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  • Die unschuldigen Opfer des Kindesmißbrauchs
    Erwachet! 1991 | 8. Oktober
    • Die unschuldigen Opfer des Kindesmißbrauchs

      „ICH bin jetzt fast 40 Jahre alt“, sagt Sonja.a „Und obwohl die Sache sogar schon über 30 Jahre zurückliegt, quält sie mich immer noch. Ich bin zornig, fühle mich schuldig und habe Eheprobleme. Andere versuchen mitzuempfinden, aber sie können es einfach nicht.“ Welches Problem hat Sonja? Sie ist als Kind sexuell mißbraucht worden, und die Folgen sind nach wie vor spürbar.

      Sonja ist bei weitem kein Einzelfall. Umfragen zeigen, daß eine beängstigende Anzahl Frauen — und Männer — diese Art der Mißhandlung erlitten haben.b Weit davon entfernt, nur ein seltener Akt abnormalen Verhaltens zu sein, ist sexueller Mißbrauch von Kindern ein weitverbreitetes Übel, das sich durch alle sozialen, wirtschaftlichen, religiösen und rassischen Gruppen hindurchzieht.

      Glücklicherweise würde die große Mehrheit der Männer und Frauen nicht einmal daran denken, ein Kind auf diese Weise zu mißhandeln. Doch eine gefährliche Minderheit hat diese krankhafte Neigung. Und entgegen der Klischeevorstellung sind nur wenige, die Kinder mißbrauchen, geistesgestörte Mörder, die auf Spielplätzen herumschleichen. Bei den meisten handelt es sich um Personen, die sich nach außen hin völlig normal geben. Sie befriedigen ihre perversen Begierden dadurch, daß sie sich an gutgläubige, vertrauensselige und wehrlose Kinder heranmachen — gewöhnlich an ihre eigenen Töchter.c Vor anderen mögen sie sie freundlich und liebevoll behandeln; sind sie aber mit den Kindern allein, drohen sie ihnen, sind gewalttätig und setzen sie einer demütigenden, entwürdigenden sexuellen Belästigung aus.

      Zugegeben, es ist schwer zu begreifen, daß solche Greuel in scheinbar anständigen Familien vorkommen. Allerdings wurden schon in biblischer Zeit Kinder zur „kurzweiligen Befriedigung ... sinnlicher Leidenschaft“ benutzt (The International Critical Commentary; vergleiche Joel 3:3). Die Bibel sagte folgendes voraus: „Dieses aber erkenne, daß in den letzten Tagen kritische Zeiten dasein werden, mit denen man schwer fertig wird. Denn die Menschen werden eigenliebig sein, ... ohne natürliche Zuneigung, ... ohne Selbstbeherrschung, brutal, ohne Liebe zum Guten.“ Daher sollte es uns nicht überraschen, daß Kindesmißbrauch heute weit verbreitet ist (2. Timotheus 3:1, 3, 13).

      Kindesmißbrauch muß keine physischen Narben hinterlassen. Auch ist nicht allen Erwachsenen, die als Kind mißbraucht wurden, ihre Betrübtheit anzusehen. Doch ein alter Spruch lautet: „Auch beim Lachen kann das Herz Schmerz empfinden“ (Sprüche 14:13). Ja, viele Opfer haben tiefe seelische Narben zurückbehalten — unsichtbare Wunden, die noch nicht verheilt sind. Warum verursacht Kindesmißbrauch bei einigen solchen Schaden? Warum heilt die Zeit die Wunden nicht? Das Ausmaß dieses traurigen Problems verlangt, daß wir uns damit befassen. Einiges, was jetzt folgt, mag zwar nicht angenehm zu lesen sein — besonders wenn jemand selbst als Kind mißbraucht wurde. Aber wer so etwas erlebt hat, kann sicher sein, daß es für ihn Hoffnung gibt und daß er sich davon erholen kann.

      a Alle Namen wurden geändert.

      b Da es viele Definitionen von sexuellem Mißbrauch gibt und die Methoden der Befragung völlig unterschiedlich sind, ist es fast unmöglich, genaue Statistiken zu erhalten.

      c Die meisten Opfer werden von ihrem Vater oder ihrem Stiefvater sexuell mißbraucht, aber auch von älteren Geschwistern, von Onkeln, Großvätern, erwachsenen Bekannten und Fremden. Die große Mehrzahl der Leidtragenden ist zwar weiblich, doch der hier gegebene Aufschluß ist größtenteils auf beide Geschlechter anzuwenden.

  • Die unsichtbaren Wunden des Kindesmißbrauchs
    Erwachet! 1991 | 8. Oktober
    • Die unsichtbaren Wunden des Kindesmißbrauchs

      „Ich hasse mich einfach. Ich denke immer daran, daß ich doch irgend etwas hätte tun sollen, etwas sagen sollen, um es zu verhindern. Ich fühl’ mich so schmutzig“ (Anne).

      „Ich fühl’ mich von anderen isoliert. Häufig bin ich verzweifelt und ohne Hoffnung. Manchmal möchte ich sterben“ (Jasmin).

