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Ist es von Bedeutung?Der Wachtturm (Öffentlichkeitsausgabe) 2016 | Nr. 4
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TITELTHEMA | DIE BIBEL: WIE SIE ÜBERLEBT HAT
Ist es von Bedeutung?
Kein anderes religiöses Buch hat den Glauben so vieler Menschen über einen so langen Zeitraum geprägt wie die Bibel. Aber auch kein anderes Buch hat so viele Diskussionen und so viel Kritik ausgelöst.
Einige Gelehrte bezweifeln zum Beispiel, dass der Text heutiger Bibeln wirklich dem Urtext entspricht. „[Wir können] einfach nicht sicher sein, dass wir den Originaltext genau rekonstruiert haben“, schrieb ein Professor für Religionswissenschaft. „Wir haben nur Abschriften voller Fehler. Die überwiegende Mehrheit der Abschriften ist um Jahrhunderte jünger als die Originale und unterscheiden sich von diesen offenkundig in tausenderlei Hinsicht.“
Auch der religiöse Hintergrund spielt eine Rolle dabei, ob jemand die Bibel für zuverlässig hält oder nicht. Faizal kommt beispielsweise aus einer nicht christlichen Familie. Ihm wurde immer gesagt, die Bibel sei zwar ein heiliges Buch, aber verfälscht. „Deswegen war ich misstrauisch, wenn andere mit mir über die Bibel reden wollten“, sagt er. „Sie hatten ja nicht die echte Bibel, sondern nur eine Fälschung.“
Ist es von Bedeutung, ob der Text der Bibel bis heute zuverlässig erhalten geblieben ist oder nicht? Denken wir einmal weiter: Könnte man dem vertrauen, was die Bibel für die Zukunft verspricht, wenn gar nicht sicher ist, ob diese Versprechen wirklich im Urtext standen? (Römer 15:4). Würde man sich bei Entscheidungen zum Thema Arbeit, Familie oder Glauben an den Prinzipien der Bibel orientieren, wenn man heute nur noch eine verfälschte Kopie lesen könnte?
Es stimmt schon, die Originalhandschriften sind nicht erhalten geblieben, doch es gibt viele sehr alte Bibeln und Tausende von alten Bibelmanuskripten. Wie wurden sie vor dem Verfall und vor Gegnern bewahrt? Wie überstand die Bibel Fälschungsversuche? Und wieso ist ihre Überlebensgeschichte ein Beweis dafür, dass heutige Bibeln glaubwürdig sind? Diese Fragen werden in den folgenden Artikeln über den Überlebenskampf der Bibel beantwortet.
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Die Bibel: Bewahrt vor dem VerfallDer Wachtturm (Öffentlichkeitsausgabe) 2016 | Nr. 4
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TITELTHEMA | DIE BIBEL: WIE SIE ÜBERLEBT HAT
Die Bibel: Bewahrt vor dem Verfall
DIE BEDROHUNG: Das Schreibmaterial. Die Schreiber und Abschreiber der Bibel benutzten hauptsächlich Papyrus und Pergament (2. Timotheus 4:13).a Warum war das eine reale Gefahr für die Bibel?
Papyrus reißt und verfärbt leicht und wird auch schnell brüchig. „Ein Blatt kann zerfallen, bis irgendwann nur noch ein Skelett aus Fasern und eine Handvoll Staub übrig sind“, schreiben die Ägyptologen Richard Parkinson und Stephen Quirke. „Während der Lagerung kann eine Schriftrolle aufgrund von Feuchtigkeit schimmeln oder verrotten und sie kann von Nagetieren oder Insekten, vor allem von Termiten, zerfressen werden, wenn sie vergraben ist.“ Manche Papyri waren nach ihrer Entdeckung starkem Licht oder Feuchtigkeit ausgesetzt, was ihren Zerfall noch beschleunigte.
Pergament ist haltbarer als Papyrus, zerfällt aber ebenfalls, wenn es falsch behandelt wird oder wenn Temperatur, Feuchtigkeit oder Lichteinfluss extrem werden.b Auch Insekten stellen eine Gefahr dar. Deshalb heißt es in einem Fachbuch über antike Schriften: „Überleben ist eher die Ausnahme als die Regel“ (Everyday Writing in the Graeco-Roman East). Ein Zerfall der Bibelhandschriften hätte auch den Verlust des Inhalts bedeutet.
