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  • Zerstört der Mensch seine Nahrungsgrundlage?
    Erwachet! 2001 | 22. September
    • Zerstört der Mensch seine Nahrungsgrundlage?

      „Die wahre Herausforderung unserer Zeit besteht nicht in Schulden oder Defiziten oder im weltweiten Wettbewerb, sondern darin, ein erfülltes und lohnendes Leben zu führen, ohne dabei die Grundlage allen Lebens, die Biosphäre unseres Planeten, zu zerstören. Nie zuvor stand die Menschheit vor einer derartigen Gefahr: dem Ruin unserer Lebensgrundlage“ (David Suzuki, Genetiker).

      MAN könnte einen Apfel leicht für etwas ganz Selbstverständliches halten. Falls wir in einer Gegend leben, wo die Bäume voller Äpfel hängen, gehen wir wahrscheinlich davon aus, daß Äpfel völlig problemlos und noch dazu in großer Auswahl erhältlich sind. Wußten wir aber, daß heute weit weniger Apfelsorten zur Auswahl stehen als noch vor 100 Jahren?

      Zwischen 1804 und 1905 wurden in den Vereinigten Staaten 7 098 verschiedene Apfelsorten angebaut. Davon sind mittlerweile 6 121 Sorten — 86 Prozent — ausgestorben. Bei Birnen sieht es ähnlich aus: Ungefähr 88 Prozent der 2 683 ehemals angebauten Sorten sind verschwunden. Noch drastischer ist die Lage bei Gemüse. Etwas Bestimmtes ist im Verschwinden begriffen: die Biodiversität, das heißt die biologische Vielfalt. Dabei handelt es sich nicht nur um die Artenvielfalt der Lebensformen, sondern auch um die zahlreichen Varianten innerhalb der Arten. In weniger als 80 Jahren ist die Sortenvielfalt der verschiedenen Gemüsearten, die in den Vereinigten Staaten angebaut werden, um sage und schreibe 97 Prozent zurückgegangen. Ist Vielfalt denn wirklich wichtig?

      In den Augen vieler Wissenschaftler durchaus. Über die genaue Bedeutung der Biodiversität wird zwar noch diskutiert, doch viele Umweltexperten bezeichnen sie als die Grundlage des Lebens auf der Erde. Sie sagen, die Biodiversität sei für Kulturpflanzen ebenso wichtig wie für die Wildpflanzen in den Wäldern, Urwäldern und auf dem Grasland dieser Welt. Dabei kommt es auch auf die Vielfalt innerhalb einer Art an. Beispielsweise finden sich unter den zahlreichen Reissorten wahrscheinlich einige, die besonders widerstandsfähig gegen verbreitete Schädlinge sind. Daher wird in einer Veröffentlichung des Worldwatch Institute darauf hingewiesen, woran wir wahrscheinlich merken werden, wie gefährlich der Verlust biologischer Vielfalt sein kann: an den Auswirkungen auf die Ernährung der Menschheit.

      Das Aussterben von Pflanzen kann sich aus zwei Gründen auf die Ernten auswirken. Erstens, weil mit dem Aussterben der Wildformen von Nutzpflanzen auch Genmaterial für künftige Züchtungen verlorengeht, und zweitens, weil die Sortenvielfalt innerhalb der Nutzpflanzenarten zurückgeht. So wurden etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Asien wahrscheinlich über 100 000 verschiedene Landsorten Reis angebaut, allein in Indien mindestens 30 000 lokale Sorten. Heute bestehen 75 Prozent der indischen Reisernte aus nur 10 Sorten. Die ursprünglich 2 000 Reissorten in Sri Lanka sind fast vollständig durch 5 Sorten ersetzt worden. In Mexiko, der Wiege der Maiszucht, werden nur noch 20 Prozent der Varietäten angebaut, die es dort in den 1930er Jahren gab.

