-
Papstbesuch rührt an alte WundenErwachet! 1987 | 22. November
-
-
Papstbesuch rührt an alte Wunden
DER Papst beschrieb während seines Besuches in der Bundesrepublik Deutschland im Mai dieses Jahres „die Nöte der Kirche in der NS-Zeit“. Dies berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger und fügte dann hinzu: „Daß es damals katholische Kirchenführer gegeben hat, die es an Mannesmut fehlen ließen, die zwar für die Konfessionsschulen, nicht aber gegen die Judenverfolgungen predigten — davon sprach er allerdings nicht.“
Die Seligsprechung von Edith Stein, einer zum Katholizismus konvertierten Jüdin, gab ebenfalls Anlaß zur Kritik. Juden erhoben Einwände dagegen, daß sie als katholische Märtyrerin dargestellt wurde. In den Nürnberger Nachrichten war zu lesen: „Edith Stein [wurde] ... als ,Märtyrerin für den christlichen Glauben‘ seliggesprochen. Bereits diese Definition trifft die Wirklichkeit nicht, weil die ... Frau 1942 in der Gaskammer von Auschwitz-Birkenau keineswegs als katholische Nonne ... ermordet wurde, sondern ... als Jüdin.“ Eine katholische Gruppe behauptete, die katholische Kirche versuche, mit dieser Seligsprechung „peinliches Schweigen nach 1933 [zu] überdecken“. Eine andere katholische Gruppe erklärte, daß die Seligsprechung „uns nicht darüber hinwegtäuschen [darf], daß die katholischen Bischöfe so gut wie keinen Widerstand geleistet, sondern offen mit dem nationalsozialistischen System zusammengearbeitet haben“.
Einige Kritiker verlangten ein Schuldbekenntnis der katholischen Kirche, weil diese zur Judenvernichtung geschwiegen habe. Doch das Schuldbekenntnis blieb aus. „Bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz“, hieß es in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung, „hat der Papst den Stachel im Gewissen der Kirche nur mit größter Behutsamkeit angerührt. Der Heilige Stuhl habe sich während der Nazi-Diktatur durch das Konkordat ,darum bemüht, dem Schlimmsten vorzubeugen‘, doch habe ,die unheilvolle Entwicklung nicht mehr aufgehalten‘ werden können. Auch den deutschen Bischöfen mochte er keine Mitschuld durch Schweigen anlasten.“
-
-
Wer litt unter dem Holocaust?Erwachet! 1987 | 22. November
-
-
Wer litt unter dem Holocaust?
IM JUNI dieses Jahres sandte der Amerikanische Jüdische Kongreß einen offenen Brief an Papst Johannes Paul II. Der Inhalt des Schreibens wurde in der New York Times vom 26. Juni veröffentlicht. Es richtete sich gegen die Audienz, die der Papst dem österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim gewährte, dem vorgeworfen wird, er sei während des Zweiten Weltkrieges Teil der Judenmordmaschinerie der Nationalsozialisten gewesen. Man bezeichnete Waldheim als die Symbolfigur „der gegenwärtigen Bemühungen, den Holocaust zu reduzieren, zu verfälschen und zu vergessen“.
Nachdem festgestellt worden war, daß die Qualen des Holocausts nicht ungeschehen gemacht werden können, hieß es in dem Brief: „Aber gewiß ist es das heiligste Gebot unserer Generation, die Erinnerungen zu bewahren: nicht zu vergessen, wie sich das Schweigen in Gleichgültigkeit verwandelte, die Gleichgültigkeit in Mitschuld und schließlich in ein grauenvolles Hinschlachten von Millionen und aber Millionen Menschen.“ Waldheim, so der Brief, „möchte den Opfern des Holocausts die Schlußdemütigung aufbürden, die darin besteht, daß alles der Vergessenheit anheimfällt“. Der Papst wurde anschließend scharf kritisiert, weil er „moralische Grundsätze beiseite schob“ und Waldheim im Vatikan empfing. In dem Brief wurde weiter ausgeführt:
„Ist es möglich, Eure Heiligkeit, daß in Waldheims Vergeßlichkeit [in bezug auf den Holocaust] die Vergeßlichkeit der Kirche, wenn auch von ferne, widerhallt? Haben Eure Heiligkeit sich mit der Gleichgültigkeit der katholischen Kirche in Europa gegenüber dem Schicksal der Juden im Zweiten Weltkrieg befaßt? Bei den Papstbesuchen in den verschiedenen europäischen Ländern und in den Todeslagern ist kein einziges Wort über dieses Thema gefallen. Stimmt es denn nicht, daß — abgesehen von dem außergewöhnlichen Heldentum zahlreicher einzelner Katholiken — sowohl die Amtskirchen als auch ein großer Teil der übrigen Welt weitgehend geschwiegen und die Juden in ihrem unerträglichen Leid allein gelassen haben? Welche Hoffnung kann die Kirche, von der Millionen geistliche Anleitung erwarten, anderen geben, wenn sie ihre Vergangenheit nicht bewältigen und wenn sie den Ansprüchen aus dem, was sie in heiliger Erinnerung hält, nicht gerecht werden kann?“
Natürlich verlangt der versuchte Genozid an Millionen Juden danach, in Erinnerung behalten zu werden. Aber man halte kurz inne. Wird der Holocaust in diesem Brief nicht als rein jüdischer Holocaust dargestellt? Wurde die katholische Kirche nicht der Gleichgültigkeit ausschließlich „gegenüber dem Schicksal der Juden“ bezichtigt? Und haben denn nicht gemäß dem Brief andere Kirchen und „ein großer Teil der übrigen Welt ... die Juden in ihrem unerträglichen Leid allein gelassen“? Waren aber einzig und allein die Juden betroffen? Hatten außer ihnen nicht noch andere zu leiden?
In dem Buch The Forgotten Holocaust (Der vergessene Holocaust) wird gezeigt, daß der Holocaust auch drei Millionen nichtjüdische Polen betraf. In dem Werk A History of the Modern World (Eine Geschichte der modernen Welt) wird auf Millionen andere Bezug genommen, die der Holocaust erfaßte. Sogar über Jehovas Zeugen in Deutschland berichten Außenstehende: „Etwa 10 000 wurden gefangengesetzt“, und „mehr als zweitausend sind in den Konzentrationslagern umgekommen“.
Der Holocaust ist daher nicht als ein Angriff zu betrachten, der nur gegen die Juden gerichtet war. Hitler war entschlossen, jede Gruppe von Menschen auszurotten, die sich seiner Doktrin der arischen Überlegenheit nicht beugte. Jehovas Zeugen gehörten dazu, weil sie sich den biblischen Grundsatz aus Apostelgeschichte 17:26, 27 zu eigen machten und danach handelten.
-