      „SEXUELLER Kindesmißbrauch ist ... ein überwältigender, schädigender und demütigender Angriff auf den Verstand, die Seele und den Körper eines Kindes ... Der Mißbrauch greift in alle Aspekte des Daseins ein.“ So heißt es in dem Buch The Right to Innocence von Beverly Engel.

      Nicht alle Kinder reagieren auf Mißbrauch gleich.a Jedes Kind hat eine andere Persönlichkeit, verarbeitet Probleme anders und hat andere emotionale Reserven. Viel hängt auch von dem Verhältnis des Kindes zu dem Sittlichkeitsverbrecher ab, von der Schwere und der Dauer des Mißbrauchs, dem Alter des Kindes und von anderen Faktoren. Wenn der Mißbrauch aufgedeckt wird und das Kind liebevollen Beistand von Erwachsenen erhält, kann der Schaden gering gehalten werden. Vielen Opfern werden jedoch tiefe emotionale Wunden zugefügt.

      Warum so verheerende Auswirkungen

      Die Bibel gibt darüber Aufschluß, warum solcher Schaden entsteht. In Prediger 7:7 heißt es: „Allein Bedrückung kann bewirken, daß ein Weiser unsinnig handelt.“ Wenn das bei einem Erwachsenen der Fall ist, stelle man sich vor, welche Auswirkungen unmenschliche Unterdrückung auf ein kleines Kind hat — besonders wenn es sich bei dem Sexualtäter um den Vater oder die Mutter handelt, eine Person, der das Kind vertraut. Außerdem sind die ersten Lebensjahre für die emotionale und geistige Entwicklung eines Kindes entscheidend (2. Timotheus 3:15). In diesem zarten Alter entwickelt ein kleines Kind moralische Grenzen und einen Sinn für Selbstachtung. Durch die Bindung an die Eltern lernt das Kind auch die Bedeutung der Liebe und des Vertrauens kennen (Psalm 22:9).

      „Bei mißbrauchten Kindern wird der Prozeß der Vertrauensbildung gestört“, erklärt Dr. J. Patrick Gannon. Der Sittlichkeitsverbrecher erschüttert das Vertrauen des Kindes; er beraubt es jeglichen Anscheins von Sicherheit sowie der Intimsphäre oder der Selbstachtung und gebraucht es als bloßes Objekt zu seiner eigenen Befriedigung.b Kleine Kinder begreifen nicht den Zweck der aufgezwungenen unmoralischen Handlungen, doch fast immer empfinden sie sie als verwirrend, erschreckend und erniedrigend.

      Daher wird Kindesmißbrauch auch als „schlimmster Verrat“ bezeichnet. Wir werden an Jesu Frage erinnert: „Wer ist der Mensch unter euch, den sein Sohn um Brot bittet — er wird ihm doch nicht etwa einen Stein reichen?“ (Matthäus 7:9). Der Sexualtäter jedoch gibt dem Kind weder Liebe noch Zuneigung, sondern den schrecklichsten „Stein“ überhaupt — sexuelle Belästigung.

      Warum die Wunden bleiben

      Sprüche 22:6 sagt: „Erzieh einen Knaben gemäß dem Weg für ihn; auch wenn er alt wird, wird er nicht davon abweichen.“ Der Einfluß der Eltern kann offensichtlich ein Leben lang anhalten. Was aber, wenn einem Kind beigebracht worden ist, daß es gegenüber sexueller Belästigung machtlos ist? Was, wenn es gelehrt worden ist, im Austausch gegen „Liebe“ perverse Handlungen zu begehen? Wenn es dazu erzogen worden ist, sich selbst als wertlos und schmutzig zu betrachten? Könnte das nicht zu einem von selbstzerstörerischem Verhalten geprägten Leben führen? Wenn jemand als Kind mißbraucht wurde, ist das keine Rechtfertigung für ein unrechtes Verhalten als Erwachsener, doch anderen hilft es verstehen, warum Opfer von Kindesmißbrauch auf eine bestimmte Art reagieren oder fühlen.

      Viele von ihnen leiden an einer ganzen Reihe von Symptomen, einschließlich Depressionen. Einige sind durch anhaltende und manchmal überwältigende Gefühle der Schuld, der Scham oder des Zorns aufgewühlt. Andere Opfer leiden vielleicht unter emotionaler Verschlossenheit, der Unfähigkeit, Gefühle auszudrücken oder sie überhaupt zu empfinden. Viele sind auch bedrückt, weil sie geringe Selbstachtung haben und sich machtlos vorkommen. Thea, die von ihrem Onkel mißbraucht wurde, erinnert sich: „Jedesmal, wenn er mich mißbrauchte, fühlte ich mich machtlos, war betäubt, wie erstarrt und verwirrt. Warum tat er so etwas?“ Die Psychologin Cynthia Tower berichtet: „Untersuchungen zeigen, daß Personen, die in der Kindheit mißbraucht wurden, sich ihr Leben lang als Opfer fühlen.“ Sie heiraten vielleicht einen Mann, der sie mißhandelt, vermitteln den Eindruck von Verletzlichkeit oder sehen sich außerstande, sich zu verteidigen, wenn ihnen gedroht wird.

