-
Die Religionsfreiheit — Segen oder Fluch?Erwachet! 1999 | 8. Januar
-
-
Die Diskussion über öffentliche und private Freiheit wurde von den Medien in den Vordergrund gerückt. Verschiedenen religiösen Gruppen hat man, oft ohne handfeste Beweise, Gehirnwäsche, finanzielle Ausbeutung, Kindesmißhandlung oder -mißbrauch und eine Unmenge weiterer schwerwiegender Straftaten vorgeworfen. Storys, die sich um religiöse Minderheiten drehten, sind von der Presse groß herausgebracht worden. Herabsetzende Bezeichnungen wie „Kult“ oder „Sekte“ sind in die Alltagssprache eingegangen. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung haben Regierungen sogar Listen sogenannter gefährlicher Sekten erstellt.
Frankreich ist ein Land, das mit Stolz auf eine Tradition der Toleranz und der Trennung von Kirche und Staat verweist. Es rühmt sich, das Land der „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zu sein. Gleichwohl wurde dort, wie in dem Buch Freedom of Religion and Belief—A World Report zu lesen ist, „eine Aufklärungskampagne an Schulen“ empfohlen, „um eine Abwehrhaltung gegen neue religiöse Bewegungen zu fördern“. Viele sind jedoch der Meinung, daß derartige Aktionen die Religionsfreiheit bedrohen. Wieso?
Bedrohung der Religionsfreiheit
Wahre Religionsfreiheit existiert nur, wenn alle religiösen Gruppen, die das Gesetz respektieren und beachten, vom Staat gleich behandelt werden. Sie ist nicht gegeben, sobald der Staat willkürlich entscheidet, welche Glaubensgemeinschaften nicht als Religion gelten, und ihnen damit Privilegien vorenthält, die er Religionen zuerkennt. „Die heilige Idee der Religionsfreiheit wirkt unglaubwürdig, wenn der Staat für sich das Recht beansprucht, für Religionen Bescheinigungen auszustellen in der Art, wie man Führerscheine aushändigt“, bemerkte das Magazin Time 1997. Ein französisches Berufungsgericht erklärte vor einiger Zeit: Das „führt, ob bewußt oder unbewußt, zum Totalitarismus“.
Die Grundfreiheiten sind auch dann gefährdet, wenn eine Gruppe das Monopol auf die Medien hat. Bedauerlicherweise ist das in vielen Ländern zunehmend der Fall. In dem Bemühen, zu definieren, was religiös korrekt ist, haben sich Antisektenorganisationen beispielsweise selbst zu Staatsanwälten, Richtern und Schöffen berufen und anschließend versucht, ihre voreingenommenen Ansichten über die Medien der Öffentlichkeit aufzuoktroyieren. Wie die französische Zeitung Le Monde jedoch schrieb, lassen diese Organisationen dabei bisweilen „dasselbe Sektierertum“ erkennen, „das sie angeblich bekämpfen, und riskieren, ein ‚Hexenjagdklima‘ zu erzeugen“. Die Zeitung fragte: „Gefährdet die gesellschaftliche Stigmatisierung religiöser Minderheiten ... nicht die Grundfreiheiten?“ Martin Kriele schrieb in der Zeitschrift für Religionspsychologie: „Die Sektenjagd bietet mehr Anlaß zur staatsbürgerlichen Sorge als die große Mehrzahl der ‚sogenannten Sekten und Psychogruppen‘. Die Sache ist ganz einfach: Es gilt, Bürger, die kein Unrecht tun, in Frieden zu lassen. Religion und Weltanschauung müssen frei sein und frei bleiben — auch in Deutschland.“ Beleuchten wir hierzu ein Beispiel.
-
-
Die Religionsfreiheit — Segen oder Fluch?Erwachet! 1999 | 8. Januar
-
-
Und ein französisches Magazin merkte an, daß die Artikel, die sich mit angeblichen Sekten befassen, überwiegend von Antisektenorganisationen stammen. Klingt das nach einer unvoreingenommenen Methode, sich objektive Informationen zu beschaffen?
Internationale Gerichtshöfe und Organisationen, die für die fundamentalen Menschenrechte eintreten, wie die UN, sagen, daß „die Differenzierung zwischen Religion und Sekte zu sehr künstlich konstruiert ist, als daß man sie akzeptieren könnte“. Warum bestehen dann einige hartnäckig auf dem Gebrauch des abschätzigen Wortes „Sekte“? Das ist ein weiteres Anzeichen für die Bedrohung der Religionsfreiheit.
-