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  • Sind solche Gefühle normal?
    Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist
    • Sind solche Gefühle normal?

      EIN Mann, der einen geliebten Menschen verloren hat, schreibt: „Ich bin in England aufgewachsen; mir wurde beigebracht, meine Empfindungen nicht öffentlich zu zeigen. Ich kann mich noch erinnern, daß mein Vater, ein ehemaliger Soldat, mit allem Nachdruck zu mir sagte: ‚Weine nicht!‘, wenn mir etwas weh tat. Ich kann mich nicht entsinnen, daß unsere Mutter jemals eines von uns vier Kindern küßte oder umarmte. Ich war 56, als ich meinen Vater sterben sah. Für mich war das ein enormer Verlust. Dennoch konnte ich zunächst nicht weinen.“

      In einigen Kulturen bringt man seine Gefühle offen zum Ausdruck. Ob man glücklich oder traurig ist, andere erkennen, wie einem zumute ist. In manchen Teilen der Welt dagegen, zum Beispiel in Nordeuropa und England, sind es die Menschen, besonders die Männer, gewohnt, ihre Gefühle zu verbergen, ihre Empfindungen zu unterdrücken, Haltung zu bewahren und das Herz nicht auf der Zunge zu haben. Ist es aber verkehrt, zu trauern, wenn man einen geliebten Menschen durch den Tod verloren hat? Was sagt die Bibel?

      Biblische Personen, die weinten

      Die Bibel wurde von Hebräern aus dem östlichen Mittelmeerraum geschrieben — ein Volk, das seine Gefühle nicht verbarg. Sie enthält viele Beispiele von Menschen, die ihre Trauer offen zum Ausdruck brachten. König David trauerte um seinen ermordeten Sohn Amnon. Ja, er brach „in sehr großes Weinen“ aus (2. Samuel 13:28-39). Er trauerte sogar über den Verlust seines verräterischen Sohnes Absalom, der versucht hatte, das Königtum an sich zu reißen. Der Bibelbericht lautet: „Da geriet der König [David] in Bestürzung und ging zum Dachgemach über dem Toreingang hinauf und brach in Weinen aus; und dies ist, was er im Gehen sprach: ‚Mein Sohn Absalom, mein Sohn, mein Sohn Absalom! O daß ich, ja ich, statt deiner gestorben wäre, Absalom, mein Sohn, mein Sohn!‘ “ (2. Samuel 18:33). David trauerte wie jeder andere Vater. Und wie oft haben sich Eltern schon gewünscht, sie hätten anstelle ihrer Kinder sterben können! Es scheint so unnatürlich zu sein, daß ein Kind vor seiner Mutter oder seinem Vater stirbt.

      Wie reagierte Jesus auf den Tod seines Freundes Lazarus? Er weinte, als er in die Nähe der Gruft kam (Johannes 11:30-38). Später weinte Maria Magdalene, als sie sich Jesu Grab näherte (Johannes 20:11-16). Freilich ist ein Christ, der ein Verständnis der biblischen Auferstehungshoffnung hat, nicht untröstlich wie viele, die für ihre Glaubensansichten über den Zustand der Toten keine richtige biblische Grundlage haben. Aber als ein Mensch mit normalen Empfindungen trauert ein wahrer Christ trotz der Hoffnung auf eine Auferstehung über den Verlust eines geliebten Menschen (1. Thessalonicher 4:13, 14).

      Weinen oder nicht weinen

      Wie reagieren wir heute? Findest du es schwierig oder peinlich, deine Gefühle zum Ausdruck zu bringen? Was empfehlen Berater? Ihre neuzeitlichen Ansichten sind oft nur das Echo der alten von Gott inspirierten Weisheit der Bibel. Sie sagen, wir sollten unsere Trauer zum Ausdruck bringen, nicht unterdrücken. Das erinnert uns an treue Männer der alten Zeit, wie Hiob, David und Jeremia, deren Äußerungen der Trauer in der Bibel aufgezeichnet sind. Sie unterdrückten ihre Gefühle wirklich nicht. Es ist deshalb nicht ratsam, sich von anderen Menschen abzusondern (Sprüche 18:1). Trauer wird je nach den Bräuchen und der Kultur sowie den vorherrschenden religiösen Ansichten unterschiedlich zum Ausdruck gebracht.a

      Und wenn dir zum Weinen zumute ist? Zu weinen ist eine natürliche Reaktion des Menschen. Denke nochmals an die Begebenheit, als Lazarus starb: Jesus „seufzte . . . im Geist und . . . brach in Tränen aus“ (Johannes 11:33, 35). Dadurch gab er zu verstehen, daß Weinen eine normale Reaktion auf den Tod eines geliebten Menschen ist.

      Trauernde Menschen

      Es ist normal, zu trauern und zu weinen, wenn man einen geliebten Menschen durch den Tod verloren hat

      Anne, eine Mutter, die Rachel, ihr Baby, durch den plötzlichen Kindstod (SIDS) verlor, ist dafür ein Beweis. Ihr Mann berichtet: „Überraschenderweise weinte weder Anne noch ich bei der Beerdigung. Alle weinten außer uns.“ Dann warf Anne ein: „Ja, aber ich habe für uns beide genug geweint. Ich denke, einige Wochen nach dem tragischen Vorfall kam es mir richtig zum Bewußtsein, als ich eines Tages allein zu Hause war. Ich weinte von morgens bis abends. Doch ich glaube, das half mir. Ich fühlte mich danach besser. Ich mußte über den Tod meines Babys trauern. Meiner Meinung nach sollte man Trauernde weinen lassen. Obgleich es ganz natürlich ist, daß andere sagen: ‚Weine nicht‘, hilft das nicht weiter.“

