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    Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1988
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      VON einem Satelliten aus betrachtet, ist Korea eine hübsche Halbinsel in Nordostasien. Sie liegt westlich der japanischen Inseln und grenzt im Norden an China und an die Sowjetunion. Der Küste sind im Süden und Westen mehr als 3 000 Inseln vorgelagert, von denen allerdings 2 600 unbewohnt sind. Und was ist über die Größe Koreas zu sagen? Es ist ungefähr so groß wie Großbritannien.

      Bei näherem Hinsehen stellt man fest, daß Korea zu einer der bergigsten Landschaften der Welt gehört, weshalb sich nur etwa 20 Prozent für die Landwirtschaft eignen. Reis ist Hauptanbauprodukt. Entlang der West-, Nordost- und Südküste erstrecken sich die Ebenen. Monsune fegen über das Land hinweg — zuerst aus der einen Richtung und dann aus der anderen — und verursachen trockenkalte Winter sowie feuchtheiße Sommer.

      Ein Blick in das Gesicht von Koreanern verrät, daß die meisten von ihnen ähnliche charakteristische Merkmale aufweisen wie andere Asiaten: breites Gesicht, glatte schwarze Haare, olivbraune Haut und dunkle Augen. Doch die Koreaner unterscheiden sich durch ihre Kultur, Sprache, Kleidung und Küche; auch verweisen sie auf über 4 000 Jahre Geschichte. Ihre Sprache, die zur altaischen Sprachfamilie gehört, wird heute von über 60 Millionen Menschen gesprochen.

      GETEILTES LAND

      Aufgrund der strategischen Lage Koreas haben mächtigere Nationen wie China und Japan lange Zeit einen starken Einfluß auf die Bevölkerung Koreas ausgeübt. Als Schutzmaßnahme kapselte sich Korea ab und wurde ein sogenanntes „Verschlossenes Land“. Im Jahre 1910 begann Japan seine bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dauernde Kolonialherrschaft über Korea. Danach teilte man die Halbinsel am 38. Breitengrad zwischen den Streitkräften der Vereinigten Staaten im Süden und den sowjetischen Truppen im Norden. Auf Beschluß der Vereinten Nationen wurde 1948 im Süden die Republik Korea (Süd-Korea) ausgerufen. Im gleichen Jahr erfolgte im Norden die Gründung der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nord-Korea). Beide Regierungen beanspruchen, ganz Korea zu repräsentieren.

      Nach dem Einfall nordkoreanischer Streitkräfte in Süd-Korea brach am 25. Juni 1950 der dreijährige Koreakrieg aus. Dieser hatte eine noch tiefere Kluft zwischen den beiden Landesteilen zur Folge, denn nun trennte sie eine von Ost nach West verlaufende entmilitarisierte Zone, die sich nur etwa 55 km nördlich der Stadt Seoul befindet. Die Regierung Nord-Koreas duldet keine Religionsausübung, weshalb sie auch die Tätigkeit der Zeugen Jehovas untersagt.

      INTERESSE AM ORIENT

      Charles Taze Russell, der erste Präsident der Watch Tower Society und Vorsitzende des aus sieben Mitgliedern bestehenden Komitees der IBSA (International Bible Students Association), besuchte als erster den Orient im Frühjahr 1912 „zur Prüfung der Lage der Heiden“, berichtete der Wacht-Turm in seiner Ausgabe vom Februar 1913. In dem Bericht hieß es weiter: „Als ein Resultat jener Untersuchung wurde erklärt, daß die Lage unter den Heiden einen Aufwand von Geld aus der Kasse der Gesellschaft nötig macht, zur Verkündigung der guten Botschaft dortselbst. In ... der ... koreanischen Sprache wurden infolgedessen Schriften zur freien Verteilung gedruckt.“

      Bruder Robert R. Hollister, der der gleichen Auffassung war wie das Komitee, vertrat die Gesellschaft im Orient — auch in Korea. Er traf Vorkehrungen für die Übersetzung und den Druck des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter in der koreanischen Sprache. Es wurde in Jokohama (Japan) gedruckt. Als Herausgabedatum war der 18. März 1914 und als Herausgeber die International Bible Students Association mit R. R. Hollister als ihrem Vertreter angegeben. Bruder Hollister und seine Frau, Schwester W. J. Hollister, verbrachten außerdem sehr viel Zeit damit, den Samen der Königreichswahrheit in Korea auszusäen.

