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    Erwachet! 1987 | 8. November
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      Berechnungen haben ergeben, daß sich die Zahl der Hungernden in der Welt von 1970 bis 1980 jährlich um ungefähr 1,5 Millionen erhöht hat. Doch in der ersten Hälfte der 80er Jahre stieg diese Zahl jedes Jahr um 8 Millionen — auf insgesamt 512 Millionen im Jahre 1985 —, und das obwohl der Welternährungsrat der Vereinten Nationen 1974 beschlossen hatte, den Hunger in der Welt innerhalb von 10 Jahren zu beseitigen.

      Heute propagiert man die Befreiungstheologie als Lösung — die Kirchen sollen sich an dem Kampf um Veränderungen der innenpolitischen und der gesellschaftlichen Strukturen beteiligen, an einem Kampf gegen die Ursachen der Armut.

      In der Erwachet!-Ausgabe vom 8. August 1987 wurde bereits angeschnitten, welche Auswirkungen die Befreiungstheologie auf die Armut in der dritten Welt hat. In der vorliegenden Abhandlung setzt unser Korrespondent in Mexiko die Untersuchung der Frage fort, ob die Befreiungstheologie den Armen wirklich nützen kann.

  • Der Dritte-Welt-Katholizismus — Wie gefestigt ist er?
    Erwachet! 1987 | 8. November
    • Der Dritte-Welt-Katholizismus — Wie gefestigt ist er?

      Von unserem Korrespondenten in Mexiko

      „ALLE Christen sind Jünger eines politischen Gefangenen, der am Kreuz ermordet wurde.“ „Papst Johannes Paul II. ist der politischste Papst, den wir je hatten.“ „Es ist unmöglich, nach unserem Glauben zu leben und sich aus der Politik herauszuhalten.“ Das sind nur einige der zahlreichen strittigen Aussagen, die katholische Theologen vor einem Forum im Dezember 1986 in Mexiko machten.

      Nicht alle Teilnehmer stimmten den Rednern zu. Manche verteidigten die katholische Amtskirche mit Zwischenrufen, aber auch die Gasttheologen erhielten Beifall. Anderen fehlten angesichts der mangelnden Einigkeit die Worte. Der südafrikanische Priester Bonganjalo Goba durchbrach die Verwirrung mit dem Zwischenruf: „Brüder, es sieht so aus, als ob Katholiken gegen Katholiken kämpften!“

      Wie konnte eine solche Situation entstehen? Worüber stritt man sich?

      Die Streitfrage

      Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Praxis der Befreiungstheologie — ein Kampf, der von Priestern und Theologen in aller Welt gefördert wird, um die Armen und Unterdrückten in den Ländern der dritten Welt von „den sozioökonomischen Mechanismen, durch die man sich auf Kosten der Armen Wohlstand schafft“, zu befreien.

      Für die einen ist diese Theologie radikal oder revolutionär, für die anderen dagegen „eine neue Ausdrucksform der römisch-katholischen Kirche“. Auf der zweiten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Medellín (Kolumbien) wurde 1968 erklärt, daß an dem Leid der Menschen in den Ländern der dritten Welt „Strukturen der Sünde“ schuld seien und daß die Kirche, wenn sie Christus nachfolgen wolle, „eine vorrangige Entscheidung für die Armen“ treffen müsse. Aber was kann das einschließen?

      Der brasilianische Priester Leonardo Boff weist gemäß einer in Mexiko-City erscheinenden Zeitung darauf hin, daß „Gewalt die Alternative ist, wenn eine ungeteilte Gesellschaft anders nicht erreicht werden kann“. Auch sagt er, daß diese Gewalt „zu verantworten ist, wenn fundamentale Rechte verletzt werden“. Leonardo Boff und andere Befürworter der Befreiungstheologie in den Ländern der dritten Welt schließen nicht aus, daß die Armen nötigenfalls durch Terrorismus, Revolution und Krieg aus ihrem „Elend“ befreit werden müssen.

      Laut einem Bericht des Magazins Newsweek entfesselt jedoch „die Befreiungstheologie starke Kräfte, die die Katholiken entzweien“. Das wurde auf dem Treffen in Mexiko-City deutlich.

  • Die Befreiungstheologie — Nützt sie den Armen?
    Erwachet! 1987 | 8. November
    • Die Befreiungstheologie — Nützt sie den Armen?