      Wie manche reagieren

      Wie reagieren manche auf den Verlust eines geliebten Menschen? Nehmen wir als Beispiel Juanita. Sie weiß, wie es ist, ein Baby zu verlieren. Sie hatte bereits fünf Fehlgeburten hinter sich und war wieder schwanger. Als sie nach einem Autounfall ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte, war sie verständlicherweise sehr beunruhigt. Zwei Wochen später setzten die Wehen ein — verfrüht. Kurz danach wurde die kleine Vanessa geboren. Sie wog nur 900 Gramm. „Ich war so aufgeregt“, erinnert sie sich. „Endlich war ich Mutter!“

      Aber ihr Glück war von kurzer Dauer. Vier Tage später starb Vanessa. Juanita sagt: „Ich fühlte mich so leer. Die Mutterschaft war mir genommen worden. Ich kam mir als nicht vollwertige Frau vor. Es war ein qualvoller Augenblick, als ich zu Hause in das Zimmer ging, das wir für Vanessa vorbereitet hatten, und die kleinen Hemdchen sah, die ich für sie gekauft hatte. In den nächsten Monaten durchlebte ich den Tag ihrer Geburt immer und immer wieder. Ich wollte mit niemandem mehr etwas zu tun haben.“

      Eine extreme Reaktion? Es mag für andere schwierig sein, dies zu verstehen, aber Frauen, die ähnliches wie Juanita durchgemacht haben, erklären, daß sie um ihr Baby genauso trauerten, wie sie um ein größeres Kind getrauert hätten. Das Kind wird, wie sie sagen, bereits lange vor der Geburt von den Eltern geliebt. Es besteht eine bestimmte Bindung zur Mutter. Wenn dieses Baby dann stirbt, hat die Mutter das Empfinden, eine richtige Person verloren zu haben. Und das sollten andere verstehen.

      Wie sich Zorn und Schuldgefühle auswirken können

      Eine andere Mutter erklärte, wie sie reagierte, als sie erfuhr, daß ihr sechsjähriger Junge, der einen angeborenen Herzfehler hatte, plötzlich gestorben war. „Ich machte die verschiedensten Reaktionen durch — Betäubtsein, Nichtwahrhabenwollen, Schuldgefühle und Zorn auf meinen Mann und auf den Arzt, weil sie den Ernst der Lage unterschätzt hatten.“

      Zorn kann also ein weiteres Symptom für Trauer sein. Vielleicht ist man über die Ärzte und Krankenschwestern zornig und denkt, sie hätten mehr für den Verstorbenen tun sollen. Oder man ist zornig über Freunde und Verwandte, die, wie es scheint, das Falsche sagen oder tun. Einige werden auf den Verstorbenen zornig, weil er ihrer Meinung nach seine Gesundheit vernachlässigt hat. Stella erzählt: „Ich erinnere mich, daß ich mich über meinen Mann ärgerte, weil ich wußte, daß es hätte anders sein können. Er war sehr krank, aber er gab nichts auf die Warnungen der Ärzte.“ Und manchmal ist man auf den Verstorbenen zornig wegen der Bürden, die sein Tod für die Hinterbliebenen mit sich bringt.

      Manche fühlen sich wegen ihres Zornes schuldig — sie machen sich Vorwürfe, weil sie ärgerlich sind. Andere geben sich selbst die Schuld am Tod ihres Angehörigen. „Er wäre nicht gestorben“, reden sie sich ein, „wenn ich nur dafür gesorgt hätte, daß er eher zum Arzt gegangen wäre.“ Oder: „. . . daß er zu einem anderen Arzt gegangen wäre.“ Oder: „. . . daß er sich mehr um seine Gesundheit gekümmert hätte.“

      Eine Mutter erinnert sich, wie sie ihr Kind im Arm hält

      Der Verlust eines Kindes führt zu einem schrecklichen Trauma — aufrichtiges Mitleid und Einfühlungsvermögen können den Eltern helfen

      Bei anderen sitzt das Schuldgefühl noch tiefer, besonders wenn der geliebte Mensch plötzlich, unerwartet gestorben ist. Sie beginnen, sich in den Sinn zurückzurufen, wann sie sich über den Verstorbenen geärgert oder sich mit ihm gestritten haben. Vielleicht denken sie auch, sie hätten sich ihm gegenüber nicht richtig verhalten. Sie quälen sich mit Gedanken darüber, was sie hätten tun sollen und was nicht.

      Die anhaltende Trauer vieler Mütter stützt die Ansicht vieler Experten, die sagen, daß der Tod eines Kindes bei den Eltern eine bleibende Lücke hinterläßt, besonders bei der Mutter.

      Wenn man den Ehegefährten verliert

      Der Verlust des Ehepartners kann zu einer anderen Art von Trauma führen, besonders wenn die beiden zusammen ein sehr aktives Leben geführt haben. Mit dem gemeinsamen Leben ist es nun zu Ende — mit den gemeinsamen Reisen, der Zusammenarbeit, der gemeinsamen Freizeitgestaltung und der gegenseitigen Abhängigkeit.