      Allerdings stehen nicht nur Nahrungspflanzen auf dem Spiel. Ungefähr 25 Prozent aller kommerziell hergestellten Medikamente sind Pflanzenderivate, und ständig werden weitere medizinisch wertvolle Pflanzen entdeckt. Doch das Aussterben von Pflanzen geht weiter. Könnte es sein, daß wir an genau dem Ast sägen, auf dem wir sitzen?

      Gemäß der Internationalen Union für Naturschutz (IUCN) sind von 18 000 untersuchten Pflanzen- und Tierarten über 11 000 vom Aussterben bedroht. Die Forscher können nur vermuten, wie viele Arten beispielsweise in Indonesien, Malaysia und in Lateinamerika, wo große Waldflächen von Plantagen verdrängt werden, kurz vor dem Aussterben stehen oder bereits ausgestorben sind. Auf jeden Fall sagen manche, das Artensterben vollziehe sich „katastrophal schnell“, so der UNESCO-Kurier.

      Natürlich bringt die Erde immer noch eine erstaunliche Menge an Nahrung hervor. Doch wie lange kann sich die ständig wachsende Erdbevölkerung angesichts der schwindenden biologischen Vielfalt noch ernähren? Verschiedene Länder haben eigens Genbanken eingerichtet, um sich gegen den Verlust wichtiger Pflanzen abzusichern. Einige botanische Gärten haben sich die Erhaltung der Arten zur Aufgabe gemacht. Die Wissenschaft stellt mit der Gentechnik ein hochwirksames neues Werkzeug bereit. Können Genbanken und Wissenschaft das Problem jedoch in den Griff bekommen? Diese Frage wird im folgenden Artikel behandelt.

  • Vielfalt ist lebenswichtig
    Erwachet! 2001 | 22. September
    • Vielfalt ist lebenswichtig

      UM DAS Jahr 1840 hatte Irland über 8 Millionen Einwohner und war das dichtbesiedeltste Land Europas. Das wichtigste Grundnahrungsmittel waren Kartoffeln, von denen hauptsächlich eine einzige Sorte namens „Lumper“ angebaut wurde.

      Im Jahr 1845 hatten die Bauern wie gewohnt diese Kartoffelsorte angebaut, doch dann befiel die Kraut- und Knollenfäule die Pflanzen und zerstörte fast die gesamte Ernte. „Die meisten Iren überlebten dieses kritische Jahr“, schrieb Paul Raeburn in seinem Buch The Last Harvest—The Genetic Gamble That Threatens to Destroy American Agriculture (Die letzte Ernte — Der genetische Poker, der die amerikanische Landwirtschaft zu vernichten droht). „Die eigentliche Katastrophe ereignete sich im folgenden Jahr. Den Bauern blieb keine andere Wahl, als die gleichen Kartoffeln noch einmal zu setzen. Sie hatten keine anderen Sorten. Die Kraut- und Knollenfäule schlug erneut zu, doch dieses Mal mit erbarmungsloser Gewalt. Das Leid war unbeschreiblich.“ Historiker schätzen, daß damals etwa 1 Million Menschen verhungerten und weitere 1,5 Millionen auswanderten, die meisten von ihnen in die Vereinigten Staaten. Diejenigen, die blieben, litten unter schrecklicher Armut.

      Die südamerikanischen Bauern in den Anden bauten viele verschiedene Kartoffelsorten an, von denen nur wenige von der Kraut- und Knollenfäule befallen wurden. Entsprechend kam es dort auch zu keiner Epidemie. Offensichtlich ist die Vielfalt von Arten und Sorten ein Schutz. Wird nur eine einzige Sorte angebaut, mißachtet man diese grundlegende Überlebensstrategie und riskiert, die Ernte einer ganzen Region durch Pflanzenkrankheiten oder Schädlinge zu verlieren. Aus diesem Grund sind viele Bauern so sehr davon abhängig, immer wieder Pestizide, Herbizide und Fungizide auszubringen, obwohl diese Chemikalien für die Umwelt oft gefährlich sind.

