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Ausländer — Ein weltweites ProblemErwachet! 1992 | 8. Mai
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Ausländer — Ein weltweites Problem
„WIR gehen wegen des Geldes nach Johannesburg, weil es hier keine Arbeit gibt“, sagte ein Wanderarbeiter aus einem ländlichen Gebiet Südafrikas. „Wenn es hier Arbeit geben würde, kämen wir gar nicht auf den Gedanken, nach Johannesburg zu gehen.“ Seine nachdenklich stimmende Erklärung beschreibt das Dilemma, in dem sich viele Ausländer, Gastarbeiter und Wanderarbeiter sehen.
Allein das Ausmaß der Wanderungsbewegungen in den letzten Jahrzehnten bereitet vielen Menschen Sorgen. (Siehe Kasten auf Seite 5.) Die spanische Zeitung El País schrieb: „Rassismus und Fremdenhaß sind im neuen Deutschland plötzlich wiederaufgetaucht.“ Immigranten sind von gewalttätigen Banden angegriffen worden, die in der Presse als neonazistische Skinheads beschrieben werden.
Einige Einwanderungsbeamte geben zu, daß sie eine Ausschließungspolitik verfolgen. Ein Beamter in einem asiatischen Land erklärte, seine Aufgabe sei es, „Ausländer draußen zu halten“. In einem Bericht über den Zustrom von Asylsuchenden aus einem osteuropäischen Land zitiert die Zeitschrift Time einen hohen Beamten mit den Worten: „Wir möchten nicht, daß sie sich allzu wohl fühlen, denn wir wollen, daß sie zurückgehen.“
Noch beißender waren die Bemerkungen eines Journalisten in Frankreich, nach dessen Überzeugung die Einwanderer eine Bedrohung seien. Seine Begründung? Sie seien „anders — andere Rasse, andere Sprache, andere Werte“. Seine Schlußfolgerung? „Wir sollten so viele wie möglich abschieben [und] den Rest isolieren.“
Bei einer solchen Ausländerfeindlichkeit wundert es einen nicht, daß Ausländer vor einer Wand von Vorurteilen seitens der Gastgesellschaft stehen, die sich ihrerseits durch den plötzlichen Zustrom von Fremden bedroht fühlt. Typisch hierfür ist der zornige Israeli, der sich darüber beklagte, daß die „Vermieter sowjetische Immigranten vorziehen“ würden, weil diese von der Regierung eine finanzielle Unterstützung bekämen, wenn sie sich in Israel ansiedelten. Als Folge davon sehen sich die bisherigen Bewohner durch die steigenden Mieten gezwungen wegzuziehen.
Wie man weiß, übernehmen Ausländer oft niedere Arbeiten, die von den Einheimischen verachtet werden. Folglich müssen viele der Neuankömmlinge unter harten Bedingungen für einen Hungerlohn arbeiten, insbesondere wenn sie illegal im Land sind. Außerdem sind Ausländer wegen ihrer fremden Staatsangehörigkeit am Arbeitsplatz oft starker Diskriminierung ausgesetzt.
Die Mehrheit der Immigranten durchleiden, ungeachtet, wer sie sind und wo sie versuchen, sich niederzulassen, eine Zeit, in der ihre verletzten soziokulturellen Wurzeln geheilt und neue Bande für die Zukunft geknüpft werden müssen. Gemäß der Zeitschrift U.S.News & World Report fühlen sich Ausländer „anfangs oft ausgeschlossen und erdrückt“. Für einige sind die Anstrengungen zu groß. Von ihnen heißt es in dem Bericht: „Die Tragödie, das erste Zuhause verloren zu haben, wird dadurch verschlimmert, kein zweites finden zu können.“ Bei nicht wenigen hat das Gefühl der Entwurzelung mit der Herausforderung zu tun, die eine neue Sprache an sie stellt.
Wie sagt man ...?
Wie wirkt es sich aus, wenn man eine fremde Sprache zu lernen und sich an eine andere Kultur anzupassen hat? Wahrscheinlich ist „das Endresultat deiner Mühe ein nagendes Gefühl der Unvollständigkeit“, gab der in die Vereinigten Staaten immigrierte polnische Schriftsteller Stanislaw Baranczak zur Antwort. Ja, die Sprache ist eine grundlegende Voraussetzung, wenn man ein vollwertiges Glied der Gesellschaft werden möchte. Das Lernen einer neuen Sprache ist möglicherweise ein Aspekt der Integration, der — insbesondere für ältere Ausländer — ein besonderes Problem darstellt.