      DER ERSTE GETAUFTE KOREANER

      Der englische Wacht-Turm vom 15. August 1914 enthielt einen ergreifenden Brief an Bruder Russell: „In gewissem Sinne bin ich ein Fremder für Dich; aber durch Deine Schriften kam ich vor nur zweiundzwanzig Monaten zu einer Erkenntnis der Wahrheit. Ich wollte Dir schon seit einiger Zeit schreiben und von meiner besonderen Wertschätzung für die Wahrheit berichten, doch die Umstände ließen es bisher nicht zu.

      Es wird Dich interessieren, zu erfahren, daß ich Koreaner bin. Als die ersten Missionare (im Jahre 1885) hier eintrafen, war Korea ein verschlossenes Land. Seit dieser Zeit gibt es einige Koreaner, die Christen geworden sind.

      Ungefähr acht Jahre lang setzte ich mich, wie ich heute weiß, einer großen Gefahr aus — dem Spiritismus, satanischen Lehren. Nun danke ich Gott, daß er unseren geliebten Bruder R. R. Hollister mit der guten Botschaft hierhergeschickt und mich aus dieser Gefahr befreit hat. Ich weiß nicht, was sonst aus mir geworden wäre.

      Ich hatte fast den Verstand verloren. Es dauerte etwa sechs Monate, bis sich die Augen und Ohren meines Verständnisses geöffnet hatten. Danach weihte ich mich dem Herrn, und seither preise ich ihn.“ (Gezeichnet P. S. Kang.)

      Wer war P. S. Kang, und wie kam er mit der Wahrheit in Berührung?

      Auf einem Kongreß der IBSA in San Francisco im Jahre 1915 erzählte Bruder R. R. Hollister, wie er Herrn Kang kennengelernt hatte: „In Korea führte mich der Herr zu Kang Pom-shika, den wir zunächst rein geschäftlich für ein paar Übersetzungsarbeiten anstellten. Bald begann er, großes persönliches Interesse an den Artikeln, die er bearbeitete, zu bekunden; nachdem er einige Monate in unserem Büro tätig gewesen war, weihte er sich völlig dem Herrn [gab sich ihm hin]. Seitdem ist er uns eine große Hilfe beim Übersetzen, Dolmetschen, Leiten von Versammlungen und bei der Arbeit im koreanischen Zweigbüro. Ich freue mich schon sehr darauf, ihn euch bei der Generalversammlung als einen Delegierten des ,Verschlossenen Landes‘ vorzustellen.“

      MEHR HILFE AUS DEM AUSLAND

      Im Jahre 1915 begann Schwester Fanny L. Mackenzie, eine Kolporteurin (Vollzeitpredigerin) aus Großbritannien, regelmäßig nach Korea zu reisen. Für ihre Reisekosten kam sie selbst auf. Sie gebrauchte beim Zeugnisgeben einen Briefkopf der IBSA. Wie? Indem sie in Druckschrift auf die Vorderseite des Briefblattes eine Botschaft vom Königreich in Englisch schrieb und auf die Rückseite eine Übersetzung davon in Chinesisch, das von den meisten Menschen im Orient verstanden wurde.

      Der Brief enthielt das Angebot, dem Wohnungsinhaber ein Exemplar des Buches Der göttliche Plan der Zeitalter zur Ansicht zu überlassen. Aus den Berichten des Zweigbüros geht hervor, daß sie 281 Bücher abgab. Außer ihrem Fleiß beim Verbreiten von Literatur erstattete sie Bruder Kang für seine persönlichen Auslagen noch umgerechnet 15 US-Dollar. Im Jahre 1949 übergab sie im Alter von 91 Jahren diese Berichte dem jetzigen Koordinator des Zweigkomitees, Don Steele. Das war, bevor er nach Korea kam.

      DIE ERSTE DRUCKEREI

      Bruder Kang, der als Sekretär für das Werk in Korea verantwortlich war, und seine Mitarbeiter verkündigten weiterhin die Botschaft, stießen aber nur auf wenig Interesse. Dessenungeachtet unternahmen sie 1921 in ganz Korea „Pilgerreisen“, um öffentliche Zusammenkünfte abzuhalten. Die Broschüre Millionen jetzt Lebender werden nie sterben wurde in der Landessprache veröffentlicht und verbreitet. Korea gehörte nun zu den 18 ausländischen Zweigen der Gesellschaft.

