Wir beobachten die Welt
NEUES BLUTGESETZ
Mit dem 1. Januar 1990 wurde Kalifornien zum ersten Bundesstaat der Vereinigten Staaten, in dem ein Gesetz von Chirurgen und anderen Ärzten fordert, ihre Patienten über die Gefahren von Bluttransfusionen zu informieren, „wann immer die Möglichkeit besteht, daß eine Transfusion im Laufe einer Operation notwendig wird“. Nach dem neuen Gesetz soll der Patient schriftlich auf die Gefahren und die Vorteile verschiedener Alternativen zum Erhalt von Fremdblut aufmerksam gemacht werden. Die betreffenden Ärzte müssen auf dem Krankenblatt vermerken, daß der Patient dahin gehend informiert wurde. Dies gilt jedoch nicht, wenn, wie man sagt, ein „lebensbedrohlicher Notfall“ besteht. Das Gesetz wird „Paul-Gann-Blutsicherheitsakte“ genannt, nach einem bekannten Vorkämpfer von Steuerreformen, der an Aids starb, womit er bei einer Bluttransfusion infiziert worden war. Gemäß einem Nachruf in der Zeitschrift Time war „Gann der Meinung, Menschen, die wissentlich [Aids] übertrügen, müßten ‚als Mörder angeklagt werden‘“.
HABEN KRANKENSCHWESTERN ENTSCHEIDUNGSFREIHEIT?
Während Abtreibungsbefürworter für jede Frau das Recht auf Abtreibung fordern, haben zahlreiche Krankenschwestern in Kanada das Gefühl, ihnen werde ihre persönliche Entscheidungsfreiheit vorenthalten — die Freiheit, die Mitarbeit bei Abtreibungen abzulehnen. Wie die Zeitung The Globe and Mail (Toronto, Kanada) berichtet, werden viele Krankenschwestern in Kanada aufgefordert, eine Erklärung zu unterschreiben, daß ihre religiöse oder persönliche Überzeugung sie nicht davon abhalten wird, irgendwelche ihnen zugewiesenen Aufgaben auszuführen. Ein Sprecher der Ontarioer Krankenhausvereinigung sagte, Schwestern, die es ablehnten, bei Abtreibungen zu assistieren, „sollten sich eine andere Arbeit suchen“. Andere Länder berücksichtigen das Gewissen der Krankenschwestern. Das britische Königliche College für Krankenpflege empfiehlt sogar weiterführende Beratung für Krankenschwestern, die bei Abtreibungen assistieren, da einige sich dagegen entscheiden könnten, nachdem sie persönlich bei Abtreibungen dabeigewesen sind.
DAS KOMPLEXE UNIVERSUM
Die Entdeckung riesiger Strukturen im Weltall könnte die Wissenschaftler zwingen, ihre Theorien neu zu überdenken. Eine dieser Strukturen wird „Große Mauer“ genannt; sie wird als eine immense, flache Ausdehnung von Galaxien beschrieben, die sich über mehr als eine Milliarde Lichtjahre erstreckt. Eine andere Struktur trägt den Namen „Großer Attraktor“, da sie so viele Galaxien anzieht — unsere eigene eingeschlossen. Die New York Times bemerkte dazu, daß solche Strukturen, die „nicht einfach Galaxien oder Galaxienhaufen, sondern gewaltige ‚Galaxienkontinente‘“ seien, Theorien bestätigten, gemäß denen „die elementaren Objekte des Universums weit größer und komplizierter“ seien, „als die Wissenschaftler gedacht haben“. Ein Astrophysiker sagte gegenüber der Times, viele Theoretiker hofften, der Große Attraktor verschwände. Warum? Er erklärte: „Wir verstehen einfach nicht, wie eine so große Struktur entstehen konnte.“
„VERKÜMMERUNG DES RELIGIÖSEN LEBENS“