      Eunice erzählt, was geschah, als ihr Mann plötzlich an einem Herzinfarkt starb. „In der ersten Woche fühlte ich mich innerlich leer und war wie empfindungslos, so als ob bei mir nichts mehr funktionierte. Ich konnte nicht einmal mehr schmecken oder riechen. Unabhängig davon war ich weiterhin in der Lage, logisch zu denken. Da ich dabei war, als man versuchte, meinen Mann durch eine Herz-Lungen-Wiederbelebung zu retten, traten bei mir die üblichen Erscheinungen des Nichtwahrhabenwollens nicht auf. Trotzdem überkam mich ein Gefühl völliger Hilflosigkeit; mir war, als sähe ich ein Auto über den Rand eines Abgrundes fahren, und ich konnte es nicht aufhalten.“

      Weinte sie? „Natürlich weinte ich, besonders wenn ich die Hunderte von Beileidskarten las, die ich bekam. Ich weinte bei jeder. Das half mir, den Rest des Tages zu überstehen. Aber die so oft gestellte Frage, wie es mir gehe, war mir keine Hilfe. Ich fühlte mich einfach miserabel.“

      Was half Eunice, ihre Trauer durchzustehen? „Ohne mir dessen bewußt zu sein, faßte ich den Entschluß, einfach weiterzuleben“, sagt sie. „Was mir aber immer noch weh tut, ist der Gedanke, daß mein Mann, der das Leben so sehr geliebt hat, nicht mehr da ist, um sich daran zu erfreuen.“

      „Laß dir von anderen keine Vorschriften machen“

      Die Autoren des Buches Leavetaking—When and How to Say Goodbye geben folgenden Rat: „Man sollte sich von anderen nicht vorschreiben lassen, wie man handeln oder empfinden sollte. Der Prozeß des Trauerns vollzieht sich bei jedem Menschen anders. Manche mögen denken — und vielleicht sagen sie dir auch, was sie denken —, du würdest zuviel oder nicht genug trauern. Vergib ihnen, und vergiß es. Wenn du dich von anderen oder von der Gesellschaft als Ganzem in eine von ihr entworfene Form pressen läßt, beeinträchtigst du die Wiederherstellung deiner seelischen Gesundheit.“

      Natürlich versucht jeder auf seine Art, mit der Trauer fertig zu werden. Wir sagen nicht, daß die eine Art für jeden unbedingt besser ist als eine andere. Die Gefahr besteht jedoch, daß es zu einer Stagnation kommt und der Trauernde nicht mehr in der Lage ist, sich mit der Realität seiner Situation abzufinden. In diesem Fall ist die Hilfe mitfühlender Freunde nötig. Die Bibel sagt: „Ein wahrer Gefährte liebt allezeit und ist ein Bruder, der für die Zeit der Bedrängnis geboren ist.“ Scheue dich also nicht, Hilfe zu suchen, um zu reden und zu weinen (Sprüche 17:17).

      Trauer ist eine normale Reaktion auf einen Verlust, und es ist nicht verkehrt, anderen zu zeigen, daß man trauert. In Verbindung damit gibt es indes noch weitere Fragen, die beantwortet werden müssen, zum Beispiel: „Wie kann ich mit meiner Trauer leben? Ist es normal, Schuldgefühle zu haben und zornig zu sein? Wie soll ich mit diesen Reaktionen umgehen? Was kann mir helfen, den Verlust und die Trauer zu durchleben?“ Im nächsten Teil werden diese und andere Fragen beantwortet.

  • Sind solche Gefühle normal?
    Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist
    • Der Prozeß des Trauerns

      Mit dem Wort „Prozeß“ soll nicht gesagt werden, daß die Trauer nach einem festen Schema oder Programm verläuft. Trauerreaktionen sind von Fall zu Fall verschieden; sie können sich überschneiden und unterschiedlich lang andauern. Die angeführte Liste ist nicht vollständig. Es können sich auch andere Reaktionen einstellen. Nachstehend sind einige Symptome erwähnt, die sich zeigen können:

      Erste Reaktionen: Schock; Nichtwahrhabenwollen; Betäubtsein; Schuldgefühle; Zorn.

      Die akute Trauer kann folgendes einschließen: Gedächtnisverlust und Schlaflosigkeit; Übermüdung; plötzliche Stimmungsschwankungen; Fehlurteile und Fehleinschätzungen; Weinkrämpfe; Veränderung des Appetits mit Gewichtszunahme oder -abnahme; verschiedene Symptome für gesundheitliche Störungen; Teilnahmslosigkeit; verminderte Arbeitsfähigkeit; Halluzinationen, das heißt den Verstorbenen fühlen, hören oder sehen; unvernünftiger Groll auf den Ehepartner, bei dem Verlust eines Kindes.

      Die Phase des Sichabfindens: Mit Sehnsucht einhergehende Traurigkeit; überwiegend angenehme Erinnerungen an den Verstorbenen, zuweilen sogar mit Humor gefärbt.

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    • Die Trauer von Müttern nach einer Fehl- oder einer Totgeburt

      Monna, die bereits mehrere Kinder hatte, sah der Geburt ihres nächsten Sprößlings mit freudiger Erwartung entgegen. Vor der Geburt spielte sie mit ihm, sprach mit ihm und träumte von ihm.