      Die Botschaft in der koreanischen Sprache außerhalb des Landes drucken zu lassen brachte viele Schwierigkeiten mit sich. Deshalb schickte Bruder Rutherford an Bruder Kang 2 000 US-Dollar, damit dieser eine kleine Druckerei einrichten konnte, in der dann bis zu sieben Maschinen liefen. Die Druckmaschinen produzierten Literatur in Koreanisch, Chinesisch und Japanisch. Doch ließ die Mehrung in jenen Jahren immer noch auf sich warten.

      UNTER EINER NEUEN LEITUNG

      Im Herbst 1926 gründete die Gesellschaft einen neuen Zweig in Japan und setzte Junzo Akashi, einen Amerikaner japanischer Abstammung, als ihren Bevollmächtigten für Japan, China und Korea ein. In der Zwischenzeit benutzte Bruder Kang, der die Leitung über das Werk in Korea innehatte, die Druckerei der Gesellschaft zu Privatzwecken, indem er weltliche Bücher druckte. Er besaß sogar die Unverfrorenheit, die Druckerei ohne Erlaubnis zu verkaufen. Im Jahre 1927 wurde er durch Bruder Park Min-joon ersetzt.

      Bruder Park, ein Kolporteur, war ein treuer Bruder, der auf der ganzen Halbinsel bergauf, bergab lange Reisen zu Fuß unternommen hatte, um öffentliche Zusammenkünfte abzuhalten und Literatur zu verbreiten. Besonderen Widerstand leisteten ihm die protestantischen Missionare, doch die Ortspolizei, die damals aus Japanern bestand (weil sich Korea unter japanischer Herrschaft befand), kam ihm oft zu Hilfe.

      Da man um das Jahr 1931 größere Räumlichkeiten für das Büro benötigte, wurde es in Bruder Parks Wohnung, 147 Key Dong, Seoul, verlegt.

      Bruder Park beherrschte die englische Sprache gut und übersetzte die Bücher Versöhnung und Regierung sowie andere aus dem Englischen ins Koreanische. Da er fließend Englisch sprach, konnte er direkt mit der Gesellschaft in New York korrespondieren. Doch offensichtlich war er in der japanischen Sprache nicht so bewandert, wie Bruder Akashi es gern gehabt hätte, weshalb Bruder Park 1935 ersetzt wurde. Man übertrug Bruder Moon Tae-soon, einem Schullehrer, die Leitung über das Werk. Bruder Moons Eifer als Vollzeitdiener im „Feld“ sollte in der Zukunft noch auf die Probe gestellt werden.

      KOLPORTEURTÄTIGKEIT

      Im Jahre 1930 gab sich Bruder Lee Shi-chong im Alter von 22 Jahren Jehova hin und nahm begeistert den Kolporteurdienst auf. Er erzählt: „Ich war nicht mutig genug, in der Stadt zu predigen, weshalb ich mir ein Fahrrad kaufte und beschloß, in den Provinzen zu predigen. Ich lud mein Gepäck und die Literatur auf mein Fahrrad und fuhr zuallererst zur Bezirksverwaltung in der Provinz Gyonggi. Ich zögerte zunächst hineinzugehen, aber dann dachte ich an meinen Auftrag als ein Botschafter des Königreiches — ein Begriff, den ich oft vom Leiter unseres Zweigbüros gehört hatte. Das Ergebnis war, daß ich bei den Beamten mehrere Bücher abgab. Von da an hatte ich viel mehr Mut und Selbstvertrauen.“

      Bruder Lee, der gegenwärtig in einer Versammlung in Seoul als Ältester dient, reiste kreuz und quer durch das Land, auch in das Gebiet, das heute als Nord-Korea bekannt ist, und sogar bis in die Mandschurei. Er bestellte Literatur beim Zweigbüro in Seoul und ließ sie gewöhnlich ins nächste Dorf oder in die nächste Stadt vorausschicken. Das machte er drei Jahre lang, bis man dem Zeugniswerk 1933 erheblichen Widerstand leistete.

      Aus den Berichten für das Jahr 1931 geht hervor, daß die Königreichsverkündiger fleißig waren. Sie sprachen in 30 920 Wohnungen vor, verbrachten 11 853 Stunden im Predigtdienst und verbreiteten 2 753 Bücher, 13 136 Broschüren sowie 3 940 Exemplare der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter. Im Jahre 1932 fand in Korea vom 11. bis zum 13. Juni in Seoul die erste Hauptversammlung statt, bei der man 45 Anwesende zählte. Im gleichen Jahr wurden 50 000 Exemplare der Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt in Koreanisch gedruckt und zur kostenlosen Verteilung freigegeben. Das Werk in Korea dehnte sich aus.

