Junge Leute fragen sich:
Warum mußte Vati sterben?
ALLE waren überrascht, als Jims Vater, den jeder als gesunden, kräftigen Mann kannte, ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Doch Jim war zuversichtlich, daß sein Vater bald wieder zu Hause sein würde. Der Zustand seines Vaters verschlechterte sich jedoch plötzlich, und er starb. „Ich weigerte mich zu glauben, daß ein so kerniger Mann sterben konnte“, sagt Jim.
Kims Vater war ein liebevoller Christ. Er war bereits wegen eines chronischen gesundheitlichen Problems im Krankenhaus gewesen, doch scheinbar ging es wieder bergauf. Dann brach er eines Tages im Badezimmer zusammen. „Als ich ihn sah, wußte ich sofort, daß er tot war“, erinnert sich Kim. „Meine Mutter und mein Bruder versuchten verzweifelt, ihm durch eine laienhafte Form der Herz-Lungen-Wiederbelebung zu helfen. Ich rannte in mein Zimmer und betete: ‚Bitte Jehova, laß es nicht zu! Bitte, laß ihn leben! ‘ Er kam jedoch nicht wieder zu Bewußtsein.“
In der heutigen Welt ist der Tod eine rauhe Realität. Die Bibel sagt: „Für alles gibt es eine bestimmte Zeit, ... eine Zeit zur Geburt und eine Zeit zum Sterben“ (Prediger 3:1, 2). Falls du christlich erzogen wurdest, hast du aus der Bibel kennengelernt, warum der Mensch stirbt und in welchem Zustand sich die Toten befinden, und du kennst auch die Lehre von der Auferstehungshoffnung.a
Und dennoch bist du wahrscheinlich völlig niedergeschmettert. Der Tod des Vaters oder der Mutter ist eine der bittersten Erfahrungen im Leben eines Menschen. Du magst dich verlassen und schutzlos fühlen. Dein körperlicher und emotionaler Wachstumsprozeß ist noch nicht abgeschlossen, und obwohl du vielleicht einen gewissen Grad der Unabhängigkeit erreicht hast, bist du in vielerlei Hinsicht nach wie vor auf deine Eltern angewiesen.b
Daher ist das Ergebnis einer Studie nicht überraschend, aus dem ersichtlich war, daß die größte Angst von Jugendlichen darin besteht, die Eltern zu verlieren. Eine Jugendliche gesteht: „Meistens gehen mir meine Eltern auf die Nerven, aber trotzdem fände ich es schrecklich, wenn ihnen etwas zustoßen würde. Davor habe ich Angst“ (The Private Life of the American Teenager).
Kein Wunder also, wenn du innerlich wie gelähmt bist. Möglicherweise bist du zumindest anfänglich so benommen, daß du nicht einmal weinen kannst. Das ist ganz natürlich. Als der Psalmist unter großem Druck stand, erklärte er: „Ich bin empfindungslos geworden und bin über die Maßen zerschlagen“ (Psalm 38:8). In dem Buch Death and Grief in the Family lesen wir: „Wer sich eine tiefe Schnittwunde zuzieht oder sich einen Knochen bricht, kommt in einen körperlichen Schock. Dieser Schock ist eine Art Schutzvorrichtung, die verhindert, daß der Betreffende die volle Wucht des Schmerzes ... [unmittelbar] zu spüren bekommt. Genauso läuft es ab, wenn jemand trauert.“ Was kann aber geschehen, wenn die erste Schockreaktion vorüber ist?
„Ich bin so wütend!“
Gemäß Lukas 8:52 „weinten alle und schlugen sich vor Leid“, als ein kleines Mädchen gestorben war. Ja, im Falle des Todes eines geliebten Menschen ist es normal, daß eine ganze Reihe heftiger Gefühle auf einen einstürmen, zum Beispiel Traurigkeit, Schuldgefühle, Angst und sogar Zorn.