      Die Bindung zwischen der Mutter und dem ungeborenen Kind war stark. Sie sagt: „Rachel Anne war ein Baby, das so kräftig gegen meinen Bauch trat, daß mir Bücher hinunterrutschten, und das mich nachts wach hielt. Ich kann mich noch an die ersten leichten Stöße erinnern — zaghafte, liebevolle Stupser. Immer wenn sie sich bewegte, wurde ich von Liebe erfüllt. Ich kannte sie so gut, daß ich wußte, wann sie Schmerzen hatte, wann es ihr schlechtging.“

      Monna erzählt weiter: „Der Arzt wollte mir nicht glauben, bis es zu spät war. Er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Ich glaube, ich spürte, wie sie starb. Sie drehte sich plötzlich mit aller Kraft um. Am nächsten Tag war sie tot.“

      Monnas Erlebnis ist kein Einzelfall. Die Autorinnen R. Friedman und B. Gradstein schreiben in ihrem Buch Surviving Pregnancy Loss (Eine Fehlgeburt verwinden), daß allein in den Vereinigten Staaten jährlich rund eine Million Schwangere ihr Kind verlieren. Weltweit ist die Zahl natürlich weit größer.

      Oft erkennen andere nicht, daß eine Fehl- oder eine Totgeburt für eine Frau etwas äußerst Tragisches ist und daß sie trauert — vielleicht ihr Leben lang. Veronica aus New York zum Beispiel, die nun die Fünfzig überschritten hat, denkt immer noch an ihre Fehlgeburten, besonders an das totgeborene Baby, das bis zum neunten Monat lebte und bei der Geburt 12 Pfund wog. Mindestens zwei Wochen lang trug sie es tot im Leib. Sie sagt: „Ein totes Baby zur Welt zu bringen ist für eine Mutter etwas Schreckliches.“

      Die Reaktionen solcher verzweifelten Mütter werden selbst von anderen Frauen nicht immer verstanden. Eine Frau, die ihr Kind durch eine Fehlgeburt verloren hat, schreibt: „Ich lernte auf schmerzliche Weise, daß ich, ehe dies geschah, keine Ahnung hatte, was meine Freundinnen durchgemacht hatten. Ich war ihnen gegenüber so gefühllos, wie es nach meinem Empfinden andere Leute jetzt mir gegenüber sind.“

      Ein trauerndes Ehepaar hält sich im Arm

      Ein weiteres Problem für die trauernde Mutter ist der Eindruck, daß ihr Mann den Verlust nicht so empfindet wie sie. Eine Frau erzählt: „Damals war ich von meinem Mann tief enttäuscht. Er verhielt sich so, als ob ich gar nicht schwanger gewesen wäre. Er konnte nicht nachfühlen, welches Leid ich durchlitt. Er hatte sehr viel Verständnis für meine Ängste, aber nicht für meine Trauer.“

      Diese Reaktion ist für einen Ehemann vielleicht natürlich — er hat nicht wie seine schwangere Frau die körperliche und emotionelle Bindung zu dem Kind. Dennoch leidet er unter dem Verlust. Es ist für den Mann und die Frau wichtig, zu erkennen, daß sie gemeinsam leiden, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Sie sollten ihren Kummer teilen. Wenn der Mann seinen Kummer verbirgt, hält seine Frau ihn womöglich für gefühllos. Weint daher gemeinsam, und tauscht Gedanken und Zärtlichkeiten aus. Gebt zu erkennen, daß ihr einander braucht wie nie zuvor. Ja, ihr Ehemänner, bekundet Mitgefühl.

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    • Der plötzliche Kindstod — Die Trauer durchstehen

      Der plötzliche Tod eines Babys ist eine verheerende Tragödie. Ein offenbar normales, gesundes Baby wacht nicht mehr auf. Es ist etwas völlig Unerwartetes, denn wer rechnet schon damit, daß ein Kind eher als seine Eltern stirbt? Ein Baby, das von seiner Mutter mit endloser Liebe überschüttet worden ist, gibt der Mutter plötzlich Anlaß zu endloser Trauer.

      Schuldgefühle werden übermächtig. Die Eltern fühlen sich für den Tod verantwortlich, als hätten sie das Kind vernachlässigt. Sie fragen sich: „Was hätten wir dagegen tun können?“b Mitunter mag der Vater unbegründeterweise und unbewußt sogar seiner Frau die Schuld geben. Als er zur Arbeit ging, war das Baby lebendig und gesund. Als er nach Hause kam, war es in seinem Bettchen gestorben. Was war mit seiner Frau? Wo war sie zu der Zeit? Diese quälenden Fragen müssen geklärt werden, damit die Ehe nicht belastet wird.

      Unvorhergesehene und unvorherzusehende Umstände verursachten die Tragödie. In der Bibel heißt es: „Ich wandte mich, um unter der Sonne zu sehen, daß nicht den Schnellen der Wettlauf gehört noch den Starken die Schlacht, noch auch den Weisen die Speise, noch auch den Verständigen der Reichtum, noch selbst denen, die Kenntnisse haben, die Gunst, denn Zeit und unvorhergesehenes Geschehen trifft sie alle“ (Prediger 9:11).

      Wie können andere helfen, wenn eine Familie ein Baby auf diese Weise verliert? Eine betroffene Mutter antwortet: „Eine Freundin kam und putzte unsere Wohnung, ohne daß ich ein Wort zu sagen brauchte. Andere bereiteten Mahlzeiten für uns zu. Einige halfen mir einfach, indem sie mich umarmten — keine Worte, nur eine Umarmung. Ich wollte nicht reden. Ich wollte nicht immer und immer wieder erklären, was geschehen war. Ich wollte keine neugierigen Fragen hören, als hätte ich etwas zu tun versäumt. Ich war die Mutter; ich hätte alles Erdenkliche getan, um mein Baby zu retten.“

  • Wie kann ich mit meiner Trauer leben?
    Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist
    • Wie kann ich mit meiner Trauer leben?