      „Millionen Menschen, die in Holzhütten mit Lehmboden leben, arbeiten unvorstellbar hart, nur um das Lebensnotwendige zu haben. Sie schleppen Wasser; sie legen ihre Wege zu Fuß, zu Pferde oder mit dem Ochsenkarren zurück; sie ernähren sich von Reis, Bohnen und Bananen. Das Land um sie herum ist ertragreich; dennoch wissen sie, daß sie wahrscheinlich immer arm sein werden. Und so wird aus der Armut, aus dem Kampf, aus der schlimmsten Unterdrückung eine neue Form der ‚Urkirche‘ geboren“ (The Christian Century).

      „DIE Zukunft der Kirche scheint bei den Armen zu liegen.“ So schreibt das Magazin Newsweek. Manche meinen, daß diese „neue Kirche“, die für die Befreiung der Armen eintritt, möglicherweise „die einzig wahre Hoffnung“ für die Armen ist, die einzige Hoffnung, daß sich in ihrem Land ein friedlicher Wechsel vollziehen wird. Ist sie das wirklich?

      Es empfiehlt sich, die Befreiungstheologie zunächst aus der Sicht ihrer Befürworter zu betrachten. Weshalb glauben sie, daß die Armen unter Umständen nur durch bewaffneten Kampf befreit werden können? Unter welchen Voraussetzungen soll die Befreiungstheologie zu rechtfertigen sein?

      Armut und Unterdrückung

      Zwei Drittel der Weltbevölkerung — überwiegend in Lateinamerika, Afrika und Asien — leben in menschenunwürdiger Armut. Berichte über politische Gewaltmaßnahmen in diesen Teilen der Erde sind an der Tagesordnung. Armut, Leid und Gefangenschaft gehören für „diese gedemütigten Menschen“ von jeher zum Alltag. Vorliegende Berichte sollen dies zeigen:

      ◻ Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff sagt, daß in seinem Land „alle 22 Stunden ein Bauer ermordet wird“.

      ◻ „In Nicaragua versucht man, einen Staat zu errichten, der für die Menschen eintritt, die seit Generationen unterdrückt werden — 80 Prozent der Bevölkerung.“ Doch laut Berichten fließen über 40 Prozent der Staatseinnahmen in die Landesverteidigung.

      ◻ Gemäß der in Mexiko-City erscheinenden Tageszeitung El Universal leben in Mexiko 40 Millionen Menschen zufolge „sozialer Ungerechtigkeit“ in Armut. Vierzig Prozent der Bevölkerung sollen nur „das Existenzminimum“ erreichen, und lediglich 18 Prozent können sich „ausgewogen ernähren“.

      ◻ In Guatemala besitzen, wie aus einer Statistik hervorgeht, 2 Prozent der Bevölkerung 80 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Einundachtzig Prozent der Kinder unter fünf Jahren leiden an Fehlernährung. In den vergangenen 30 Jahren wurden 100 000 politische Gewaltakte und 38 000 Fälle von Menschenraub registriert.

      ◻ Auf den Philippinen verfügen 2 Prozent der Bevölkerung über 75 Prozent der materiellen Güter des Landes. „Wenn wir dieses Problem nicht lösen“, so die philippinische Nonne Maria Johanna Mananzan, „lösen wir kein einziges.“

      In zahlreichen Ländern leben die Menschen ständig in Angst vor Regierungsbehörden, inoffiziellen Streitkräften und Selbstschutzgruppen. Tausende sind in Nachbarländer geflüchtet.

      Damit begründen einige katholische Prälaten, warum sie „Partei ergreifen für die Armen“. „Wir haben viel über Bekenner, Jungfrauen und Propheten gehört“, sagt Leonardo Boff und fragt: „Wie steht es aber mit den Arbeitern und Bauern?“ Doch welches Mittel verordnen die Befreiungstheologen gegen diesen Zustand? Was bedeutet es, sich auf die Seite der Armen zu stellen?

