Gebeten lauscht und sie erhört“. In einer solchen Umgebung mußten Paulus und die ersten Christen großen Mut aufbringen, den „Gott, der die Welt ... gemacht hat“, zu preisen statt Götter oder Göttinnen aus „Gold oder Silber oder Stein“.
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Der Kult der Muttergöttin — Gibt es ihn heute noch?Der Wachtturm 1991 | 1. Juli
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[Bild auf Seite 6]
ARTEMIS — Fruchtbarkeitsgöttin von Ephesus
[Bildnachweis]
Musei dei Conservatori, Rom
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