      „ICH war der Meinung, meine Gefühle unterdrücken zu müssen“, erklärt Mike, wenn er vom Tod seines Vaters spricht. Seine Trauer zu unterdrücken war in seinen Augen ein Zeichen von Männlichkeit. Später erkannte er jedoch, daß er im Irrtum war. Als daher sein Freund den Großvater verlor, wußte Mike, was er zu tun hatte. Er sagt: „Vor einigen Jahren hätte ich ihm auf die Schulter geklopft und ihn aufgefordert: ‚Sei ein Mann!‘ Aber nun faßte ich ihn am Arm und sagte: ‚Gib dich, wie dir zumute ist. Das wird dir helfen, damit fertig zu werden. Wenn du möchtest, daß ich gehe, dann gehe ich. Wenn du möchtest, daß ich bleibe, dann bleibe ich. Aber hab keine Hemmungen, deine Gefühle zu zeigen.‘ “

      Auch MaryAnne meinte, nachdem ihr Mann gestorben war, sie müsse ihre Gefühle unterdrücken. „Ich war so sehr darum besorgt, anderen ein gutes Beispiel zu geben“, erinnert sie sich, „daß ich meine wahren Gefühle verbarg. Aber schließlich merkte ich, daß es mir nicht weiterhalf, für andere eine Kraftquelle sein zu wollen. Ich analysierte meine Situation und sagte mir: ‚Weine, wenn du weinen mußt! Versuche nicht, zu stark zu sein! Befreie dein Inneres!‘ “

      Mikes und MaryAnnes Rat lautet daher: Durchlebe die Trauer! Und sie haben recht. Warum? Weil Trauern nötig ist, um von den Gefühlen frei zu werden. Es kann den Druck erleichtern, wenn man seinen Gefühlen Luft macht. Wenn die natürlichen Gefühlsäußerungen mit dem Wissen um die Trauer verbunden sind, helfen sie dem Betreffenden, seine Gefühle in der richtigen Perspektive zu sehen.

      Natürlich äußert sich die Trauer nicht bei jedem gleich. Außerdem spielt es für die emotionale Reaktion der Hinterbliebenen eine Rolle, ob der Tod plötzlich oder nach langer Krankheit eingetreten ist. Aber eines scheint sicher zu sein: Die Gefühle zu unterdrücken kann sowohl in physischer als auch in emotionaler Hinsicht schaden. Es ist viel heilsamer, die Trauer zu durchleben. Aber wie? Die Bibel enthält einige praktische Ratschläge.

      Die Trauer durchleben — Wie?

      Reden kann befreien. Nach dem Tod seiner zehn Kinder sowie einigen anderen tragischen Erlebnissen sagte der Patriarch Hiob: „Meine Seele empfindet bestimmt Ekel vor meinem Leben. Ich will meiner Besorgnis um mich freien Lauf lassen [hebräisch: „loslassen“]. Ich will in der Bitterkeit meiner Seele reden!“ (Hiob 1:2, 18, 19; 10:1). Hiob konnte seine Besorgnis nicht länger zurückhalten. Er mußte ihr freien Lauf lassen; er mußte „reden“. Etwas Ähnliches schrieb der englische Dramatiker Shakespeare in Macbeth: „Gib Worte deinem Schmerz; Gram, der nicht spricht, preßt das beladne Herz, bis daß es bricht.“

      Mit einem „wahren Gefährten“, der geduldig und mitfühlend zuhört, über seine Gefühle zu sprechen kann ein gewisses Maß an Erleichterung mit sich bringen (Sprüche 17:17). Wenn man Erfahrungen und Gefühle in Worte kleidet, kann man sie besser verstehen und eher damit fertig werden. Und sofern der Zuhörer selbst einen geliebten Menschen verloren hat und den Verlust erfolgreich überwunden hat, erhältst du vielleicht einige praktische Anregungen, die dir helfen, deinen Kummer zu bewältigen. Eine Mutter erklärte, warum ihr nach dem Tod ihres Kindes das Gespräch mit einer Frau, die in einer ähnlichen Lage war, geholfen hatte: „Zu wissen, daß jemand anders das gleiche durchgemacht und es unversehrt überlebt hat, ja daß er immer noch lebt und ein einigermaßen normales Leben führt, gab mir sehr viel Kraft.“

      Eine trauernde Frau schreibt ihre Gefühle auf

      Seine Gefühle niederzuschreiben kann einem helfen, der Trauer Ausdruck zu verleihen, wie es auch verschiedene biblische Beispiele zeigen

      Was aber, wenn dir nicht danach ist, über deine Gefühle zu sprechen? Nach dem Tod Sauls und Jonathans verfaßte David ein sehr gefühlvolles Totenklagelied, in dem er seine Trauer zum Ausdruck brachte. Dieses Klagelied wurde schließlich ein Bestandteil des zweiten Buches Samuel (2. Samuel 1:17-27; 2. Chronika 35:25). Einigen fällt es offensichtlich leichter, das, was sie bewegt, zu Papier zu bringen. Eine Witwe berichtete, daß sie ihre Gefühle niederschrieb und dann Tage später las, was sie geschrieben hatte. Sie fühlte sich dadurch erleichtert.

      Deine Gefühle mitzuteilen — ob mündlich oder schriftlich — kann dir helfen, mit deiner Trauer zu leben. Es kann auch dazu beitragen, Mißverständnisse zu beseitigen. Eine leidtragende Mutter erzählt: „Mein Mann und ich hörten, daß sich Ehepaare scheiden ließen, nachdem ein Kind gestorben war, und wir wollten nicht, daß es uns genauso erging. Immer wenn wir ärgerlich waren und uns gegenseitig Vorwürfe machen wollten, sprachen wir uns aus. Ich denke, wir sind dadurch zusammengewachsen.“ Wenn du über deine Gefühle redest, mag dir das erkennen helfen, daß andere — obwohl ihr den gleichen Verlust erlitten haben mögt — vielleicht anders trauern, was die Dauer und die Art der Trauer anbelangt.