      Warum aber ersetzen viele Bauern ihre zahlreichen Landsorten durch eine einheitliche Sorte? In der Regel auf Grund wirtschaftlichen Drucks. Sie hoffen darauf, daß die Sorte, auf die sie sich beschränken, leicht zu ernten ist, auf eine große Nachfrage stößt, widerstandsfähig ist und reichen Ertrag bringt. Diese Entwicklung nahm in den 1960er Jahren mit der sogenannten Grünen Revolution ihren Anfang.

      Die Grüne Revolution

      Mit Hilfe massiver Kampagnen von Seiten der Regierungen und der Wirtschaft wurden die Bauern in von Hungersnot bedrohten Ländern dazu überredet, die Vielfalt ihrer Anbauprodukte aufzugeben und statt dessen einheitliche Hochertragssorten anzubauen, vor allem Reis und Weizen. Dieser „Wunderweizen“ beziehungsweise „Wunderreis“ wurde als die Lösung des weltweiten Hungerproblems gepriesen. Doch das Saatgut war nicht billig. Es kostete teilweise das Dreifache des normalen Preises. Die Erträge hingen auch stark vom Einsatz chemischer Hilfsmittel wie Dünger ab, ganz zu schweigen von teurer Ausrüstung, beispielsweise Traktoren. Von den Regierungen subventioniert, gewann die Grüne Revolution dennoch an Schwung. „Sie hat zwar Millionen vor dem Hungertod bewahrt, doch heute bedroht sie die Sicherheit der Welternährung“, sagte Raeburn.

      Genaugenommen mag die Grüne Revolution kurzfristige Lösungen geboten haben, die jedoch von langfristigen Risiken begleitet wurden. Es dauerte nicht lange, bis auf ganzen Kontinenten Einheitssorten wuchsen. Durch den intensiven Düngemitteleinsatz wurde das Unkrautwachstum gefördert, gleichzeitig vernichteten Pestizide mit den Schädlingen auch nützliche Insekten. Auf den Reisfeldern gingen durch giftige Chemikalien Fische und Krabben ein, Krebse und Frösche sowie eßbare Kräuter und Wildpflanzen, von denen die meisten eine wertvolle Nahrungsergänzung bildeten. Auch Bauern erlitten durch den Kontakt mit Chemikalien Vergiftungen.

      Dr. Mae-Wan Ho, die an der britischen Open University Biologie lehrt, schrieb: „Es läßt sich nicht mehr bestreiten, daß die Einführung von Monokulturen seit der Grünen Revolution der weltweiten Biodiversität und Ernährungssicherheit geschadet hat.“ Gemäß der UN-Welternährungsorganisation sind vor allem zufolge industrieller Anbaumethoden bereits 75 Prozent der genetischen Vielfalt von Nutzpflanzen, die vor hundert Jahren bestand, verlorengegangen.

      In einer Veröffentlichung des Worldwatch Institute wird warnend darauf hingewiesen, daß „wir mit der Einführung genetischer Uniformität enorme ökologische Risiken eingehen“. Wie versucht man, diese Risiken unter Kontrolle zu halten? Mit Hilfe von Agrarwissenschaftlern und hochwirksamen Chemikalien sowie durch finanzielle Unterstützung der Bauern. Doch Garantien gibt es nicht. Eine katastrophale Maiskrankheit in den Vereinigten Staaten und der Verlust von Reis auf über 2 000 Quadratkilometern in Indonesien gehen zum Teil auf das Konto genetischer Uniformität. In letzter Zeit vollzieht sich auf dem Gebiet der Landwirtschaft allerdings eine neue Revolution, bei der Lebensformen manipuliert werden, indem man den Hebel noch tiefer ansetzt — am Gen.

