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  • Religiöse Intoleranz heute
    Erwachet! 1999 | 8. Januar
    • Religiöse Intoleranz heute

      „Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Unterricht, Ausübung, Gottesdienst und Beachtung religiöser Bräuche zu bekunden“ (Artikel 18, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948).

      GENIESSEN wir in unserem Land Religionsfreiheit? Die meisten Staaten der Welt stehen dem Anschein nach zu diesem edlen Prinzip, das schon oft in internationale Erklärungen aufgenommen wurde. Allerdings kann man davon ausgehen, daß in etlichen Ländern, wo Intoleranz und Diskriminierung bittere Realität sind, unzählige Millionen keine Religionsfreiheit kennen. Andererseits leben viele in einer multirassischen, multiethnischen oder multireligiösen Gesellschaft, in der Freiheit gesetzlich verbürgt ist und Toleranz als Kulturgut gilt.

      Doch selbst in solchen Regionen sehen einige die Religionsfreiheit gefährdet. „Diskriminierung auf Grund von Religion oder Überzeugung existiert in fast allen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ideologischen Systemen und in allen Teilen der Welt“, bemerkte Angelo d’Almeida Ribeiro, ehemaliger Sonderberichterstatter in Fragen religiöser Intoleranz für die UN-Menschenrechtskommission. Kevin Boyle und Juliet Sheen erklären in ihrem 1997 erschienenen Buch Freedom of Religion and Belief—A World Report: „Die Verfolgung religiöser Minderheiten, ... das Verbot von Glaubensansichten und weitverbreitete Diskriminierung ... sind Ende des zwanzigsten Jahrhunderts an der Tagesordnung.“

      Von religiöser Diskriminierung sind aber nicht nur religiöse Minderheiten betroffen. Professor Abdelfattah Amor, Sonderberichterstatter für die UN-Menschenrechtskommission, ist der Meinung, daß „keine Religion vor Übergriffen sicher ist“. Es ist durchaus möglich, daß auch in unserem eigenen Umfeld einzelne Religionsgemeinschaften allgemein auf Intoleranz und Vorurteile stoßen.

      Verschiedene Formen der Diskriminierung

      Religiöse Diskriminierung kann viele Formen annehmen. In manchen Ländern ist nur eine einzige Religion zugelassen, die dadurch faktisch zur Staatsreligion wird. In anderen Ländern werden Gesetze eingebracht, die bestimmte Religionen in ihrem Wirken beschneiden. Wieder andere Länder haben Gesetze erlassen, die willkürlich ausgelegt werden. Man denke nur, wie mißbräuchlich sich ein in Israel beantragtes Gesetz anwenden ließe, das die Einfuhr, das Drucken, die Verbreitung oder den Besitz von Broschüren oder anderem Material, „das zu religiöser Bekehrung veranlassen will“, unter Strafe stellt. Da verwundert es nicht, daß die Zeitung International Herald Tribune meldet: „In Israel werden Jehovas Zeugen schikaniert und angegriffen.“ Ultraorthodoxe Fanatiker brachen dreimal in einen Königreichssaal der Zeugen Jehovas in Lod ein, und zweimal demolierten sie ihn. Die Polizei wollte nicht einschreiten.

      In dem Buch Freedom of Religion and Belief werden noch andere Beispiele für Intoleranz aufgeführt: „Ketzerei und Ketzer sind nicht nur eine Erscheinung der Vergangenheit. ... Zurückweisung, Verfolgung und Diskriminierung derer, die einen anderen Weg eingeschlagen haben, sind nach wie vor eine der hauptsächlichen Ursachen für Intoleranz. Die Ahmadijas in Pakistan und die ... [Bahais] in Ägypten, im Iran und in Malaysia sind nur einige Beispiele wie auch Jehovas Zeugen in mehreren Ländern Osteuropas, in Griechenland und in Singapur.“ Ganz offensichtlich ist die Religionsfreiheit in vielen Teilen der Welt bedroht.

