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Galileis Teleskop — Nur ein AnfangErwachet! 1992 | 22. März
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Galileis Teleskop — Nur ein Anfang
ALS Galileo Galilei sein neuerfundenes Teleskop zum Himmel richtete, tat sich ihm eine völlig neue Welt auf. Er konnte jetzt zehnmal mehr Sterne sehen als je einer zuvor. Die Milchstraße erschien ihm nicht mehr wie ein Nebelstreifen, sondern wie ein Kaleidoskop von zahllosen Sternen unterschiedlichster Größe. Die Mondoberfläche verwandelte sich vor seinen Augen von einer glänzenden Porzellanscheibe in ein Mosaik aus Bergen, Kratern und wasserlosen Meeren.
Ein paar Monate später entdeckte Galilei vier der Jupitermonde. Dann sah er die faszinierenden Ringe des Saturns. Als er sein Teleskop auf die Venus richtete, bemerkte er verschiedene Phasen — leichte Licht- und Formveränderungen. Diese Phasen waren nur zu erklären, sofern der Planet sich um die Sonne bewegte. Wenn aber e i n Planet um die Sonne kreiste, dann, so schlußfolgerte er, müßten das auch die anderen — die Erde eingeschlossen. Und er hatte recht. So stürzte 1609 die Erde von ihrem Sockel, auf den man sie als angeblichen Mittelpunkt des Universums gestellt hatte.
Doch langgehegte Vorstellungen wirft man nicht so leicht über Bord. Die katholische Kirche erklärte: „Die Ansicht, die Erde sei nicht das Zentrum des Alls und drehe sich sogar einmal im Tag um sich selbst, ist ... zum mindesten ein Irrglaube.“ Galilei wurde vor die Inquisition zitiert und verbrachte seine letzten Jahre unter Hausarrest. Religiöser Dogmatismus konnte jedoch nicht die Neugierde unterdrücken, die mit der Erfindung des Teleskops geweckt worden war. Die Geheimnisse des Universums zogen immer mehr Wissenschaftler in ihren Bann.
Fast vierhundert Jahre intensiver Forschung haben seitdem unser Wissen über das Universum drastisch vermehrt. Verschiedene Arten von Sternen wie Rote Riesen, Weiße Zwerge und Pulsare wurden identifiziert. In jüngster Zeit hat man Quasare — rätselhafte Objekte, die ungeheure Mengen von Energie abstrahlen — in den Tiefen des Weltraums aufgespürt. Und man ist der Ansicht, daß in vielen Galaxien geheimnisvolle Schwarze Löcher gleich kosmischen Strudeln von unvorstellbarer Gewalt unsichtbar lauern.
Starke optische Teleskope ermöglichen es, tief in den Weltraum zu spähen und dabei gewissermaßen Milliarden Jahre zurückzureisen bis an die Grenzen des sichtbaren Universums. Unmengen von Sternen und Galaxien sind entdeckt worden, einige so weit von uns entfernt, daß ihr Licht den Berechnungen zufolge mehr als 15 Milliarden Jahre bis zu uns gebraucht hat.a
Sterne sind zwar im allgemeinen nur schwache Radioquellen, aber andere Objekte im All wie Pulsare und Quasare wurden in erster Linie mit Radioteleskopen entdeckt. Wie der Name andeutet, spüren diese Teleskope Radio- statt Lichtwellen auf. Seit 1961 wurden Hunderte von Quasaren gefunden, viele davon in den weiten Tiefen des bekannten Universums.
Die Kartierung des Universums hat sich als größere Aufgabe erwiesen, als sich das Galilei wohl vorgestellt haben könnte. Erst in unserem Jahrhundert hat man langsam eine Vorstellung gewonnen von der ungeheuren Größe des Weltalls mit seinen Milliarden Galaxien und den überwältigenden Entfernungen zwischen ihnen.