      Etwas anderes, was das Durchleben der Trauer erleichtern kann, ist Weinen. Es gibt „eine Zeit zum Weinen“, sagt die Bibel (Prediger 3:1, 4). Bestimmt führt der Tod eines geliebten Menschen eine solche Zeit herbei. Das Vergießen von Tränen der Trauer scheint ein notwendiger Bestandteil des Heilungsprozesses zu sein.

      Eine junge Frau erklärt, wie ihr eine vertraute Freundin geholfen hat, mit dem Tod ihrer Mutter fertig zu werden. Sie erinnert sich: „Meine Freundin war immer für mich da. Sie weinte mit mir. Sie sprach mit mir. Ich konnte meine Gefühle ganz offen zeigen, und das war für mich wichtig. Ich brauchte mich nicht zu genieren, wenn mir die Tränen kamen.“ (Siehe Römer 12:15.) Auch du brauchst dich nicht zu schämen, wenn du weinen mußt. Wie wir gesehen haben, enthält die Bibel viele Beispiele von gottesfürchtigen Männern und Frauen — zu denen auch Jesus Christus gehörte —, die ganz offen Tränen vergossen und sich deswegen nicht schämten (1. Mose 50:3; 2. Samuel 1:11, 12; Johannes 11:33, 35).

      Trauernde Menschen werden von anderen getröstet

      In jeder Kultur schätzen es Trauernde, getröstet zu werden

      Vielleicht stellst du fest, daß deine Gefühle eine Zeitlang etwas unberechenbar sind. Die Tränen mögen dir ohne Vorwarnung kommen. Eine Witwe brach oft in Tränen aus, wenn sie in einem Supermarkt einkaufte (in den sie häufig mit ihrem Mann gegangen war) und aus lauter Gewohnheit nach etwas griff, was er besonders bevorzugt hatte. Sei geduldig mit dir selbst. Denke nicht, du müßtest die Tränen zurückhalten. Vergiß nicht, daß sie ein natürlicher und notwendiger Bestandteil des Trauerns sind.

      Mit Schuldgefühlen fertig werden

      Wie bereits erwähnt, haben einige nach dem Tod eines geliebten Menschen Schuldgefühle. Das erklärt vielleicht die heftige Trauer, die der gottesfürchtige Jakob empfand, als man ihn glauben machte, daß sein Sohn Joseph von einem „bösartigen wilden Tier“ getötet worden sei. Jakob hatte Joseph selbst zu dessen Brüdern geschickt, um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Wahrscheinlich wurde Jakob deswegen von Schuldgefühlen geplagt; er fragte sich möglicherweise: „Warum sandte ich Joseph allein weg? Warum schickte ich ihn in eine Gegend, in der es von wilden Tieren wimmelt?“ (1. Mose 37:33-35).

      Vielleicht meinst du, irgendein Versäumnis deinerseits habe zum Tod deines lieben Angehörigen beigetragen. Zu erkennen, daß es ganz normal ist, Schuldgefühle — begründete oder unbegründete — zu haben, kann an sich schon eine Hilfe sein. Und auch hier gilt es wieder, solche Gefühle nicht für sich zu behalten. Darüber zu sprechen, wie schuldig man sich fühlt, kann eine große Erleichterung bedeuten.

      Sei dir jedoch bewußt, daß wir — ganz gleich, wie sehr wir jemand lieben — keine Macht über sein Leben haben. Auch können wir nichts daran ändern, daß „Zeit und unvorhergesehenes Geschehen“ diejenigen trifft, die wir lieben (Prediger 9:11). Außerdem hattest du bestimmt keine schlechten Beweggründe. Oder hattest du zum Beispiel damit, daß du nicht eher einen Arzttermin ausmachtest, beabsichtigt, daß der geliebte Mensch krank wurde und starb? Natürlich nicht. Bist du dann wirklich schuld daran, daß er starb? Nein.

      Eine Mutter lernte, ihr Schuldgefühl zu bewältigen, nachdem ihre Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Sie erklärt: „Ich fühlte mich schuldig, weil ich sie weggeschickt hatte. Aber allmählich wurde mir bewußt, daß es lächerlich ist, so zu denken. Es war nicht verkehrt, daß ich sie mit ihrem Vater wegschickte, um etwas zu erledigen. Es war einfach ein schrecklicher Unfall.“

      „Aber es gibt so vieles, was ich gern gesagt oder getan hätte“, klagst du vielleicht. Doch wer kann schon von sich sagen, daß er als Vater, Mutter oder Kind vollkommen ist? Die Bibel gibt zu bedenken: „Wir alle straucheln oft. Wer nicht im Wort strauchelt, der ist ein vollkommener Mann“ (Jakobus 3:2; Römer 5:12). Akzeptiere daher die Tatsache, daß du nicht vollkommen bist. Dadurch, daß du ständig dem Gedanken nachhängst: „Hätte ich doch nur . . .“, ändert sich nichts, aber es dauert wahrscheinlich länger, bis du dich wieder erholt hast.