      Die Kämpfe in der dritten Welt

      „Armut ist ein Unrecht“, verteidigen sich die Befreiungstheologen. Die „vorrangige Entscheidung für die Armen“ ist demnach, „ihnen bei ihrem Trachten nach einem würdigen Leben zu helfen, das ihnen zusteht“. In dem Buch Die historische Macht der Armen schreibt der Peruaner Gustavo Gutiérrez, der als Begründer der Befreiungstheologie gilt: „Mehr denn je haben wir heute an der Seite derer zu stehen, die Widerstand leisten und kämpfen, glauben und hoffen.“ Aber gemäß der Aussage von Befreiungstheologen kann den Armen nur geholfen werden, wenn „durch tiefgreifende Veränderungen der Gesellschaftsstrukturen soziale Gerechtigkeit verwirklicht wird“. Wie geht man in verschiedenen Teilen der Erde dabei vor?

      ◻ Auf Haiti soll die katholische Kirche beim Sturz der Duvalier-„Tyrannei“ mitgewirkt haben.

      ◻ Der Erzbischof von Manila, Jaime Kardinal Sin, hat Berichten zufolge „mehr als jeder andere auf den Philippinen zum Sturz der Diktatur von Ferdinand Marcos“ beigetragen.

      ◻ Bonganjalo Goba aus Südafrika sagt: „Wir kennen Leute, die mit der Bibel in der einen Hand und mit dem Gewehr in der anderen heranrücken und geloben, Gott eine Kirche zu bauen, falls er ihnen das Land gibt.“

      Armut ist jedoch nur eines von zahlreichen Problemen. Analphabetismus, Arbeitslosigkeit, Hunger und Krankheiten sind in vielen Ländern weitere Folgen eines schwachen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Systems. Wegen all dem begehren die Armen und Unterdrückten auf.

      Wie stehen Befreiungstheologen wie Gutiérrez und Boff zur Argumentation anhand der Bibel?

      Befreiungstheologen und die Bibel

      „Befreiung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Bibel“, erklärte der südkoreanische Priester Augustine Ham Sei Ung. Gutiérrez betonte allerdings, „die [biblische] Geschichte ... müsse aus der Sicht der Armen neuverstanden werden“, um sie erklären zu können.

      Die Befreiungstheologen behaupten somit, daß es sich bei bestimmten biblischen Ereignissen wie der „Befreiung Israels“ um politische Aktionen gehandelt habe. „Gott ... offenbart sich durch ... den Armen und den Geringen“, sagte Gutiérrez. Daher meinen viele, daß „die Kirche, wenn sie dem Gott Jesu Christi die Treue halten will, ihr Selbstverständnis von unten aufbauen muß, aus der Sicht der Armen dieser Welt“. „Gottes Liebe zu seinem Volk“, so argumentieren sie, könnte auch heute „politisch zum Ausdruck kommen“.

      Wie sehen die Befreiungstheologen das Verhältnis zwischen der Bibel und der Politik? Leonardo Boff erklärte gegenüber Erwachet!, daß „der Bibel nicht die Rolle eines Buches zukommt, das zum Ersinnen politischer Taktiken oder politischer Alternativen inspiriert, sondern daß die Bibel eine Quelle der Inspiration in bezug auf die Suche nach gerechteren menschlichen Beziehungen ist“. Was ist aber durch die Beteiligung der Geistlichkeit an gesellschaftlichen Reformbestrebungen erreicht worden?

      Gewalt und Tod gehen oft Hand in Hand. Man darf nicht übersehen, daß Geistliche jahrhundertelang in der Weltpolitik nach Belieben schalten und walten konnten. Sie haben mit den Königen der Erde, mit Diktatoren und mit den herrschenden Klassen, die alle das arme Volk unterdrückt haben, gemeinsame Sache gemacht. Zahllose Todesopfer waren die Folge.

      Eine „vorrangige Entscheidung“?

      Die modernen „Befreiungsbewegungen“ bilden keine Ausnahme. Auch sie haben dazu beigetragen, daß zahllose Menschen das Leben verloren haben. Gustavo Gutiérrez gibt zu: „Mit der Verschärfung des Hungers und der Ausbeutung ..., aber auch mit der Verhaftung und Verbannung zahlreicher Menschen ... wie auch mit den Folterungen und Ermordungen ... zahlt die Kirche heute den Preis dafür, daß sie in den letzten Jahren gegen eine jahrhundertealte Unterdrückung rebelliert hat.“

      Keine von Menschen ersonnene Theologie kann somit die Menschheit von Angst und Sorgen befreien. Solange Habgier und Haß nicht ausgemerzt worden sind, wird man sich nach etwas Besserem sehnen. Gibt es denn eine bessere Entscheidung für die Armen?