Für diese Immigranten führt das Erlernen einer Sprache oft in einen Teufelskreis. Der Zeitschrift Aging zufolge bekommen Ausländer, die den sprachlichen und kulturellen Verlust nicht überwinden können, häufig Depressionen. Diese machen es ihnen wiederum unmöglich, sich auf die Anforderungen zu konzentrieren, die das Erlernen der neuen Sprache an sie stellt. Schließlich sträubt sich der Ausländer immer mehr, die oftmals damit verbundenen Risiken und Demütigungen auf sich zu nehmen. Das Problem vergrößert sich noch, wenn die Kinder die neue Sprache und Kultur viel schneller annehmen als ihre Eltern. Dadurch kommt es oft zu Reibereien und zu einem Generationskonflikt — das heißt, wenn die ganze Familie zusammen auswandert.
Verstreute Familie
Eine der am wenigsten kommentierten und doch tragischsten Folgen der Massenimmigration ist die katastrophale Auswirkung auf die Familieneinheit. Nicht selten werden Familien auseinandergerissen, wenn entweder ein Elternteil oder beide Eltern ihre Kinder bei anderen Familienmitgliedern lassen, während sie woanders bessere wirtschaftliche Bedingungen suchen. Die zweite Carnegie-Untersuchung der Armut und Entwicklung in Südafrika kam zu dem Schluß, daß diese Art der Auswanderung „das Familiengefüge aus dem Lot bringt“. In der Abhandlung wird über Familien berichtet, die zerbrachen, als einzelne Familienmitglieder auswanderten.
Das sind nur einige der Probleme, vor die sich Auswanderer in der ganzen Welt gestellt sehen, und dabei haben wir noch nicht von den Kosten der Auswanderung, von der Legalisierung des Aufenthalts und den Entscheidungen gesprochen, die bezüglich der Gesundheit, der Wohnung, der Ausbildung und der anderen Familienmitglieder getroffen werden müssen.
Warum wollen denn Menschen trotz all dieser Schwierigkeiten überhaupt in einem anderen Land oder Gebiet leben?
[Kasten auf Seite 4]
Partner am Arbeitsplatz
EINERSEITS bringt der ungezügelte Zustrom von Ausländern diverse Probleme mit sich, andererseits sind Ausländer, wie die Tatsachen deutlich zeigen, in vielen Fällen für ihr Aufnahmeland ein echter Gewinn.
„Westdeutschland und seine ausländischen Arbeitnehmer haben eindeutig voneinander profitiert“, hieß es in der Zeitschrift Time. „Die Stahlhütten im Ruhrgebiet und die Fließbänder bei Mercedes außerhalb von Stuttgart werden von Gastarbeitern in Betrieb gehalten.“ Und gemäß dem Magazin National Geographic wäre „die New Yorker Bekleidungsindustrie zusammengebrochen“ ohne den Einsatz von Immigranten.
Wirtschaftswissenschaftler haben erkannt, welch wertvollen Beitrag die Zuwanderer für ihre Gastländer leisten. Obwohl Türken, Pakistani und Algerier in Europa unter gewaltigen Vorurteilen leiden, haben sie doch gelernt, sich anzupassen. „Sie kommen zurecht“, schreibt U.S.News & World Report, und sie werden auch weiter zurechtkommen, „bis Europa ... merkt, daß es sie schon allein aus wirtschaftlichen Gründen benötigt“.
Ausländer, die den sehnlichen Wunsch haben, in ihrem neuen Land erfolgreich zu sein, sind im allgemeinen eher als die Einheimischen zum Verzicht bereit, um nicht auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein oder das staatliche Sozialsystem in Anspruch zu nehmen. „Nichts ist so unbegründet wie der Vorwurf, Immigranten würden von der Fürsorge leben“, sagte ein amerikanischer Einwanderungsberater, der die Fälle von mehr als 3 000 Ausländern bearbeitet hat.
Oft sind ganze Stadtviertel von Ausländern wieder instand gesetzt worden, die sich bemüht haben, ihre Umgebung zu verbessern. Als in Südafrika wegen des Krieges in Angola und in Mosambik plötzlich ein Zustrom von portugiesischen Flüchtlingen einsetzte, wurden ganze Vororte von Johannesburg von Portugiesen übernommen und in einen besseren Zustand gebracht.
[Kasten auf Seite 5]
Auswanderung in Zahlen:
▶ 4,5 Millionen Einwanderer, darunter 1,5 Millionen aus Nordafrika, stellen 8 Prozent der Bevölkerung Frankreichs
▶ An nur einem Abschnitt der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten verhaften 800 Grenzbeamte jede Nacht durchschnittlich 1 500 illegale Einwanderer
▶ Etwa 20 Prozent der Bevölkerung Australiens sind außerhalb des Landes geboren
▶ Wahrscheinlich eine Million Polen arbeiten illegal in Westeuropa
▶ In einem der vergangenen Jahre kamen 350 000 Kontraktarbeiter legal nach Südafrika; die Zahl der illegalen Ausländer liegt bei 1,2 Millionen
▶ 1990 wanderten mindestens 185 000 sowjetische Juden nach Israel aus
▶ Seit 1975 sind über 900 000 Menschen aus Südostasien in die Vereinigten Staaten eingewandert
▶ Wöchentlich verlassen mindestens tausend Menschen Hongkong
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Ausländer — Warum ziehen sie in ein fremdes Land?Erwachet! 1992 | 8. Mai
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Ausländer — Warum ziehen sie in ein fremdes Land?