      Normalerweise haben Kinder ungefähr 12 Jahre Zeit, um sich auf die Gefühle vorzubereiten, die in der Pubertät in ihnen erwachen. Wenn ein kleines Kind jedoch zu unanständigen Handlungen gezwungen wird, kann es von den Gefühlen, die in ihm aufsteigen, überwältigt werden. Wie aus einer Studie hervorging, kann dadurch später die Freude an den Geschlechtsbeziehungen innerhalb der Ehe erschwert werden. Eine Betroffene namens Linda gesteht: „Das Geschlechtsleben in der Ehe ist eines der schwierigsten Dinge in meinem Leben. Ich habe die überaus schreckliche Vorstellung, daß es mein Vater ist, und gerate in Panik.“ Anderen Opfern kann es genau umgekehrt gehen, sie entwickeln unmoralische Zwangsvorstellungen. „Ich führte ein promiskuitives Leben, was damit endete, daß ich mit völlig fremden Leuten Geschlechtsbeziehungen hatte“, gibt Jasmin zu.

      Für diejenigen, die als Kind mißbraucht wurden, kann es auch schwierig sein, Freundschaften aufrechtzuerhalten. Einige sind einfach nicht in der Lage, zu Männern oder zu Autoritätspersonen ein normales Verhältnis aufzubauen. Andere sabotieren Freundschaften und Ehen dadurch, daß sie ausfallend oder bestimmend werden. Wieder andere vermeiden feste Beziehungen völlig.

      Es gibt sogar Opfer, die ihre zerstörerischen Gefühle gegen sich selbst richten. „Ich habe meinen Körper gehaßt, weil er auf die durch den Mißbrauch hervorgerufene Erregung reagiert hat“, gibt Meike zu. Tragischerweise sind Eßstörungenc, Arbeitssucht sowie Alkohol- und Drogenmißbrauch unter den Leidtragenden üblich — verzweifelte Versuche, ihre Empfindungen zu vergessen. Ihren Selbsthaß drücken einige auch auf eine direktere Art aus. „Ich habe mich selbst geschnitten, meine Fingernägel in die Arme gegraben und mir Brandwunden zugefügt“, sagt Meike. „Ich dachte, ich hätte die Mißhandlung verdient.“

      Man sollte allerdings nicht voreilig den Schluß ziehen, daß jeder, der so empfindet oder handelt, unbedingt sexuell mißbraucht wurde. Andere physische oder emotionale Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen. Experten sagen zum Beispiel, daß annähernd die gleichen Symptome bei Erwachsenen üblich sind, die in gestörten Familienverhältnissen aufwuchsen — die von ihren Eltern geschlagen, gedemütigt oder herabgewürdigt wurden, deren Eltern ihre physischen Bedürfnisse übergingen oder drogen- oder alkoholabhängig waren.

      Schaden in geistiger Hinsicht

      Die heimtückischste Folge des Kindesmißbrauchs überhaupt ist ein Schaden in geistiger Hinsicht. Kindesmißbrauch ist eine „Befleckung des Fleisches und Geistes“ (2. Korinther 7:1). Dadurch, daß ein Sexualtäter das Kind perversen Handlungen aussetzt, dessen körperliche und sittliche Grenzen verletzt und sein Vertrauen mißbraucht, vergiftet er den Sinn oder die Geisteshaltung des Kindes. Das kann später das Wachstum des Betroffenen in geistiger und sittlicher Hinsicht behindern.

      Pia Mellody schreibt in ihrem Buch Facing Codependence: „Jeder schwere Mißbrauch ... ist auch ein geistiger Mißbrauch, weil er das Vertrauen des Kindes in eine höhere Macht verdirbt.“ Ellen, eine Christin, fragt zum Beispiel: „Wie kann ich mir Jehova als einen Vater vorstellen, wenn ich meinen irdischen Vater als einen grausamen, zornigen Mann kenne?“ Sabine, eine andere Betroffene, sagt: „Ich habe Jehova nie als einen Vater betrachtet. Als einen Gott, Herrn, Souverän und Schöpfer schon, aber nicht als einen Vater.“

      Diese Personen sind nicht unbedingt in geistiger Hinsicht schwach oder glaubensschwach. Im Gegenteil, ihre ausdauernden Bemühungen, an den biblischen Grundsätzen festzuhalten, zeugen von geistiger Stärke. Man stelle sich aber vor, wie einige empfinden mögen, wenn sie einen Bibeltext wie Psalm 103:13 lesen, wo gesagt wird: „Wie ein Vater seinen Söhnen Barmherzigkeit erweist, hat Jehova denen Barmherzigkeit erwiesen, die ihn fürchten.“ Verstandesmäßig mögen sie das erfassen. Doch ohne eine Vorstellung von einem richtigen Vater kann es für sie schwer sein, diesen Text gefühlsmäßig zu verstehen.

