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  • „Weisheit ... weit über ihr Alter hinaus“
    Erwachet! 1987 | 22. Oktober
    • Richter David R. Main äußerte Bedenken dagegen. Er bestimmte Sarah Mott-Trille zu Lisas Anwältin. Der Fall wurde auf Montag, den 28. Oktober 1985, vertagt.

      Die Verhandlung

      Die Verhandlung dauerte fünf Tage und fand in einem Krankenhaussaal statt. Lisa wurde auf eigenen Wunsch an allen Tagen in ihrem Krankenbett in den Saal gefahren. Obgleich es ihr sehr schlecht ging, war sie entschlossen, bei Entscheidungen, die ihren Glauben betrafen, persönlich beteiligt zu sein.

      Zu Beginn der Vernehmung wurde die vom Arzt empfohlene Behandlung erläutert. In seinem schriftlichen Urteil erklärte Richter Main: „Die von den Ärzten in ihrer Aussage vor Gericht beschriebene Behandlung ist sowohl intensiv als auch aggressiv und könnte sich über einen beträchtlichen Zeitraum erstrecken. Es ist anzunehmen, daß wiederholte Bluttransfusionen erforderlich sein werden, um die Patientin zu versorgen.“ Es wurde auch erwähnt, daß die Chemotherapie viele, heftige Nebenwirkungen hat.

      Das Drama spitzte sich am vierten Tag zu. Das Kopfende von Lisas Krankenbett wurde höher gestellt, so daß sie den Richter direkt ansprechen konnte. Alle im Gerichtssaal, auch Lisa, wußten, daß sie sterben müßte, ganz gleich, ob man ihr Blut übertragen würde oder nicht. Für die Art Leukämie, an der sie litt, gibt es keine Heilung.

      Die Anwältin befragte Lisa mit Vorsicht und Einfühlungsvermögen. Den meisten standen Tränen in den Augen, als Lisa mutig über ihren bevorstehenden Tod sprach, über ihren Glauben an Jehova und ihren Entschluß, seinem Gesetz über die Heiligkeit des Blutes zu gehorchen. Sie sagte, sie werde sich künftig gegen jeden Versuch, ihr eine Bluttransfusion zu geben, energisch und mit all ihren Kräften zur Wehr setzen. Ihre einfache, mutige Aussage ging allen zu Herzen.

      „Du hast uns mitgeteilt, daß du an Gott glaubst“, sagte ihre Anwältin. „Kannst du uns erklären, ob er für dich eine wirkliche Person ist?“

      „Ja, er ist für mich wie ein Freund“, antwortete Lisa. „Manchmal, wenn ich allein bin, rede ich mit ihm ... wie mit einem Freund; wenn ich zu Hause bin und Angst habe, bitte ich ihn um Hilfe und rede einfach mit ihm, so als ob er im Zimmer neben mir wäre.“

      „Lisa, wenn jemand dich fragen würde, was in deinem Leben das Wichtigste ist, was würdest du dann sagen?“

      „Mein Gehorsam gegenüber Jehova Gott und meine Angehörigen“, erwiderte Lisa.

      Ihre Anwältin fragte: „Lisa, würde es etwas an deiner Einstellung ändern, wenn du wüßtest, daß ein Gericht dich anweisen würde, Bluttransfusionen zu nehmen?“

      „Nein, ich würde dann trotzdem meinem Gott treu bleiben und auf seine Gebote hören, denn Gott ist viel höher als jedes Gericht und jeder Mensch.“

      Lisa schilderte die Gefühle, die sie bei der ihr aufgezwungenen Bluttransfusion hatte, wie folgt: „Ich kam mir vor wie ein Hund, der für ein Experiment gebraucht wird, weil ich machtlos war. Nur weil ich minderjährig bin, meinen die Leute, sie könnten mit mir machen, was sie wollen. Aber ich finde, daß ich ein Recht habe, zu wissen, was mit mir geschieht und warum man diese Behandlungen durchführt und warum man sie ohne die Zustimmung meiner Eltern durchführt.“

      „Hast du in jener Nacht geschlafen?“ fragte die Anwältin.

