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  • In Indien wurde die religiöse Freiheit gewahrt
  • Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1987
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  • Wie es zu dem Rechtsstreit kam
  • Kinder gegen den Staat
  • Eine Bedrohung der nationalen Einheit?
Der Wachtturm verkündigt Jehovas Königreich 1987
w87 1. 11. S. 21-23

In Indien wurde die religiöse Freiheit gewahrt

DAS Urteil, das der Oberste Gerichtshof in Neu-Delhi am 11. August 1986 fällte, war für Millionen eine echte Überraschung. Zu einer Zeit, wo der Nationalismus hohe Wellen schlug, erwartete kaum jemand, daß die religiöse Freiheit einer weitgehend unbekannten religiösen Minderheit respektiert würde. Aber nach einer genauen Untersuchung der Fakten entschied das höchste indische Gericht, daß die Kinder von Zeugen Jehovas nicht gezwungen werden dürfen, die Nationalhymne zu singen. In ihrem Urteil sagten die Richter:

„Wir sind überzeugt, daß im vorliegenden Fall, in dem drei Kinder von der Schule gewiesen wurden, weil sie aufgrund ihres religiösen Gewissens die Nationalhymne nicht mitsangen, obgleich sie respektvoll aufstanden, wenn die Hymne gesungen wurde, das fundamentale Recht ‚auf Gewissensfreiheit sowie darauf, den Glauben öffentlich zu bekennen, auszuüben und zu verbreiten‘, verletzt wurde.“

Die Richter O. Chinnappa Reddy und M. M. Dutt am Obersten Gerichtshof von Indien führten den Vorsitz bei dem inzwischen vielbeachteten Prozeß, den Jehovas Zeugen wegen des Singens der Nationalhymne angestrengt hatten.

Wie es zu dem Rechtsstreit kam

Fast die Hälfte der 8 000 Zeugen Jehovas in Indien lebt in dem kleinen Bundesstaat Kerala im äußersten Süden dieses riesigen Landes. Dort wird in den meisten Schulen jeden Tag die Nationalhymne gesungen. Auch in der betreffenden Schule, in der der Rechtsstreit ausgelöst wurde, war es üblich, daß alle Schüler die Hymne im Chor sangen. Die Kinder von Zeugen Jehovas erhoben sich jedoch lediglich von ihrem Platz, wenn die anderen sangen. In der Urteilsbegründung des Obersten Gerichtshofes wurde dazu folgendes gesagt: „Niemand kümmerte es. Niemand war beunruhigt. Niemand hielt es für respektlos oder unpatriotisch. Man ließ die Kinder in Frieden und respektierte ihren Glauben.“ So ging es jahrelang.

Dann kam der Juli 1985. Ein Mitglied der gesetzgebenden Versammlung des Staates äußerte die Ansicht, daß sich jemand unpatriotisch verhalte, wenn er sich weigere, die Nationalhymne zu singen. Die anschließende Diskussion wurde in vielen Zeitungen des Landes veröffentlicht.

Die Verwaltung der meisten Schulen in Kerala, die bis dahin den Kindern von Zeugen Jehovas keine Schwierigkeiten gemacht hatte, bekam es wegen der Äußerungen in der gesetzgebenden Versammlung und wegen des großen Aufhebens, das darum gemacht wurde, mit der Angst zu tun. Ein Kind von Zeugen Jehovas nach dem anderen wurde daher von der Schule gewiesen.

Kinder gegen den Staat

V. J. Emmanuel, dessen drei minderjährige Kinder Bijoe, Binu Mol und Bindu die Schule verlassen mußten, schlug den Rechtsweg ein. Herr Emmanuel war fest davon überzeugt, das Recht auf seiner Seite zu haben. Er wußte, daß gemäß Artikel 25 Absatz 1 der indischen Verfassung „alle Personen gleichermaßen das Recht auf Gewissensfreiheit sowie darauf, den Glauben öffentlich zu bekennen, auszuüben und zu verbreiten“, haben.

Schließlich kam der Fall vor ein Kammergericht des High Court von Kerala. Dieses wies die Beschwerde von V. J. Emmanuel jedoch zurück. Das war ein völlig unerwarteter Ausgang, vor allem da die indische Verfassung nicht sagt, man müsse die Nationalhymne singen, um ihr gegenüber Respekt zu bekunden. Es heißt darin lediglich, daß sich die Bürger „an die Verfassung halten und ihre Ideale und Einrichtungen, die Nationalflagge und die Nationalhymne respektieren“ sollen. Außerdem gibt es kein Gesetz, das von allen Bürgern Indiens fordern würde, die Nationalhymne zu singen.

Die Berufungsverhandlung fand vor dem Obersten Gerichtshof Indiens statt. Dieser verwarf in seinem Urteil die Entscheidung des High Court von Kerala. In der Urteilsbegründung wurde gesagt: „Der High Court ist von falschen Voraussetzungen ausgegangen und außerdem vom Thema abgeschweift. Er hat in minutiöser Kleinarbeit jedes Wort und jeden Gedanken der Nationalhymne untersucht und ist zu dem Schluß gekommen, daß weder ein Wort noch ein Gedanke darin irgendwelche religiösen Gefühle verletzen könne.“ Wie der Oberste Gerichtshof jedoch ganz richtig feststellte, „ging es überhaupt nicht um diese Frage“.