Ist den Italienern die Religion wichtig? Einer neueren Umfrage unter 2 008 Italienern im Alter zwischen 14 und 70 Jahren zufolge ist sie es nicht. 61,5 % der Befragten gaben an, nie oder so gut wie nie zu beten. Nur 0,5 % würden sich an einen Priester um Rat wenden. Magere 8 % sind der Meinung, der Glaube sei notwendig, um die zwischenmenschlichen Beziehungen zu verbessern. Wie die italienische Zeitung Il Corriere della Sera ausführt, „geben 45 % [der italienischen Bevölkerung] an, Gläubige zu sein, sind sich aber nicht sicher, woran sie glauben“. Und gemäß Il Giornale ist der Glaube der Italiener eher „ein bequemes Hinnehmen der Vergangenheit als eine bewußte Entscheidung“. La Stampa charakterisiert die Entwicklung als eine „Verkümmerung des religiösen Lebens“ in Italien. Was hat den Platz der sich auflösenden Religion eingenommen? Il Corriere della Sera antwortet darauf: „An ihre Stelle ist im Moment ein Vakuum getreten.“
AIDS IN INDIEN
Zu Beginn des Jahres 1990 waren in Indien erst 41 Fälle von vollentwickeltem Aids bekannt. Laut der Zeitung The Toronto Star dürfte Indien jedoch das erste Land in Asien sein, das eine größere Aidsepidemie erlebt. Die indische Regierung schätzt, daß etwa 10 000 der 100 000 Prostituierten in Bombay bereits mit dem tödlichen Virus infiziert sind. Allein diese Gruppe könnte in einem Jahr 20 000 Männer infizieren. Viele Prostituierte weigern sich, ihr Gewerbe aufzugeben, obwohl sie wissen, daß sie infiziert sind. Ihre Begründung: Sie hätten keine andere Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hunderte von Indern, die regelmäßig ihr Blut verkaufen, tragen ebenfalls das Aidsvirus; und nicht wenige verkaufen aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus weiterhin ihr Blut. So breitet sich das Virus im ganzen Land aus. Ein Beamter des Gesundheitswesens in Bombay faßte die Situation in der Stadt wie folgt zusammen: „Die Zeitbombe tickt.“
GETRENNTE U-BAHN
Das neue U-Bahn-System in Kairo ist sehr für seine Sauberkeit, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit gelobt worden. Die Frauen von Kairo wollten es jedoch noch verbessern. Ein Wagen jedes Zuges ist jetzt für weibliche Fahrgäste reserviert. Diese neue Einrichtung wurde von Thuraya Labna, einer feministischen Angehörigen des ägyptischen Parlaments, unterstützt. Sie erklärte, die Ägypterinnen brauchten eine sichere Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ohne sexuell belästigt zu werden, was sonst in Kairo an der Tagesordnung ist. Es hat zwar auch einige kritische Stimmen zu dieser Idee gegeben (z. B. wurde der spezielle Wagen für Frauen als „Harem auf Rädern“ verspottet), doch konnte laut Berichten schon einiger Erfolg verbucht werden, was den Schutz der Frauen betrifft.
DIE ÄRMSTEN DER ARMEN
Im Februar dieses Jahres trafen sich an einem Wochenende Vertreter der 42 ärmsten Länder der Welt in Bangladesch. Sie wollten neue Strategien erörtern, wie sie die reicheren Nationen davon überzeugen könnten, daß etwa 500 Millionen Menschen dringend Hilfe benötigen. Eine ähnliche Konferenz hatte bereits 1981 stattgefunden, aber keines der vorrangigen Ziele konnte bisher erreicht werden. Tatsache sei, so die New York Times, daß „die 80er Jahre mehr erniedrigende Armut, mehr Analphabeten, eine schlechtere Gesundheit und einen allgemein niedrigeren Lebensstandard gebracht haben“. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Einwohner dieser 42 Länder beträgt umgerechnet nur etwa 350 DM. 28 der Länder liegen in Afrika, 9 in Asien, 4 sind Inselstaaten im Pazifischen und im Indischen Ozean, und ein Land gehört zur Karibik.