Warum Zorn? Weil die Eltern einem ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Daher ist es normal, Angst zu haben und sich verlassen zu fühlen. Natürlich hat der Verstorbene dich nicht absichtlich verlassen. Doch der Tod ist unser Feind (1. Korinther 15:26). Wenn er einen geliebten Menschen fordert, empfindet man den Verlust als sehr real und schmerzlich. Beachte, wie die 18jährige Wendy es beschreibt: „Nach dem Tod meines Vaters fühlte ich mich mutterseelenallein, und ich hatte Angst. Wie oft wünschte ich mir, er wäre da, um mir zu helfen!“ Wenn du über das nachdenkst, was dir verlorengegangen ist — Liebe, Beistand, Belehrung —, magst du verständlicherweise zornig sein.
Debbie beispielsweise hatte ihren Onkel sehr gern. Nach seinem Tod schrieb sie: „Es schien einfach nicht fair zu sein, daß ein so guter Mensch, der bei allen beliebt war und der Jehova sehr liebte, solche Qualen durchmachen und schließlich sterben mußte. Ich bin zwar christlich erzogen worden und weiß, warum der Mensch alt wird und stirbt und warum gute Menschen leiden, aber auf den Zorn, der mich überkam, war ich nicht vorbereitet.“
Einige sind sogar in gewissem Maß auf den Verstorbenen selbst zornig. Victoria erzählt: „Letztes Jahr starb mein Opa. Ich war so wütend auf ihn, doch als die Wut vorüber war, blieb nichts als tiefe Trauer.“ Einige sind tatsächlich versucht, ihren Zorn gegen Gott zu richten. „Ich bin sauer auf Gott“, gibt die 14jährige Terri zu, die ihren Vater durch einen Herzinfarkt verloren hat. „Warum mußte mein Vater sterben, wo ich ihn doch liebhatte und ihn so sehr brauchte? “
„Jetzt quälen mich Schuldgefühle“
Schuldgefühle sind eine andere, häufig zu beobachtende Reaktion. „Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“, heißt es in der Bibel (Römer 3:23). Deswegen geraten die meisten Jugendlichen von Zeit zu Zeit mit ihren Eltern aneinander. Wenn aber der Vater oder die Mutter gestorben ist, kann die Erinnerung an diese früheren Auseinandersetzungen zu einer Ursache großen Kummers werden.
In solch einem Fall mag der Gedanke helfen, daß selbst Menschen, die sich gern haben, ab und zu völlig unterschiedlicher Meinung sind. „Ich hatte meine Mutter lieb“, sagt Elisa, „und ich weiß, daß sie mich auch liebhatte, doch in den Monaten, bevor sie krank wurde, kamen wir nicht so gut miteinander aus. Ich ärgerte mich oft über sie — über Sachen, die mir heute belanglos erscheinen, die aber damals für mich von großer Bedeutung waren. Einmal, als ich echt sauer auf sie war, rannte ich hoch in mein Zimmer und wünschte mir insgeheim ihren Tod. Als Mutti dann krank wurde und so plötzlich starb, blieben all diese Gefühlsregungen zurück, über die wir nie richtig miteinander gesprochen haben. Jetzt quälen mich Schuldgefühle.“ Ganz gleich, was du gesagt oder gefühlt hast, du hast den Tod deines Vaters oder deiner Mutter nicht verursacht. Es war nicht deine Schuld.
Die schmerzliche Trauer
Dennoch empfindest du unter Umständen tiefe Traurigkeit und Kummer. Schöpfe Trost aus der Tatsache, daß es Glaubensmännern und -frauen der alten Zeit genauso ging. Als Josephs geliebter Vater gestorben war, „fiel Joseph auf das Angesicht seines Vaters und brach über ihm in Tränen aus und küßte ihn“ (1. Mose 50:1). Auch Jesus Christus „brach in Tränen aus“, als sein Freund Lazarus gestorben war (Johannes 11:35).