„NIEMAND kann sich vorstellen, welchen Gefahren wir in der dritten Welt ausgesetzt sind ... und welche Härten wir jetzt hier erdulden, einfach nur, um über die Runden zu kommen und unsere Angehörigen zu Hause zu unterstützen.“ So schrieb Elizabeth, eine afrikanische Immigrantin, an den Herausgeber von National Geographic. Genau das ist der springende Punkt, wenn es um die Frage geht, warum Millionen bereit sind, sich von ihren Wurzeln zu lösen, um ihr Leben in einem fremden Land neu zu beginnen.
Jeder Zuwanderer hat natürlich seine eigene Geschichte. Einige wie die oben erwähnte Frau sind ausgewandert, um den harten Lebensbedingungen in ihrem Heimatland zu entfliehen. In dem Buch Population, Migration, and Urbanization in Africa erklärt William Hance, daß die Hauptursachen für die jetzige Massenflucht aus Afrika Krankheiten, Insektenplagen, ein ausgelaugter Boden, Dürren, Überschwemmungen, Hunger, Krieg und Stammesfehden seien. Andere Gebiete der Erde in ähnlich verzweifelten Situationen sind ebenfalls Quellen, aus denen sich der Flüchtlingsstrom speist.
Nach der Feststellung von Soziologen ist allerdings der Wunsch, den bedrückenden Lebensumständen zu entfliehen, nur eine der Ursachen für die heutigen Migrationsbewegungen.
Der Druck-Zug-Effekt
Die Anziehungskraft der Länder, die eine bessere Aussicht für das Leben bieten, ist ebenfalls eine starke Motivation. Sie, zusammen mit dem Wunsch, den schlechten Bedingungen zu entkommen, ruft einen sogenannten Druck-Zug-Effekt hervor. Dabei üben die Widrigkeiten zu Hause einen Druck aus, während die Vorteile in der Fremde den Betreffenden ziehen oder zum Auswandern verlocken. Nehmen wir den Fall von Nguyen Van Tue, einem typischen vietnamesischen Flüchtling in Japan. Auch wenn er eine schwere Zeit durchmachte, bis er mit seinem Leben als Ausländer zurechtkam, so erklärt er doch: „Ich bin zufrieden. Ich habe meine Familie hier, wir sind am Leben und wohlauf in einem Land, in dem Freiheit und Frieden herrschen.“
Die wirtschaftliche Anziehungskraft ist eine der stärksten Triebfedern der Auswanderung. In einer Abhandlung über die italienische Einwanderergemeinde einer englischen Stadt schrieb der Publizist John Brown in seinem Buch The Un-melting Pot: „Das Hauptziel ist es immer gewesen, Geld zu verdienen.“ Wie er weiter ausführt, haben die Leute dafür „hart und gut“ gearbeitet. Betrachtet man die extremen Lohnunterschiede zwischen den verschiedenen Ländern, so wundert es einen nicht, daß viele Menschen in ein anderes Land wollen. In einem Bericht über mexikanische Arbeiter in den Vereinigten Staaten heißt es in National Geographic: „Südlich der Grenze bringt die Arbeitsstunde ein Fünftel bis ein Zehntel dessen, was man in den Vereinigten Staaten dafür bekommt.“
Der Zug, den die Familie und Freunde ausüben
Natürlich ziehen viele einfach deshalb in ein anderes Land, weil sie mit ihrer Familie und ihren Freunden zusammensein wollen, die ihnen vorausgegangen sind. Viele sowjetische Juden sind beispielsweise nach Israel ausgewandert nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“. Einige sind sogar bereit gewesen, ihr Glück im umkämpften Westjordanland zu suchen.
Nicht wenige lassen sich von Verwandten oder Freunden zur Emigration bewegen. Vielen potentiellen Auswanderern wurde Australien empfohlen. Heute sind fast 22 Prozent der Bevölkerung Australiens außerhalb des Landes geboren.
Ein Barbadier, der in die Vereinigten Staaten immigriert war, sagte bei einem Besuch auf Barbados zu seinem Freund: „Du meinst nur, daß es dir hier gutgeht.“ Dann versicherte er ihm, es sei „Zeitverschwendung“, wenn er auf der Insel bliebe. Diese Worte säten in seinem Freund, wie dieser viele Jahre später erklärte, den Samen der Unzufriedenheit, was ihn schließlich veranlaßte auszuwandern.