      Wenn du der Meinung bist, daß die Schuld echt und nicht bloß eingebildet ist, dann denke an das, was am wichtigsten ist, wenn es darum geht, mit einem Schuldgefühl fertig zu werden — Gottes Vergebung. Die Bibel versichert uns: „Wären Vergehungen das, worauf du achtest, o Jah, o Jehova, wer könnte bestehen? Denn bei dir ist die wahre Vergebung“ (Psalm 130:3, 4). Du kannst das Rad der Zeit nicht zurückdrehen und noch einmal von vorn anfangen. Aber du kannst Gott darum bitten, dir Fehler, die du früher begangen hast, zu vergeben. Wenn Gott verspricht, Fehler auszulöschen, solltest du dann dir selbst nicht auch vergeben? (Sprüche 28:13; 1. Johannes 1:9).

      Mit Zorn fertig werden

      Bist du etwa zornig auf Ärzte, Krankenschwestern, Freunde oder sogar auf den Verstorbenen? Sei dir darüber im klaren, daß auch das eine übliche Reaktion auf den Verlust ist. Vielleicht ist dein Zorn eine Begleiterscheinung deines Schmerzes. Ein Autor schrieb: „Nur dadurch, daß man sich des Zornes bewußt wird — nicht indem man ihn an anderen ausläßt, sondern sich über dieses Gefühl im klaren ist —, kann man sich von seiner zerstörerischen Wirkung befreien.“

      Dem Zorn Luft zu machen kann allerdings eine Hilfe sein. Wie? Sicher nicht durch unbeherrschte Wutausbrüche. Die Bibel weist warnend darauf hin, daß länger anhaltender Zorn gefährlich ist (Sprüche 14:29, 30). Aber es tröstet dich vielleicht, mit einem verständnisvollen Freund darüber zu sprechen. Andere finden eine anstrengende sportliche Betätigung als hilfreich, Zorn zu bewältigen. (Siehe auch Epheser 4:25, 26.)

      So gut es ist, in bezug auf Gefühle offen und ehrlich zu sein, ist doch ein Wort der Vorsicht am Platz. Es besteht ein großer Unterschied darin, sich über Gefühle zu äußern oder sie an anderen auszulassen. Man sollte anderen nicht vorwerfen, sie hätten den Zorn und die Frustration verursacht. Man sollte sich also davor hüten, aggressiv zu werden, wenn man über seine Gefühle spricht (Sprüche 18:21). Auf eine weitere hervorragende Hilfe, die Trauer zu überwinden, werden wir im nachstehenden eingehen.

      Hilfe von Gott

      Die Bibel gibt uns die Zusicherung: „Jehova ist nahe denen, die gebrochenen Herzens sind; und die zerschlagenen Geistes sind, rettet er“ (Psalm 34:18). Ja, ein Verhältnis zu Gott kann dir besser als alles andere helfen, mit dem Tod eines geliebten Menschen fertig zu werden. Wie? Alle bisher gegebenen praktischen Anregungen stützen sich auf Gottes Wort, die Bibel. Sie anzuwenden kann dir helfen, mit dem Verlust fertig zu werden.

      Außerdem sollte der Wert des Gebets nicht unterschätzt werden. Die Bibel fordert uns auf: „Wirf deine Bürde auf Jehova, und er selbst wird dich stützen“ (Psalm 55:22). Wenn es, wie bereits erwähnt, schon guttut, mit einem mitfühlenden Freund über seine Gefühle zu reden, wieviel mehr wird es dann helfen, dem „Gott allen Trostes“ sein Herz auszuschütten! (2. Korinther 1:3).

      Es ist nicht so, daß das Gebet lediglich bewirkt, daß man sich besser fühlt. Der „Hörer des Gebets“ hat verheißen, seinen Dienern heiligen Geist zu geben, sofern sie ihn aufrichtig darum bitten (Psalm 65:2; Lukas 11:13). Und Gottes heiliger Geist, das heißt seine wirksame Kraft, kann uns Tag für Tag „Kraft [geben], die über das Normale hinausgeht“ (2. Korinther 4:7). Vergessen wir nicht, daß Gott in der Lage ist, seinen treuen Dienern zu helfen, all ihren Problemen standzuhalten.

      Eine Frau, der ein Kind gestorben ist, erinnert sich, wie die Kraft des Gebets ihr und ihrem Mann geholfen hat, mit dem Verlust fertig zu werden. „Wenn wir abends zu Hause waren und der Kummer uns zu überwältigen drohte, beteten wir laut zusammen“, erzählt sie. Mußten wir etwas zum erstenmal ohne sie tun — die erste Zusammenkunft der Versammlung besuchen oder den ersten Kongreß —, so beteten wir um Kraft. Wenn wir am Morgen aufstanden und uns die Wirklichkeit untragbar erschien, beteten wir zu Jehova um Hilfe. Aus irgendeinem Grund war es für mich tatsächlich jedesmal ein Trauma, allein die Wohnung zu betreten. Deshalb betete ich jedesmal, wenn ich allein nach Hause kam, Jehova möge mir helfen, die Fassung zu bewahren.“ Diese gläubige Frau ist mit Recht fest davon überzeugt, daß diese Gebete ihr viel geholfen haben. Auch du wirst die Erfahrung machen, daß durch dein beharrliches Beten ‘der Frieden Gottes, der alles Denken übertrifft, dein Herz und deine Denkkraft durch Christus Jesus behüten wird’ (Philipper 4:6, 7; Römer 12:12).