      Angesichts dessen erklärte Federico Mayor, Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, daß uns die Welt von morgen „nicht in all ihren Zügen erfreuen“ wird. „Der Wind der Freiheit hat die Glut des Hasses neu entfacht.“ Der Leiter des Menschenrechtszentrums der Universität Essex (Großbritannien) bestätigte diese Befürchtungen mit den Worten: „Alles deutet darauf hin, daß die religiöse Intoleranz ... in der heutigen Welt weiter zunimmt statt abnimmt.“ Die zunehmende Intoleranz bedroht die Religionsfreiheit, womöglich auch die eigene. Warum ist Religionsfreiheit aber so wichtig?

  • Die Religionsfreiheit — Segen oder Fluch?
    Erwachet! 1999 | 8. Januar
    • Die Religionsfreiheit — Segen oder Fluch?

      Die Geburt des Gedankens der Religionsfreiheit war innerhalb der Christenheit von heftigen Wehen begleitet. Es war ein Kampf gegen Dogmatismus, Voreingenommenheit und Intoleranz. Der Preis waren Tausende und aber Tausende von Menschenleben, die in blutigen religiösen Konflikten ausgelöscht wurden. Was lehrt uns diese tragische Geschichte?

      „VERFOLGUNG ist in der christlichen Geschichte ein fortdauernder Tatbestand“, schrieb Robin Lane Fox in dem Buch Pagans and Christians. Die ersten Christen wurden als Sekte bezeichnet und beschuldigt, die öffentliche Ordnung zu bedrohen (Apostelgeschichte 16:20, 21; 24:5, 14; 28:22). Daraufhin wurde eine Anzahl von ihnen gefoltert und in römischen Arenen von wilden Tieren zerfleischt. Angesichts dieser erbitterten Verfolgung plädierten einige für Religionsfreiheit, wie zum Beispiel der Theologe Tertullian (Bild auf Seite 8). Er schrieb im Jahr 212 u. Z.: „Es ist ein Menschenrecht und eine Sache natürlicher Freiheit für jeden, das zu verehren, was er für gut hält“.

      Die Christenverfolgung durch die römische Welt endete 313 u. Z. unter Konstantin mit dem Edikt von Mailand, das Christen und Heiden gleichermaßen Religionsfreiheit gewährte. Durch die Legalisierung des „Christentums“ im Römischen Reich wendete sich das Blatt. Doch um das Jahr 340 u. Z. rief ein nominell christlicher Schriftsteller zur Verfolgung der Heiden auf. 392 u. Z. schließlich verbot Kaiser Theodosius I. durch das Edikt von Konstantinopel das Heidentum im Reich, und die Religionsfreiheit wurde früh zu Grabe getragen. Mit dem römischen „Christentum“ als Staatsreligion begaben sich Kirche und Staat auf einen Verfolgungsfeldzug, der Jahrhunderte andauerte und seinen Höhepunkt in den blutigen Kreuzzügen vom 11. bis zum 13. Jahrhundert erreichte wie auch in der grausamen Inquisition, die im 12. Jahrhundert einsetzte. Wer es wagte, Zweifel an der bestehenden Rechtgläubigkeit, der alleingültigen Lehre, anzumelden, wurde als Ketzer gebrandmarkt und in dem Hexenjagdklima der damaligen Zeit verfolgt. Was verbarg sich hinter diesen Maßnahmen?

      Religiöse Intoleranz wurde damit entschuldigt, daß religiöse Einheit die solideste Grundlage des Staates bilde und daß religiöse Unterschiede die öffentliche Ordnung bedrohen würden. In England argumentierte ein Minister von Königin Elisabeth im Jahr 1602: „Solange der Staat zwei Religionen duldet, ist er niemals sicher.“ Tatsächlich war es weitaus leichter, religiöse Abweichler zu verbieten, als herauszufinden, ob sie den Staat oder die alteingesessene Religion wirklich bedrohten. Die Catholic Encyclopedia merkt dazu an: „Weder die weltliche noch die kirchliche Obrigkeit machten den geringsten Unterschied zwischen gefährlichen und harmlosen Ketzern.“ Das sollte sich aber bald ändern.