      „Nein.“

      „Worüber hast du dir Sorgen gemacht?“

      „Ich habe mir Sorgen gemacht, was Jehova Gott von mir denkt, weil ich weiß, daß ich, wenn ich gegen seinen Willen handle, nicht seine Zusicherung auf ewiges Leben habe. Und mir wurde übel bei dem Gedanken, daß ich das Blut von jemand anders erhielt, weil immer die Gefahr besteht, Aids oder Hepatitis oder eine andere Infektion zu bekommen, und alles, was ich in jener Nacht tat, war, immer und immer wieder auf dieses Blut zu starren.“

      „Lisa, fällt dir irgendein Vergleich ein, mit dem du dem Richter erklären könntest, was es für dich bedeutet, gegen deinen Willen eine Bluttransfusion zu bekommen?“

      „Ja, ich denke an eine Vergewaltigung, weil ... bei einer Vergewaltigung etwas mit einem geschieht, was man nicht will, und mit dem Blut ist es genauso.“

      Das Urteil

      Der fünfte Tag war der Höhepunkt. Richter Main war von Anfang an fair und ausgeglichen. Würde sich seine Güte in seinem Urteil widerspiegeln? Er entschied: „Das Kind Lisa Dorothy K. soll der Obhut, der Sorge und der Aufsicht der Eltern unterstellt werden.“

      Richter Main erklärte die Gründe für sein Urteil sehr ausführlich. Unter anderem sagte er: „Lisas Haltung besteht seit dem Tag, an dem sie einen Dokumentarfilm über diese Krankheit gesehen hat, darin, daß sie weder irgendwelche Chemotherapie noch Bluttransfusionen wünscht. Sie nimmt diesen Standpunkt nicht nur ein, weil sie sonst gegen ihre religiösen Glaubensansichten verstoßen würde — und ich weiß, daß dies der Fall wäre —, sondern auch, weil sie nicht die mit der Behandlung verbundenen Schmerzen und Qualen erleiden möchte ... Ich lehne es ab, irgendeine Anordnung zu treffen, zufolge deren das Kind diese Qualen durchmachen müßte. Ich halte den Antrag, daß sie sich dieser Behandlung unterziehen soll, für völlig unannehmbar.“

      Über die heimlich in der Nacht verabreichte Transfusion, die Lisa aufgezwungen worden war, sagte Richter Main: „Ich muß feststellen, daß ... [Lisa] aufgrund ihrer Religion und ihres Alters gemäß Unterabsatz 15 Ziffer 1 [der kanadischen Charta der Bürgerrechte] diskriminierend behandelt worden ist. Unter diesen Umständen ist dadurch, daß man ihr eine Bluttransfusion gab, ihr Recht auf Unversehrtheit der eigenen Person gemäß Paragraph 7 verletzt worden. Selbst wenn gesagt werden könnte, daß sie ein Kind sei, das des Schutzes bedürfe, ist gemäß Unterabsatz 24 Ziffer 1 der Charta der Antrag abzulehnen.“

      Schließlich bestätigte Richter Main seine persönliche Bewunderung für Lisa und sagte: „Lisa ist ein reizendes, äußerst intelligentes, redegewandtes, höfliches, empfindsames und vor allem mutiges Mädchen. Sie besitzt Weisheit und Reife weit über ihr Alter hinaus, und ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, daß sie all die positiven Eigenschaften hat, die sich Eltern von ihrem Kind wünschen würden. Sie hat einen gut durchdachten und festen Glauben. Nach meiner Ansicht würde jeglicher Rat, von welcher Seite er auch immer käme, oder Druck von seiten ihrer Eltern oder sonst irgend jemandes, einschließlich einer Anordnung dieses Gerichts, ihre Glaubensansichten nicht im geringsten erschüttern oder ändern.

      Meiner Meinung nach sollte Lisa K. die Gelegenheit erhalten, gegen diese Krankheit mit Würde und innerem Frieden anzukämpfen. Dies kann nur geschehen, wenn der von ihr und ihren Eltern aufgestellte Plan angenommen wird.“

  • „Weisheit ... weit über ihr Alter hinaus“
    Erwachet! 1987 | 22. Oktober
    • Angesichts medizinisch-rechtlicher Verwirrung auf diesem Gebiet ist dieses Urteil richtungweisend geworden. Es ist gerecht und richtig. Die Zukunft wird zeigen, wie viele Ärzte, Krankenhäuser und Richter dem Beispiel folgen werden, das uns durch den menschlichen und feinfühligen Richter David R. Main und Lisa gegeben wurde.

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