      Manche finden es möglicherweise auch schwer, vor Jehova „wie ein kleines Kind“ zu sein — verletzbar, demütig und vertrauensvoll. Im Gebet zu Jehova offenbaren sie womöglich nicht ihre wahren Empfindungen (Markus 10:15). Sie mögen zögern, die Worte Davids aus Psalm 62:7, 8 auf sich anzuwenden: „Auf Gott beruht meine Rettung und meine Ehre. Mein starker Fels, meine Zuflucht ist in Gott. Vertraut auf ihn zu allen Zeiten. Vor ihm schüttet euer Herz aus. Gott ist uns eine Zuflucht.“ Schuldgefühle und Gefühle des Unwürdigseins könnten sogar ihren Glauben untergraben. Eine Leidtragende sagte: „Ich glaube sehr fest an das Königreich Jehovas. Doch ich fühle mich dafür wirklich nicht gut genug.“

      Natürlich sind nicht alle Opfer auf die gleiche Art und Weise betroffen. Einige fühlen sich zu Jehova als einem liebevollen Vater hingezogen, und es fällt ihnen nicht schwer, sich an ihn zu wenden und sich eng mit ihm verbunden zu fühlen. Wie auch immer, wenn du ein Opfer von Kindesmißbrauch bist, mag es für dich sehr wichtig sein, herauszufinden, wie dein Leben dadurch berührt wurde. Einige sind vielleicht damit zufrieden, die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Hast du aber den Eindruck, daß der Schaden beträchtlich ist, fasse Mut. Deine Wunden können geheilt werden.

      a Unsere Betrachtung bezieht sich auf das, was die Bibel pornéia oder Hurerei nennt (1. Korinther 6:9; vergleiche 3. Mose 18:6-22). Das schließt alle Formen unsittlichen Verkehrs ein. Andere mißbräuchliche Handlungen, die der Begriff pornéia nicht umfaßt — z. B. Exhibitionismus, Voyeurismus oder das Anschauen pornographischen Materials —, können dem Kind ebenfalls seelischen Schaden zufügen.

      b Da Kinder dazu neigen, Erwachsenen zu vertrauen, stellt der Mißbrauch durch vertraute Familienangehörige, wie z. B. ältere Geschwister, durch Freunde der Familie oder auch durch Fremde einen verheerenden Vertrauensmißbrauch dar.

      c Siehe Erwachet! vom 22. Dezember 1990.

  • „Eine Zeit zum Heilen“
    Erwachet! 1991 | 8. Oktober
    • „Eine Zeit zum Heilen“

      An Petras Schulter weinten sich viele aus; sie half jedem bei seinen Problemen. Sie wirkte ausgeglichen und machte einen tadellosen Eindruck, und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, daß sie seelische Wunden hatte, bis sie sich eines Tages zu erinnern begann. „Ich war bei der Arbeit“, sagt Petra, „als ich Schmerzen bekam und mich heftige Schuldgefühle plagten. Ich konnte kaum aufstehen. Tagelang habe ich gelitten. Dann kam mir in den Sinn, daß mein Stiefvater mich mißbraucht hatte — ja, er hatte mich vergewaltigt, und das nicht nur einmal.“

      ES GIBT „eine Zeit zum Heilen“ (Prediger 3:3). Und für viele Opfer von Kindesmißbrauch — wie Petra — ist die Erinnerung an längst vergessene Geschehnisse ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses.

      Wie ist es jedoch möglich, daß jemand ein so traumatisches Erlebnis wie sexuellen Mißbrauch vergessen kann? Man bedenke, wie hilflos ein Kind gegenüber den Annäherungsversuchen des Vaters oder eines anderen kräftigen Erwachsenen ist. Es kann nicht weglaufen. Es traut sich nicht, zu schreien; und es traut sich nicht, jemandem etwas zu erzählen — keinem einzigen! Und dann muß es seinem Peiniger vielleicht noch jeden Tag in die Augen sehen und so tun, als ob überhaupt nichts passiert wäre. Eine solche Maskerade aufrechtzuerhalten würde einem Erwachsenen schon schwerfallen; einem Kind ist es fast unmöglich. Daher gebraucht es die enorme Einbildungskraft, die Kindern eigen ist, und entflieht geistig! Es täuscht sich selbst vor, der Mißbrauch habe gar nicht stattgefunden, streicht die Erinnerung daran oder tötet sein Empfindungsvermögen ab.

      Tatsächlich streichen wir alle ab und zu Dinge aus unserem Sinn, die wir nicht hören oder sehen möchten. (Vergleiche Jeremia 5:21.) Doch wer mißbraucht wird, benutzt diese Fähigkeit als Mittel zum Überleben. Einige berichten folgendes: „Ich stellte mir vor, es geschähe mit jemand anders und ich sei nur ein Zuschauer.“ „Ich stellte mich schlafend.“ „Ich dachte über meine Mathematikprobleme nach“ (Strong at the Broken Places von Linda T. Sanford).

      Es ist somit nicht überraschend, daß in dem Buch Surviving Child Sexual Abuse behauptet wird: „Schätzungsweise bis zu 50 Prozent derer, die als Kind sexuell mißbraucht wurden, sind sich dieser Erlebnisse überhaupt nicht bewußt.“ Manche erinnern sich womöglich an den Mißbrauch, wehren sich aber gegen die Gefühle, die damit verbunden sind — Schmerz, Zorn und Scham.

