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Als es mit der Moral bergab gingErwachet! 2007 | April
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Während der schrecklichen Zustände des Zweiten Weltkriegs hielten sich die Menschen nicht länger an gewohnte Verhaltensnormen, sondern stellten ihren eigenen Sittenkodex auf. In dem Buch Love, Sex and War—Changing Values, 1939-45 heißt es dazu: „Offenbar galten sexuelle Einschränkungen in dieser Zeit als aufgehoben, da die übliche Anarchie des Schlachtfeldes auch die Heimatfront erreichte. ... Der Druck und die Anspannung der Kriegsjahre untergruben schon bald moralische Schranken; das Leben an der Heimatfront erschien oft genauso wertlos und kurz wie auf dem Schlachtfeld.“
Angesichts der ständigen Todesgefahr sehnten sich die Menschen nach emotionalen Beziehungen, so flüchtig sie auch sein mochten. Eine britische Hausfrau entschuldigte die sexuelle Freizügigkeit während dieser dramatischen Jahre mit den Worten: „Wir waren nicht wirklich unmoralisch; es herrschte Krieg.“ Ein amerikanischer Soldat gab zu: „Am Maßstab der Mehrheit gemessen handelten wir unmoralisch, aber wir waren jung und hätten schon am nächsten Tag tot sein können.“
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Als es mit der Moral bergab gingErwachet! 2007 | April
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Neue soziale Normen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Studien über das Sexualverhalten veröffentlicht. Ein Beispiel ist der über 800 Seiten starke Kinsey-Report, der in den 1940er-Jahren in den USA erschien. Das führte unter anderem dazu, dass über sexuelle Themen, die einst eher tabu waren, jetzt offener gesprochen wurde. Die in dem Bericht enthaltenen Angaben über homosexuelle und andere vom Üblichen abweichende Sexualpraktiken stellten sich später zwar als übertrieben heraus, dennoch machte die Studie deutlich, wie dramatisch der moralische Verfall nach dem Krieg war.
Vorübergehend bemühte man sich, den Anschein guter Sitten zu wahren. Zunächst wurden im Radio, im Kino und im Fernsehen unmoralische Inhalte zensiert. Doch das war nur von kurzer Dauer. Der ehemalige US-Bildungsminister William Bennett erklärte: „In den 1960er-Jahren setzte in Amerika ein steiles und kontinuierliches Abrutschen in Richtung dessen ein, was man als Dezivilisierung bezeichnen könnte.“ Das wirkte sich auch auf andere Länder aus. Warum hat sich der moralische Verfall gerade in den 1960er-Jahren so beschleunigt?
Es war das Jahrzehnt, in dem nahezu gleichzeitig die Frauenbewegung und die sexuelle Revolution mit ihrer sogenannten neuen Moral ins Rollen kamen. Außerdem wurden wirksame Antibabypillen entwickelt. Als es möglich war, Sex zu haben, ohne eine Schwangerschaft befürchten zu müssen, wurde die damals sogenannte freie Liebe (Sex ohne irgendwelche gegenseitige Verpflichtungen) üblich.
Gleichzeitig lockerten die Presse, die Filmindustrie und das Fernsehen ihren Moralkodex. Später sagte Zbigniew Brzezinski, ehemals Chef des Nationalen Sicherheitsrats der USA, über Werte im Fernsehen: „Sie verherrlichen eindeutig Zügellosigkeit, verharmlosen Gewalt [und] ... fördern promiskuitives Verhalten.“
In den 1970er-Jahren wurden Videorekorder populär. Jetzt war es möglich, sich in den eigenen vier Wänden höchst unmoralische Filme anzusehen, zu denen man sich niemals in ein öffentliches Kino getraut hätte. Und in den letzten Jahren hat das Internet Computerbesitzern in aller Welt Pornografie der abscheulichsten Art zugänglich gemacht.
Die Folgen sind wirklich beängstigend. „Vor zehn Jahren“, so ein Wärter in einem US-Gefängnis, „konnte ich mit den Kids, die von der Straße reinkamen, noch über Recht und Unrecht reden. Doch die Jugendlichen, die heute reinkommen, verstehen überhaupt nicht mehr, was ich meine.“
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