      Die genetische Revolution

      Die Forschung auf dem Gebiet der Genetik hat einen einträglichen neuen Industriezweig hervorgebracht: die Biotechnologie. Wie der Name bereits andeutet, handelt es sich um eine Mischung aus Biologie und moderner Technologie mit Hilfe von Techniken wie etwa der Gentechnik. Einige der neuen sogenannten Biotechnologiefirmen spezialisieren sich auf die Landwirtschaft und arbeiten fieberhaft an der Patentierung von Saatgut, das einen hohen Ertrag bringt, krankheitsresistent ist, Dürre und Frost übersteht und den Bedarf an giftigen Chemikalien senkt. Derartige Ziele zu erreichen wäre äußerst nützlich. Dennoch äußern manche Bedenken gegen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen.

      „In der Natur bewegt sich die genetische Vielfalt innerhalb bestimmter Grenzen“, heißt es in dem Buch Genetic Engineering, Food, and Our Environment (Gentechnik, Ernährung und unsere Umwelt). „Man kann eine Rose mit einer anderen Rosensorte kreuzen, doch eine Rose läßt sich niemals mit einer Kartoffel kreuzen. . . . In der Gentechnik hingegen ist es normal, Gene einer Art zu nehmen und einer anderen Art einzusetzen, um ein gewünschtes Merkmal oder eine Eigenschaft zu übertragen. Man könnte beispielsweise aus einem arktischen Fisch (wie der Flunder) ein Gen isolieren, das die Produktion eines Frostschutzes steuert, und dieses Gen in eine Kartoffel oder eine Erdbeere transferieren, um sie weniger frostanfällig zu machen. Mittlerweile lassen sich Gene von Bakterien, Viren, Insekten und anderen Tieren oder sogar von Menschen in Pflanzen einsetzen.“a Kurz gesagt ist es dem Menschen durch die Biotechnologie möglich geworden, die genetischen Mauern zwischen den Arten zu überwinden.

      Wie zuvor schon die Grüne Revolution trägt auch die von einigen so genannte genetische Revolution zum Problem genetischer Uniformität bei — nach Ansicht mancher sogar noch stärker, weil Genetiker mit Hilfe von Techniken wie dem Klonen und dem Anlegen von Gewebekulturen völlig identische Kopien oder Klone schaffen können. Daher bleiben die Sorgen hinsichtlich der Erosion biologischer Vielfalt bestehen. Durch genetisch veränderte Pflanzen werden zudem neue Fragen aufgeworfen, wie etwa die Frage nach den möglichen Auswirkungen auf uns Menschen und auf die Umwelt. Der Wissenschaftsautor Jeremy Rifkin schrieb: „Wir fliegen blindlings in eine neue Welt der Agrarbiotechnologie, von großen Hoffnungen begleitet, durch wenige Beschränkungen gebremst und ohne genaue Vorstellung von den potentiellen Resultaten unseres Tuns.“b

      Andererseits ist die Möglichkeit der Genmanipulation eine potentielle Goldgrube, und entsprechend ist der Wettlauf um die Patente auf neues Saatgut sowie andere gentechnisch veränderte Organismen bereits in vollem Gang. Doch in der Zwischenzeit geht das Aussterben von Pflanzenarten unvermindert weiter. Wie bereits erwähnt wurde, bemühen sich manche Regierungen und private Institutionen, durch die Einrichtung von Genbanken Schlimmeres zu verhindern. Können derartige Sammlungen sicherstellen, daß künftige Generationen über eine große Auswahl an Nutzpflanzensaat verfügen?

      Genbanken — Versicherung gegen das Aussterben?