Zur besseren Vorstellung der kosmischen Entfernungen zog der Physiker Robert Jastrow folgenden Vergleich: Stellen wir uns die Sonne auf die Größe einer Apfelsine verkleinert vor. Dann wäre die Erde nicht mehr als ein Sandkorn, das in 9 Meter Entfernung um diese Sonne kreiste. Der Jupiter würde in Kirschkerngröße einen Häuserblock entfernt seine Runden um die Apfelsine drehen, und Pluto wäre ein weiteres Sandkorn, zehn Häuserblocks von unserer „Apfelsinensonne“ entfernt. Bei gleichem Maßstab befände sich der nächste Nachbarstern der Sonne, der Alpha Centauri, 2 100 Kilometer weit weg, und die gesamte Milchstraße wäre ein loser Verbund von Apfelsinen, jede etwa 3 000 Kilometer von ihren Nachbarn entfernt, mit einem Gesamtdurchmesser von 30 Millionen Kilometern. Selbst bei stark verkleinertem Maßstab wachsen einem die Zahlen bald über den Kopf.
Nicht nur die Entfernungen sind erstaunlich. Beim Entschlüsseln der Geheimnisse des Universums sind die Wissenschaftler auf seltsame Phänomene gestoßen. Da hat man Neutronensterne entdeckt, die aus so dichter Materie bestehen, daß ein Teelöffel voll soviel wie 200 Millionen Elefanten wiegt. Es gibt winzige Sterne, Pulsare genannt, von denen einer etwa 600mal in der Sekunde blinkt. Und dann sind da natürlich noch die geheimnisvollen Schwarzen Löcher, über die die Wissenschaftler spekulieren. Die Löcher selbst können nicht gesehen werden, aber ihr unersättlicher Appetit auf Licht und Materie verrät vielleicht ihre geheimnisumwitterte Existenz.
Vieles bleibt allerdings immer noch ein Geheimnis, abgeschirmt durch unvorstellbare Entfernungen und Zeiträume. Was hat man jedoch bisher über das Universum herausgefunden? Wirft das, was man heute weiß, neues Licht darauf, wie und warum das Universum existiert?
[Fußnote]
a Um mit den riesigen Entfernungen zurechtzukommen, mußten neue Entfernungseinheiten wie das Lichtjahr geschaffen werden. Ein Lichtjahr ist die Entfernung, die das Licht in einem Jahr zurücklegt — über 9 Billionen Kilometer. Ein Auto, das konstant mit 100 km/h fährt, würde dafür fast 11 Millionen Jahre benötigen.
[Bild auf Seite 4]
Das Radioteleskop in Jodrell Bank, gebaut 1957 in England, war die erste voll steuerbare Einheit
[Bildnachweis]
Mit frdl. Gen.: Jodrell Bank Radio Telescope
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Das Universum gibt einige Geheimnisse preisErwachet! 1992 | 22. März
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Das Universum gibt einige Geheimnisse preis
AM FRÜHEN Morgen des 4. Juli 1054 beobachtete Yang Wei Te den Nachthimmel. Als kaiserlicher Hofastronom Chinas verfolgte er akribisch die Bewegung der Sterne, als plötzlich ein helles Licht in der Nähe des Orionsternbildes seine Aufmerksamkeit erregte.
Ein „Gaststern“ — so nannten die Chinesen damals solch eine seltene Erscheinung — war aufgetaucht. Nachdem Yang den Kaiser pflichtgemäß informiert hatte, beobachtete er, daß der „Gaststern“ so hell geworden war, daß er sogar die Venus überstrahlte, ja er konnte mehrere Wochen lang bei hellem Tageslicht gesehen werden.
Neunhundert Jahre mußten vergehen, bis dieses Ereignis zufriedenstellend erklärt werden konnte. Heute ist man der Ansicht, daß der chinesische Astronom Zeuge eines Supernova-Ausbruchs war — des dramatischen Todeskampfes eines großen Sterns. Das Wie und Warum eines solchen Phänomens gehört zu den Geheimnissen, die die Astronomie zu enträtseln versucht. Die folgenden Erklärungen sind von den Astronomen in mühsamer Kleinarbeit erarbeitet worden.