      Die schmerzhafte Geburt der Toleranz

      Der Katalysator für den Wandel in Europa waren die Umwälzungen im Zuge des Protestantismus, einer sektiererischen Bewegung, die sich hartnäckig hielt. Mit erstaunlicher Schnelligkeit splitterte die protestantische Reformation die religiöse Landschaft Europas auf und rief den Gedanken der Gewissensfreiheit ins Leben. Der berühmte Reformator Martin Luther etwa rechtfertigte seine Ansichten 1521 mit der Aussage: „So bin ich ... überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes.“ Spaltungen entfachten auch den Dreißigjährigen Krieg (1618—1648), eine Serie grausamer Religionskriege, die in Europa wüteten.

      Mitten im Kriegsgeschehen wurde jedoch vielen klar, daß man mit Kämpfen nicht weiterkam. Daher versuchte man mit einer Reihe von Edikten, wie dem Edikt von Nantes in Frankreich (1598), im kriegsgebeutelten Europa Frieden zu schaffen — allerdings erfolglos. Aus diesen Edikten erwuchs nach und nach der moderne Toleranzgedanke. Zunächst hatte „Toleranz“ einen negativen Beiklang. „Wenn man unter gewissen Bedingungen die Sekten tolerierte ..., so wäre das zweifellos ein Übelstand, und ich gebe zu, ein schwerer Übelstand, aber jedenfalls ein leichterer Übelstand als der Krieg“, schrieb der bekannte Humanist Erasmus 1530. Wegen dieses negativen Sinnes sprachen einige, darunter der Franzose Paul de Foix im Jahr 1561, lieber von „Religionsfreiheit“ als von „Toleranz“.

      Mit der Zeit galt die Toleranz dann aber nicht mehr als kleineres Übel, sondern als Beschützerin der Freiheitsrechte. Man sah sie nicht mehr als Schwächeeingeständnis an, sondern als Garant. Während die Pluralität der Glaubensrichtungen und das Recht, anders zu denken, als Basis einer modernen Gesellschaft an Achtung gewannen, war der Fanatismus zum Rückzug gezwungen.

      Ende des 18. Jahrhunderts wurde Toleranz mit Freiheit und Gleichheit in Zusammenhang gebracht. Das drückte sich in Gesetzen und Erklärungen aus wie den berühmten Menschen- und Bürgerrechten (1789) in Frankreich oder der Bill of Rights (1791) in den Vereinigten Staaten. In dem Maß, wie diese Dokumente vom 19. Jahrhundert an das liberale Denken beeinflußten, galt Toleranz und damit auch Freiheit nicht mehr als Fluch, sondern als Segen.

      Relative Freiheit

      So kostbar sie auch ist, Freiheit ist nur relativ. Zugunsten größerer Freiheit für alle erläßt der Staat Gesetze, die die Freiheit des einzelnen in gewissen Bereichen einschränken. Hier einige Fragen zum Thema Freiheit, die zur Zeit in vielen europäischen Ländern diskutiert werden: In welchem Ausmaß sollte die staatliche Gesetzgebung in das Privatleben eingreifen? Was bewirkt sie? Wie wird die Freiheit davon berührt?

      Die Diskussion über öffentliche und private Freiheit wurde von den Medien in den Vordergrund gerückt. Verschiedenen religiösen Gruppen hat man, oft ohne handfeste Beweise, Gehirnwäsche, finanzielle Ausbeutung, Kindesmißhandlung oder -mißbrauch und eine Unmenge weiterer schwerwiegender Straftaten vorgeworfen. Storys, die sich um religiöse Minderheiten drehten, sind von der Presse groß herausgebracht worden. Herabsetzende Bezeichnungen wie „Kult“ oder „Sekte“ sind in die Alltagssprache eingegangen. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung haben Regierungen sogar Listen sogenannter gefährlicher Sekten erstellt.