      RAZZIEN

      Die Militärregierung in Japan reagierte heftig auf die vermehrte Tätigkeit des Volkes Jehovas. Der Zweigaufseher in Japan gab über Japan und Korea folgenden Bericht:

      „Ich verließ Tokio am 10. Mai 1933, um eine Reise zu unternehmen, und erhielt am 15. Mai in Mukden (Mandschurei) einen Luftpostbrief, dem ich entnahm, daß das ganze Büropersonal, bestehend aus fünf Brüdern, in unserer Zweigstelle [in Tokio] verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden war und daß die Arbeit im Zweigbüro von Schwestern fortgesetzt wurde. Am 16. und 17. Mai widmeten etliche Zeitungen dem Bericht über die Verhaftungen von Zeugen Jehovas fast eine ganze Seite.

      Die Polizei führte in den Büros der Gesellschaft in Tokio und in Seoul Razzien durch. Sie beschlagnahmte die gesamte vorrätige Literatur. Ihr werdet Euch sicherlich freuen, zu erfahren, daß die japanischen und die koreanischen Brüder ihre Treue und Lauterkeit gegenüber Jehova und seinem gesalbten König sogar unter schweren Prüfungen bewahrt haben.“

      Gemäß Schätzungen beschlagnahmte die Polizei im Büro der Gesellschaft in Seoul am 17. Juni 1933 50 000 gedruckte Schriften. Man brachte sie mit 18 Handkarren zum Han, einem Fluß in Seoul, und verbrannte sie dort öffentlich, berichtete die Seouler Zeitung Tong A Ilbo. In dem Artikel hieß es außerdem, daß am 15. August 1933 in der Nähe von Pjöngjang (heute in Nord-Korea) in den Wohnungen von Brüdern ungefähr 3 000 gedruckte Schriften beschlagnahmt und anschließend vernichtet wurden. Doch kam das Zeugniswerk durch diese Razzien zum Erliegen?

      DAS WERK GEHT WEITER

      Der Kolporteur Lee Shi-chong, den man wegen der Verhaftungswelle nach Seoul zurückrief, erinnert sich: „Die Brüder faßten schnell wieder Mut und nahmen die Predigttätigkeit erneut auf, und zwar mit dem Goldenen Zeitalter — der einzigen Publikation, die nicht verboten worden war. Und natürlich hielten wir weiterhin unsere Zusammenkünfte ab.“

      Von 1933 bis 1939 verwendete man in Korea Das Goldene Zeitalter, das als Zeitung eingetragen war. Es kostete zwei Chon, was umgerechnet einem US-Cent entspricht. Der Großteil des Literaturvorrats war zwar vernichtet, aber viele Brüder besaßen immer noch einige Bücher und Broschüren, die sie dann untereinander ausliehen und austauschten, so daß Personen, die echtes Interesse bekundeten, die Botschaft kennenlernen konnten.

      Die Zusammenkünfte wurden jeden Sonntag abgehalten. Der Bruder, der die Zusammenkunft leitete, hielt gewöhnlich eine einstündige Ansprache, und wenn einige Neue zugegen waren, wiederholte er für sie die Grundlehren. Außerdem besprach er einen Wachtturm-Artikel, da die anderen keine Ausgabe zum Mitlesen besaßen. Man druckte den Wachtturm im Broschürenformat in Japanisch. Solange Korea von Japan besetzt war, waren die Koreaner gezwungen, die japanische Sprache zu gebrauchen, weshalb sie Japanisch lesen, schreiben und sprechen konnten.

      Es gab jedoch nur wenige befähigte Brüder in Seoul, die die Zusammenkünfte leiten konnten. Warum? Weil der Zweigaufseher so viele wie möglich im Kolporteurwerk einsetzte und in weit entfernte Gebiete schickte. Folglich waren die erfahrenen Brüder über die ganze Halbinsel zerstreut und demnach nicht in der Lage, sich mit anderen zu versammeln. Die Zusammenkünfte konnten erst nach dem Eintreffen von Missionaren der Watch Tower Society verbessert werden, was allerdings noch in der Zukunft lag.

      EINE EINFLUSSREICHE FAMILIE FLIEHT AUS „BABYLON“

      Da nun die gesamte Literatur der Watch Tower Society mit Ausnahme des Goldenen Zeitalters verboten war, mußten die Brüder bei der Durchführung des Werkes Vorsicht walten lassen. Bei allem, was sie taten, mußten sie achtsam und umsichtig sein. Obgleich es keine regelmäßigen, organisierten Zusammenkünfte gab, waren diejenigen, die die Wahrheit annahmen, dennoch mutige und entschlossene Personen.