      Verdrängung — schwerer innerer Kampf

      Ist es deswegen nicht am besten, wenn diese Dinge verborgen bleiben, wenn die Betroffenen sie einfach vergessen? Einige tun gut daran; andere können es einfach nicht. Es verhält sich so, wie in Hiob 9:27, 28 beschrieben: „Wenn ich denke: Ich will meine Klage vergessen und mein Angesicht ändern und heiter bleiben, so fürchte ich doch wieder alle meine Schmerzen“ (Lutherbibel, 1984). Die Verdrängung erschreckender Erinnerungen ist eine ermüdende geistige Anstrengung, ein Tauziehen von Emotionen, das sogar schwere gesundheitliche Folgen mit sich bringen kann.

      Wenn das Opfer älter wird, macht es ihm der Alltagsdruck immer schwerer, die Vergangenheit zu verdrängen. Ein Hauch von Eau de Cologne, ein vertrautes Gesicht, ein erschreckendes Geräusch oder selbst eine Untersuchung beim Arzt oder Zahnarzt kann einen beängstigenden Ansturm von Erinnerungen und Gefühlen auslösen.a Sollte man sich dann nicht noch mehr anstrengen zu vergessen? Wenn so etwas geschieht, finden viele dadurch Erleichterung, daß sie versuchen, sich zu erinnern. Jasmin sagt dazu: „Sind die Erinnerungen erst einmal wieder da, verlieren sie ihre Macht. Sie zurückzuhalten ist schmerzhafter und gefährlicher, als wenn man sich ihrer entledigt.“

      Warum es nicht verdrängen

      Warum hilft es, sich zu erinnern? Einmal, weil die Erinnerung es dem Opfer ermöglicht zu trauern. Trauer ist die natürliche Reaktion auf einen seelischen Schock; eine Hilfe, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten (Prediger 3:4; 7:1-3). Doch ein Opfer von Mißbrauch wurde der Möglichkeit des Trauerns beraubt, wurde gezwungen, die furchtbare Erfahrung als Einbildung abzutun und die Schmerzen zu unterdrücken. Die Verdrängung kann zu dem führen, was Ärzte als akuten exogenen Reaktionstyp diagnostizieren — jemand, der praktisch gefühllos und wie betäubt ist. (Vergleiche Psalm 143:3, 4.)

      Kehren die Erinnerungen zurück, kann es tatsächlich sein, daß der Betroffene die sexuellen Mißhandlungen noch einmal durchlebt. Einige verfallen sogar vorübergehend in einen kindlichen Zustand. „Wenn die Erinnerungen aufsteigen“, sagt Jasmin, „zeigen sich oft körperliche Symptome. Die Erinnerungen sind manchmal so bedrückend, daß ich glaube, verrückt werden zu müssen.“ Der ganze unterdrückte Kindheitszorn kann jetzt herausplatzen. „Die Erinnerung stürzt mich in Depressionen, und ich empfinde Zorn“, erzählt Karin. Unter diesen außergewöhnlichen Umständen ist Zorn jedoch angebracht. Du trauerst und zeigst angestauten gerechten Zorn. Du hast das Recht, die schlechten Handlungen, die an dir verübt wurden, zu hassen (Römer 12:9).

      Eine Leidtragende berichtet: „Als ich mich an wirklich alles erinnern konnte, war mir viel leichter zumute ... Jetzt kannte ich wenigstens meinen Gegner. So schwer es mir auch war, mich zu erinnern, habe ich doch einen Teil meines Lebens zurückerhalten, der mir unheimlich geworden war, weil ich nichts darüber wußte und er voller Rätsel steckte“ (The Right to Innocence).

      Sich zu erinnern kann auch eine Hilfe sein, an die Wurzel mancher Probleme heranzukommen. „Ich habe immer gewußt, daß ich Selbsthaß empfand und zornig auf mich war, wußte aber nicht, warum“, sagt ein Inzestopfer. Die Erinnerung hilft vielen zu begreifen, daß das Geschehene nicht ihre Schuld war, sondern daß sie das Opfer waren.

      Natürlich erinnern sich nicht alle so drastisch und intensiv an den Mißbrauch, wie es bei einigen der Fall ist. Und die meisten Ratgeber meinen, man brauche sich nicht an jede Einzelheit des Mißbrauchs zu erinnern, um von den Folgen geheilt zu werden. Allein das Wissen um den Mißbrauch kann ein Riesenschritt in Richtung Heilung sein. (Siehe Kasten auf Seite 9.)

      Unterstützung erhalten

      Wurdest du als Kind sexuell mißbraucht, so denke nicht, du müßtest die aufsteigenden Erinnerungen allein bewältigen. Es kann eine Hilfe sein, über seine Gefühle zu sprechen. (Vergleiche Hiob 10:1; 32:20.) Wer in großer Not ist, entscheidet sich vielleicht, Hilfe bei qualifizierten Ärzten, Therapeuten oder Psychologen zu suchen. Auf jeden Fall können gute Freunde, der Ehepartner, Familienangehörige oder christliche Aufseher, die respektvoll und mit Einfühlungsvermögen zuhören, wertvolle Verbündete sein.b „Am meisten hat mir meine beste Freundin Julia geholfen“, sagt Janet. „Mit ihr konnte ich immer wieder über die Erinnerungen sprechen. Sie respektierte auch die Gefühle, die sich daraus ergaben. Sie hörte zu und war verständnisvoll.“