Leider wird dem künftigen Auswanderer oft nur ein rosarotes Bild des Gastlandes gemalt. Dazu sagte Ron, ein junger Mann, der nach Kanada auswanderte, um den wachsenden Unruhen in Südafrika zu entkommen: „Freunde und Verwandte neigen dazu, einem nur die großartigen Dinge zu erzählen ..., und verständlicherweise lassen sie die negativen Sachen weg.“
Was auch immer die Beweggründe für die Auswanderung sein mögen, oft haben die Ausländer viel zu leiden. Wenn ihnen die volle Bedeutung ihrer Auswanderung aufgeht, verspüren nicht wenige den brennenden Wunsch zurückzukehren. Wie kann sich daher ein Zuwanderer erfolgreich in die neue Umgebung einfügen und mit Heimweh, zerrissenen Familienbanden, dem Kulturschock, den Sprachschwierigkeiten und den vielen anderen damit in Verbindung stehenden Problemen fertig werden?
[Herausgestellter Text auf Seite 6]
Die wirtschaftliche Anziehungskraft ist eine der stärksten Triebfedern der Auswanderung
[Herausgestellter Text auf Seite 6]
„Ich bin zufrieden. Ich habe meine Familie hier, wir sind am Leben und wohlauf in einem Land, in dem Freiheit und Frieden herrschen“ (ein Vietnamese in Japan).
[Herausgestellter Text auf Seite 7]
Betrachtet man die extremen Lohnunterschiede zwischen den verschiedenen Ländern, so wundert es einen nicht, daß viele Menschen in ein anderes Land wollen
[Bild auf Seite 7]
Für den Neueinwanderer ist alles fremd und scheint alles schwierig zu sein
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Ausländer — Wie können sie mit ihrer Situation fertig werden?Erwachet! 1992 | 8. Mai
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Ausländer — Wie können sie mit ihrer Situation fertig werden?
„SEHEN Sie“, entgegnete der 17jährige Jaroslav, der es satt hatte, gehänselt zu werden, weil er Ukrainer ist, „meine Eltern kamen als Flüchtlinge hierher.“ Er erklärte, daß sie ihr Heimatland verloren haben und daß sie, selbst wenn sie wollten, jetzt nicht zurückgehen könnten. Diese von dem Publizisten John Brown in seinem Buch The Un-melting Pot dokumentierten Äußerungen zeigen den typischen Kampf um Anerkennung auf, dem sich viele Einwanderer und andere Ausländer ausgesetzt sehen. Jaroslav lernte auf schmerzliche Weise, daß es nichts half, sich für seine Fremdheit zu entschuldigen. Er entschloß sich schließlich, nach der Devise vorzugehen: Nehmt mich, wie ich bin. Und es funktionierte!
Vorurteile, Mißtrauen und Intoleranz sind Realitäten, denen sich Ausländer stellen müssen. Doch als Ausländer kann man positive Schritte unternehmen, um mit dem Wechsel fertig zu werden.
Beweggründe und Einstellung
Wenn man sich im voraus darüber im klaren ist, daß man im fremden Land auf Vorurteile und möglicherweise auf Ablehnung stoßen wird, kann man sich darauf einstellen und entsprechend reagieren. Rosemary, eine nach Japan ausgewanderte Engländerin, kann da aus eigener Erfahrung sprechen. „Reg dich nicht auf, wenn Einheimische abfällig über dein Heimatland reden“, rät sie. „Widerstehe dem heftigen Drang, dich, dein Heimatland und deine Herkunft zu verteidigen. Mit der Zeit werden dich die Leute nach deinem Verhalten im täglichen Leben und deiner Einstellung beurteilen und ihre Vorurteile abbauen. Das kann allerdings unter Umständen Jahre dauern.“
Ausländer sollten sich bewußt sein, daß die einheimische Gesellschaft sehr genau darauf achtet, aus welchen Beweggründen jemand in ihrem Land leben möchte. Ein Erwachet!-Korrespondent in Deutschland, wo jetzt eine große Menge Einwanderer aus Osteuropa lebt, sagte: „Das Problem der Anpassung an das Leben im neuen Land steht mit dem Motiv der Migration in enger Verbindung. Diejenigen, die aus gutem Grund ausgewandert sind und den Wunsch haben, das neue Land zu ihrer Heimat zu machen, sind normalerweise motiviert, die Sprache zu erlernen und sich so gut wie möglich einzupassen. Hingegen sind diejenigen, die sich nur als vorübergehende Einwanderer betrachten oder nur auf wirtschaftliche Vorteile aus sind, bald desillusioniert. Daher strengen sie sich kaum an, sich in die neue Gesellschaft zu integrieren, was sowohl bei ihnen wie auch bei denen, die mit ihnen zu tun haben, zur Verärgerung und Enttäuschung führen kann.“ Das bedeutet natürlich nicht, daß Immigranten nie wieder in ihr Heimatland zurückkehren sollten, wenn das ihr Wunsch ist.