      [Bild auf Seite 6]

      „Mehr denn je haben wir heute an der Seite derer zu stehen, die Widerstand leisten und kämpfen, glauben und hoffen“ (Gustavo Gutiérrez)

  • Ein Dilemma für aufrichtige Katholiken
    Erwachet! 1987 | 8. November
    • Ein Dilemma für aufrichtige Katholiken

      Im Jahre 1984 veröffentlichte der Vatikan eine Instruktion mit dem Ziel, die Befreiungstheologie anzuprangern. Und Leonardo Boff, dem Befreiungstheologen „mit der umstrittensten Haltung“, wurde ein einjähriges „Bußschweigen“ auferlegt — eine Disziplinarmaßnahme der Kirche, mit der man ihm untersagte, seine fragwürdige Theologie durch Publikationen, Interviews oder auf andere Weise in der Öffentlichkeit bekanntzumachen.

      Aber 1986, einen Monat bevor das „Schweigejahr“ ablief, gewährte man Boff einen Straferlaß. Die Instruktion über die christliche Freiheit und Befreiung kam heraus, und ihr zufolge ist es „vollauf berechtigt, daß diejenigen, die an der Unterdrückung durch die Besitzer des Reichtums oder der politischen Macht leiden, sich mit moralisch erlaubten Mitteln dafür einsetzen, Strukturen und Institutionen zu erlangen, in denen ihre Rechte wirklich respektiert werden“. „Der bewaffnete Kampf“ wurde als „ein letzter Ausweg“ gebilligt. Sollte dies bedeuten, daß sich die Kirche korrigieren würde?

      Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, unter dessen Leitung die neue Instruktion verfaßt wurde, weist diesen Verdacht von sich. „Die erste Instruktion verliert nichts von ihrem Wert“, betont er. „Das zweite Dokument ist eine Ergänzung.“ Nach Meinung von Journalisten und anderen enthält die zweite Instruktion dagegen „einen neuen Standpunkt zur ‚Befreiungstheologie‘“. Warum vertritt man solch gegensätzliche Auffassungen?

      Aus dem sorgfältig formulierten Wortlaut der neuen Instruktion läßt sich Unterschiedliches herauslesen. So heißt es darin beispielsweise: „Es gehört nicht zur Aufgabe der Hirten der Kirche, bei der Errichtung einer politischen Ordnung und bei der Organisation des gesellschaftlichen Lebens direkt einzugreifen.“ Das Magazin Newsweek bemerkt dazu ganz offen: „Derartige Formulierungen gewähren findigen Prälaten großen Handlungsspielraum.“

      In einem anderen Bericht wird gesagt, daß die Kirche praktisch jedem etwas bietet, dem er zustimmen kann. Ein Liberationist wie Gutiérrez könnte heute darauf hinweisen, daß „die südamerikanische Befreiungstheologie ein Zeichen der Zeit ist, das die Kirche als solches erkennt“, wohingegen ein konservativer Katholik sich freuen könnte, daß seine Kirche nach wie vor „dem marxistischen Kollektivismus widersteht, der die Freiheit des Menschen verneint“. Wie dem auch sei, die verschiedenen Auffassungen der Befreiungstheologie stehen im Widerspruch zur Tradition der Kirche und tragen weiterhin dazu bei, daß sich Katholiken entzweien.

      Der Apostel Paulus ermahnte wahre Christen im Gegensatz dazu: „Seid alle einmütig ..., seid ganz eines Sinnes und einer Meinung.“ „[Seid] eines Sinnes ..., einmütig und einträchtig“ (1. Korinther 1:10; Philipper 2:2).a Was ist deine Meinung? Sind die Katholiken „alle einmütig“?

      [Fußnote]

      a Die Bibelzitate sind der katholischen Neuen Jerusalemer Bibel entnommen.

      [Bilder auf Seite 7]

      Sind in der Kirche „alle einmütig“?

      [Bildnachweis]

      Foto: UNO

  • Die Befreiungstheologie, die Bibel und du
    Erwachet! 1987 | 8. November
    • Die Befreiungstheologie, die Bibel und du

      „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit“ (2. Timotheus 3:16).a

      GLAUBST du das? Was ist dir wichtiger: Gott auf eine Weise zu dienen, wie er es möchte, oder so, wie du es für richtig hältst? Natürlich wird jeder antworten: Wie Gott es möchte. Meinst du wirklich, daß es so, wie Gott es möchte, am besten ist? Wenn ja, dann wirst du den obigen Worten des Apostels Paulus zustimmen.

