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Ich wollte es selbst sehenErwachet! 1988 | 22. Juli
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HINTER den hohen, sicheren Mauern des Vatikans hat man den Eindruck, in eine wahre Schatzkammer eingetreten zu sein. Die Vatikanische Bibliothek befindet sich im Hof des päpstlichen Palastes, und daher benötigen Besucher eine Sondergenehmigung.
Hier wird die berühmte Vatikanische Handschrift 1209 oder der Codex Vaticanus aufbewahrt, für den gewöhnlich die Abkürzung B gebraucht wird. Er umfaßt die Hebräischen Schriften und einen Großteil der Christlichen Griechischen Schriften und stammt aus dem frühen 4. Jahrhundert u. Z.; das sind weniger als 300 Jahre nach den Tagen der Apostel. Mindestens seit 1481 ist der Kodex im Besitz der Vatikanischen Bibliothek. Er wurde Fachkreisen aber erst 1889/90 zugänglich gemacht.
Mein erster Eindruck war, daß die Schrift überraschend deutlich und nicht verblaßt war. Die ursprüngliche Tinte war anscheinend verblaßt, denn ein Schreiber hat die Schrift Buchstabe für Buchstabe aufgefrischt, wodurch der Kodex viel von seiner ehemaligen Schönheit verlor. Der Vaticanus ist wie fast alle griechischen Handschriften der Heiligen Schrift keine Schriftrolle, sondern ein Kodex, also ein Buch mit Blättern. Der Text wurde auf Velin geschrieben (ein feines Pergament), ein Beschreibmaterial, das aus den Häuten junger Tiere hergestellt wurde.
Wie wird das Alter solcher Dokumente bestimmt? Ich wollte es genau wissen. Wie ich erfuhr, ist die Art der Schrift ein Hauptfaktor. Der Bibliothekar war so freundlich und zeigte mir die beiden sehr unterschiedlichen Arten der Schrift in dem Manuskript. Vom 1. Buch Mose bis zum Hebräerbrief ist der Text in der sogenannten Unzialschrift geschrieben. Das ist ein Großbuchstabenstil, der vom 4. Jahrhundert v. u. Z. bis zum 8. oder 9. Jahrhundert u. Z. beim Schreiben von Büchern benutzt wurde. Zwischen den Wörtern fehlen die Zwischenräume, und Satzzeichen gibt es nicht. Die Offenbarung (kein Teil der Originalhandschrift) ist hingegen in Minuskelschrift geschrieben worden, das ist sozusagen eine Kursivschrift, bei der viele Buchstaben fließend miteinander verbunden sind. Diese kleinere Schrift setzte sich Anfang des 9. Jahrhunderts u. Z. durch.
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Ich wollte es selbst sehenErwachet! 1988 | 22. Juli
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So ließen zum Beispiel der Sinaiticus und der Vaticanus erkennen, daß der Bericht aus Johannes 7:53 bis 8:11 über die Ehebrecherin später hinzugefügt wurde, da er in keiner der beiden Handschriften enthalten ist.
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