Junge Leute fragen sich:
Wie kann ich über Vatis Tod hinwegkommen?
„Mein Vati starb auf dem Sofa. Dort habe ich ihn auch gefunden. Er hatte einen Herzanfall gehabt. Es war wirklich furchtbar, ich hatte mich doch so gut mit ihm verstanden. ... Mutti weint nachts immer noch. Ohne Vati ist irgendwie alles anders“ (Emily).
„DER Tod des Vaters, der Mutter oder eines anderen nahen Familienangehörigen löst bei einem Heranwachsenden eine starke seelische Erschütterung aus“, schreibt die Autorin Kathleen McCoy. „Er kann zeitweise von Trauer, Panik, Zorn oder von Schuldgefühlen übermannt werden.“ Wenn dein Vater oder deine Mutter gestorben ist, dann weißt du sehr gut, wie schmerzlich das sein kann.
Es ist jedoch etwas ganz Natürliches, wenn man nach dem Tod eines lieben Menschen meint, von seinen Gefühlen gefangengenommen zu sein. Die Bibel berichtet davon, daß der Patriarch Jakob vor lauter Trauer „seine Überwürfe [zerriß]“, als er die Nachricht erhielt, sein Sohn Joseph sei tot. Und obwohl ‘alle seine Söhne und alle seine Töchter sich wiederholt aufmachten, ihn zu trösten, weigerte er sich immer wieder, sich trösten zu lassen’ (1. Mose 37:34, 35). Vielleicht meinst auch du, der Schmerz sei zu übermächtig, als daß er jemals wieder nachlassen könnte.
Mit der Zeit kann er aber nachlassen. Um das zu erreichen, muß man sich ihm allerdings stellen, statt ihn ignorieren zu wollen. John, einem Jugendlichen, war es zum Beispiel nicht anzumerken, daß er um einen Familienangehörigen trauerte. Allerdings fing er an, sich in der Schule mit anderen zu prügeln. Er erklärte: „Ich schleppe einen tiefen Schmerz mit mir herum. Ich hab’ versucht, ihn loszuwerden, indem ich mich mit anderen geprügelt hab’, aber das hat nichts gebracht.“
Andere Jugendliche versuchen, den Schmerz zu unterdrücken, indem sie ständig auf Achse sind. Wenn sie gefragt werden, wie es ihnen geht, wehren manche diese Frage mit gespielter Fröhlichkeit ab. Eine Zeitlang lassen sich schmerzliche Gefühle dadurch verdrängen, aber nicht lange. In Sprüche 14:13 lesen wir: „Auch beim Lachen kann das Herz Schmerz empfinden.“
Interessanterweise hieß es in einem Artikel einer Jugendzeitschrift: „Wie eine Studie ergab, zeigten die Jugendlichen, die natürliche Empfindungen wie Trauer, Zorn oder Schuldgefühle nach dem Tod eines Angehörigen unterdrückten, ein zerstörerisches Verhalten — es kam zu Alkohol- und Drogenmißbrauch, zu Risikobereitschaft (wie schnelles Autofahren) sowie zu kriminellem Verhalten.“ Zum Glück gibt es bessere Methoden, über Trauer hinwegzukommen.
„Eine Zeit zum Weinen“
In Prediger 7:2 heißt es: „Besser ist es, in das Haus der Trauer zu gehen, als in das Haus des Festmahls zu gehen, denn das ist das Ende aller Menschen; und der Lebende sollte es sich zu Herzen nehmen.“ Der Tod kann furchteinflößend sein. Und wenn ein Freund oder ein anderer lieber Mensch gestorben ist, mögen manche der schmerzlichen Realität zu entfliehen suchen, indem sie in „das Haus des Festmahls“ gehen und ausgelassen feiern. Salomo fordert jedoch dazu auf, sich dem Problem zu stellen und in „das Haus der Trauer“ zu gehen. Er fügt hinzu: „Verdruß ist besser als Lachen; denn wenn das Angesicht traurig ist, so wird das Herz gebessert“ (Prediger 7:3, Schlachter).