      Gott hat geredet, und jeder kann sein Wort lesen. Betrachten wir die Befreiungstheologie daher einmal aus biblischer Sicht. Stützt sie sich auf die Bibel?

      ‘Ihr stammt nicht von der Welt’

      Jesus sagte am Abend vor seinem Tod zu seinen Jüngern, daß sie ‘nicht von der Welt stammen’. Am selben Abend sagte er in einem Gebet zu seinem Vater: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin.“ Fast unmittelbar darauf wiederholte er die Feststellung: „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin“ (Johannes 15:19; 17:14, 16).

      Die meisten Kirchen der Christenheit bemühen sich nicht darum, von der Welt getrennt zu sein. Das ist durch die Medien wohl auch allseits bekannt. Ganz gleich, wohin man sieht — nach Amerika, Asien, Europa oder Afrika —, überall bietet sich das gleiche Bild. Geistliche fast jeder religiösen Richtung bewegen sich auf dem politischen Parkett. Ihre Verstrickung in die Politik der Welt ist aber nur einer von vielen Bereichen, in denen sie mit dem Wort Gottes in Konflikt geraten sind.

      Ist Gewalt gerechtfertigt?

      Befreiungstheologen glauben, Gewalt verantworten zu können, wenn dadurch den Armen geholfen wird. Und neuerdings läßt sogar der Vatikan offiziell verlauten, daß die Anwendung von Gewalt als „letzter Ausweg“ gerechtfertigt sei. So erklärte Papst Johannes Paul II. in einem Brief an die brasilianischen Bischöfe: „Die Befreiungstheologie ist nicht nur zweckmäßig, sondern auch nützlich und notwendig für Lateinamerika.“ Ist all das mit der Bibel zu vereinbaren?

      Während Jesus auf der Erde war, verstrickte er sich nicht in gesellschaftliche Bewegungen. Im Gegenteil! Als der Apostel Petrus den Sohn Gottes verteidigen wollte und den letzten Ausweg darin sah, „zum Schwert“ zu greifen, wies ihn Jesus mit den Worten zurecht: „Steck dein Schwert in die Scheide, denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen“ (Matthäus 26:52).

      Was ist jedoch über die Kriege zu sagen, die das Volk Israel führte? Gemäß der Bibel war den Israeliten vor ihrer Befreiung aus Ägypten der Krieg fremd (2. Mose 13:17, 18). Zur entsprechenden Zeit wurden sie von Gott in dieser Hinsicht geleitet. Jehova wies sie jedoch eindringlich darauf hin, daß sie nur das Land erobern sollten, das er ihren Vorvätern verheißen hatte (1. Mose 17:7, 8; 5. Mose 2:5, 9, 19).

      Christen führen keinen buchstäblichen Kampf gegen Fleisch und Blut, sondern einen geistigen Kampf. Treffend sagte der Apostel Paulus: „Wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen ... die bösen Geister des himmlischen Bereichs“ (Epheser 6:12).

      Wie rechtfertigt die Geistlichkeit der Christenheit daher die heutige Anwendung von Gewalt?

      Gottes Wort steht an dritter Stelle!

      Der Befreiungstheologe Gustavo Gutiérrez sagte gegenüber Erwachet!, daß eine Lehre wie die Befreiungstheologie aus dem Verständnis dessen erwächst, was eine christliche Gemeinschaft anzunehmen bereit ist. In der Tat werden die vorherrschende Meinung und menschliche Weisheit dem Wort Gottes vorangestellt. Hältst du das für richtig?

      Carlos D. war früher streng katholisch und hatte elf Jahre lang ein katholisches Seminar besucht. „Ich widmete mein Leben dem Dienst für Gott und wollte ... ein guter Priester werden“, erzählt Carlos. Doch im Laufe der Jahre begann ihn einiges zu stören.