      Die Familie Ok ist ein hervorragendes Beispiel. Alle Familienmitglieder waren gebildete und wohlhabende Siebenten-Tags-Adventisten, die in der Gemeinde einen ausgezeichneten Ruf genossen. Ok Ji-joons Vater war ein Ältester in der Kirche und Leiter einer Adventistenschule. Seine Frau Kim Bong-nyob arbeitete als Rechnungsprüferin für die Schule am Ort.

      Ok Ji-joon erzählt: „Im Jahre 1937 fand ich eines Tages zufällig eine Ausgabe des Goldenen Zeitalters in der Mülltonne. Da ich sehr religiös war, interessierte ich mich für die biblischen Artikel in der Zeitschrift und las sie gründlich durch. Einige Tage später besuchten mich zwei Männer und boten mir weitere Literatur vom ‚Leuchtturm‘ an. [Dies war eine Fehlübersetzung für „Wachtturm“, wie sie vom japanischen Zweigaufseher und somit auch in Korea benutzt wurde.] Sie ließen mich eine Karte lesen, bei der es sich, wie ich später erfuhr, um eine Zeugniskarte handelte. Freudig nahm ich alle Bücher entgegen, die sie bei sich hatten. Beim Lesen stieß ich später auf viele Punkte, die nicht mit meinem adventistischen Glauben übereinstimmten. Ich schrieb an die auf einer der letzten Seiten angegebene Adresse in Tokio, und mehrere Monate lang führte ich einen Briefwechsel über Lehrpunkte. Das Zweigbüro in Tokio beantwortete meine Fragen, indem es gewöhnlich spezielle Wachtturm-Ausgaben beilegte, die an bestimmten Stellen rot unterstrichen waren.

      Die Adventistenkirche in Sariwon (Provinz Hwanghae, im heutigen Nord-Korea) bereitete mir Schwierigkeiten, weil ich über diese neu gefundene Wahrheit ständig Fragen stellte. Der Prediger versuchte, mir ausweichende Antworten zu geben, und sagte hochmütig, es sei respektlos, ihm, dem Prediger, der auch noch ein vertrauter Freund meines Vaters sei, derartige Fragen zu stellen. Aber ich war der Meinung, daß persönliche Beziehungen nicht biblische Gespräche behindern sollten und daß er mir eine Antwort schuldete. Mein jüngerer Bruder erkannte ebenfalls die Wahrheit und schloß sich mir an; ebenso mein älterer Bruder. Schließlich gingen wir nicht mehr in die Kirche.

      Mein Vater leistete uns Widerstand. Als mein älterer Bruder und ich unsere gutgehende Landmaschinenfabrik schlossen, um Zeit für das Predigtwerk zu haben, wurde er wütend und warf uns aus dem Haus. Doch wir gaben nicht auf, sondern versuchten weiterhin, ihn mit Hilfe der Informationen aus dem Wachtturm zu überzeugen.“

      Als nächstes schildert Bruder Oks älterer Bruder, Ok Ryei-joon, wie die Augen des Vaters für die Wahrheit geöffnet wurden:

      „Eines Tages besuchte uns unser Adventistenprediger und erklärte, die Geheimpolizei habe angeordnet, daß die Mitglieder unserer Kirche den japanischen Schinto-Schrein besuchen und japanische Götter anbeten sowie an der Kirche die japanische Fahne hissen, diese grüßen und vor jedem Gottesdienst die Nationalhymne singen sollten. Er selbst vertrat die Auffassung, die Adventisten müßten sich der Verfügung beugen, ansonsten würde man die Kirche verbieten, und es würde keine Adventisten mehr geben. Der Prediger fragte bei der Kirchenleitung an, was zu tun sei. Darauf besuchte er uns und teilte uns die Antwort mit. Die Kirchenleitung sagte, die Adventisten sollten der polizeilichen Anordnung Folge leisten, obgleich dies eine schwere Prüfung sei. Unser Vater war über diese Entscheidung zutiefst enttäuscht.“

      Der Vater wollte wissen, welchen Standpunkt die Watch Tower Society in dieser Angelegenheit einnahm. Um das herauszufinden, fing er an, mit seinen Söhnen die Bibel zu studieren. Schließlich erkannte er, wie recht die Zeugen Jehovas doch hatten. Die ganze Familie — Vater, Mutter, vier Söhne und zwei Schwiegertöchter — ging nicht mehr in die Kirche.