Obgleich Sterne wie unsere Sonne ein unvorstellbar langes und stabiles Leben haben, sorgen doch ihre Geburt und ihr Tod für spektakuläre Himmelserscheinungen. Man ist der Ansicht, daß die Lebensgeschichte eines Sterns im Innern eines Nebels beginnt.
Nebel. Das ist die Bezeichnung für eine interstellare Gas- und Staubwolke. Solche Nebel zählen zu den schönsten Objekten am Nachthimmel. Der Nebel auf der Titelseite hat den Namen Trifidnebel (oder Nebel mit drei Spalten) erhalten. Im Innern dieses Nebels werden neue Sterne geboren, weshalb er rötlich leuchtet.
Offensichtlich entstehen in einem Nebel Sterne, wenn sich die verstreute Materie unter dem Einfluß der Gravitation zu gasreichen Regionen verdichtet, die sich weiter zusammenziehen. Diese riesigen Gasbälle stabilisieren sich, sobald sie die Temperatur erreichen, bei der im Innern die Kernreaktion einsetzt, die ein weiteres Zusammenziehen verhindert. So wird ein Stern geboren, oftmals gemeinsam mit weiteren Sternen, die dann einen Sternhaufen bilden.
Sternhaufen. Auf dem einen Bild auf Seite 8 ist ein kleiner Sternhaufen namens Schatzkästchen zu sehen, der erst vor ein paar Millionen Jahren entstanden sein soll. Der Name geht auf die anschauliche Beschreibung des im 19. Jahrhundert lebenden Astronomen John Herschel zurück, der von einer „Schatulle mit verschiedenfarbigen Edelsteinen“ sprach. Allein in unserer Galaxie soll es über tausend ähnliche Sternhaufen geben.
Die Energie der Sterne. Ein werdender Stern stabilisiert sich, wenn in seinem Innern ein nukleares Feuer gezündet wird. Nun beginnt die Umwandlung von Wasserstoff zu Helium mittels eines Fusionsprozesses ähnlich dem in einer Wasserstoffbombe. Die Masse eines typischen Sterns wie der Sonne ist so groß, daß die Vorräte an nuklearem Brennstoff für Milliarden von Jahren reichen.
Doch was passiert, wenn solch ein Stern schließlich seinen Wasserstoffvorrat aufgebraucht hat? Je kleiner die Wasserstoffreserven im Innern werden, desto mehr zieht sich der Kern zusammen und desto höher steigt die Temperatur. Gleichzeitig dehnen sich die äußeren Hüllen gewaltig aus, so daß der Radius des Sterns auf das 50fache oder mehr anwächst: Der Stern wird zu einem Roten Riesen.
Rote Riesen. Ein Roter Riese ist ein Stern mit verhältnismäßig niedriger Oberflächentemperatur; er erscheint daher eher rot als weiß oder gelb. Diese Phase im Leben eines Sterns ist relativ kurz, und wenn der größte Teil des Heliumvorrats aufgebraucht ist, endet sie mit einem gewaltigen Feuerwerk. Der Stern, der immer noch Helium verbrennt, stößt seine äußeren Schichten aus, die dann einen planetarischen Nebel bilden, dem von seinem Mutterstern weiter Energie zugeführt wird und der demzufolge leuchtet. Schließlich fällt der Stern in sich zusammen, um zum Schluß zu einem schwach leuchtenden Weißen Zwerg zu werden.
Wenn jedoch der ursprüngliche Stern massereich genug war, endet er selbst in einer Explosion; es entsteht eine Supernova.
