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Eine Arbeit, die Freude machtDer Wachtturm 1982 | 1. November
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Eine Arbeit, die Freude macht
ES WAR in Dunwoody, einem Vorort der amerikanischen Stadt Atlanta (Georgia). An der Baustelle für einen Königreichssaal stand ein Schild mit der Aufschrift: „Bautermin: 23. und 24.“ Bei einigen Passanten löste die Angabe von zwei Daten die Bemerkung aus: „Können sie sich nicht entscheiden, ob sie am 23. oder am 24. anfangen wollen?“ Die Leute konnten einfach nicht begreifen, daß die Aufschrift bedeutete: Am 23. fangen wir mit dem Bau des Königreichssaales an, und am 24. sind wir fertig. Dennoch geschehen diese sogenannten „Wochenendwunder“ etwa jeden Monat in allen Teilen der Vereinigten Staaten.
Am Samstag wurde in Dunwoody bereits im Morgengrauen Baumaterial an genau berechneten Stellen auf der zuvor gegossenen 390 m2 großen Betonplatte aufgestapelt. Ben Kelley, der das Gießen dieser Platte beaufsichtigt hatte, erklärte, daß jeder Gegenstand so hingelegt worden sei, daß man ihn schnell zur Hand habe, wenn man ihn brauche. „Siehst du die Gipskartonplatten dort?“ fragte er. „Sie sind mitten im künftigen Zuhörerraum aufgestapelt. Wir werden um sie herum und über sie hinweg bauen, aber wenn die Zeit kommt, werden sie genau dort sein, wo sie gebraucht werden.“
Während er redete, gab die Feldküche an 300 freiwillige Arbeiter Frühstück aus. Das war 6 Uhr morgens.
Wände im Handumdrehen aufgerichtet
Fünf Minuten vor sieben fing die Arbeit an. Alle Arbeiter stellten sich rings um das Betonfundament auf, um gemeinsam die Wände zu errichten. Dann begannen Hämmer zu klopfen. Aus vorgefertigten Bohlen entstanden Wände. Nach ein paar Minuten war die erste Wand errichtet. Dann die zweite. Dann die dritte. Und die vierte. Das Fachwerk des Saales war innerhalb von Minuten aus dem Erdboden gewachsen, und die 4 × 12 cm starken Bohlen waren bald mit Sperrholzplatten und schwarzen Isolierplatten beschlagen. Das Klopfen der Hämmer ließ nach, während ein Arbeitsteam nach dem anderen mit dem Errichten der Wände fertig wurde und sich zu kleineren Trupps neu zusammensetzte — Elektriker, Schreiner, Klempner, Maurer, Gärtner und andere. Jeder Trupp wurde von einem Vorarbeiter angeführt, der über das Walkie-talkie an seinen Hüften Anweisungen empfing.
Ein Isoliertrupp, hauptsächlich Frauen, füllte die Innenwände mit Glaswollmatten aus. Unterdessen schleppten kräftige Männer Fachwerk an ein Ende. Trennwände entstanden. Vorraum, Toiletten, Bibliothek, Literaturräume, die Bühne und der halbovale Zuhörerraum — all das nahm Form an. Irgendwie kamen die verschiedenen Bautrupps aneinander vorbei, während sie ihre Arbeiten verrichteten, ohne daß einer die Arbeit des anderen ernsthaft behinderte.
„Hier kommen wir zu der Ursache, wieso das System funktioniert“, erklärte Stanley Peck. Peck, ein Bauunternehmer und Prediger der Zeugen Jehovas, hatte die Methode zusammen mit einer Gruppe von Bauunternehmern aus dem mittleren Westen der USA, die alle Zeugen Jehovas sind, entwickelt. „In erster Linie“, sagte er, „nutzen wir den Vorteil, daß wir eine große Zahl freiwilliger Helfer haben sowie genügend talentierte Fachleute und Bauleiter, die von dieser unbegrenzten Hilfe Gebrauch machen.“ Doch wie koordiniert man die Arbeit von 300 Personen auf einer einzigen Baustelle? „Das werden wir immer wieder gefragt“, erwiderte Peck. „So etwas schafft vielleicht ein Bienenschwarm. Oder ein Ameisenstaat. Aber Menschen? Nur wenn es ergebene Arbeiter Jehovas sind. Für jedes Team sind ausgebildete Handwerker verantwortlich, und jedes Team wird von Polieren geleitet. Es ist wie in der Christenversammlung: Einigen gibt Gott ,Fähigkeiten zu leiten‘, andere befähigt er zu ,Hilfeleistungen‘“ (1. Korinther 12:28).
Es sollte hinzugefügt werden, daß es nicht überall möglich ist, einen solchen Versammlungssaal so schnell zu errichten. Wie man sehen kann, ist mehr erforderlich als willige Hände. Es müssen auch befähigte Fachleute dasein, die in der Art von Planung, Vorbereitung und Koordination Erfahrung haben, die nötig ist, damit ein derartiges Gebäude entstehen kann. Außerdem ist gute Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden und den Bauinspektoren erforderlich.