      Ok Ryei-joon fährt fort: „Später, im Jahre 1938, schickte die Adventistenkirche einen amerikanischen Missionar zu uns, der erzählte, daß sich die adventistischen Missionare entschlossen hätten, Korea wegen der Unterdrückung durch die japanische Regierung zu verlassen. Er sagte auch, es sei sehr lobenswert, daß sich unsere Familie wegen der Frage in Verbindung mit dem Fahnengruß und der Anbetung in Schinto-Schreinen von der Kirche zurückgezogen habe, und er ermunterte uns, einen festen Glauben an Jehova Gott zu bewahren wie alle Zeugen Jehovas in Korea.“

      Bei einem Besuch des Zweigaufsehers aus Japan ließ sich die ganze Familie am 19. November 1937 taufen. Heute dienen drei der Brüder als Älteste. Im Jahre 1939 starb ihr jüngerer Bruder, Ok Ung-nyun, in einem japanischen Gefängnis, weil er in der Neutralitätsfrage standhaft geblieben war.

      EINE ZEITGEMÄSSE WARNUNG

      Als Junzo Akashi im Dezember 1938 Korea zum letzten Mal besuchte, kam er mit 30 Brüdern im Haus von Moon Tae-soon in Seoul zusammen und machte sie darauf aufmerksam, daß man sie bald verhaften würde. Er ermahnte sie, sich nicht respektlos gegenüber der Landesfahne oder gegenüber dem Kaiser zu verhalten. Bruder Akashi erklärte ihnen aber auch, daß sie keine Kompromisse eingehen dürften. Er ermunterte sie alle, soviel wie möglich zu predigen und dabei die drei verfügbaren Broschüren Schutz, Warnung und Schau den Tatsachen ins Auge zu verwenden.

      Bruder Akashi hob einen Punkt in der neuen Broschüre Schau den Tatsachen ins Auge zu stark hervor, wodurch er die koreanischen Brüder nachteilig beeinflußte. In der Broschüre wurden junge Paare ermuntert, mit dem Heiraten noch „einige wenige Jahre“ zu warten, bis Harmagedon vorüber sei. Er legte dies so aus, als handle es sich dabei nur um zwei oder drei Jahre, statt um eine unbestimmte Zeitperiode. Somit glaubten die koreanischen Brüder, sie müßten nur noch ein paar Monate predigen und würden dann eingesperrt werden, worauf schließlich während ihrer Inhaftierung Harmagedon hereinbräche.

      Einige Wochen danach begannen die Zeitungen, die Organisation anzugreifen, indem sie Bruder Rutherford als einen „verrückten Pazifisten“ bezeichneten. Als sich Junzo Akashis Sohn und ein anderer japanischer Bruder im Januar 1939 weigerten, an einer militärischen Ausbildung teilzunehmen, wurde Bruder Akashi selbst aufgefordert, im japanischen Hauptquartier in Tokio zu erscheinen und den Grund für die Verweigerung zu erläutern. Inhaftierungen von Brüdern waren die Folge — in Japan am 21. Juni, in Taiwan am 22. Juni und in Korea am 29. Juni. Viele Zeugen kamen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 wiederholt ins Gefängnis.

      DAMALIGE BEWAHRER DER LAUTERKEIT

      Schwester Chang Soon-ok, eine ehemalige Katholikin, die die Wahrheit durch das Lesen des Goldenen Zeitalters kennenlernte, berichtet, was nach der letzten Zusammenkunft mit Junzo Akashi in Seoul geschah: „Diejenigen, die seinen Vortrag gehört hatten, begaben sich, mit vielen Büchern bepackt, in ihr zugeteiltes Gebiet. Ich ging nach Pusan und predigte dort. Am frühen Morgen des 29. Juni 1939 verhaftete mich ein Polizist. Von uns Schwestern sperrte man neun zusammen mit Verbrechern in eine Zelle. Es war heiß und schmutzig, und es stank. Wir verbrachten ein Jahr im Gefängnis, bevor man uns überhaupt vor Gericht stellte.

      Im Gefängnis wurden die Gefangenen gezwungen, jeden Morgen den Kaiser anzubeten. Weil wir uns weigerten, legte man uns Handschellen an, wobei die eine Hand auf den Rücken gelegt und die andere über die Schulter gezogen wurde. Manchmal wurden wir mit doppelten Handschellen gefesselt, und zuweilen wurden zwei Personen Rücken an Rücken aneinandergekettet. Bei den Mahlzeiten mußte man uns die Hände vorne mit Handschellen zusammenbinden. Nach sieben Monaten gaben sie schließlich auf und nahmen die Ketten ab.