      Frankreich ist ein Land, das mit Stolz auf eine Tradition der Toleranz und der Trennung von Kirche und Staat verweist. Es rühmt sich, das Land der „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zu sein. Gleichwohl wurde dort, wie in dem Buch Freedom of Religion and Belief—A World Report zu lesen ist, „eine Aufklärungskampagne an Schulen“ empfohlen, „um eine Abwehrhaltung gegen neue religiöse Bewegungen zu fördern“. Viele sind jedoch der Meinung, daß derartige Aktionen die Religionsfreiheit bedrohen. Wieso?

      Bedrohung der Religionsfreiheit

      Wahre Religionsfreiheit existiert nur, wenn alle religiösen Gruppen, die das Gesetz respektieren und beachten, vom Staat gleich behandelt werden. Sie ist nicht gegeben, sobald der Staat willkürlich entscheidet, welche Glaubensgemeinschaften nicht als Religion gelten, und ihnen damit Privilegien vorenthält, die er Religionen zuerkennt. „Die heilige Idee der Religionsfreiheit wirkt unglaubwürdig, wenn der Staat für sich das Recht beansprucht, für Religionen Bescheinigungen auszustellen in der Art, wie man Führerscheine aushändigt“, bemerkte das Magazin Time 1997. Ein französisches Berufungsgericht erklärte vor einiger Zeit: Das „führt, ob bewußt oder unbewußt, zum Totalitarismus“.

      Die Grundfreiheiten sind auch dann gefährdet, wenn eine Gruppe das Monopol auf die Medien hat. Bedauerlicherweise ist das in vielen Ländern zunehmend der Fall. In dem Bemühen, zu definieren, was religiös korrekt ist, haben sich Antisektenorganisationen beispielsweise selbst zu Staatsanwälten, Richtern und Schöffen berufen und anschließend versucht, ihre voreingenommenen Ansichten über die Medien der Öffentlichkeit aufzuoktroyieren. Wie die französische Zeitung Le Monde jedoch schrieb, lassen diese Organisationen dabei bisweilen „dasselbe Sektierertum“ erkennen, „das sie angeblich bekämpfen, und riskieren, ein ‚Hexenjagdklima‘ zu erzeugen“. Die Zeitung fragte: „Gefährdet die gesellschaftliche Stigmatisierung religiöser Minderheiten ... nicht die Grundfreiheiten?“ Martin Kriele schrieb in der Zeitschrift für Religionspsychologie: „Die Sektenjagd bietet mehr Anlaß zur staatsbürgerlichen Sorge als die große Mehrzahl der ‚sogenannten Sekten und Psychogruppen‘. Die Sache ist ganz einfach: Es gilt, Bürger, die kein Unrecht tun, in Frieden zu lassen. Religion und Weltanschauung müssen frei sein und frei bleiben — auch in Deutschland.“ Beleuchten wir hierzu ein Beispiel.

      „Musterbürger“ als „gefährlich“ gebrandmarkt

      Welche religiöse Gruppe gilt nach Ansicht katholischer Sachkenner, die in der bekannten spanischen Zeitung ABC zitiert werden, als „die gefährlichste aller Sekten“? Mancher wird überrascht sein, zu erfahren, daß in ABC von Jehovas Zeugen die Rede war. Haben die erhobenen Anschuldigungen eine unvoreingenommene, objektive Basis? Man beachte die folgenden Erklärungen von anderer Stelle:

      „Jehovas Zeugen bringen den Leuten bei, ehrlich ihre Steuern zu zahlen, sich nicht an Kriegen oder Kriegsvorbereitungen zu beteiligen, nicht zu stehlen und generell einen Lebensstil zu pflegen, der, wenn ihn andere übernähmen, den Standard des bürgerlichen Zusammenlebens heben würde“ (Sergio Albesano, Talento, November/Dezember 1996).

      „Entgegen den Anspielungen, die bei gewissen Anlässen gemacht werden, stellen ... [Jehovas Zeugen] in meinen Augen nicht die geringste Gefahr für die Institutionen des Staates dar. Es sind friedliche, gewissenhafte Bürger, die sich gegenüber der Obrigkeit respektvoll verhalten“ (ein belgischer Abgeordneter).