      „Mir fiel unter anderem auf“, sagt er, „daß man die Bibel hintanstellte. Die Tradition der Kirchenväter hatte Vorrang. Danach kam die Autorität des Papstes, wenn er ex cathedrab sprach, und schließlich — an dritter Stelle — folgte die Bibel.“

      Nachdem Carlos aus der katholischen Kirche ausgetreten war, sah er sich jahrelang bei verschiedenen anderen Religionen nach der Wahrheit um. Das unbefriedigende Ergebnis seiner Suche machte aus ihm einen Atheisten, bis er schließlich von Zeugen Jehovas besucht wurde und in ein Heimbibelstudium einwilligte. Heute ist Carlos ein Zeuge Jehovas.

      Auch Maria V. war eine praktizierende Katholikin. „Ich ging fast jeden Tag zur Messe“, sagt sie. „Außerdem gehörte ich einer Gruppe an, die sich La Acción Católica de Señoritas [Katholische Aktion junger Frauen] nannte.“ Maria erteilte mehrere Jahre lang Religionsunterricht. Worin bestand ihre Ausbildung? „Jeden Samstag sprach der Priester zu uns über die Platonische Philosophie und über andere Philosophien. Die meisten von uns verstanden nichts. Mir war bewußt, daß hier etwas nicht stimmte. Was ich lernte, stillte meine geistigen Bedürfnisse nicht.“ Was veränderte dann ihr Leben?

      „Mein Freund bezog regelmäßig die Zeitschrift Erwachet! und gab sie an mich weiter.“ Später besorgte sich Maria das Buch Vom verlorenen Paradies zum wiedererlangten Paradies und las es. „Von da an begann ich die Bibel wirklich zu verstehen — es fiel mir wie Schuppen von den Augen.“

      Maria und ihr Freund wurden Zeugen Jehovas und heirateten. Heute erteilt Maria keinen Unterricht mehr anhand des Katechismus, sondern sie führt zwölf Heimbibelstudien mit Personen durch, die die biblische Wahrheit kennenlernen möchten.

      Die Erkenntnis des Wortes Gottes hat auch einer Vielzahl aufrichtiger Menschen geholfen, die aus armseligen Verhältnissen stammen.

      Die Alternative der Bibel — das Reich Gottes

      In einem der bekanntesten Gebete hob Jesus Christus die einzige Hoffnung der Menschheit auf bessere Weltverhältnisse hervor. „Unser Vater im Himmel“, betete er inbrünstig, „dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde“ (Matthäus 6:9, 10 [Kursivschrift von uns]).

      Was wäre dir lieber: eine von Gott geführte Regierung oder die Herrschaft von Menschen? An dieser Frage kommt niemand vorbei. Vielleicht bist auch du in Anbetracht der gegenwärtigen Weltverhältnisse der Meinung, daß etwas anderes erforderlich ist als das, was der Mensch bisher zustande gebracht hat. Aber was kann das Reich Gottes für die Armen heute tun?

      Rafael R. stammt aus armseligen Verhältnissen, aus einer Familie mit neun Kindern. „Nach dem ersten Schuljahr ging ich von der Schule ab, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen“, erzählt er. „Wenn bei uns im Dorf die Ernte vorüber war, ging ich auf die Felder und sammelte alles Eßbare, was liegengeblieben war.“

      Als Rafael 15 war, nahm er jedoch eine üble und zudem teure Gewohnheit an. Er gab sein Geld — die wenigen Pesos, die er verdiente — für Alkohol aus. „Zweimal“, sagt Rafael, „so kann ich mich erinnern, habe ich sogar jemand überfallen, um das nötige Geld zum Weitertrinken zu haben.“

      Rafael heiratete und hatte schließlich zehn Kinder zu versorgen. Aber seine Trunksucht verschlimmerte sich noch. Carmen, seine Frau, berichtet: „Materiell hatten wir absolut nichts. Ich versuchte, ein wenig Geld mit Wäschewaschen zu verdienen, damit wir etwas auf dem Tisch hatten. Zum Frühstück und abends gab es meist nur eine Tasse Tee und ein Stück Brot. Mittags hatten wir nicht mehr als ein bißchen Suppe und vielleicht einige Kartoffeln oder ein Stück Kürbis. Manchmal gab es bei uns an einem Tag in der Woche Fleisch zu essen.“ Rafaels gewohnheitsmäßiger Alkoholgenuß schadete somit auch anderen. Bestand für diese Familie irgendeine Hoffnung?