Nun, wenn wir um unseren Vater oder um unsere Mutter trauern, ist es natürlich, von Zeit zu Zeit von Kummer überwältigt zu sein. Der Psalmist versuchte, seinen Schmerz zu beschreiben, und verglich sich mit jemandem, ‘der um eine Mutter trauert. Betrübt beugte er sich nieder’ (Psalm 35:14). Vielleicht bist du sogar aus lauter Traurigkeit ‘schlaflos vor Kummer’ (Psalm 119:28). Oder du verlierst deinen Appetit oder bist in der Schule plötzlich unkonzentriert. Möglicherweise bekommst du sogar Depressionen.
Zudem sind deine Geschwister und der hinterbliebene Elternteil wahrscheinlich selbst so niedergedrückt, daß sie dir keine große Hilfe oder Unterstützung sind, was alles noch schlimmer macht. Kim erinnert sich: „Nach der Beerdigung meines Vaters versuchten wir, zum Alltagsleben zurückzukehren. Nun war Mutti das Familienhaupt. Doch manchmal brach sie mitten im Familienbibelstudium zusammen und fing an zu weinen. Ich hörte sie nachts weinen und den Namen meines Vaters rufen.“
Trost finden
Der Prophet Jeremia sagte einmal: „Unheilbarer Kummer ist in mir aufgekommen. Mein Herz ist krank“ (Jeremia 8:18). Möglicherweise meinst auch du, die Traurigkeit werde nie mehr vorübergehen. Beachte jedoch, was der Apostel Paulus sagte: „Gesegnet sei ... der Gott allen Trostes, der uns tröstet in all unserer Drangsal“ (2. Korinther 1:3, 4). Gott bietet uns vor allem durch sein geschriebenes Wort, die Bibel, Trost. Außerdem kann sein Geist Freunde und Angehörige dazu bewegen, die nötige Hilfe und den nötigen Beistand zu leisten.
Laß nicht zu, daß fehlgerichteter Zorn dich davon abhält, bei Gott Trost zu suchen. Der gerechte Hiob beging den Fehler, Gott für seine schmerzlichen Verluste verantwortlich zu machen. Verbittert erklärte er: „Sorglos war ich; da hat er [Gott] mich überfallen, er hat mich beim Nacken ergriffen und zerschmettert“ (Hiob 16:12, Schlachter). Doch Hiob war im Unrecht. Nicht Gott, sondern Satan war der Urheber seiner Schwierigkeiten. Der junge Elihu mußte Hiob daran erinnern, daß „Gott selbst ... nicht böse [handelt], und der Allmächtige selbst verdreht das Recht nicht“. Später widerrief Hiob all seine vorschnellen Äußerungen (Hiob 34:12; 42:6).
Vielleicht benötigst auch du Hilfe, damit du die Angelegenheit etwas ausgeglichener betrachtest. Kim erinnert sich: „Ein schon etwas älterer Ältester unterhielt sich mit uns über die Auferstehungshoffnung, und wir lasen gemeinsam einige Bibeltexte, unter anderem Johannes 5:28, 29 und 1. Korinther 15:20. Er sagte: ‚Euer Vater wird wieder leben, aber ihr müßt treu bleiben, wenn ihr ihn im Paradies wiedersehen möchtet.‘ Das werde ich nie vergessen. Dann sagte er noch, es sei nicht der Vorsatz Gottes gewesen, daß die Menschen sterben. Mir wurde klar, daß Gott nichts mit dem Tod meines Vaters zu tun hat.“
Kims Schmerz verschwand zwar nicht sofort, weil sie den Tod ihres Vaters nun vom biblischen Standpunkt aus betrachtete, aber es war immerhin ein Anfang. Auch du kannst aus deiner Trauer und deinem Kummer herausfinden. Wie du dabei vorgehen kannst, wird im nächsten Artikel dieser Serie behandelt.
[Fußnoten]
a Weitere Informationen sind in dem Buch enthalten Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben, herausgegeben von der Wachtturm-Gesellschaft.
b Der Artikel bezieht sich auch auf Jugendliche, die einen anderen Angehörigen verloren haben, zum Beispiel den Großvater oder die Großmutter, Tante oder Onkel — einen Menschen, der ihnen besonders nahestand.
[Bild auf Seite 26]
Der Tod der Mutter kann eine der bittersten Erfahrungen im Leben eines Menschen sein