      „Erkennbar, so sagt das Bundesfinanzministerium, seien die Zeugen Jehovas die ehrlichsten Menschen in der Bundesrepublik“ (Sindelfinger Zeitung).

      „Man kann sie [Jehovas Zeugen] als Musterbürger bezeichnen. Sie zahlen pünktlich ihre Steuern, pflegen die Kranken, bekämpfen das Analphabetentum“ (die US-amerikanische Zeitung San Francisco Examiner).

      „Jehovas Zeugen gelingt es besser als Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften, stabile Ehegemeinschaften aufrechtzuerhalten“ (American Ethnologist).

      „Jehovas Zeugen [gehören] zu den rechtschaffensten und fleißigsten Bürgern der afrikanischen Länder“ (Dr. Bryan Wilson, Universität Oxford).

      „Mitglieder dieser Glaubensrichtung haben im Laufe der Jahrzehnte ... einen großen Beitrag zu einer umfassenderen Glaubensfreiheit geleistet“ (Nat Hentoff, Free Speech for Me—But Not for Thee).

      „Sie haben ... einen entschiedenen Beitrag geleistet zur Bewahrung einiger der kostbarsten Dinge in unserer Demokratie“ (Professor C. S. Braden, These Also Believe).

      Wie die obigen Zitate erkennen lassen, gelten Jehovas Zeugen rund um die Welt als vorbildliche Bürger. Darüber hinaus sind sie für ihr kostenloses biblisches Bildungsprogramm und die Förderung von Familienwerten bekannt. Von ihrem Lese- und Schreibunterricht haben Hunderttausende profitiert, und durch ihre humanitären Aktionen wurde über die Jahrzehnte, vor allem in Afrika, Tausenden geholfen.

      Die Wichtigkeit der Objektivität

      In der menschlichen Gesellschaft mangelt es nicht an skrupellosen Personen, die es auf arglose Opfer abgesehen haben. Deshalb ist bei irgendwelchen Behauptungen im Bereich Religion unbedingt Vorsicht geboten. Kann man jedoch von Unvoreingenommenheit und Förderung der Religionsfreiheit sprechen, wenn sich Journalisten, statt objektive Experten zu befragen, auf Informationen von Kirchen verlassen, denen die Mitglieder weglaufen, oder von Antisektenorganisationen, deren Objektivität äußerst fraglich ist? Die Zeitung, die Jehovas Zeugen als „die gefährlichste aller Sekten“ bezeichnete, räumte beispielsweise ein, daß ihre Definitionen von „Sachverständigen der [katholischen] Kirche“ herrührten. Und ein französisches Magazin merkte an, daß die Artikel, die sich mit angeblichen Sekten befassen, überwiegend von Antisektenorganisationen stammen. Klingt das nach einer unvoreingenommenen Methode, sich objektive Informationen zu beschaffen?

      Internationale Gerichtshöfe und Organisationen, die für die fundamentalen Menschenrechte eintreten, wie die UN, sagen, daß „die Differenzierung zwischen Religion und Sekte zu sehr künstlich konstruiert ist, als daß man sie akzeptieren könnte“. Warum bestehen dann einige hartnäckig auf dem Gebrauch des abschätzigen Wortes „Sekte“? Das ist ein weiteres Anzeichen für die Bedrohung der Religionsfreiheit. Wie läßt sich dieses Grundrecht schützen?

      [Kasten/Bilder auf Seite 8]

      Verfechter der Religionsfreiheit

      Dem Blutbad der Religionskriege im Europa des 16. Jahrhunderts entsprangen leidenschaftliche Rufe nach Religionsfreiheit. Diese Aufrufe sind für die Diskussion um Religionsfreiheit nach wie vor relevant.

      Sebastian Castellio (1515—1563): „Was ist ein Ketzer? Ich kann nichts feststellen, außer daß wir alle die als Ketzer ansehen, die nicht mit unserer Meinung einiggehen. ... Gilt man in dieser Stadt oder Gegend als Anhänger des wahren Glaubens, so gilt man in der nächsten als Ketzer.“ Der berühmte französische Bibelübersetzer und energische Toleranzverfechter Castellio berührte einen Schlüsselfaktor bei der Debatte über Religionsfreiheit: Wer bestimmt, wer ein Ketzer ist?