FRAUEN UND ALKOHOL
Schon lange hat man beobachtet, daß Alkohol auf Frauen stärker wirkt als auf Männer. Landläufigen Erklärungen zufolge können Männer mehr Alkohol absorbieren, da sie ein größeres Körpergewicht haben. Doch italienische und amerikanische Wissenschaftler haben jetzt festgestellt, daß der weibliche Körper von einem bestimmten Enzym, Alkohol-Dehydrogenase genannt, 30 % weniger produziert als der des Mannes. Noch bevor der Alkohol ins Blut gelangen und zum Gehirn, in die Leber und in andere Organe transportiert werden kann, brechen die Enzyme im Magen einige der Moleküle auf. Männliche Alkoholiker produzieren noch etwa die Hälfte der normalen Enzymmenge, wohingegen weibliche Alkoholiker fast gar keine dieser Enzyme produzieren.
TRINKWASSERBELASTUNG
„Die Reinerhaltung des Trinkwassers ist in ganz Europa — und nicht nur hier — ein Problem“, schreibt The German Tribune. „Zehn bis zwanzig Prozent der rund 6 300 Wasserwerke in der Bundesrepublik werden“, so das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt, „nach Einschätzung des Bundesverbandes der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) [die neuen europäischen Grenzwerte] nicht einhalten können.“ „Rund 1 400 Pflanzenbehandlungsmittel mit etwa 240 Wirkstoffen sind in der Bundesrepublik zugelassen. Im Grund-, Oberflächen-, Trink- und spurenweise sogar im Regenwasser wurden bisher mehr als 40 Wirkstoffe nachgewiesen.“ Außerdem leidet das Trinkwasser in Deutschland immer noch unter den Altlasten des Zweiten Weltkrieges. In einer Kleinstadt, in der damals ein Sprengstoffwerk betrieben wurde, fanden sich „Abbauprodukte aus der TNT-Produktion ... im Trinkwasser; sechs Brunnen wurden stillgelegt“.
SCHLIMMER ALS FETTLEIBIGKEIT
Es ist bekannt, daß man häufig zunimmt, wenn man mit dem Rauchen aufhört, und daß Fettleibigkeit die Gesundheit gefährdet. Aber diese beiden Tatsachen stützen nicht die Schlußfolgerung einiger Raucher, es sei gesünder, weiterzurauchen und schlank zu bleiben, als mit dem Rauchen aufzuhören und zuzunehmen. Gemäß der britischen Zeitschrift The Economist haben ein Statistiker und ein Epidemiologe die Daten einer ausgedehnten Studie analysiert, bei der 7 000 britische Männer beobachtet worden waren. Die Forscher kamen zu dem Schluß, daß es zwar zweifellos gefährlich ist, zu dick zu sein, daß es aber noch gefährlicher ist, 20 Zigaretten am Tag zu rauchen. In der Zeitschrift heißt es: „Selbst starke Fettleibigkeit ist immer noch besser als das Rauchen (nicht weil starke Fettleibigkeit harmlos wäre, sondern weil das Rauchen wirklich schlimm ist).“
LEIDEN DES 20. JAHRHUNDERTS
Die heutige Umweltverschmutzung ist für eine ungewöhnliche neue Krankheit verantwortlich. Man spricht von der ökologischen Krankheit, von Umwelt-Hypersensitivität oder dem Leiden des 20. Jahrhunderts. Allein in Ontario (Kanada) sollen 30 000 Menschen davon betroffen sein. Sie reagieren besonders sensibel auf ein Übermaß an Chemikalien und Giften — das reicht von Zigarettenrauch bis zu Druckfarben. In extremen Fällen sind die Betroffenen ans Haus gebundene Invaliden, die zum Atmen eine Sauerstoffmaske benötigen. Die Zeitung The Toronto Star bemerkt, nach Meinung von Experten sei das Leiden einiger „ein warnendes Anzeichen, daß irgend etwas völlig falsch gelaufen“ ist.