      Nachdem wir unsere eigentliche Strafe abgesessen hatten, brachte man vier von uns Schwestern in ein Schutzhaftlager nach Chungju, weil wir als unverbesserlich galten. Ein Aufseher erklärte den Schwestern, daß jeder in diesem Lager innerhalb weniger Tage hingerichtet werde. Dann endete plötzlich der Krieg, und wir wurden am 16. August 1945 endlich befreit. Noch heute wühlt mich der Gedanke an all die Jahre im Gefängnis bis ins Innerste auf.“

      Auch die Familie Ok wurde eingesperrt. Lee Jung-sang, die Frau des ältesten Sohnes, Ok Ryei-joon, berichtet ihre Erlebnisse:

      „Ich war erst knapp zwei Jahre getauft, also noch ein geistiges Kleinkind, als die Polizei aus Seoul meinen Mann und seinen jüngeren Bruder, Ok Ji-joon, ins Gefängnis brachte. Zu jener Zeit wurden die meisten koreanischen Brüder und Schwestern verhaftet, und landeten schließlich im Sodaemun-Gefängnis in Seoul. Die Polizei beschlagnahmte wieder alle Publikationen der Gesellschaft — oder zumindest dachte sie das.

      Meine Schwägerin, Kim Bong-nyo, sowie eine andere Schwester, Kim Kyung-hui, und ich waren noch frei. So gingen wir zum Literaturlager der Gesellschaft und nahmen alles an Literatur mit, was wir tragen konnten, denn wir hatten nur eines im Sinn: soviel Literatur wie möglich zu verbreiten, bevor man auch uns inhaftierte. Wir reisten Richtung Norden nach Pjöngjang, und während wir dort tätig waren, nahm man uns im November 1939 fest unter dem Vorwand, wir würden den Frieden stören und verbotene Bücher verbreiten. Wir wurden auf dem Polizeirevier in Tongdaemun eingesperrt und später in das Sodaemun-Gefängnis gebracht, wo schon die anderen Schwestern waren. Insgesamt befanden sich damals 38 Brüder und Schwestern im Gefängnis.“

      TREU BIS IN DEN TOD

      Schwester Park Ock-hi, die im Alter von 86 Jahren noch im Sonderpionierdienst steht, und eine andere treue Schwester, die auch im Gefängnis war, erinnern sich an diese schwierige Zeit:

      „Nachdem wir den ganzen Winter in der Provinz Kyongsang im südlichen Teil von Korea die gute Botschaft gepredigt hatten, gingen wir im Februar 1939 nach Seoul zurück. Mein Mann, Choi Sung-kyu, wurde sofort von der Polizei des Polizeireviers Tongdaemun in Seoul verhaftet. Die Polizei warf ihm vor, daß er sich weigere, im Schinto-Schrein anzubeten. Während der 20 Tage im Gefängnis bekam er Typhus, und man brachte ihn in ein Krankenhaus. Nach 40tägigem Krankenhausaufenthalt wurde er entlassen, aber bei einer Verhaftungswelle im Juni 1939 gleich wieder eingesperrt.

      Der Schwager meines Mannes arbeitete für die japanische Regierung. Er schickte einen Rechtsanwalt, um die Freilassung meines Mannes zu erwirken. Der Anwalt erklärte meinem Mann, daß er ihn nur aus dem Gefängnis herausholen könne, wenn er im Schinto-Schrein anbeten würde. Mein Mann lehnte dieses Angebot auf der Stelle ab und sagte zu ihm, er solle ihn nie mehr besuchen. Mein Mann schrieb mir dann: ,Wer hat den Rechtsanwalt geschickt? Bleib wachsam! Lies Römer 8:35-39.‘ Dieser Brief ermunterte uns alle, die wir noch frei waren, sehr, und die Neuen waren entschlossen, Jehova weiterhin zu lobpreisen.

      Später, im September 1941, wurde ich abermals verhaftet, doch nur 15 Tage eingesperrt. Man sagte mir, ich solle 500 Won (250 US-Dollar) zahlen, damit mein Mann aus dem Gefängnis entlassen werden könne. Ich borgte mir das Geld und ging zum Gefängnis. Es war eine dunkle, kalte Nacht. Ich fand meinen Mann, mehr tot als lebendig auf dem Boden liegend, mit einem weißen Bettuch bedeckt. Man hatte ihn zweieinhalb Jahre eingesperrt und verlangte jetzt 500 Won für seine Freilassung — in diesem Zustand! Acht Stunden später starb er im Alter von 42 Jahren.