      Dirck Volckertszoon Coornhert (1522 bis 1590): „Man liest, daß ehedem ... selbst Christus in Jerusalem und dann viele Märtyrer in Europa ... [die Gesellschaft] mit ihren Worten der Wahrheit störten. ... Die Bedeutung des Wortes ‚stören‘ muß genau und deutlich bestimmt werden.“ Coornhert trat dafür ein, religiöse Andersartigkeit nicht mit einer Störung der öffentlichen Ordnung gleichzusetzen. Er fragte: Sind die, die das Gesetz gewissenhaft befolgen und respektieren wirklich eine Gefahr für die öffentliche Ordnung?

      Pierre de Belloy (1540—1611): Es zeugt von „Unwissenheit, zu glauben, daß religiöse Vielfalt Aufruhr im Staat verursacht und nährt“. Belloy, ein französischer Rechtsgelehrter, argumentierte zur Zeit der Religionskriege (1562—1598), die staatliche Einheit fuße nicht auf religiöser Uniformität, außer natürlich, wenn die Regierung religiösem Druck nachgebe.

      Thomas Helwys (ca. 1550 bis ca. 1616): „Solange seine [des Königs] Untertanen allen menschlichen Gesetzen Gehorsam und Treue zollen, sollte es ihm genügen.“ Helwys, Mitbegründer der English Baptists, befürwortete die Trennung von Kirche und Staat. Er forderte den König auf, allen Kirchen und Sekten Religionsfreiheit zu gewähren und mit der staatlichen Macht über Menschen und Ländereien zufrieden zu sein. Seine Schriften befaßten sich mit einer aktuellen Frage: Inwieweit darf der Staat das Glaubensleben reglementieren?

      Anonymer Schreiber (1564): „Zur Einführung der Gewissensfreiheit reicht es nicht aus, jemandem zu erlauben, eine von ihm mißbilligte Religion nicht auszuüben, sondern es muß ihm auch die freie Ausübung der von ihm gebilligten Religion gestattet sein.“

  • Der Schutz der Freiheiten — Wie zu erreichen?
    Erwachet! 1999 | 8. Januar
    • Der Schutz der Freiheiten — Wie zu erreichen?

      IN DEM indonesischen Städtchen Rengasdengklok lebten verschiedene Volksgruppen jahrelang friedlich nebeneinander. Doch die scheinbare Toleranz war am 30. Januar 1997 wie weggeblasen. Es kam zu Ausschreitungen, als ein Gläubiger an einem religiösen Feiertag kurz vor 3 Uhr morgens seine Trommel schlug. Als Reaktion auf den Krach ließ ein andersgläubiger Nachbar eine Tirade von Beschimpfungen los. Man schrie sich gegenseitig an, und es flogen Steine. Bei Tagesanbruch weiteten sich die Krawalle aus, weil sich immer mehr in die Rauferei hineinziehen ließen. Am Ende des Tages waren zwei buddhistische Tempel und vier Kirchen der Christenheit zerstört. Die Zeitung International Herald Tribune überschrieb den Bericht über diesen Vorfall: „Funke der Intoleranz entzündet Feuer ethnischer Krawalle“.

      In vielen Ländern stoßen ethnische Minderheiten, deren Rechte vom Gesetz her geschützt sind, immer wieder auf Intoleranz. Gesetzlich garantierte Freiheit geht der Intoleranz ganz offensichtlich nicht an die Wurzel. Die Tatsache, daß die Intoleranz unter der Oberfläche verborgen ist, bedeutet nicht, daß sie nicht existiert. Sollten sich zu irgendeinem Zeitpunkt die Verhältnisse zugunsten eines Klimas der Voreingenommenheit ändern, kann latente Intoleranz leicht zum Ausbruch kommen. Selbst wenn Menschen nicht direkt verfolgt werden, kann es doch sein, daß sie auf Feindseligkeit stoßen oder ihre Ideen unterdrückt werden. Wie läßt sich das verhindern?