„Ein Treiben wie in einem Ameisenhaufen!“
Das Fachwerk des Saales entstand so schnell auf dem 8 000 m2 großen Grundstück, daß erstaunte Passanten schon im Laufe des Vormittags begannen, die Bedeutung des mit zwei Tagen angegebenen Bautermins zu verstehen. Maurer stellten das Gerüst auf, und Helfer bereiteten Ziegel und Mörtel vor. Um sie herum schwärmten Zimmerleute und Dachdecker. Die Maurer stellten sich darauf ein, um sie herum und unter ihnen und manchmal zwischen den Beinen der Schreiner zu arbeiten, die den Dachüberstand verblendeten. Unterdessen verlegten die Klimaanlagenbauer inmitten all der anderen Teams Rohre für die Klimaanlage. Fast 100 Arbeiter befanden sich auf dem Dach, verlegten die Dachschalung, entrollten die Dachpappe und transportierten und verlegten die Dachschindeln.
Am Boden herrschte ein noch geschäftigeres Treiben. Einige trugen Baumaterial dorthin, wo es benötigt wurde. Andere Teams zäunten das Gelände ein. Gärtner legten Grassoden aus und pflanzten Büsche und Blumen. Scharen junger und alter Helfer durchstöberten ständig das ganze Gelände, um jedes Stück Abfall aufzuheben — krumme Nägel, leere Behälter, überflüssige Stücke Holz. Nichts durfte liegenbleiben, was das Gelände verschandelt oder den Fortschritt der Bauarbeiten behindert hätte. Und von Anfang an zog eine mobile Erfrischungsabteilung, bestehend aus Mädchen und Jungen, mit belegten Broten und kalten Getränken durch das Baugelände. Ein Beobachter rief aus: „Das ist ja ein Treiben wie in einem Ameisenhaufen!“
Der erste Tag gilt als erfolgreich, wenn gegen Ende des Tages mit dem Verkleiden der Decken und der Wände begonnen werden kann. Mit dieser Arbeit muß gewartet werden, bis das Fachwerk steht und mit Isoliermaterial versehen ist und die Dachkonstruktion fertig ist. Dann arbeiten die fleißigen Helfer bis in den späten Abend hinein und nageln die schweren Gipskartonplatten an. Diese Flächen müssen bis zum Mittag des zweiten Tages mit einer schnelltrocknenden Masse verspachtelt und dann abgeschmirgelt und gestrichen oder tapeziert werden. Dann ruht alle Arbeit, und die Versammlung hält ihre erste Zusammenkunft im neuen Königreichssaal ab. In Dunwoody war der Teppich noch nicht verlegt worden, und so saßen 300 Personen auf dem Betonfußboden, und 200 weitere nahmen außerhalb des Gebäudes Platz, um dem wöchentlichen Wachtturm-Studium beizuwohnen.
„Wir haben Besucher aus Virginia und Florida“, berichtete Charles Leibensperger, Sekretär des Baukomitees. „Einige von ihnen planen ebenfalls, Säle zu bauen. Sie wollen sehen, wie man das macht. Nun, da Stan Peck gekommen ist und alles organisiert hat, können wir planen, ihnen zu helfen.“ Peck erklärte: „Wir haben es so eingerichtet, daß jemand, der Erfahrung hat, ihre Pläne und ihre Personalvorbereitungen überprüft. Dann wird dafür gesorgt, daß zwei oder mehr erfahrene Bauleute zusammen mit dem Baukomitee alles organisieren und die Liste der Baumaterialien überprüfen; und einer oder mehrere von uns sind dann an den zwei Tagen dabei, wenn der Saal gebaut wird.“ Niemand wird für eine dieser Arbeiten bezahlt.
Als in Dunwoody der zweite Tag zu Ende ging und eine Gruppe draußen stand und den Saal betrachtete, der noch zu Beginn des Vortages gar nicht da war, erklärte einer der Zeugen: „Auf diese Weise ist also Jehovas Geist wirksam, damit eine solche Arbeit vollbracht werden kann. Es ist ganz einfach. Seine Diener lassen sich von seinem Geist leiten. Sie arbeiten für eine gemeinsame Sache zusammen. Sie tun alles aus Liebe zu ihren Brüdern und zu ihrem Gott und nicht um des persönlichen Gewinns willen. Ist das nicht genau das, was die beiden großen Gebote aus Markus 12:28-31 besagen, nämlich: ,Du sollst Jehova, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Sinn und mit deiner ganzen Kraft.‘ Und: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘?“
[Bild auf Seite 9]
Mit einer solchen Mannschaft kann ein Königreichssaal in zwei Tagen gebaut werden
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Reaktionen auf den Bau des Königreichssaales in DunwoodyDer Wachtturm 1982 | 1. November
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Reaktionen auf den Bau des Königreichssaales in Dunwoody
DIE Zusammenarbeit mit der Stadt Atlanta hätte nicht besser sein können. Mr. Gardner, der Leiter der Bauaufsichtsbehörde, hatte von unserem Zeitplan erfahren, aber seine Inspektoren arbeiten samstags und sonntags nicht. Daher gestattete er, daß Zeugen Jehovas, die entsprechende Lizenzen hatten, die Verantwortung für die Inspektionen übernahmen. Außerdem kam während des Wochenendes in gewissen Abständen ein eingetragener und zugelassener Architekt auf die Baustelle, um sich davon zu überzeugen, daß das Gebäude den Bauvorschriften des Verwaltungsbezirks entsprach.