      Die Hilfe, die Gott uns zuteil werden läßt, kann sehr viel bewirken. Der christliche Apostel Paulus erklärte, daß Gott „uns tröstet in all unserer Drangsal, damit wir die, die in allerlei Drangsal sind, zu trösten vermögen“. Diese göttliche Hilfe nimmt zwar den Schmerz nicht weg, doch sie kann ihn lindern. Das bedeutet nicht, daß du nicht mehr weinen oder den Verstorbenen vergessen wirst. Aber du kannst mit dem Verlust eher fertig werden. Und was du durchmachst, bis du diesen Punkt erreichst, kann dazu beitragen, daß du verständnisvoller und mitfühlender wirst, wenn du anderen hilfst, einen ähnlichen Verlust zu verkraften (2. Korinther 1:4).

      Fragen zum Nachdenken

      • Warum ist es wichtig, die Trauer zu durchleben?

      • Wie kannst du deine Trauer überwinden?

      • Inwiefern kann uns die Bibel helfen, von Schuldgefühlen und Zorn frei zu werden?

      • Auf welche Weise kann dir ein Verhältnis zu Gott helfen, mit dem Tod eines geliebten Menschen fertig zu werden?

      • Welche praktischen Anregungen zur Überwindung der Trauer werden gegeben?

      Einige praktische Anregungen

      Vertraue auf Freunde: Nimm die Hilfe, die dir andere anbieten, ruhig an, sofern du wirklich Hilfe brauchst. Habe Verständnis dafür, daß das für sie eine Möglichkeit ist, ihr Mitgefühl zu zeigen; vielleicht finden sie nicht die richtigen Worte (Sprüche 18:24).

      Achte auf deine Gesundheit: Die Trauer kann, besonders am Anfang, an deinen Kräften zehren. Dein Körper braucht mehr denn je genügend Ruhe, gesunde Betätigung und die richtige Nahrung. Es mag auch gut sein, regelmäßig den Hausarzt aufzusuchen.

      Schiebe größere Entscheidungen hinaus: Warte, wenn irgend möglich, einige Zeit, bis du wieder klarer denken kannst, ehe du dich entschließt, dein Haus zu verkaufen oder den Arbeitsplatz zu wechseln (Sprüche 21:5). Eine Witwe erinnerte sich, daß sie einige Tage nach dem Tod ihres Mannes viele seiner persönlichen Sachen weggab. Später merkte sie, daß darunter einige ihr lieb gewordene Andenken waren.

      Hab Geduld mit dir: Die Trauer hält oft länger an, als die meisten Menschen wahrhaben wollen. Bestimmte Tage im Jahr, die einen an den geliebten Verstorbenen erinnern, mögen den Schmerz wiederaufleben lassen. Besondere Bilder, Lieder oder sogar Gerüche können Tränen hervorrufen. In einer wissenschaftlichen Studie wird der Prozeß des Trauerns wie folgt geschildert: „Der Trauernde fällt mitunter drastisch und unvermittelt von einem Gemütszustand in einen anderen; einmal verdrängt er Erinnerungen an den Verstorbenen für längere Zeit, und dann gräbt er sie bewußt wieder hervor.“ Behalte Jehovas kostbare Verheißungen im Sinn (Philipper 4:8, 9).

      Sei nachsichtig mit anderen: Versuche, mit anderen geduldig zu sein. Sei dir darüber im klaren, daß die Situation für sie peinlich ist. Weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen, sagen sie vielleicht etwas Verkehrtes (Kolosser 3:12, 13).

      Sei vorsichtig mit dem Gebrauch von Medikamenten oder Alkohol, um mit deiner Trauer fertig zu werden: Jede Erleichterung, die Medikamente oder Alkohol bietet, ist höchstens von vorübergehender Wirkung. Medikamente sollten nur unter der Aufsicht eines Arztes genommen werden. Man sollte jedoch vorsichtig sein, denn viele Mittel machen süchtig. Davon abgesehen können sie den Prozeß in die Länge ziehen. Ein Pathologe schreibt warnend: „Das tragische Geschehen muß durchgestanden, durchlitten und schließlich mit dem Verstand verarbeitet werden. Dies unnötig zu verzögern, indem man den Betreffenden mit Medikamenten betäubt, kann den Prozeß in die Länge ziehen oder verzerren.“ Bleibende Erleichterung wird durch das Nachsinnen über Jehovas großartige Verheißungen bewirkt (Psalm 1:2; 119:97).

      Kehre zu deiner alltäglichen Beschäftigung zurück: Du mußt dich vielleicht zunächst zwingen, zur Arbeit zu gehen, Einkäufe zu machen oder dich um andere Angelegenheiten zu kümmern. Aber du wirst feststellen, daß das normale Alltagsleben dir gut bekommt. Bleibe beschäftigt im christlichen Werk. (Vergleiche 1. Korinther 15:58.)

      Fürchte dich nicht, deine tiefe Trauer zu überwinden: So seltsam es auch erscheinen mag, aber einige Leidtragende fürchten sich, ihre Trauer zu überwinden, in der Meinung, sie könnten den Eindruck erwecken, daß ihre Liebe zu dem Verstorbenen geschwunden sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Dadurch, daß man den Schmerz überwindet, macht man den Weg frei für wertvolle Erinnerungen, die unvergänglich sind (Prediger 3:1, 4).

      Sei nicht übermäßig besorgt: Du machst dir womöglich Gedanken darüber, was nun aus dir werden soll. Die Bibel rät uns, uns nur um das Heute zu kümmern. „Es hilft mir wirklich, von einem Tag zum anderen zu leben“, erklärte eine Witwe. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Macht euch also niemals Sorgen um den nächsten Tag, denn der nächste Tag wird seine eigenen Sorgen haben“ (Matthäus 6:25-34).

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