      Der Intoleranz an die Wurzel gehen

      Wir tendieren von Natur aus dazu, Andersartiges oder Ungewohntes zu beargwöhnen oder abzulehnen, insbesondere Ansichten, die von den unsrigen abweichen. Heißt das aber, daß Toleranz ein Ding der Unmöglichkeit ist? Die UN-Publikation Elimination of All Forms of Intolerance and Discrimination Based on Religion or Belief zählt Unwissenheit und mangelndes Verständnis zu „den hauptsächlichen tiefer liegenden Ursachen für Intoleranz und Diskriminierung im Bereich Religion und Glauben“. Doch Unwissenheit als Wurzel der Intoleranz läßt sich bekämpfen. Wie? Durch eine ausgewogene Erziehung. „Erziehung ist wahrscheinlich das wichtigste Mittel, wenn es gilt, Diskriminierung und Intoleranz zu bekämpfen“, heißt es in einem Bericht der UN-Menschenrechtskommission.

      Worauf sollte diese Erziehung hinarbeiten? Statt einer Ablehnung religiöser Bewegungen Vorschub zu leisten, so empfiehlt die Zeitschrift UNESCO Courier, „sollte eine Toleranzerziehung darauf abzielen, Einflüssen entgegenzuwirken, die Ängste und Ausgrenzung hervorrufen, und sollte jungen Menschen zu selbständigem Urteilsvermögen, kritischem Denken und Ethikbewußtsein verhelfen“.

      Bestimmt spielen die Medien eine wichtige Rolle dabei, zu „kritischem Denken und Ethikbewußtsein“ anzuhalten. Viele internationale Organisationen wissen um die Macht der Medien, die Meinungsbildung zu beeinflussen und auf gegenseitiges Verständnis hinzuwirken. Wenn die Medien wirklich die Toleranz fördern wollen, statt wie manche Intoleranz zu schüren, ist allerdings ein verantwortungsbewußter, objektiver Journalismus gefragt. Journalisten müssen sich gelegentlich gegen die herrschende Meinung wenden. Sie müssen objektive Analysen und unparteiische Beobachtungen bringen. Genügt das aber?

      Der beste Weg, Intoleranz zu bekämpfen

      Toleranz heißt nicht, daß alle dieselben Vorstellungen haben sollten. Menschen können unterschiedlicher Meinung sein. Der eine ist vielleicht felsenfest davon überzeugt, daß die Glaubensansichten des anderen grundfalsch sind. Es kann durchaus sein, daß sie ihre Meinungsverschiedenheiten öffentlich austragen. Doch solange sie keine Lügen verbreiten, etwa in der Absicht, Vorurteile zu schüren, handelt es sich nicht um Intoleranz. Intoleranz ist dann gegeben, wenn eine Gruppe verfolgt wird, wenn spezielle Gesetze auf sie abzielen, wenn sie ausgegrenzt, verboten oder sonstwie am Ausleben ihres Glaubens gehindert wird. Bei der extremsten Form der Intoleranz töten die einen um ihres Glaubens willen, während die anderen für ihren Glauben sterben.

      Wie ist Intoleranz zu bekämpfen? Man kann sie öffentlich anprangern, wie es der Apostel Paulus im Fall der religiösen Führer von damals tat (Apostelgeschichte 24:10-13). Sofern möglich, ist der beste Weg, Intoleranz zu bekämpfen, der positiv-aktive Ansatz, das heißt, Toleranz dadurch zu fördern, daß man Menschen dazu erzieht, mehr Verständnis für andere aufzubringen. Der erwähnte UN-Bericht, in dem es um das Ausmerzen der Intoleranz geht, führt weiter aus: „Da alle Formen der Intoleranz und Diskriminierung, die auf der Religion oder dem Glauben basieren, dem menschlichen Denken entspringen, sollten irgendwelche Maßnahmen in erster Linie auf das menschliche Denken gerichtet sein.“ Eine solche Erziehung kann sogar bewirken, daß einzelne Menschen ihre eigenen Glaubensansichten überprüfen.