Auf jeden Fall können die Einstellung und die Beweggründe eines Ausländers entscheidend dafür sein, ob ihm die Eingliederung gelingt oder nicht. Ausländer sollten sich der Tatsache bewußt sein, daß man unter den Einheimischen, wie die Zeitschrift U.S.News & World Report es ausdrückt, der festen Überzeugung ist, daß „Fremde den ethnischen Klebstoff auflösen, der Nationen zusammenhält“. Doch ein Ausländer, der seinen Wert unter Beweis stellt und seinen Beitrag leistet, macht es seinen „Gastgebern“ sehr viel leichter, ihn zu akzeptieren und sich sogar mit ihm anzufreunden. Rosemary, die bereits erwähnte Immigrantin, erklärt: „Sie wollen, daß du ein Ausländer bleibst, und gleichzeitig erwarten sie von dir, das zu mögen, was sie mögen.“
Einige Probleme kann man voraussehen oder ihnen sogar aus dem Weg gehen, wenn man sich im voraus so gut wie möglich über das voraussichtliche Zielland informiert. Eine gute Vorbereitung auf den Kulturschock, den man unweigerlich erleben wird, ist es, über das Land, seine Bräuche und seine Kultur zu lesen, darüber mit anderen zu sprechen oder sich anderweitig zu informieren.
Um den Respekt der Einheimischen zu gewinnen, ist es natürlich unumgänglich, legal im Land zu sein. In den Augen vieler sind illegale Einwanderer eine Plage und eine Bedrohung. Bestenfalls werden sie als billige Arbeitskräfte betrachtet, die nur darauf warten, rücksichtslos ausgebeutet zu werden. Wie Ausländer bestätigen, deren Integration erfolgreich verlaufen ist, lohnt es sich, sein Bestes zu tun, um seinen Aufenthalt zu legalisieren. Bei einem Gespräch mit der Ausländerbehörde hängt ein günstiger Eindruck nicht zuletzt von einer sauberen, ordentlichen Erscheinung ab. Man sollte die Bereitschaft zur Mitarbeit erkennen lassen und auf Fragen nicht ausweichend reagieren.
Doch es gibt noch viel mehr, was ein Ausländer tun kann, um die Schmerzen, die mit der Eingliederung in ein neues Land verbunden sind, zu mildern.
Sich dem Neuen öffnen
Die meisten Neuankömmlinge neigen dazu, sich in eigenen Gemeinschaften zusammenzudrängen. In New York werden beispielsweise ganze Viertel hauptsächlich von Angehörigen einer einheitlichen Nationalität bewohnt, ob nun in Klein-Italien, Chinatown oder dem jüdischen Gebiet, um nur einige zu nennen. Solche Gemeinschaften leisten den Immigranten wichtige Dienste, wenn es darum geht, in der Fremde heimisch zu werden. Sie sind die Startbasis für die Erkundung neuer Horizonte.
Unglücklicherweise ziehen sich an diesem Punkt manche auf sich selbst zurück und schneiden sich so von den Möglichkeiten und Gelegenheiten ab, die ihnen wirklich helfen könnten. „Wenn Ablehnung und Distanz gegenüber der Gesellschaftsform des Gastlandes zum bevorzugten Mittel wird, mit der neuen Art des Lebens zurechtzukommen, dann wird der Eingliederungsprozeß wahrscheinlich nie vollständig gelingen“ (Psychology of Women Quarterly).
Im Gegensatz dazu berichten die meisten Zuwanderer, die offen genug sind, um in die Gastgesellschaft einzutauchen, daß ihr Leben dadurch sehr bereichert wurde. Eine Gruppe amerikanischer Studenten, die sich im Rahmen einer interkulturellen Studie einige Wochen auf der zu Mikronesien gehörenden Insel Guam aufhielten, brachten zum Ausdruck, inwiefern dadurch ihr Horizont in bezug auf andere Kulturen erweitert wurde: „Ich betrachte jetzt Unterschiede mit Interesse und Neugier und sehe darin keine Bedrohung mehr“, erklärte ein Student. Ein anderer sagte: „Ich sehe jetzt meine eigene Kultur aus einem anderen Blickwinkel. ... Ich stelle Werte und Dinge in Frage, die ich früher für selbstverständlich hielt. ... Ich konnte von ihnen etwas lernen.“
Um allerdings die sich bietenden Gelegenheiten nutzen zu können, muß man einige grundlegende Voraussetzungen erfüllen.