      Der Königliche Botanische Garten in Kew (England) hat gemäß eigenen Angaben „eines der größten internationalen Konservierungsprojekte, die je durchgeführt wurden“, in Angriff genommen: die Einrichtung der Millennium-Samenbank. Die wichtigsten Ziele des Unternehmens sind: 1. bis zum Jahr 2010 genau 10 Prozent aller weltweit existierenden Samenpflanzen, das heißt über 24 000 Arten, zu sammeln und zu konservieren und 2. schon vorher Samen sämtlicher einheimischer Samenpflanzen Großbritanniens zu sammeln und zu konservieren. Andere Länder haben ebenfalls Genbanken oder Sammlungen pflanzengenetischer Ressourcen eingerichtet.

      Der Biologe John Tuxill stellte fest, daß mindestens 90 Prozent der Millionen von Pflanzensamen, die in derartigen Sammlungen aufbewahrt werden, wertvolle Nutzpflanzen sind. Dazu zählen Pflanzen wie Weizen, Reis, Mais, Sorghumhirse, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Zuckerrohr, Baumwolle, Sojabohnen und andere Bohnen, um nur einige anzuführen. Pflanzensamen sind allerdings lebende Organismen, die nur so lange keimfähig bleiben, wie es ihre eigenen Energiereserven zulassen. Wie zuverlässig sind somit die Genbanken?

      Probleme mit dem Aufbewahren

      Der Betrieb von Genbanken kostet Geld — gemäß John Tuxill pro Jahr schätzungsweise 300 Millionen Dollar. Doch er weist darauf hin, daß selbst diese Summe wahrscheinlich noch nicht ausreichend ist, da „nur 13 Prozent aller in Genbanken deponierten Samen in gut funktionierenden Einrichtungen aufbewahrt werden, in denen langfristiges Lagern möglich ist“. Da schlecht aufbewahrte Samen nicht lange keimfähig bleiben, müssen sie beizeiten ausgesät werden, damit die nächste Samengeneration geerntet werden kann; ansonsten werden aus Genbanken Leichenhäuser. Dieser ganze Aufwand verkompliziert die Situation für Einrichtungen, die ohnehin knapp bei Kasse sind, noch zusätzlich.

      In dem Buch Seeds of Change—The Living Treasure wird von „diversen Schwierigkeiten“ im National Seed Storage Laboratory in Colorado (USA) berichtet, „einschließlich Stromausfällen, defekter Kühlsysteme und Personalmangel, wodurch sich riesige, chaotische Berge von Samen aufgetürmt haben, die nicht katalogisiert werden können“. Politische Umwälzungen, Rezessionen und Naturkatastrophen können sich ebenfalls auf Genbanken auswirken.

      Die langfristige Lagerung birgt noch weitere Probleme. In ihrer natürlichen Umgebung besitzen Pflanzen eine begrenzte, aber lebenswichtige Anpassungsfähigkeit, die es ihnen ermöglicht, Krankheiten und andere Herausforderungen zu meistern. Im geschützten Umfeld einer Genbank kann ein Teil dieser Widerstandskraft bereits nach einigen Generationen verlorengehen. Dennoch ist es bei entsprechend sorgfältiger Aufbewahrung möglich, die Samen vieler Pflanzen jahrhundertelang zu lagern, bevor sie wieder ausgesät werden müssen. Trotz dieser Hindernisse und Unsicherheiten spiegelt allein die Tatsache, daß Genbanken ins Leben gerufen wurden, die zunehmende Sorge um die Zukunft der weltweiten Landwirtschaft wider.

      Die beste Methode, das Artensterben zu reduzieren, besteht natürlich darin, ursprüngliche Lebensräume zu schützen und zu versuchen, die Sortenvielfalt von Nutzpflanzen wieder zu erhöhen. Doch um das zu erreichen, so John Tuxill, müsse man „ein neues Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur und ihren jeweiligen Bedürfnissen schaffen“. Wie realistisch ist aber die Vorstellung, die Menschen könnten „ein neues Gleichgewicht“ zwischen ihnen und der Natur schaffen, während sie gleichzeitig mit fast religiösem Eifer dem industriellen und wirtschaftlichen Fortschritt nachjagen? Sogar die Landwirtschaft wird, wie wir gesehen haben, mehr und mehr Teil der hochtechnisierten, marktorientierten Welt des Big Business. Die Lösung muß woanders liegen.