Dieser Ratschlag richtete sich zwar in erster Linie an Freunde und Verwandte des Hinterbliebenen, aber auch für den Hinterbliebenen selbst ist es von Nutzen, sich dem schmerzlichen Verlust zu stellen. Es gibt „eine Zeit zum Weinen“ (Prediger 3:4). In biblischer Zeit hielten sich gottesfürchtige Männer und Frauen daher nicht zurück, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, statt sie zu unterdrücken. (Vergleiche 1. Mose 23:2; 2. Samuel 1:11, 12.)
Seinen Gefühlen der Trauer freien Lauf zu lassen hat so manchen Vorteil. In dem Buch The Art of Condolence wird gesagt: „Die Hinterbliebenen müssen dem Schmerz und der Qual ihrer Trauer Raum geben. Sich diesem Prozeß entgegenzustellen verzögert das Darüberhinwegkommen.“ Manchen Jungen, denen man das Märchen erzählt hat, starke Männer würden nicht weinen, wird es allerdings besonders schwer fallen, ihre Gefühle zu zeigen. Der größte Mensch, der je lebte, brach jedoch in aller Öffentlichkeit in Tränen aus, als sein Freund Lazarus gestorben war (Johannes 11:35). Und sicher ist es angebracht, zu weinen, wenn man Vater oder Mutter durch den Tod verloren hat. Zögere daher nicht, zu trauern und zu weinen. (Vergleiche Jakobus 4:9.) Das Buch Death and Grief in the Family sagt dazu: „Zu weinen ist eine der wichtigsten Methoden, Traurigkeit zu überwinden.“
Die Traurigkeit überwinden
In biblischer Zeit zeigte König David seine Trauer um seinen besten Freund Jonathan nicht nur durch Weinen, sondern auch, indem er seine Gefühle aufschrieb. „Ich bin bekümmert deinetwegen, mein Bruder Jonathan, sehr angenehm warst du mir“, schrieb David in dem wunderschönen Klagelied, das er „Den Bogen“ nannte (2. Samuel 1:18, 26).
Vielleicht findest auch du es hilfreich, deine Gefühle in schriftlicher Form auszudrücken. Das Buch Giving Sorrow Words sagt dazu: „Gefühle aufzuschreiben kann als Ventil für aufgestaute Emotionen dienen. ... Schreibe, wenn du ärgerlich wirst oder wenn du traurig bist.“ Shannon erzählt: „Ich führte Tagebuch. Ich schrieb immer auf, wie ich empfand. Alle meine Gefühle kamen aufs Papier, jede Stimmung, und das hat mir unwahrscheinlich geholfen.“
Körperliche Betätigung ist eine weitere Hilfe. „Die Leibesübung ist ... nützlich“, sagt die Bibel (1. Timotheus 4:8). Und in einem Buch über das Trauern steht geschrieben: „Körperliche Betätigung ist eine gute Möglichkeit, Energie freizusetzen.“ Ein anregender Lauf, ein flotter Spaziergang oder etwas Fahrradfahren kann viel dazu beitragen, die innere Spannung abzubauen, die sich durch Trauer und Bekümmertsein aufstauen kann.
Sprich mit jemandem
Gib aber acht, daß du dich nicht völlig von anderen zurückziehst (Sprüche 18:1). In Sprüche 12:25 lesen wir: „Angstvolle Besorgtheit im Herzen eines Mannes wird es niederbeugen, aber das gute Wort erfreut es.“ Wann bekommt jemand, der betrübt ist, ein ‘gutes Wort’ der Ermunterung zu hören? Erst dann, wenn er mit jemandem spricht und ihm seine „angstvolle Besorgtheit“ mitteilt. Warum probierst du das nicht einmal? Schütte dein Herz jemandem aus, dem du vertraust.
Falls deine Mutter gestorben ist, liegt es nahe, daß du dich an deinen gottesfürchtigen Vater wendest. Was aber, wenn er selbst so vom Schmerz übermannt ist, daß er gar nicht in der Lage ist, dir zu helfen? Nun, in der Christenversammlung gibt es reife Personen, die Hilfe bieten können. Sprüche 17:17 sagt: „Ein wahrer Gefährte liebt allezeit und ist ein Bruder, der für die Zeit der Bedrängnis geboren ist.“ Morfydd stützte sich nach dem Tod ihrer Mutter ganz besonders auf die Ortsversammlung der Zeugen Jehovas. „Alle Ältesten leisteten echten Beistand, aber besonders einer hatte immer ein offenes Ohr für mich“, erinnert sie sich.