Schlüssel zur Integration
„Das Erlernen der Sprache des Gastlandes führt zu einer schnelleren und leichteren Anpassung ..., weil es dem Zuwanderer einen intensiveren Austausch mit den Hauptströmungen der fremden Gesellschaft erlaubt“ (Psychology of Women Quarterly). Doch machen wir uns nichts vor: Eine neue Sprache zu lernen ist alles andere als einfach. „Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten“, erinnert sich George, der nach Japan ausgewandert war. „Wenn ich einen Fehler machte, lachte man mich aus, statt mir zu helfen.“ George ließ sich dadurch nicht abschrecken, er nahm überallhin ein kleines Radio mit und hörte sich japanische Programme an. Außerdem erinnert er sich: „Ich stellte fest, daß mir das Lernen der Sprache leichter fiel, wenn ich viel las.“
Die Sprache eines Volkes ist das Tor zu seiner Kultur. Wenn man auch schließlich in der Lage ist, die Sprache zu meistern, so ist es jedoch weit schwerer, sich der Kultur anzupassen. Hierbei kommt es auf eine gewisse Ausgeglichenheit an. Ein Ausländer, der erfolgreich sein möchte, muß darauf vorbereitet sein, sich mit einer neuen Kultur abzumühen, während er gleichzeitig darauf achten muß, daß seine eigene Persönlichkeit und seine Selbstachtung intakt bleiben. Der jugoslawische Publizist Milovan Djilas schrieb dazu: „Ein Mann kann alles aufgeben — Haus, Land, Heimat —, aber er kann nicht sich selbst aufgeben.“ Hier den Mittelweg zu finden stellt einen vor eine große Herausforderung.
Familieneinheit
Jeder reagiert anders auf eine neue Umgebung. Logischerweise ist bei älteren Menschen die Heimatkultur und -sprache tief verwurzelt. Kinder hingegen finden sich viel schneller in eine neue Sprache und Kultur ein. Möglicherweise übernehmen sie schon bald die Rolle des Dolmetschers, während die Eltern sich in der Rolle des Schülers wiederfinden. Dieser unnatürliche Rollentausch führt oft zu Konflikten innerhalb der Familie. Die Eltern befürchten vielleicht, den Respekt der Kinder zu verlieren, und die Kinder wiederum nehmen es übel, daß ihnen die „altmodische“ Kultur der Eltern aufgezwungen wird. Wie können Immigrantenfamilien mit diesen verstärkten Belastungen fertig werden?
Zum einen sollten Eltern den Einfluß berücksichtigen, den die neue Umgebung auf ihre Kinder ausübt. Das bedeutet für die Eltern, Anstrengungen zu unternehmen, sich zusammen mit ihren Kindern zu integrieren — und nicht von ihnen zu erwarten, in einer Kultur zu leben und einer anderen die Treue zu halten. Dieses Entgegenkommen erfordert auf seiten der Eltern Einsicht, doch es trägt viel dazu bei, häusliche Spannungen abzubauen. Hier findet der biblische Grundsatz Anwendung: „Durch Weisheit wird eine Hausgemeinschaft aufgebaut, und durch Unterscheidungsvermögen wird sie sich als fest gegründet erweisen“ (Sprüche 24:3).
Zum anderen sollten Kinder anerkennen, daß ihre Eltern, auch wenn sie aus einem anderen Kulturkreis kommen, durch die Schule des Lebens gegangen sind und daher über mehr Erfahrung verfügen. Gebührender Respekt gegenüber den Eltern wird entscheidend dazu beitragen, den häuslichen Frieden zu wahren.
Somit kann jeder, der in einem fremden Land lebt, trotz der komplexen Probleme der Integration vieles tun, damit dieser neue Lebensabschnitt einen positiven Verlauf für ihn nimmt. Ein junger Portugiese namens Tony, der sich erfolgreich in einem anderen Land etabliert hat, faßt das so zusammen: „Obwohl ich viele Schwierigkeiten durchgemacht habe, bin ich doch im Endeffekt bereichert worden. Das Beherrschen zweier Sprachen und das Verständnis zweier Kulturen hat meinen Horizont sehr erweitert.“
[Kasten auf Seite 10]
Wie können Ausländer mit ihrer Situation fertig werden?