Supernovä. Mit einem Supernova-Ausbruch endet das Dasein eines Sterns, der ursprünglich viel massereicher war als die Sonne. Riesige Mengen von Staub und Gas werden von Stoßwellen mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 000 Kilometern in der Sekunde in den Raum gespien. Das intensive Licht des Ausbruchs ist heller als das von einer Milliarde Sonnen und erscheint wie ein funkelnder Diamant am Himmel. Die bei einer einzigen Supernova freiwerdende Energie entspricht der Gesamtenergie, die unsere Sonne in neun Milliarden Jahren abstrahlen würde.
Heute, neunhundert Jahre nachdem Yang seine Supernova beobachtete, kann man immer noch die verstreuten Überreste jener Explosion in einer Formation wiederfinden, die Krebsnebel genannt wird. Doch dieser Nebel ist nicht das einzige Überbleibsel. In seinem Zentrum entdeckte man ein kleines rotierendes Objekt, das sich 33mal in der Sekunde dreht — einen Pulsar.
Pulsare oder Neutronensterne. Unter einem Pulsar versteht man einen hochdichten, rotierenden Materiekern, der nach dem Supernova-Ausbruch eines Sterns übrigbleibt, welcher nicht mehr als drei Sonnenmassen hatte. Da ein Pulsar einen Durchmesser von weniger als 30 Kilometern hat, kann er mit optischen Teleskopen kaum entdeckt werden. Aber er läßt sich durch Radioteleskope aufspüren, mit denen die Radiosignale registriert werden können, die durch seine schnelle Rotation entstehen. Ein Radiowellenkegel rotiert mit dem Stern so wie der Lichtkegel eines Leuchtturms, was auf den Beobachter wie ein Pulsieren wirkt. Daher der Name Pulsar. Pulsare werden auch Neutronensterne genannt, weil sie hauptsächlich aus dichtgepackten Neutronen bestehen. Das ist der Grund für ihre unvorstellbare Dichte, die über hundert Millionen Tonnen pro Kubikzentimeter beträgt.
Doch was geschieht, wenn ein Stern mit noch größerer Masse zu einer Supernova wird? Nach den Berechnungen der Astronomen könnte der Kern noch weiter zusammenstürzen als bei einem Neutronenstern. Theoretisch wäre die Gravitationskraft, die den Kern zusammendrückt, so groß, daß ein sogenanntes Schwarzes Loch entstünde.
Schwarze Löcher. Diese sollen so etwas wie gigantische kosmische Strudel sein, denen nichts entkommen kann. Der Gravitationssog ist so stark, daß sowohl Licht als auch Materie unerbittlich eingesaugt werden, wenn sie ihnen zu nahe kommen.
Kein Schwarzes Loch ist bisher je direkt beobachtet worden — was per Definition auch unmöglich ist —, doch man hofft, ihre Existenz durch den Einfluß nachweisen zu können, den sie auf Nachbarobjekte ausüben. Möglicherweise kann dieses besondere Geheimnis erst durch neue Beobachtungstechniken entschlüsselt werden.
Geheimnisse der Galaxien
Eine Galaxie ist eine kosmische Struktur, bestehend aus Milliarden von Sternen. 1920 stellte man fest, daß die Sonne nicht wie zuvor angenommen das Zentrum unserer Galaxie ist. Bald darauf wurden mit Hilfe stärkerer Teleskope eine Unmenge anderer Galaxien entdeckt, und man fing an zu begreifen, wie unermeßlich groß das Universum ist.
Der Nebelschleier, den wir Milchstraße nennen, ist in Wirklichkeit ein Ausschnitt unserer eigenen Galaxie. Könnten wir sie von außerhalb betrachten, so würde sie uns wie ein gigantisches Feuerrad erscheinen. Ihre Form ist mit zwei Spiegeleiern verglichen worden, die Unterseite gegen Unterseite liegen — allerdings in einem etwas größeren Maßstab! Für eine Reise quer durch unsere Milchstraße brauchten wir selbst mit Lichtgeschwindigkeit noch 100 000 Jahre. Die Sonne, die sich eher am Rand unserer Galaxie befindet, benötigt 200 Millionen Jahre für eine komplette Umkreisung des Zentrums der Galaxie.