Die drei Fernsehstationen schickten ihre Kamerateams auf die Baustelle. Einer der Reporter war so beeindruckt, daß er noch lange blieb, nachdem sein Kamerateam wieder fort war, und er schloß seinen Bericht über den 23. mit den Worten ab: „Die Brüder und Schwestern werden morgen wieder zurück sein, und auch wir werden dabeisein.“
Am Morgen des 24. ging ein Zeuge Jehovas über 150 Kilometer von Dunwoody entfernt von Tür zu Tür. An sechs verschiedenen Türen sagte man ihm: „Ihr seid doch die Leute, über die das Fernsehen zur Zeit berichtet, wie sie unten in Atlanta in nur zwei Tagen einen Königreichssaal bauen.“
Ein Geschäftsmann in Atlanta hatte an jenem Wochenende Gäste. Am frühen Samstagvormittag kamen sie an der Baustelle vorbei und sahen, wie die Wände in die Höhe wuchsen. Sie waren sehr erstaunt und kehrten an diesem und am nächsten Tag alle zwei Stunden wieder zurück, um sich vom Fortschritt zu überzeugen. Schließlich erzählte dieser Geschäftsmann auf den Philippinen, in Mexiko und in vielen westlichen Bundesstaaten von diesem Ereignis.
Am 23. wurde eine Polizistin von ihrem Vorgesetzten beauftragt, den Verkehr in der Nähe des Königreichssaales zu überwachen. Er erklärte ihr, dort werde eine Kirche gebaut, aber sie entgegnete, in jener Gegend werde bestimmt keine Kirche gebaut. Schließlich machte sie sich auf den Weg, immer noch darauf beharrend, daß sich ihr Vorgesetzter irren müsse. Bei ihrer Ankunft hielt sie mitten auf der Straße an, wodurch sie den ganzen Verkehr blockierte, und rief aus: „Das ist doch nicht zu glauben! Gestern stand hier noch nichts!“
Ein Zeuge Jehovas arbeitet als Kellner in einem Hotel in Atlanta. Während der Manager des Restaurants mit seinen Eltern, die auf Besuch waren, zu Abend aß, bat er den Zeugen, ihnen von der Kirche zu erzählen, die in zwei Tagen gebaut werde. Der Vater erwiderte: „Das ist nicht zu schaffen! Ich bin seit Jahren im Baugewerbe, und ich weiß, daß es unmöglich ist!“ Darauf fragte er: „Zu welcher Religion gehören Sie denn?“ Als er erfuhr, daß es sich um Jehovas Zeugen handelte, sagte er: „Die könnten es schaffen!“ Er war Manager einer Kongreßhalle gewesen, die die Zeugen benutzt hatten, und er hatte beobachtet, wie sie zusammenarbeiteten. „Jede andere Religion könnte es nicht tun“, sagte er, „aber Jehovas Zeugen könnten es schaffen.“
Endlose Autoschlangen fuhren während der beiden Tage an der Baustelle vorbei, weil man sehen wollte, was dort los war. Viele hielten an und besahen sich das Treiben aus der Nähe. Manchmal hielten sich bis zu 800 faszinierte Nachbarn und Passanten auf dem Grundstück auf. Einige von ihnen aßen zusammen mit den Arbeitern. Die Cafeteria gab während der beiden Tage 3 500 kostenlose Mahlzeiten aus.
Ein paar Tage nach der Fertigstellung des Saales suchte ein Geschäftsmann einen Zeugen auf. Er hatte durch die Fernsehnachrichten von dem Saal erfahren und war sehr beeindruckt. Das geschäftige Treiben auf der Baustelle hatte ihn an „Ameisen auf einem Ameisenhaufen“ erinnert. Seine Familie war religiös, aber er war von der Religion enttäuscht. Daher sagte er: „Wenn eine religiöse Gruppe so gut zusammenarbeiten kann, daß sie an einem einzigen Wochenende ein Gebäude errichten kann, dann muß etwas daran sein, was andere Religionsgemeinschaften nicht zu bieten haben.“ Später kam er mit einem Bekannten zu einer Zusammenkunft in den Königreichssaal.
Ein Vater war sehr erregt, als seine Tochter eine Zeugin Jehovas wurde, und er war nicht bereit, sich irgendwelche Erklärungen von ihr anzuhören. Aber jetzt unterhält er sich begeistert über den Bau des Königreichssaales von Dunwoody, und er sagte zu seiner Tochter sogar: „Ich bin stolz, daß du dabeigewesen bist.“
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