      „Gewiß“, sagt Carmen, „doch mein Mann begann sich erst zu ändern, als wir mit Jehovas Zeugen die Bibel studierten. Wir lernten die Verheißung kennen, daß Jehova durch sein Königreich die Welt bald von Armut und Unterdrückung befreien wird. Endlich waren meine Gebete erhört worden!“ Rafael gab das Trinken auf und setzte das Königreich Gottes an die erste Stelle. Die biblische Erkenntnis half ihm, den „neuen Menschen“ anzuziehen (Epheser 4:22-24). Die Folge war, daß er und seine Familie nicht mehr unter völliger Armut zu leiden hatten. Rafael erzählt: „Wir sind zwar nicht reich und besitzen auch kein eigenes Haus; wir haben jedoch, was wir zum Leben benötigen, und sind glücklich.“

      Eine christliche Schulung kann auch verborgene Fähigkeiten fördern. Da Rafael seine Schulausbildung früh abgebrochen hatte, konnte er kaum lesen und schreiben. Doch der regelmäßige Besuch der Zusammenkünfte und die Beteiligung daran bewirkten, daß er beides lernte und nun gut beherrscht. Er hält jetzt vor der Versammlung sogar Ansprachen und führt mit seinen Kindern regelmäßig ein Heimbibelstudium durch. Das ist aber noch nicht alles.

      Rafael und seine Familie stellten fest, daß es noch einen weiteren Nutzen mit sich bringt, wenn man das Königreich an die erste Stelle setzt. „Als mein Mann zufolge seines Alkoholproblems krank war“, berichtet Carmen, „stand uns die Versammlung auf liebevolle Weise zur Seite.“ Wie? Sie erklärt: „Die Brüder halfen uns geistig und finanziell.“ Ja, in den Versammlungen innerhalb der weltweiten Bruderschaft des Volkes Jehovas unterstützt man sich gegenseitig liebevoll.

      Die Bibel gibt den Armen also doch eine realistische Hoffnung. Jesus sagte einmal: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere [das zum Leben Notwendige] dazugegeben“ (Matthäus 6:33). Wie Rafaels Beispiel zeigt, sind die Vorteile nicht nur materieller Art.

      Kann eine genaue Erkenntnis der Bibel auch dir eine Hilfe sein?

      Inwiefern geht dies auch dich etwas an?

      Der Apostel Paulus ermahnte wahre Christen seiner Tage: „Fragt euch selbst, ob ihr im Glauben seid, prüft euch selbst!“ (2. Korinther 13:5). Und Jesus richtete an seinen Vater die Worte: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Johannes 17:3).

      Stützt sich dein Glaube auf die Erkenntnis des ‘einzigen wahren Gottes’? Gleichst du den Beröern, die, wie die Bibel sagt, „freundlicher“ waren als die in Thessalonich? Denn „mit großer Bereitschaft nahmen sie das Wort auf und forschten Tag für Tag in den Schriften nach, ob sich dies wirklich so verhielte“ (Apostelgeschichte 17:11).

      Reagierst du ‘freundlich’ auf das Wort Gottes? Studierst du regelmäßig die Bibel? Das ist die einzige Möglichkeit, zu prüfen und zu erkennen, „was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Römer 12:2). In der Bibel wirst du lesen, daß Gott die Erde nicht nur von Armut, Unterdrückung und internationalen Auseinandersetzungen befreien wird, sondern auch von ‘Tränen, Tod, Trauer und Klage’ (Offenbarung 21:4). Das wird gewiß eine echte Befreiung sein!

      [Fußnoten]

      a Alle in diesem Artikel angeführten Bibeltexte sind der katholischen Neuen Jerusalemer Bibel entnommen.

      b Der Papst spricht ex cathedra, „wenn er unter Einsatz seiner Vollgewalt als Lehrer und Hirte der Gesamtkirche eine Glaubens- oder Sittenlehre als allgemein verbindliche Lehre vorlegt“.

      [Bilder auf Seite 9]

      „Ich widmete mein Leben dem Dienst für Gott und wollte ... ein guter Priester werden“ (Carlos)

      „Von da an begann ich die Bibel wirklich zu verstehen — es fiel mir wie Schuppen von den Augen“ (Maria)

      [Bild auf Seite 10]

      „Wir sind zwar nicht reich ...; wir haben jedoch, was wir zum Leben benötigen, und sind glücklich“ (Rafael)

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