Galaxien bergen wie die Sterne immer noch viele Geheimnisse, die die Wissenschaftsgemeinde faszinieren.
Quasare. In den 1960er Jahren wurden starke Radiosignale von Objekten aufgefangen, die weit, weit außerhalb unserer lokalen Galaxiengruppe liegen. Man nannte diese Objekte wegen ihrer Ähnlichkeit mit Sternen Quasare (kurz für „quasistellare Radioquellen“). Doch die Astronomen waren verblüfft über die erstaunliche Energiemenge, die von den Quasaren abgestrahlt wird. Die helleren sind mehrere zehntausendmal heller als die Milchstraße, und die entferntesten bisher entdeckten sind über zehn Milliarden Lichtjahre entfernt.
Nach zwei Jahrzehnten intensiver Forschung sind die Astronomen zu dem Schluß gekommen, daß diese entfernten Quasare die hochaktiven Kerne weit entfernter Galaxien sind. Doch was geht im Kern dieser Galaxien vor sich, daß eine so gewaltige Energie hervorgebracht wird? Einige Wissenschaftler sind der Meinung, die Energie werde eher durch Gravitationsprozesse freigesetzt als durch Kernfusion, wie das in den Sternen der Fall ist. Jüngste Theorien bringen die Quasare mit gigantischen Schwarzen Löchern in Verbindung. Allerdings ist man sich da noch keineswegs sicher.
Die Natur der Quasare und die der Schwarzen Löcher sind nur zwei der Rätsel, die noch darauf warten, gelöst zu werden. Ja, einige der Geheimnisse des Universums werden wir möglicherweise nie begreifen. Doch diejenigen, die bislang ergründet wurden, können uns einige wichtige Wahrheiten lehren, Wahrheiten, die weit über das Gebiet der Astronomie hinausreichen.
[Bild auf Seite 7]
Spiralgalaxie M83
[Bildnachweis]
Foto: D. F. Malin; mit frdl. Gen.: Anglo-Australian Telescope Board
[Bilder auf Seite 8]
Das Schatzkästchen
Offener Sternhaufen, die Plejaden im Taurus, M45
[Bildnachweis]
Foto: D. F. Malin; mit frdl. Gen.: Anglo-Australian Telescope Board
[Bilder auf Seite 8]
Der Orionnebel, kleines Bild zeigt den Pferdekopfnebel
[Bildnachweis]
Foto: D. F. Malin; mit frdl. Gen.: Anglo-Australian Telescope Board
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Was das Universum uns lehrtErwachet! 1992 | 22. März
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Was das Universum uns lehrt
„Ich maße mir nicht an, das Universum zu verstehen — es ist unendlich viel größer als ich“ (Thomas Carlyle, 1795—1881).
HEUTE, gut hundert Jahre später, haben wir eine weit bessere Vorstellung davon, wieviel größer als wir das Universum wirklich ist. Doch obwohl die Wissenschaft heutzutage erheblich mehr versteht, ist ihre Situation immer noch, wie ein Astronom es einmal beschrieb, die des „Botanikers des 18. Jahrhunderts, der im Dschungel ständig neue Blumen entdeckt“.
Trotz unseres begrenzten Wissens können wir jedoch gewisse Schlüsse ziehen. Und diese Schlüsse haben etwas mit den wichtigsten Fragen überhaupt zu tun: Wie funktioniert das Universum? Und wie ist es entstanden?
Ordnung statt Chaos
Das Studium der Natur des Weltalls wird Kosmologie genannt. Dieser Begriff geht auf die zwei griechischen Wörter kosmos und logos zurück und vermittelt in etwa den Gedanken von „Studium der Ordnung oder Harmonie“. Das ist eine zutreffende Bezeichnung, denn Ordnung ist genau das, worauf man stößt, ob man nun die Bewegung der Himmelskörper erforscht oder die Materie, aus der das Weltall besteht.
