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Jehova stützte mich wie ein FreundDer Wachtturm 1989 | 1. Mai
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Eines Tages bekam ich eine Karte, auf der ich gebeten wurde, mich an einem bestimmten Abend vor einer bekannten Kirche einzufinden. Dort würde ich weiteres erfahren. Ich ging also zu dem Treffpunkt. Es war stockdunkel. Ein Mann stellte sich als Julius Riffel vor. Der Name dieses treuen Bruders war mir aus der Untergrundtätigkeit ein Begriff. Hastig erklärte er, ich solle an dem und dem Tag nach Bad Ems fahren, wo ich jemand treffen würde. Und schon war er verschwunden!
Doch auf dem Bahnsteig in Bad Ems wartete nur die Gestapo auf mich. Was war schiefgelaufen? Der Mann vor der Kirche — in Wirklichkeit ein gewisser Bruder Hans Müller aus Dresden, der alles über die Untergrundtätigkeit in Deutschland wußte und plötzlich mit der Gestapo zusammenarbeitete — hatte mir eine Falle gestellt. Aber die Rechnung ging nicht auf. Kurz zuvor hatte meine Mutter aus Bad Ems geschrieben, daß sie einen leichten Schlaganfall bekommen hatte. Ich schrieb ihr zurück, daß ich sie an einem bestimmten Tag besuchen würde. Das war zeitlich mit dem „Auftrag“ zusammengefallen, und so erwiesen sich unsere Briefe später bei der Gerichtsverhandlung als Alibi. Zu meiner Überraschung wurde ich freigesprochen.
Jehovas Freundschaft erwidert
Natürlich dachte ich nicht daran, untätig zu bleiben, wo doch so viele Brüder in Konzentrationslagern oder anderswo eingesperrt waren.
Nachdem es dem Feind mit der Hilfe von Müller gelungen war, die verantwortlichen Brüder in Deutschland zu verhaften, übernahm Ludwig Cyranek die Verteilung der „geistigen Speise“.
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Jehova stützte mich wie ein FreundDer Wachtturm 1989 | 1. Mai
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Leider war ein weiterer Bruder, der meinte, auf diese Weise einer Haftstrafe zu entgehen, zum Verräter geworden. Nach einem Jahr lieferte er die Teams in Stuttgart und an anderen Orten ans Messer. Am 6. Februar 1940 wurden wir verhaftet. Ludwig Cyranek ging in der Annahme, daß Müller noch ein Glaubensbruder sei, in dessen Wohnung in Dresden und wurde dort verhaftet.
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Jehova stützte mich wie ein FreundDer Wachtturm 1989 | 1. Mai
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In Dresden wurde ich von der Gestapo einem dritten Verräter aus unseren Reihen gegenübergestellt. Irgendwie merkte ich, daß mit diesem Bruder etwas nicht stimmte, und so grüßte ich ihn nicht und verzog auch keine Miene. Und dann stand ein großer, stämmiger Mann in Soldatenuniform vor mir: der Verräter Müller, den ich vor der Kirche getroffen hatte! Ohne ein Wort zu sagen, ging ich hinaus. Von mir erfuhr die Gestapo nichts.
Mit den Verrätern ging es nicht gut aus. Die Nazis liebten, wie sie sagten, den Verrat, aber nicht die Verräter. Alle drei kamen an die Ostfront und kehrten nicht mehr zurück.
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