Warum nicht nach dieser Art Hilfe und Beistand suchen? Geh auf jemanden zu, und laß ihn wissen, daß du dich aussprechen mußt. Möglicherweise verspürst du Wut oder Angst oder hast Schuldgefühle. Oder du bist einfach nur einsam und vermißt den Verstorbenen. Es kann dir wirklich helfen, einem mitfühlenden Zuhörer von deinen Gefühlen zu erzählen.
Dem hinterbliebenen Elternteil Beistand leisten
Einige Jugendliche vergrößern jedoch ihren Kummer, indem sie sich etwas aufladen, auf das sie noch gar nicht vorbereitet sind. Zu Hause geht wahrscheinlich alles drunter und drüber. Dein Vater oder deine Mutter mag verständlicherweise angespannt, gereizt und vor allem traurig sein. Du bemerkst das und möchtest natürlich helfen. Eine auf dem Gebiet der Trauerforschung bekannte Autorität sagte, daß „Heranwachsende ... ihre Trauer teilweise dadurch unterdrücken, daß sie auf falsche Weise versuchen, dem hinterbliebenen Elternteil zu helfen“. Möglicherweise „versuchen sie, sich wie Erwachsene zu verhalten, und übernehmen sogar zusätzliche Verantwortung“.
Natürlich kann es sein, daß dir gar nichts anderes übrigbleibt, als einige zusätzliche Verantwortungen zu übernehmen. Das macht dich aber nicht zum Chef im Haus. Die Verantwortung trägt nach wie vor dein Vater oder deine Mutter, und du kannst besser Beistand leisten, wenn du kooperativ und gehorsam bist, anstatt die „Macht“ an dich zu reißen (Epheser 6:1). Denke daran, daß ‘Weisheit bei den Bescheidenen ist’ (Sprüche 11:2). Bescheiden zu sein bedeutet unter anderem, seine Grenzen zu kennen.
Das solltest du besonders dann im Sinn behalten, wenn Vater oder Mutter sich bei dir Rat holen möchte oder dich mit den Sorgen eines Erwachsenen belastet. Du möchtest zwar freundlich und hilfsbereit sein, aber Bescheidenheit wird dir erkennen helfen, daß deine Lebenserfahrung nicht die größte ist. (Vergleiche Hebräer 5:14.) Falls du dich daher irgendwie überfordert fühlst, sage dies offen, doch respektvoll (Sprüche 15:22). Vielleicht kannst du vorschlagen, den Beistand von Erwachsenen in der Versammlung zu suchen.
Mit dem Tod eines Elternteils fertig zu werden ist bestimmt alles andere als einfach. Sei jedoch versichert, daß du nach einiger Zeit nicht mehr von deiner Traurigkeit beherrscht wirst. (Vergleiche 1. Mose 24:67.) Ab und zu werden dir noch traurige Erinnerungen in den Sinn kommen. Doch es gibt auch liebe und tröstliche Erinnerungen, bei denen du verweilen kannst. Vergiß niemals, daß Jehova an dir interessiert ist und daß er deine Traurigkeit versteht. Fühlst du dich allein und verlassen, so denke an die Worte des Psalmisten: „Falls mein eigener Vater und meine eigene Mutter mich verließen, würde ja Jehova selbst mich aufnehmen“ (Psalm 27:10).
Denke auch immer wieder über die biblische Auferstehungshoffnung nach und über die Aussicht, den Verstorbenen eines Tages auf einer paradiesischen Erde wiederzusehen (Lukas 23:43; Apostelgeschichte 24:15). Kim, deren Vater gestorben war, sagte: „Jeden Tag denke ich an ihn. Doch ich weiß, er hätte nicht gewollt, daß wir aufgeben und unseren Dienst für Jehova vernachlässigen. Wenn er auferweckt wird, möchte ich dasein, um ihn willkommen zu heißen“ (Johannes 5:28, 29).
[Bild auf Seite 23]
Die Tränen fließen zu lassen kann helfen, über den Verlust hinwegzukommen