Alles in unserem Universum ist in Bewegung, und diese Bewegungen sind weder unstet noch unberechenbar. Planeten, Sterne und Galaxien gehorchen bei ihrer Bewegung durch den Raum präzisen physikalischen Gesetzen, Gesetzen, die es den Wissenschaftlern ermöglichen, gewisse Phänomene am Himmel mit erstaunlicher Genauigkeit vorherzusagen. Und tatsächlich kontrollieren die vier Grundkräfte der Natur, die die winzigsten Atome beherrschen, auch die gewaltigsten Galaxien.
Ordnung zeigt sich auch in dem Stoff, aus dem das Universum aufgebaut ist. „Materie ist ... auf allen Ebenen organisiert — vom winzig Kleinen bis zum riesig Großen“, heißt es im Cambridge Atlas of Astronomy. Weit davon entfernt, rein zufällig verteilt zu sein, ist die Materie regelmäßig aufgebaut, sei es nun die Art und Weise, wie Elektronen mit den Protonen und Neutronen des Atomkerns verbunden sind, sei es durch die Anziehungskräfte, durch die die gigantischen Galaxienhaufen zusammengehalten werden.
Warum zeugt das Universum von einer solchen Ordnung und Harmonie? Warum wird es von so überragenden Gesetzen beherrscht? Da diese Gesetze vor der Entstehung des Universums dagewesen sein müssen — andernfalls hätten sie es nicht beherrschen können —, stellt sich die logische Frage: Woher kommen sie?
Der berühmte Wissenschaftler Isaac Newton kam zu dem Schluß: „Dieses bewunderungswürdige System aus Sonne, Planeten und Kometen konnte nur aus dem Ratschluß und der Herrschaft eines intelligenten und allmächtigen Wesens hervorgehen.“
Der Physiker Fred Hoyle sagte: „Der Ursprung des Universums setzt ebenso wie die Lösung des Zauberwürfels eine Intelligenz voraus.“ Die Schlußfolgerung, daß es einen übermenschlichen Gesetzgeber geben muß, wird von unserem Verständnis über den Ursprung des Universums gestützt.
Die grundlegende Frage: Wie ist das Universum entstanden?
Der Physiker und Mathematiker Stephen Hawking erklärte zu der ersten Sekunde des Universums: „Sie birgt die Antwort auf die letzte Frage nach dem Ursprung all dessen, was wir heute sehen, einschließlich des Lebens.“ Welche Ansicht über den Anfang des Universums vertritt aber heute die Wissenschaft?
In den 1960er Jahren entdeckte man eine aus allen Richtungen kommende schwache Hintergrundstrahlung. Diese Strahlung soll ein Nachhall der ersten Explosion sein, die von den Astronomen „Urknall“ getauft wurde. Die Explosion sei von so gewaltigem Ausmaß gewesen, daß ihr Echo noch nach Milliarden von Jahren festgestellt werden könne.a
Doch wenn das Universum vor 15 bis 20 Milliarden Jahren plötzlich ins Dasein explodierte, wie das die meisten Physiker heute glauben (auch wenn diese Theorie von anderen scharf angegriffen wird), dann taucht eine entscheidende Frage auf: Woher kam die Ausgangsenergie? Mit anderen Worten: Was war vor dem Urknall?
Dieser Frage gehen die meisten Astronomen lieber aus dem Weg. Einer von ihnen bekannte: „Die Wissenschaft hat bewiesen, daß die Welt zufolge von Kräften entstanden ist, die anscheinend für immer außerhalb der Macht wissenschaftlicher Darstellung liegen. Das beunruhigt die Wissenschaft, weil es im Widerspruch zur Wissenschaftsreligion steht — der Religion von Ursache und Wirkung, dem Glauben, daß jede Wirkung auch eine Ursache hat. Jetzt stellen wir fest, daß die größte aller Wirkungen, die Geburt des Universums, diesen Glaubensartikel verletzt.“
Ein Oxford-Professor schrieb noch direkter: „Es bleibt dem Leser überlassen, die erste Ursache des Universums einzusetzen, aber ohne diese ist unser Bild unvollständig.“ Die Bibel jedoch stellt die Dinge klar und zeigt, wer die „erste Ursache“ ist, wenn sie sagt: „Im Anfang erschuf Gott die Himmel und die Erde“ (1. Mose 1:1).