      Im September 1942 wurde ich zum vierten Mal inhaftiert, und diesmal landete ich im Sodaemun-Gefängnis in Seoul, wo sich schon andere Schwestern befanden. Dort mußten wir unbeschreibliche Qualen erdulden.“

      Die Aufseherin ärgerte sich immer über die Schwestern, weil sie den japanischen Kaiser nicht anbeteten. Es bereitete ihr nämlich zusätzliche Arbeit, weil sie vor jeder Mahlzeit die Handschellen und Ketten anders anlegen mußte. Doch offensichtlich bemerkte sie die Treue dieser lieben Schwestern. Erstaunlicherweise begann sie über 20 Jahre später, die Bibel zu studieren. Sie traf diese Schwestern auf einem Bezirkskongreß wieder. Im Jahre 1970 ließ sie sich taufen.

      Immer wieder verhörte man die Brüder, weil die Behörden Mittel und Wege suchten, um sie strafrechtlich zu verfolgen. Man fragte sie beispielsweise: „Stimmt es, daß alle Nationen unter dem Einfluß des Teufels stehen? Auch unser großes Japanisches Reich? Sind Sie amerikanische Spione? Wann kommt Harmagedon?“ Die Brüder antworteten auf die letzte Frage: „Wenn das Predigtwerk beendet ist.“ Darauf erwiderten die Behörden gewöhnlich: „Durch Ihr Predigen beschleunigen Sie in Wirklichkeit das Kommen von Harmagedon, was bedeutet, daß Sie die Vernichtung unseres Japanischen Reiches beschleunigen. Demgemäß verletzen Sie das Gesetz der öffentlichen Ordnung.“ Daraufhin nahm man viele Brüder fest und warf sie für zwei bis vier Jahre ins Gefängnis.

      Fünf der 38 Gefangenen starben während ihres Gefängnisaufenthaltes in Treue, auch Moon Tae-soon, der sich unter der Leitung des japanischen Zweigaufsehers um das Werk in Korea gekümmert hatte.

      ERNÜCHTERUNG NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG

      Seit man das Werk in Korea 1926 dem japanischen Zweig unterstellt hatte, war Junzo Akashi dafür verantwortlich. Nachdem die Brüder 1945 befreit worden waren, erwarteten sie, von ihm Anleitung zu erhalten. Doch Akashi, der ein unsittliches Leben geführt und unter Druck Kompromisse geschlossen hatte, verließ Gottes Organisation.

      Die koreanischen Brüder waren verunsichert, weil sie Akashis unkorrekter Erklärung darüber, daß es nur noch „einige wenige Jahre“ dauern würde, bis Harmagedon käme, geglaubt hatten. Die kleine Gruppe der Brüder spaltete sich. Einige glaubensstarke Brüder waren der Ansicht, das Predigtwerk müsse fortgesetzt werden; andere verloren ihren Eifer.

      Nach 1939 bestand mehrere Jahre lang kein Kontakt zu Jehovas Organisation. Die Brüder fühlten sich verlassen. Viele von ihnen dachten, daß das, was sie in Korea erlebten, auf die gesamte weltweite Organisation zuträfe. Sie wußten nicht, daß die Watch Tower Society immer noch tätig war, daß ihre Brüder in anderen Ländern während des Zweiten Weltkrieges an ihrer Lauterkeit festgehalten hatten und daß sich Mehrung einstellte. Da es niemanden gab, der die Führung übernahm, und der Kontakt zur Organisation abgerissen war, kam die wahre Anbetung in Korea fast völlig zum Stillstand.

  • Korea
    Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1988
    • [Bild auf Seite 143]

      Lee Shi-chong, ein Kolporteur, der Anfang der 30er Jahre mit dem Fahrrad die Landgebiete bereiste, um die Königreichsbotschaft bekanntzumachen

      [Bild auf Seite 146]

      Ok Ung-doo, Ok Ryei-joon und Ok Ji-joon (von links nach rechts) mußten während des Zweiten Weltkrieges schwere Prüfungen erdulden

      [Bild auf Seite 153]

      Choi Sung-kyu hatte aufgrund seiner religiösen Überzeugung bis zu seinem Tod im Jahre 1941 schwer zu leiden, aber sein Glaube war für seine Brüder eine große Ermunterung

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