      [Fußnoten]

      a Die Theorien über die möglichen Auswirkungen gentechnisch veränderter Lebensmittel auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf die Umwelt sind nach wie vor kontrovers. Die Vermischung von Genmaterial völlig andersartiger Organismen hat bei manchen zu ethischen Bedenken geführt. Siehe Erwachet! vom 22. April 2000, Seite 25—27.

      b Die Zeitschrift New Scientist berichtete von europäischen Zuckerrüben, „die bereits genetisch modifiziert und daher gegen ein bestimmtes Herbizid resistent waren, jedoch durch die ungewollte Aufnahme anderer Gene gegen ein weiteres [Herbizid] resistent wurden“. Das fehlgeleitete Gen gelangte in die Zuckerrüben, als sie versehentlich von einer anderen Rübensorte bestäubt wurden, der man eine andere Herbizidresistenz eingepflanzt hatte. Manche Wissenschaftler fürchten, daß der verbreitete Anbau herbizidresistenter Nutzpflanzen zum Entstehen von Superunkräutern führen könnte, die gegen Unkrautvertilgungsmittel immun sind.

  • Vielfalt ist lebenswichtig
    Erwachet! 2001 | 22. September
    • [Bilder auf Seite 7]

      „Die Einführung von Monokulturen seit der Grünen Revolution hat der weltweiten Biodiversität und Ernährungssicherheit geschadet“ (Dr. Mae-Wan Ho)

      [Bildnachweis]

      Hintergrund: U.S. Department of Agriculture

      Centro Internacional de Mejoramiento de Maíz y Trigo (CIMMYT)

  • Wer wird die Welt ernähren?
    Erwachet! 2001 | 22. September
    • Wer wird die Welt ernähren?

      WIRD die Menschheit jemals darangehen, die biologische Vielfalt zu schützen, anstatt sie zu zerstören? Nach Ansicht des Biologen John Tuxill wäre dafür „eine deutliche Veränderung in der Einstellung und im Verhalten“ des Menschen erforderlich. Er fügt jedoch hinzu, daß solch eine Veränderung „wohl kaum stattfinden wird, es sei denn, daß vorher das allgemeine Bewußtsein für den Nutzen der Biodiversität erheblich vertieft wird und die Menschen selbst den Wunsch verspüren, bestehende Verfahrensweisen zu ändern sowie neue Ansätze auszuprobieren“.

      Viele können sich kaum vorstellen, daß es jemals zu dermaßen tiefgreifenden Veränderungen kommen wird. Außerdem sind etliche mit Tuxills Schlußfolgerungen alles andere als einverstanden. Es gibt Umweltforscher, die der Ansicht sind, die genaue Bedeutung der Biodiversität sei bisher nur unzureichend erforscht worden und würde von manchen ihrer Kollegen übertrieben. Während die Wissenschaftler weiterhin über solche Fragen diskutieren, ist es dennoch angebracht, den Warnungen mancher Fachleute auf diesem Gebiet Aufmerksamkeit zu schenken. Sie scheinen nicht nur über den Verlust der biologischen Vielfalt besorgt zu sein, sondern auch über die Habgier und die Kurzsichtigkeit dahinter. Beachten wir folgende Kommentare verschiedener Autoren.

      „Gerade ein Jahrhundert ist es her, daß auf der ganzen Welt verstreut einige hundert Millionen Bauern ihre eigenen Saatgutvorräte hatten . . . Heute wird ein Großteil des Saatguts von weltweiten Großunternehmen gezüchtet, gentechnisch manipuliert, patentiert und in Gestalt von geistigem Eigentum gehütet und bewahrt. . . . Durch ihre Konzentration auf kurzfristige Marktprioritäten droht die gentechnische Industrie ein genetisches Erbe zu zerstören, das eines schönen Tages als neue Verteidigungslinie gegen einen neuen resistenten Krankheitserreger oder einen ‚Superschädling‘ vielleicht Gold wert sein könnte“ (der Wissenschaftsautor Jeremy Rifkin).

