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Geburtenkontrolle — Wer soll entscheiden, du oder die Kirche?Erwachet! 1989 | 22. September
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Ein Dilemma für aufrichtige Katholiken
Wie lautet die offizielle katholische Lehre bezüglich der Geburtenkontrolle? Einfach ausgedrückt, besagt sie, daß nur die „natürliche“ Methode der Geburtenkontrolle moralisch vertretbar ist. Die „natürliche“ Methode wurde von Papst Johannes Paul II. wie folgt beschrieben: „Den Rhythmus der weiblichen Fruchtbarkeit ermitteln und dann die Elternschaft gemäß diesem Rhythmus ... ausrichten.“ Andere Methoden der Empfängnisverhütung sind verboten.
Viele Katholiken finden die Rhythmus-Methode unpraktisch. Sie müssen deshalb entweder ihrem Gewissen folgen oder der Lehre ihrer Kirche. In den meisten westlichen Ländern neigen nüchterne Katholiken dazu, die päpstlichen Äußerungen zu ignorieren, allerdings nicht ohne vorherige Gewissenserforschung. Das trifft auch auf vorwiegend katholische Länder zu.
Ein französischer Priester sagte: „Sehr hohe Normen aufzustellen, nicht als Leitlinien, sondern in einem absoluten Sinn, führt zu einer Doppelkirche: Auf der einen Seite stehen die, die das Gesetz erlassen, und eine Minderheit, die gehorcht. Auf der anderen Seite steht eine Mehrheit, die tut, was sie kann, oder die sogar rücksichtslos über diese sehr komplizierten Grundsätze hinweggeht.“ In Spanien mißachten mehr als 60 Prozent aller Paare die kirchliche Lehre über die Geburtenkontrolle, obschon sich weit mehr als die Hälfte für praktizierende Katholiken halten. Eine vor kurzem in Italien durchgeführte Umfrage ergab, daß sich weniger als 2 Prozent der Paare an die offizielle Lehre der Kirche halten.
Es überrascht nicht, daß diese riesige Kluft zwischen dem, was die Kirche lehrt, und dem, was die Katholiken im allgemeinen praktizieren, besteht, wenn man an die widersprüchlichen Meinungen denkt, die Bischöfe, Priester und Theologen zu diesem Thema äußern. Während die Äußerungen der Päpste unmißverständlich sind, sehen viele hochrangige Kirchenmänner in dieser Frage nicht so klar, einige widersprechen sogar offen der offiziellen kirchlichen Lehre. Gemeindepfarrer, die Ehepaaren Rat erteilen müssen, sind häufig nicht bereit, sie wegen dieser Sache moralisch zu verurteilen.
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Geburtenkontrolle — Wer soll entscheiden, du oder die Kirche?Erwachet! 1989 | 22. September
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[Kasten auf Seite 24]
Widersprüchliche Stimmen
◼ Humanae vitae (Enzyklika von Papst Paul VI., 1968). „Jeder eheliche Akt muß offenbleiben für die Weitergabe des Lebens.“
◼ Papst Johannes Paul II. „Objektiv beurteilt, ist die Empfängnisverhütung so absolut unzulässig, daß sie niemals, aus keinem Grund, gerechtfertigt werden kann. Etwas anderes zu denken oder zu sagen wäre gleichbedeutend damit, zu sagen, es könne Situationen geben, in denen es erlaubt sei, nicht auf Gott zu hören.“
◼ Kardinal Narcisso Jubany Arnau (Spanien). „Es ist eine schwere Sünde, absichtlich die Empfängnis zu verhüten.“
◼ Die französischen katholischen Bischöfe in einem Hirtenbrief (1968). „Was in diesem besonderen Fall die wichtigste Pflicht vor Gott ist, bestimmt die traditionelle Weisheit. Jedes Paar muß nach beiderseitiger reiflicher Überlegung selbst entscheiden.“
◼ Charles Curran, katholischer Theologe. Nachdem der Papst 1968 seine Enzyklika über die Geburtenkontrolle veröffentlicht hatte, gaben Curran und rund 600 weitere katholische Akademiker und Kleriker eine Erklärung heraus, wonach ein Ehepaar „berechtigt ist, seinem eigenen Gewissen zu folgen“.
◼ Ein älterer französischer Priester. „Dadurch, daß die Kirche stur an ihrem Standpunkt festhält, verliert sie den letzten Rest an Glaubwürdigkeit. ... Sie macht Gesetze für den Mond.“
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