      Federico Mayor, Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, schrieb: „Toleranz ist die Tugend des Menschen, der eine Überzeugung hat.“ Der dominikanische Priester Claude Geffré äußerte sich in der Zeitschrift Réforme wie folgt: „Wahre Toleranz beruht auf einer starken Überzeugung.“ Wer mit seinen eigenen Glaubensansichten rundum zufrieden ist, wird sich nicht so leicht von den Glaubensansichten anderer bedroht fühlen.

      Jehovas Zeugen haben festgestellt, daß das Gespräch mit Andersgläubigen eine hervorragende Möglichkeit ist, Toleranz zu fördern. Sie nehmen folgende Prophezeiung Jesu sehr ernst: „Diese gute Botschaft vom Königreich wird auf der ganzen bewohnten Erde gepredigt werden, allen Nationen zu einem Zeugnis.“ Und für ihr öffentliches Evangelisierungswerk sind sie allseits bekannt (Matthäus 24:14). Durch dieses Werk haben sie Gelegenheit, sich die Argumente von Vertretern verschiedenster Glaubensrichtungen oder auch von Atheisten anzuhören. Die Zeugen wiederum sind darauf vorbereitet, ihre eigenen Glaubensansichten denen darzulegen, die sie gern erfahren möchten. Dadurch tragen sie zu mehr Wissen und Verständnis bei. Dieses Wissen und Verständnis ist der Toleranz förderlich.

      Mehr als Toleranz

      Obwohl viele die besten Absichten haben und vereinte Bemühungen zu beobachten sind, bleibt religiöse Intoleranz eindeutig ein Problem. Ein echter Wandel erfordert mehr. In der französischen Zeitung Le Monde des débats hieß es zu der Problematik: „Die moderne Gesellschaft leidet allzuoft an emotioneller und geistiger Leere. Das Gesetz kann Schutz vor denen garantieren, die die Freiheit bedrohen. Es kann und sollte Gleichheit vor dem Gesetz garantieren, ohne willkürliche Diskriminierung.“ In dem Buch Democracy and Tolerance wird zugegeben: „Wir haben noch einen langen Weg vor uns bis zu dem Ziel, gegenseitiges Verständnis und Achtung voreinander zur universellen Verhaltensnorm zu erheben.“

      Die Bibel verheißt, daß die Menschheit bald in der reinen Anbetung des allein wahren Gottes vereint sein wird. Diese Einheit wird echte weltweite Brüderlichkeit, geprägt von gegenseitiger Achtung, mit sich bringen. Der Mißstand der Unwissenheit wird aufgehoben sein, denn Gottes Königreich wird die Menschen in Jehovas Wegen unterweisen, so daß ihre intellektuellen, emotionellen und geistig-religiösen Bedürfnisse befriedigt werden (Jesaja 11:9; 30:21; 54:13). Echte Gleichheit und Freiheit wird sich über die Erde ausbreiten (2. Korinther 3:17). Durch ein genaues Verständnis der Vorsätze Gottes im Hinblick auf die Menschheit kann man der Unwissenheit und der Intoleranz entgegenwirken.

      [Kasten/Bild auf Seite 11]

      Religion bedroht

      In den letzten Jahren haben Behörden versucht, Jehovas Zeugen in Frankreich zu unterdrücken, indem sie ihnen nicht die gleichen Privilegien wie anderen Religionen zuerkennen. Vor einiger Zeit wurden die Spenden, die Jehovas Zeugen zur Unterstützung ihrer religiösen Aktivitäten erhalten haben, hoch besteuert. Französische Behörden auferlegten ihnen zu Unrecht eine Steuerlast von umgerechnet 50 Millionen Dollar (Steuern und Strafgebühren) offensichtlich mit dem Ziel, diese Gruppe von 200 000 Christen und ihren Sympathisanten in Frankreich in ihrer Tätigkeit zu lähmen. Diese Maßnahmen zeugen in eklatanter Weise von religiöser Voreingenommenheit und verstoßen gegen alle Prinzipien von Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit.

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