Die Bedeutungslosigkeit des Menschen
Die einfachste Wahrheit, die uns das Universum lehrt, ist auch die offensichtlichste, diejenige, die von den stolzen Männern des Mittelalters abgelehnt wurde, aber von biblischen Dichtern schon Jahrtausende zuvor demütig anerkannt worden war: die Bedeutungslosigkeit des Menschen.
Jüngste Erkenntnisse bekräftigen König Davids realistische Einschätzung: „Wenn ich deine Himmel sehe, die Werke deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der sterbliche Mensch, daß du seiner gedenkst, und der Sohn des Erdenmenschen, daß du für ihn sorgst?“ (Psalm 8:3, 4).
Die Astronomen haben die Unermeßlichkeit und Majestät des Alls enthüllt: Sterne von gewaltigen Ausmaßen, Entfernungen jenseits unserer Vorstellungskraft, Zeiträume, die sich unserem Verständnis verschließen, kosmische Reaktoren, die Temperaturen von Millionen von Graden erzeugen, und Energieausbrüche, mit denen es Milliarden von Atombomben nicht aufnehmen könnten. Doch über all das heißt es im Buch Hiob treffend: „Siehe! Dies sind die Säume seiner Wege, und welch Geflüster von einer Sache wird von ihm gehört! Doch wer kann zeigen, daß er den Donner seiner Macht versteht?“ (Hiob 26:14). Je mehr wir über das Universum lernen, desto dürftiger erscheint unser Wissen und desto kleiner wird unser eigener Platz darin. Für den objektiven Beobachter ist das eine ernüchternde Lehre.
Isaac Newton erklärte: „Mich selber dünkt, ich habe wie ein Knabe an einem Strand gespielt und mich damit unterhalten, hin und wieder einen glatteren Kiesel oder eine hübschere Muschel zu finden als gewöhnlich, während der ganze große Ozean der Wahrheit unentdeckt vor mir lag.“
Die Demut, die eine solche Einsicht in uns hervorrufen sollte, wird uns helfen anzuerkennen, daß es jemanden gibt, der das Universum geschaffen hat, der die Gesetze erlassen hat, von denen es regiert wird, jemanden, der weit größer und weiser ist als wir. Im Buch Hiob heißt es dazu: „Bei ihm ist Weisheit und Macht; sein ist Rat und Verstand“ (Hiob 12:13). Und das ist die wichtigste Lehre von allen.
Während einerseits immer mehr Geheimnisse des Universums entschlüsselt werden, tauchen andererseits noch größere Rätsel auf. Ein künftiger Artikel wird auf einige der jüngsten Entdeckungen eingehen, die heutzutage die Astronomen mit neuen Fragen verwirren und die Diskussionen der Kosmologen anheizen.
[Fußnote]
a So, wie ein ins Wasser geworfener Stein Wellen erzeugt, so soll diese hypothetische erste Explosion „Wellen“ einer Mikrowellenstrahlung erzeugt haben. Das sind nach Ansicht der Wissenschaftler die Wellen, die sie mit ihren empfindlichen Antennen empfangen haben, Wellen, die von einem Publizisten als „zischendes Echo der Schöpfung“ bezeichnet wurden.
[Bild auf Seite 10]
Apparatur zur Aufzeichnung der Hintergrundstrahlung des hypothetischen Urknalls
[Bildnachweis]
Mit frdl. Gen.: Royal Greenwich Observatory, Institut für Astrophysik der Kanarischen Inseln
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