WIE DIE BIBEL BEWAHRT WURDE: Das jüdische Gesetz wies jeden König an, dass er eine Abschrift des Gesetzes, das heißt der ersten fünf Bibelbücher, „für sich in ein Buch schreiben soll“ (5. Mose 17:18). Außerdem stellten berufsmäßige Abschreiber so viele Kopien her, dass die heiligen Schriften im 1. Jahrhundert nach Christus in den Synagogen von ganz Israel und sogar im entfernten Mazedonien zu finden waren (Lukas 4:16, 17; Apostelgeschichte 17:11). Wie haben einige dieser alten Manuskripte bis heute überlebt?
Die Schriftrollen vom Toten Meer überlebten jahrhundertelang in Tonkrügen, die in Höhlen in einer trockenen Region versteckt waren
„Die Juden waren dafür bekannt, Buchrollen mit den heiligen Schriften in Krügen aufzubewahren“, sagt der Neutestamentler Philip W. Comfort. Die Christen setzten diese Tradition offensichtlich fort. Deshalb entdeckte man einige sehr alte Bibelhandschriften in Tonkrügen, aber auch in dunklen Kammern, Höhlen und außergewöhnlich trockenen Regionen.
DAS ERGEBNIS: Tausende Bibelfragmente — manche über 2 000 Jahre alt — sind bis heute erhalten geblieben. Kein anderes antikes Werk kann so viele derart alte Manuskripte vorweisen.
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Die Bibel: Bewahrt vor WiderstandDer Wachtturm (Öffentlichkeitsausgabe) 2016 | Nr. 4
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TITELTHEMA | DIE BIBEL: WIE SIE ÜBERLEBT HAT
Die Bibel: Bewahrt vor Widerstand
DIE BEDROHUNG: Mächtige Herrscher und Geistliche. Viele von ihnen verfolgten Ziele, die mit der Botschaft der Bibel nicht zu vereinbaren waren. Sie nutzten ihren Einfluss deshalb oft, um den Besitz, die Herstellung oder die Übersetzung der Bibel zu unterbinden. Dazu nur zwei Beispiele:
Um 167 vor Christus: Der Seleukidenkönig Antiochos IV. Epiphanes wollte die Juden zur griechischen Religion zwangsbekehren und ordnete an, alle Abschriften der hebräischen Bibel zu vernichten. Der Historiker Heinrich Graetz schrieb über die Verfolger: „Wo sie Thorarollen fanden, zerrissen sie sie in Wut, verbrannten die Teile im Feuer und töteten diejenigen, welche zu ihrem Troste und ihrer Stärkung in dieser blutigen Zeit darin lasen.“
Im Mittelalter: Einige hochrangige katholische Geistliche waren verärgert, weil manche Laien nicht katholische Dogmen vertraten, sondern das, was wirklich in der Bibel steht. Sie bezeichneten jeden als Ketzer, der außer den Psalmen in Latein irgendein anderes Bibelbuch besaß. Auf einem Kirchenkonzil beschloss man dann, Männer einzusetzen, die „sorgfältig, gründlich und regelmäßig . . . nach Ketzern forschen und dazu einzelne verdächtige Häuser und unterirdische Kammern durchsuchen . . . sollen, die anschließend alle zu zerstören sind“.
Wäre es den Gegnern gelungen, die Bibel zu vernichten, wäre auch ihr Inhalt verloren gegangen.
Die englische Bibel von William Tyndale wurde verboten, verbrannt und ihr Übersetzer 1536 hingerichtet — trotzdem gibt es sie bis heute
WIE DIE BIBEL BEWAHRT WURDE: König Antiochos konzentrierte sich mit seiner Bekehrung vor allem auf die Juden in Israel, doch es gab noch unzählige jüdische Gemeinden in anderen Ländern. Man schätzt, dass im 1. Jahrhundert sogar über 60 Prozent der Juden außerhalb von Israel lebten. In ihren Synagogen bewahrten sie die heiligen Schriften auf. Auf diese konnten kommende Generationen und später auch die Christen zugreifen (Apostelgeschichte 15:21).
Im Mittelalter stellten einige ihre Liebe zur Bibel mutig unter Beweis, indem sie sie trotz Verfolgung übersetzten und vervielfältigten. Noch bevor der moderne Buchdruck Mitte des 15. Jahrhunderts erfunden wurde, waren Teile der Bibel wohl schon in 33 Sprachen erhältlich. Seitdem wird die Bibel in noch nie da gewesenem Ausmaß übersetzt und gedruckt.