Was man tun sollte
▶ Die Sprache lernen
▶ Die neue Kultur akzeptieren und verstehen lernen
▶ Sich den örtlichen Gebräuchen anpassen
▶ Die neue Umgebung beobachten und darüber, z. B. durch Fragen, Informationen einholen
▶ Anstrengungen unternehmen, sich zusammen als Familie zu integrieren
▶ Mit den Behörden zusammenarbeiten; nötigenfalls alles in seiner Macht Stehende tun, um einen legalen Status zu erlangen
Was man nicht tun sollte
▶ Sich gegen die Gastgesellschaft verschließen
▶ Die eigene Kultur für überlegen halten
▶ Geld und anderen materiellen Besitztümern den ersten Platz im Leben einräumen
▶ Von seinen Kindern erwarten, an der Heimatkultur festzuhalten
▶ Auf seine Eltern wegen ihrer Herkunft herabblicken
▶ Getrennt von seiner Familie auswandern, sofern es nicht unumgänglich ist
[Bild auf Seite 9]
Wer die Sprache des neuen Landes lernt, kann viele neue Kontakte knüpfen
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Ausländer — Wie man ihnen helfen kannErwachet! 1992 | 8. Mai
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Ausländer — Wie man ihnen helfen kann
DER Autor Günter Wallraff hatte, als Türke verkleidet, bei einem Stahlkonzern in Deutschland gearbeitet. Als er seine Erkenntnisse darüber, wie die ausländischen Arbeiter oder Gastarbeiter behandelt werden, veröffentlichte, war die Öffentlichkeit schockiert und wütend. An einem Fall nach dem anderen zeigte er eklatante Diskriminierung auf und entwürdigende Vorurteile gegen ausländische Arbeiter. Einmal wurde er Zeuge davon, wie türkische Arbeiter angewiesen wurden, in einem gefährdeten Bereich trotz Alarmsirenen und rotem Blinklicht zu arbeiten. Als einer der Männer aus Angst den Bereich verlassen wollte, wurde ihm mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes gedroht.
Wallraffs Erlebnisse warfen grelles Licht auf die verzweifelte Lage, in der sich ausländische Arbeitnehmer oft befinden. Mitfühlende Bürger werden sich der Probleme der Ausländer immer mehr bewußt, und viele fragen sich, was sie tun können, um Zuwanderern und ihren Familien zu helfen.
„Nehmt uns, wie wir sind“
Als erstes gilt es, sich vor Vorurteilen zu hüten. Nichts errichtet schneller eine Mauer des Mißtrauens und der Intoleranz zwischen den Einheimischen und den Ausländern als pauschale Vorurteile. „[Unsere Kultur] verzerrt unsere Einstellung dazu, wie andere Menschen etwas tun, insbesondere wenn sich ihre Verhaltensweise ... von unseren akzeptierten Normen unterscheidet“, schreibt der Publizist Ben Levitas in seinem Buch Tribal Life Today. Diese Unterschiede würden „uns häufig veranlassen, gegenüber der Handlungsweise anderer kritisch zu sein“. Helen, eine koreanische Immigrantin in Kanada, erinnert sich noch gut an den Tag, an dem ihre Lehrerin sie wütend anschrie, weil sie eine Aufgabe, die der Klasse gestellt worden war, nicht erledigt hatte. „Sie erkannte nicht, daß ich ihr nicht folgen konnte“, erklärt Helen, der dieses Erlebnis damals sehr weh tat.
Mißverständnisse und vorgefaßte Meinungen über andere Nationalitäten beruhen größtenteils eher auf Erfindungen als auf Tatsachen. Mildred Sikkema und Agnes Niyekawa-Howard berichten in ihrem Buch Cross-Cultural Learning & Self-Growth von einem amerikanischen Professor, der seine neuen ausländischen Studenten testete, indem er ihnen einen Witz erzählte und dabei ihre Reaktion beobachtete. Wer nicht lachte, wurde sofort in einen Englischkurs geschickt. „[Der Professor] schien sich“, so die beiden Verfasserinnen, „nicht dessen bewußt zu sein, daß zum Verständnis eines amerikanischen Witzes die Vertrautheit mit der amerikanischen Kultur ebenso notwendig ist wie die Kenntnis der Sprache ... Was man in einer Gesellschaft als witzig betrachtet, wird in einer anderen möglicherweise als geschmacklos empfunden.“ Solche wohlgemeinten Handlungsweisen von Einheimischen verraten einen Mangel an Einsicht im Umgang mit Fremden.
Ausländer sind dankbar, wenn man sie ohne Vorurteile so akzeptiert, wie sie sind. Das zu tun ist in Übereinstimmung mit der Richtschnur, die uns Jesus gab: „Du sollst ... deinen Nächsten [lieben] wie dich selbst“ (Lukas 10:27). Yasushi Higashisawa, ein Rechtsanwalt in Tokio, der viel mit Ausländern zu tun hat, erklärt, daß „der enge Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturkreisen das beste Mittel gegen Vorurteile ist“. Solche Kontakte eröffnen auch viele weitere Möglichkeiten, Einwanderern zu helfen.