      Man kann nicht jedem vertrauen, und außerdem fühlst du dich vielleicht unwürdig, Hilfe anzunehmen — oder du schämst dich zu sehr, über den Mißbrauch zu sprechen. Doch ein wahrer Freund ist „für die Zeit der Bedrängnis“ geboren und kann durchaus hilfreichen Rat geben, wenn du ihm nur die Chance dazu gibst (Sprüche 17:17). Sei aber wählerisch, wem du dich anvertraust. Lerne, nicht sofort alles auf einmal zu erzählen. Erst wenn du wirklich weißt, daß ein Freund mitfühlend und diskret ist, könntest du ihm mehr mitteilen.

      Es ist ferner von Nutzen, auf die Gesundheit zu achten. Gönne dir ausreichend Ruhe. Treibe etwas Sport. Achte auf gesunde Ernährung. Wenn möglich, vereinfache dein Leben. Halte die Tränen nicht zurück. Der Schmerz mag in deinen Augen endlos sein, doch langsam wird er nachlassen. Erinnere dich: Du hast den Mißbrauch als hilfloses Kind durchgemacht — und du hast es überlebt! Als Erwachsener hast du Reserven und Kräfte, die du damals nicht hattest. (Vergleiche 1. Korinther 13:11.) Biete deinen schmerzlichen Erinnerungen also die Stirn, und erlaube ihnen nicht, dich zu beeinflussen. Verlaß dich auf Gottes Kraft. Der Psalmist sagte: „Mehren sich die Sorgen des Herzens, so erquickt dein Trost meine Seele“ (Psalm 94:19, Neue Jerusalemer Bibel).

      Befreiung von Schuld- und Schamgefühlen

      Sich von Selbstanklage zu befreien ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Besserung. „Selbst jetzt noch fällt es mir schwer zu glauben, daß ich daran unschuldig war“, sagt Meike. „Ich frage mich nur, warum ich es nicht verhindert habe.“

      Denke auch daran, daß Sexualtäter die teuflischsten Mittel benutzen, um jemanden zu zwingen: Autorität („Ich bin dein Vater!“), Drohungen („Ich bring’ dich um, wenn du es irgend jemandem erzählst!“), brutale körperliche Gewalt und das Erzeugen von Schuldgefühlen („Wenn du es erzählst, kommt Papa ins Gefängnis.“). Andere wiederum setzen freundliche Überzeugungskraft ein, machen Geschenke oder erweisen Gefälligkeiten. Manche geben sexuelle Handlungen als Spiel aus oder als Ausdruck elterlicher Zuneigung. „Er sagte, daß das alle Leute machen, wenn sie sich gern haben“, erinnert sich ein Opfer. Wie könnte ein kleines Kind dieser emotionalen Erpressung und diesen Betrügereien widerstehen? (Vergleiche Epheser 4:14.) Ja, der Missetäter nutzt es schamlos aus, daß Kinder hilflos, verletzbar und „Unmündige in bezug auf Schlechtigkeit“ sind (1. Korinther 14:20).

      Möglicherweise mußt du dir klarmachen, wie verletzbar und hilflos du als Kind warst. Du könntest versuchen, Zeit mit Kleinkindern zu verbringen, oder dir deine eigenen Kinderbilder anschauen. Hilfsbereite Freunde können dich auch unterstützen, indem sie dich ständig daran erinnern, daß der Mißbrauch nicht dein Fehler war.

      Trotzdem sagt eine Frau: „Mir ist ganz übel, wenn ich an die Gefühle denke, die mein Vater in mir entfachte.“ Manche Opfer (laut einer Studie 58 Prozent) denken daran, wie in ihnen während des Mißbrauchs angenehme Gefühle aufkamen. Natürlich schämen sie sich deswegen sehr. Das Buch Surviving Child Sexual Abuse erinnert jedoch daran, daß „körperliche Erregung lediglich die natürliche Reaktion des Körpers auf Berührung oder verschiedene Reize ist“ und daß ein Kind „keine Kontrolle über diese Gefühle hat“. Daher trägt ausschließlich der Sexualtäter die volle Verantwortung für das Geschehene. ES WAR NICHT DEINE SCHULD!

      Schöpfe auch aus dem Wissen Trost, daß Gott dich in dieser Sache als „untadelig und unschuldig“ ansieht (Philipper 2:15). Jeglicher Drang nach selbstzerstörerischem Verhalten wird mit der Zeit abnehmen, und du kannst deinen eigenen Körper schätzenlernen. (Vergleiche Epheser 5:29.)

      Mit den Eltern zurechtkommen

      Das kann eine der schwersten Aufgaben auf dem Weg zur Besserung sein. Einige sind weiterhin voller Wut und Rachsucht — oder voller Schuldgefühle. Ein Opfer sagte: „Ich bin deprimiert, weil ich glaube, Jehova erwartet von mir, meinem Peiniger zu vergeben, ich es aber nicht kann.“ Andererseits lebst du vielleicht in krankhafter Angst vor dem Sexualtäter. Oder du hegst deiner Mutter gegenüber feindselige Gefühle, wenn sie die Augen vor dem Mißbrauch verschloß oder mit Ablehnung oder Zorn reagierte, als die Sache herauskam. „Meine Mutter sagte mir, ich solle Nachsicht mit meinem Vater haben“, äußerte sich eine Frau verbittert.