DAS ERGEBNIS: Trotz der Anfeindungen von mächtigen Herrschern und Geistlichen ist die Bibel das Buch, das am weitesten verbreitet und in die meisten Sprachen übersetzt wurde. Es hat nicht nur die Gesetze und die Sprachen vieler Länder maßgeblich beeinflusst, sondern auch das Leben von Millionen.
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Die Bibel: Bewahrt trotz FälschungsversuchenDer Wachtturm (Öffentlichkeitsausgabe) 2016 | Nr. 4
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Die Massoreten schrieben die heiligen Schriften äußerst sorgfältig ab
TITELTHEMA | DIE BIBEL: WIE SIE ÜBERLEBT HAT
Die Bibel: Bewahrt trotz Fälschungsversuchen
DIE BEDROHUNG: Abschreiber und Übersetzer, die den Inhalt der Bibel ändern wollten. Äußere Bedrohungen wie Zerfall und Widerstand konnten der Bibel nichts anhaben, doch es drohte noch eine andere Gefahr: Manche wollten die Bibel an ihre Lehren anpassen, nicht ihre Lehren an die Bibel. Dazu drei Beispiele:
Anbetungsstätte: Zwischen dem 4. und 2. Jahrhundert vor Christus veränderten die Schreiber des samaritanischen Pentateuchsa den Text in 2. Mose 20:17. Sie erweiterten ihn um die Worte: „. . . in Garizim. Und dort sollst du einen Altar bauen“. So schufen sich die Samariter einen Beleg für den Bau eines Tempels auf dem Berg Garizim.
Dreieinigkeit: Weniger als 300 Jahre nach Fertigstellung der Bibel fügte ein Verfechter der Dreieinigkeitslehre in 1. Johannes 5:7 die Worte ein: „. . . im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist, und diese drei sind eins“. Dieser Zusatz kommt im Originaltext nicht vor. Erst „ab dem 6. Jahrhundert findet man ihn immer öfter in Manuskripten der Altlateinischen [Bibel] und der Vulgata“, schreibt der Bibelgelehrte Bruce Metzger.
Name Gottes: Aufgrund eines jüdischen Aberglaubens entschieden sich viele Bibelübersetzer, den Gottesnamen aus der Bibel zu entfernen. Sie haben ihn mit Bezeichnungen wie „Gott“ oder „Herr“ ersetzt — Ausdrücke, die in der Bibel nicht nur für den Schöpfer verwendet werden, sondern auch für Menschen, Götzen und sogar den Teufel (Johannes 10:34, 35; 1. Korinther 8:5, 6; 2. Korinther 4:4).b
WIE DIE BIBEL BEWAHRT WURDE: Zum einen waren nicht alle Abschreiber fahrlässig oder hatten böse Absichten. Im Gegenteil: Viele gingen äußerst professionell und sorgfältig vor. Zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert schrieben die Massoreten den hebräischen Text ab. Ihre Abschrift ist heute als der massoretische Text bekannt. Es heißt, dass sie die Wörter und sogar die Buchstaben zählten, um einen fehlerfreien Text zu gewährleisten. Vermuteten sie einen Fehler in der Vorlage, fügten sie eine Randnotiz hinzu. Aber sie hätten es nie gewagt, den Text der Bibel bewusst zu ändern. „Für sie wäre es das schlimmste Verbrechen gewesen“, schrieb Professor Moshe Goshen-Gottstein.
Zum anderen kann man heute allein schon durch die gewaltige Menge an Manuskripten Fehler ausfindig machen. Einige hochrangige Geistliche hatten zum Beispiel jahrhundertelang gelehrt, ihre lateinische Version der Bibel enthalte den richtigen Text. Doch sie waren es, die die zuvor erwähnte Passage in 1. Johannes 5:7 einfach einfügten und damit die Bibel bewusst verfälschten. Dieser Fehler wurde auch in der Lutherbibel übernommen. Aber was brachten neu entdeckte Manuskripte ans Licht? In dem Werk Religion in Geschichte und Gegenwart heißt es über das eingefügte Textstück: „In griech. Textzeugen erscheint es nicht vor dem 14. Jh. . . . Es fehlt in allen alten Bibelübersetzungen, auch in den ältesten Zeugen der Vetus Latina und Vulgata.“ Aus diesem Grund wurde diese Passage aus der Lutherbibel und anderen Übersetzungen wieder entfernt.