      „In den Medien wird immer wieder vorgebetet, daß vor allem der Markt, der freie Handel und die Weltwirtschaft zählen. Wenn die Medien vom Geld und von den Interessen der Großunternehmer beherrscht werden, ist eine derartige Wirtschaftsgläubigkeit schon mit einem religiösen Dogma vergleichbar, das kaum jemals angezweifelt wird“ (der Genetiker David Suzuki).

      Kenny Ausubel, Autor des Buches Seeds of Change—The Living Treasure, prangert die Heuchelei der Industrienationen an, wenn deren „Regierungen und Konzerne die weltweit drohende Gefahr beklagen, das ‚gemeinsame Erbe‘ der Menschheit, den Genpool, endgültig zu verlieren“. Er weist darauf hin, daß sie durch die Förderung von modernen Landwirtschaftstechniken und Monokulturen ebenfalls die biologische Vielfalt gefährden.

      Unabhängig davon, ob die schlimmsten Befürchtungen von Umweltschützern berechtigt sind oder nicht, mag es schwerfallen, hinsichtlich der Zukunft unseres Planeten zuversichtlich zu sein. Wie lange kann die Erde eine von Gier getriebene Menschheit verkraften? Viele, die sich ernsthaft solche Fragen stellen, setzen ihre Hoffnung auf die Wissenschaft.

      Wissenschaft und Technik als Retter in der Not?

      Vor kurzem hat sich die Royal Society of Edinburgh besorgt darüber geäußert, daß die Forscher angesichts der Geschwindigkeit, mit der mittlerweile sehr komplexe wissenschaftliche Fortschritte erzielt werden, Gefahr laufen, die Folgen falsch einzuschätzen. „Die Wissenschaft bietet winzige, bruchstückhafte Einblicke in die Natur“, schrieb David Suzuki. „Wir verstehen äußerst wenig von der Biologie der einzelnen Lebensformen auf der Erde, ganz zu schweigen davon, wie sie zusammenwirken und sich wechselseitig beeinflussen.“

      Wie die Zeitschrift Science erläuterte, „sind weder die Risiken noch der Nutzen von GMOs [genetisch modifizierten Organismen] klar abschätzbar oder universell . . . Wir sind nicht in der Lage, genau vorherzusagen, wie sich die Einführung fremder Arten, einschließlich GMOs, auf die Umwelt auswirken wird.“

      Viele sogenannte Fortschritte haben sich in Wirklichkeit als ein zweischneidiges Schwert erwiesen. Sie haben einen gewissen Nutzen, doch sie lassen auch den Mangel an Weisheit seitens der Menschen und nur allzuoft deren Gier erkennen (Jeremia 10:23). Beispielsweise hat die Grüne Revolution gute Erträge hervorgebracht, wodurch viele Menschen satt wurden, aber andererseits hat sie zum Schwinden der Biodiversität beigetragen. Im Zusammenhang damit, daß die Grüne Revolution den Einsatz von Pestiziden und von teurer Landwirtschaftstechnik gefördert hat, schrieb Dr. Mae-Wan Ho: „Letztendlich haben die großen Pflanzenzuchtunternehmen und die Elite der dritten Welt auf Kosten der einfachen Leute davon profitiert.“ Dieser Trend setzt sich fort, denn die auf Biotechnologie aufbauende Landwirtschaft gewinnt zunehmend an Bedeutung, während sie in eine Zukunft steuert, in der die Ernährungssicherheit zunehmend von der Wissenschaft abhängt.

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