      Es ist völlig normal, zornig zu sein, wenn man mißbraucht wurde. Trotzdem können die Familienbande stark sein, und du möchtest den Kontakt zu deinen Eltern nicht gänzlich abbrechen. Möglicherweise ziehst du sogar eine Versöhnung in Betracht. Doch viel hängt von den Umständen ab. Manchmal sind Opfer geneigt, ihren Eltern vorbehaltlos zu verzeihen — nicht die Mißhandlung an sich, aber sie wehren sich dagegen, von Groll verzehrt oder von Angst beherrscht zu werden. Um eine emotionale Konfrontation zu vermeiden, sind einige damit zufrieden, sich ‘in ihrem Herzen auszusprechen’, und lassen es dabei bewenden (Psalm 4:4).

      Du magst jedoch zu dem Schluß kommen, die Dinge könnten nur geklärt werden, indem du deine Eltern mit dem Mißbrauch konfrontierst — persönlich, telefonisch oder brieflich. (Vergleiche Matthäus 18:15.) Wenn dem so ist, solltest du dich bereits ausreichend erholt haben — oder zumindest genügend Unterstützung haben —, um einem eventuellen Gefühlsausbruch standhalten zu können. Da durch eine lautstarke Auseinandersetzung nur wenig erreicht wird, versuche, bestimmt, doch ruhig zu sein (Sprüche 29:11). Du könntest sagen, 1. was geschehen ist, 2. wie es sich auf dich ausgewirkt hat und 3. was du jetzt von ihnen erwartest (zum Beispiel eine Entschuldigung, die Begleichung von Arztrechnungen oder Verhaltensänderungen). Auf jeden Fall können dadurch, daß du die Sache zur Sprache bringst, irgendwelche zurückgebliebenen Gefühle der Machtlosigkeit zerstreut werden. Und es könnte der Weg für ein besseres Verhältnis zu deinen Eltern geebnet werden.

      Zum Beispiel mag dein Vater den Mißbrauch zugeben und tiefe Reue zum Ausdruck bringen. Er mag auch echte Anstrengungen unternommen haben, sich zu ändern, vielleicht durch eine Behandlung für Alkoholabhängige oder durch ein Studium der Bibel. Deine Mutter bittet dich womöglich um Vergebung, weil sie dich nicht beschützt hat. Manchmal kann es zu einer völligen Aussöhnung kommen. Wundere dich jedoch nicht, wenn du dich bezüglich deiner Eltern immer noch im Zwiespalt befindest und es vorziehst, nicht vorschnell ein enges Verhältnis zu ihnen zu haben. Zumindest kannst du eventuell den normalen Familienkontakt wiederaufnehmen.

      Andererseits könnte das Gespräch bei dem Sexualtäter und bei anderen Familienangehörigen Ablehnung und verbale Übergriffe auslösen. Noch schlimmer wäre es, wenn du herausfändest, daß er für dich immer noch eine Bedrohung darstellt. Vergebung mag dann unangebracht sein und ein enges Verhältnis unmöglich. (Vergleiche Psalm 139:21.)

      Wie dem auch sei, es kann lange dauern, bis deine verletzten Gefühle nachlassen. Du magst dich wiederholt daran erinnern müssen, daß Gott letzten Endes Recht spricht (Römer 12:19). Außerdem kann es dir helfen, deinen Zorn zu verarbeiten, wenn du mit einem freundlichen Zuhörer über die Dinge sprichst oder sogar deine Gefühle schriftlich zum Ausdruck bringst. Mit Gottes Hilfe kannst du deinen Zorn verstehen und überwinden. Im Laufe der Zeit wird dein Denken nicht länger von schmerzlichen Gefühlen beherrscht. (Vergleiche Psalm 119:133.)

      Geistige Wiederherstellung

      Der Platz erlaubt es uns nicht, alle entsprechenden Aspekte auf dem Gebiet der Gefühle, des Verhaltens und der geistigen Entwicklung zu behandeln. Es mag genügen zu sagen, daß du sehr viel tun kannst, um deine Heilung zu erleichtern, wenn du mit der Hilfe des Wortes Gottes deinen ‘Sinn neugestaltest’ (Römer 12:2). ‘Strecke dich nach den Dingen aus, die vor dir sind’, indem du dich auf biblische Gedanken konzentrierst und dich mit Dingen beschäftigst, die deinen Glauben betreffen (Philipper 3:13; 4:8, 9).

      Viele Opfer von Mißbrauch finden zum Beispiel Trost, wenn sie einfach die Psalmen lesen. Noch größerer Nutzen ergibt sich allerdings durch das fleißige Anwenden biblischer Grundsätze. Mit der Zeit kann die Belastung, die die Ehe mit sich bringt, leichter werden (Epheser 5:21-33). Zerstörerisches Verhalten kann aufhören (1. Korinther 6:9-11). Schädliche sexuelle Gefühle können überwunden werden (Sprüche 5:15-20; 1. Korinther 7:1-5). Du kannst auch lernen, Gleichgewicht in deine persönlichen Freundschaften zu bringen und feste sittliche Grenzen aufzubauen (Philipper 2:4; 1. Thessalonicher 4:11).