Chester-Beatty P46, ein Papyrusfragment der Bibel aus der Zeit um 200 n. Chr.
Bestätigen alte Manuskripte, dass der Inhalt der Bibel bewahrt wurde? Als man 1947 die Schriftrollen vom Toten Meer fand, bot sich die Möglichkeit, den massoretischen Text mit Schriftrollen zu vergleichen, die über tausend Jahre älter waren. Ein Mitglied des Herausgeberteams der Schriftrollen vom Toten Meer erklärte, schon eine einzige dieser Rollen liefere „den unwiderlegbaren Beweis, dass die Überlieferung des Bibeltextes über eine Zeit von mehr als tausend Jahren durch die Hände jüdischer Abschreiber äußerst wortgetreu und gewissenhaft erfolgt ist“.
In der Chester Beatty Library in Dublin findet man alte Papyri von fast allen griechischen Texten der Bibel. Manche der Manuskripte stammen aus dem 2. Jahrhundert nach Christus — sie sind also nur rund hundert Jahre nach der Vollendung der Bibel entstanden. „Die Papyri liefern zwar eine Fülle an neuen Details zum Text“, heißt es im Anchor Bible Dictionary, „aber sie zeugen auch von bemerkenswerter Konstanz bei der Übermittlung biblischer Texte.“
„Man kann mit Sicherheit sagen, dass kein anderes Werk des Altertums so genau überliefert worden ist“
DAS ERGEBNIS: Dass die Bibel über einen so langen Zeitraum so oft abgeschrieben wurde, hat ihrer Glaubwürdigkeit keineswegs geschadet. Im Gegenteil! „Kein anderes altes Buch verfügt über so frühe und reichliche Textzeugnisse, und kein unvoreingenommener Gelehrter würde leugnen, dass der Text, den wir heute haben, im Wesentlichen unversehrt ist“, schrieb Sir Frederic Kenyon über den griechischen Text der Bibel. Und über den hebräischen Teil schrieb der Alttestamentler William Henry Green: „Man kann mit Sicherheit sagen, dass kein anderes Werk des Altertums so genau überliefert worden ist.“
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Warum die Bibel bewahrt wurdeDer Wachtturm (Öffentlichkeitsausgabe) 2016 | Nr. 4
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TITELTHEMA | DIE BIBEL: WIE SIE ÜBERLEBT HAT
Warum die Bibel bewahrt wurde
Die Bibel hat überlebt — und sie ist heute jedem zugänglich. Wählt man eine gute Bibelübersetzung, kann man sicher sein, eine zuverlässige Wiedergabe der Originalschriften vor sich zu haben.a Aber warum hat die Bibel überlebt, und das oft auf erstaunliche Art und Weise? Wieso konnten ihr weder Verfall noch starker Widerstand oder Fälschungsversuche etwas anhaben? Was macht dieses Buch so besonders?
„Ich bin jetzt davon überzeugt, dass die Bibel, die ich habe, wirklich ein Geschenk Gottes ist“
Viele, die sich intensiv mit der Bibel beschäftigt haben, sind zu dem gleichen Schluss gekommen wie der Apostel Paulus, der schrieb: „Die ganze Schrift ist von Gott“ (2. Timotheus 3:16). Sie sind überzeugt: Die Bibel hat überlebt, weil sie das Wort Gottes ist und weil Gott sie bis heute bewahrt hat. Faizal, der zu Beginn zitiert wurde, entschied sich irgendwann, der Sache selbst auf den Grund zu gehen und die Bibel zu studieren. Ihn erwartete eine Überraschung: Er stellte fest, dass viele angeblich christliche Lehren gar nicht in der Bibel zu finden sind. Und als er in der Bibel las, was Gott mit der Erde vorhat, war er tief berührt.
„Ich bin jetzt davon überzeugt, dass die Bibel, die ich habe, wirklich ein Geschenk Gottes ist“, sagt er. „Wenn Gott schon das ganze Universum erschaffen kann, hat er dann nicht auch die Macht, uns ein Buch zu geben und es zu bewahren? Etwas anderes zu behaupten, wäre eine Beleidigung seiner Macht — der Macht des Allmächtigen! Und wer bin ich, mir so etwas zu erlauben?“ (Jesaja 40:8).
a Siehe den Artikel „Woran erkennt man eine gute Bibelübersetzung?“ im Wachtturm vom 1. Mai 2008.
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