Es ging hier um eine rein religiöse Frage, nämlich um die Wahrung des Rechts des einzelnen auf Freiheit der Anbetung. Tatsache ist, daß Jehovas Zeugen die Nationalhymne keines Landes singen. Da solche Hymnen im Grunde genommen vertonte Gebete sind, weigern sie sich aus Gewissensgründen, diese zu singen. „Sie nehmen vom Singen Abstand“, erklärte der Oberste Gerichtshof Indiens einsichtsvoll, „weil sie aufrichtig glauben und überzeugt sind, daß ihr Glaube ihnen außer dem Gebet zu Jehova, ihrem Gott, keine Rituale erlaubt.“

Bezeichnenderweise garantiert die indische Verfassung „Freiheit der Rede und der Äußerung“, was die Freiheit zu schweigen einschließt. Das taten die Kinder, wenn in der morgendlichen Zusammenkunft in der Schule die Nationalhymne gesungen wurde — sie verhielten sich still. Doch die Schulämter von Kerala hatten tatsächlich das Schweigen verboten. Daher entstand die Frage, ob ein solches Verbot mit den in der Verfassung garantierten Rechten vereinbar wäre.

Der Oberste Gerichtshof kam in dieser Angelegenheit zu dem Schluß: „Wir können ohne weiteres sagen, daß es keine gesetzliche Handhabe gibt, gemäß der jeder verpflichtet wäre, die Nationalhymne zu singen, noch glauben wir, daß sich jemand, der sich respektvoll erhebt, wenn die Nationalhymne gesungen wird, jedoch nicht mitsingt, sich ihr gegenüber respektlos verhält.“

Wie bereits erwähnt, ist gemäß der Verfassung jeder Bürger verpflichtet, gegenüber der Nationalhymne Respekt zu bekunden. Diesen Respekt betreffend heißt es in einer Verordnung aus dem Jahr 1971 über die Verhütung von Zwischenfällen bei der nationalen Ehrenbezeigung: „Wer vorsätzlich das Singen der Nationalhymne verhindert oder in einer Versammlung, die sie gerade singt, Unruhe stiftet, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe oder mit beidem bestraft.“ Die Kinder von Jehovas Zeugen haben weder jemand daran gehindert, die Nationalhymne zu singen, noch jemals Unruhe gestiftet, wenn sie gesungen wurde.

Eine Bedrohung der nationalen Einheit?

Der Staatsanwalt führte unter anderem das Argument an, daß das Singen der Nationalhymne für die Einheit des Landes unabdingbar sei. Aber trägt das erzwungene Singen einer Nationalhymne wirklich zur Einheit eines Staates oder seiner Bürger bei?

Interessanterweise wird die Sprache, in der die indische Nationalhymne verfaßt wurde, nur in einem Bundesstaat gesprochen, und die Hymne wird somit von der Mehrheit der Inder, die sie singen, nicht verstanden. Demnach ist das Singen der Nationalhymne für die meisten wahrscheinlich bedeutungslos und stellt im Grunde genommen nur ein leeres Ritual dar. Jehovas Zeugen beteiligen sich nicht an solchen Ritualen. Sie beten nur zu Jehova, ihrem Gott.

Es wurde auch argumentiert, die Sicherheit des Landes sei bedroht, wenn der Oberste Gerichtshof zugunsten von Jehovas Zeugen entscheiden würde. Aber Jehovas Zeugen sind in Indien eine kleine Minderheit, die nur etwa 8 000 Personen zählt. Wäre eine so kleine Gruppe eine Bedrohung für eine Nation mit über 800 Millionen Menschen? Außerdem sind Jehovas Zeugen auf der ganzen Erde für ihre Ehrlichkeit und für ihren Gehorsam gegenüber den Gesetzen der Regierung ihres Heimatlandes bekannt.

Ein nigerianischer Rechtsanwalt sagte zum Beispiel: „Die Zeugen zahlen ihre Steuern und sind gesetzestreue Staatsbürger. Jeder ... Zeuge, der in seinem Glauben so ehrlich ist, daß er deshalb sogar das Risiko eingeht, gewisse Vorrechte zu verlieren, wird in den meisten anderen Dingen genauso ehrlich sein. ... Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die ... zwar die Nationalhymne singen, aber dennoch Gelder veruntreuen, weigert er sich, öffentliche Gelder zu stehlen, weil ihn seine Bibel einerseits auffordert, die Nationalhymne nicht zu singen, ihn andererseits aber auch anweist, nicht zu stehlen.“

Die abschließenden Sätze der Urteilsbegründung des Obersten Gerichtshofes sind beachtenswert. Sie lauten: „Wir möchten nur noch eines hinzufügen: Toleranz zu üben ist die Lehre unserer Tradition, unserer Philosophie und unserer Verfassung. Verwässern wir sie nicht.“ Werden die Regierung und die Staatsführer diesen ausgezeichneten Gedanken beherzigen? Wird die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes das letzte Wort sein? Nur die Zeit wird es zeigen.

[Bilder auf Seite 23]

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