Praktische Hilfe
Es gibt vieles, was der Ausländer über das neue Land wissen möchte — wie er eine Wohnung bekommen, die Sprache erlernen, die Kinder in einer Schule unterbringen und die medizinischen und sozialen Einrichtungen nutzen kann. Als Einheimischer kann man ihm eine Menge unnötigen Ärger und Mühe ersparen, wenn man ihn von dem, was man selbst weiß, profitieren läßt.
Könnte man zum Beispiel einem Ausländer dabei behilflich sein, Behörden oder Organisationen ausfindig zu machen, die ihm beim Erlernen der Sprache und beim Kennenlernen der anderen Kultur helfen können? Vielleicht kann man eine Immigrantin bei ihren ersten Einkäufen begleiten und ihr helfen, Nahrungsmittel und Haushaltsartikel zu finden. Und wie sieht es mit all den oftmals komplizierten Formalitäten aus, mit denen sich Immigrantenfamilien herumschlagen müssen, wie z. B. in Verbindung mit der Aufenthaltsgenehmigung, der Arbeitssuche und Steuererklärungen? Könnten wir hierbei unseren Rat anbieten? (Siehe Fußnote im Kasten.)
Jemand, auf den man sich stützen kann
Es ist immer gut, sich zu fragen: „Wie würde ich in einem anderen Land behandelt werden wollen?“ Die berühmte Goldene Regel, die Jesus aufstellte, lautet: „Alles ..., was ihr wollt, daß euch die Menschen tun, sollt auch ihr ihnen ebenso tun“ (Matthäus 7:12). Viele Ausländer wären sehr dankbar, wenn sie sich mit jemandem anfreunden könnten, auf den sie sich stützen können, während sie die nervenaufreibende Erfahrung der Anpassung und Eingliederung durchmachen. Eine solche Gastfreundschaft auf seiten der Einheimischen ist für beide Seiten von Nutzen. Ein anderer biblischer Grundsatz lautet: „Beglückender ist Geben als Empfangen“ (Apostelgeschichte 20:35).
Das Beste, was man als Zeuge Jehovas einem Ausländer geben kann, ist die Aussicht, einmal in einer brüderlich geeinten Welt zu leben. Mit ziemlicher Sicherheit kann man dem Ausländer ermunternden Lesestoff in seiner Sprache besorgen.
Natürlich liegt die Verantwortung für eine erfolgreiche Einwanderung in erster Linie bei dem Ausländer. Doch wenn man etwas mitdenkt, kann man viel dazu beitragen, daß er sich zu Hause fühlt und daß so das Erlebnis der Auswanderung für ihn weniger traumatisch, sondern sogar befriedigend ist.
[Herausgestellter Text auf Seite 11]
„Wir gehen davon aus, daß Menschen aus anderen Kulturkreisen ... genauso wie wir sehen, fühlen und denken. ... Viele Mißverständnisse beruhen auf unserer Annahme, unsere Reaktionen seien universell“ (Cross-Cultural Learning & Self-Growth).
[Herausgestellter Text auf Seite 12]
Ein Student, nachdem er einige Zeit auf Guam zugebracht hatte: „Ich bin toleranter geworden gegenüber neuen oder anderen Möglichkeiten, wie man etwas tun kann“ (Cross-Cultural Learning & Self-Growth).
[Kasten auf Seite 12]
Man kann einem Ausländer helfen, ...
▶ sich einzuleben, indem man ein gastfreundlicher Nachbar ist.
▶ mit den Behörden zurechtzukommen, wenn es um die Aufenthaltsgenehmigung geht.a
▶ Steuererklärungen auszufüllen.b
▶ Verbindung zu Organisationen zu bekommen, die Unterricht in der Sprache und der Kultur des Landes geben.
▶ Unterkunft zu finden.
▶ medizinische und soziale Einrichtungen zu nutzen.
▶ die Kinder in einer Schule unterzubringen.
▶ benötigte Waren zu vernünftigen Preisen einzukaufen.
▶ Arbeit zu finden.
[Fußnoten]
a In einigen Ländern, wie z. B. in Deutschland, gibt es genaue gesetzliche Vorschriften darüber, wer anderen Rat in Rechts- oder Steuerfragen geben darf und in welchem Rahmen Einwanderungswilligen geholfen werden kann. Mit diesen Vorschriften sollte man sich vertraut machen, bevor man Ausländern anbietet, ihnen in irgendeiner Weise in Verbindung mit ihrem rechtlichen Status zu helfen.
b In einigen Ländern, wie z. B. in Deutschland, gibt es genaue gesetzliche Vorschriften darüber, wer anderen Rat in Rechts- oder Steuerfragen geben darf und in welchem Rahmen Einwanderungswilligen geholfen werden kann. Mit diesen Vorschriften sollte man sich vertraut machen, bevor man Ausländern anbietet, ihnen in irgendeiner Weise in Verbindung mit ihrem rechtlichen Status zu helfen.
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