      Eines ist sicher: Um geistig wiederhergestellt zu werden, mußt du fest entschlossen sein und dich aufs äußerste anstrengen. Doch Psalm 126:5 versichert uns: „Die mit Tränen säen, mit Jubelruf werden sie ernten.“ Denke auch daran, daß der wahre Gott, Jehova, an deinem Wohlergehen interessiert ist. Er ist „nahe denen, die gebrochenen Herzens sind; und die zerschlagenen Geistes sind, rettet er“ (Psalm 34:18). Ein Opfer sagt: „Als ich endlich begriff, daß Jehova alle meine Empfindungen kannte und sich dafür interessierte — wirklich interessierte —, hatte ich schließlich inneren Frieden.“

      Unser liebevoller Gott, Jehova, bietet noch mehr als inneren Frieden. Er verheißt eine neue Welt der Gerechtigkeit, in der er alle Erinnerungen an eine schmerzvolle Kindheit wegwischen wird (Offenbarung 21:3, 4; siehe auch Jesaja 65:17). Diese Hoffnung kann dich auf deinem Weg zur vollkommenen Wiederherstellung aufrechterhalten und dich stärken.

      [Fußnoten]

      a Einige zurückkehrende Erinnerungen kündigen sich durch psychosomatische Schmerzen an; andere in Form von Halluzinationen, die man fälschlicherweise als dämonischen Einfluß deuten könnte — Geräusche eines Eindringlings, wie das Aufmachen von Türen; schattenhafte Gestalten, die sich in der Nähe von Türen und Fenstern bewegen; das Gefühl, etwas Unsichtbares sei im Bett. Diese Qualen hören im allgemeinen auf, wenn die Erinnerungen völlig zurückkehren.

      b Wertvolle Hinweise, wie man Opfern von sexuellen Mißhandlungen helfen kann, sind in der Begleitzeitschrift Der Wachtturm vom 1. Januar 1984 (Seite 27—31) zu finden. Es empfiehlt sich, daß alle Versammlungsältesten auf diese Ausgabe Bezug nehmen und jedem Fall, auf den sie hingewiesen werden, die größte Beachtung schenken.

      [Kasten auf Seite 9]

      Schritte zur Heilung

      ◻ Sich an den Mißbrauch erinnern

      ◻ Über das Geschehene trauern

      ◻ Mit hilfsbereiten Zuhörern über seine Gefühle sprechen

      ◻ Schuld- und Schamgefühle überwinden

      ◻ Mit den Eltern zurechtkommen

      ◻ Biblische Grundsätze anwenden, um selbstzerstörerisches Verhalten zu ändern

      ◻ Schädliche sexuelle Gefühle überwinden

      ◻ Natürliche persönliche und sittliche Grenzen entwickeln

      ◻ Ein enges Verhältnis zu Gott und zu Mitchristen aufbauen

      [Kasten auf Seite 10]

      Von Vergangenem befreit werden

      Erinnerungen treten gewöhnlich über einen Zeitraum von Wochen, Monaten oder Jahren an die Oberfläche, und jede Erinnerung, die zum Vorschein kommt, bringt eine zeitweilige Krise mit sich. In dem Buch The Right to Innocence wird gesagt, daß du in dieser Zeit „denken könntest, du seist rückfällig geworden. Aber dem ist nicht so. Dir geht es besser. In Wirklichkeit hast du die Kraft erlangt, tiefer liegende und sogar schmerzvollere Gefühle und Kenntnisse zu verkraften.“ Aus gutem Grund nehmen daher die Bemühungen um Heilung eine Person zeitweise völlig in Anspruch (Sprüche 18:14).

      Einige finden es nützlich, die Äußerungen anderer Betroffener zu hören oder zu lesen. Durch das Ansehen von Familienfotos und Andenken aus der Kindheit, den Besuch von Plätzen, an denen man als Kind war, und durch das Gespräch mit hilfsbereiten Freunden und Familienangehörigen können ebenfalls Erinnerungen geweckt werden. Besonders wirksam sind Schreibübungen. Einige Opfer schreiben alle Erlebnisse ihres Traumas, an die sie sich erinnern, in ein Heft. Andere offenbaren all ihre Gefühle in einem Brief an ihren Missetäter — ein Brief, der nicht abgeschickt wird —, was weitere Erinnerungen auslöst. Auch das Gebet ist ein machtvolles Heilmittel. Wie der Psalmist kannst du beten: „Prüfe mich, und erkenne meine beunruhigenden Gedanken, und sieh, ob in mir irgendein Weg des Schmerzes ist, und führe mich auf dem Weg der unabsehbaren Zeit“ (Psalm 139:23, 24).

      [Bild auf Seite 8]

      Sich an die Vergangenheit zu erinnern und sich ihr zu stellen kann ein Schritt zur Heilung sein

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