Fragen von Lesern
Wäre es für einen Christen ratsam, jemanden aufzusuchen, der psychotherapeutische Behandlungen anbietet?
Berichte aus verschiedenen Ländern lassen darauf schließen, daß in den gegenwärtigen „letzten Tagen“ vermehrt Gemüts- und Geisteskrankheiten auftreten (2. Timotheus 3:1). Christen empfinden tiefes Mitgefühl für Glaubensbrüder, die davon betroffen sind, aber sie sind sich dessen bewußt, daß jeder selbst entscheiden muß, ob er sich deswegen behandeln läßt und, wenn ja, was für eine Therapie er wählt.a „Jeder wird seine eigene Last tragen“ (Galater 6:5). Einige, die stark an Schizophrenie, an einer manisch-depressiven Erkrankung, einer klinischen Depression, einer Zwangsneurose, an Selbstbeschädigung oder anderen qualvollen Störungen leiden, sind durch die richtige fachkundige Hilfe in die Lage versetzt worden, ein einigermaßen normales Leben zu führen.
Manchenorts ist es geradezu in Mode gekommen, sich bestimmten Therapien zu unterziehen. Oftmals hat der Patient kein schweres psychisches Leiden, sondern er kommt in einer bestimmten Lebenslage nicht zurecht. Die wirkungsvollste Hilfe bietet aber die Bibel, wenn es darum geht, die schwierigen Probleme des Lebens zu bewältigen (Psalm 119:28, 143). Durch die Bibel vermittelt Jehova Weisheit, Denkvermögen und wahre Erkenntnis, was uns mental und emotional festigt (Sprüche 2:1-11; Hebräer 13:6). Es kann indes vorkommen, daß treue Diener Gottes mitunter unvernünftige Äußerungen von sich geben, wenn sie innerlich stark aufgewühlt sind (Hiob 6:2, 3). In Jakobus 5:13-16 wird dazu ermuntert, in diesem Fall die Ältesten um Hilfe und Rat zu bitten. Ein Christ mag in geistiger Hinsicht krank sein; er könnte wegen Situationen, an denen nichts zu ändern ist, oder wegen erdrückender Belastungen bekümmert sein; oder er fühlt sich als Opfer von Ungerechtigkeiten (Prediger 7:7; Jesaja 32:2; 2. Korinther 12:7-10). Durch die Ältesten kann er Hilfe erlangen, denn sie werden ihn „mit Öl einreiben“ — das heißt ihm einfühlsam tröstenden biblischen Rat geben — und auch „über ihm beten“. Mit welchem Ergebnis? „Das Gebet des Glaubens wird dem sich nicht wohl Fühlenden zum Heil sein, und Jehova wird ihn aufrichten“ — ihn von seiner Mutlosigkeit oder dem Gefühl, von Gott verlassen zu sein, befreien.
Was aber, wenn die psychischen Qualen und die Verwirrtheit trotz der einfühlsamen Hilfe geistiger Hirten andauern? Einige, die sich in dieser Lage befanden, haben sich für eine gründliche ärztliche Untersuchung entschieden. (Vergleiche Sprüche 14:30; 16:24; 1. Korinther 12:26.) Emotionelle oder psychische Leiden können eine körperliche Ursache haben. Durch die Behandlung einer solchen Ursache ist Gemütskranken manches Mal geholfen worden.b Falls keine körperliche Ursache entdeckt wird, empfiehlt der konsultierte Arzt vielleicht einen Psychotherapeuten. Was dann? Wie gesagt, muß jeder selbst abwägen, was er unternehmen möchte. Andere sollten ihn nicht kritisieren oder richten (Römer 14:4).
Dennoch ist praktische Weisheit und Vorsicht angeraten, damit man keine biblischen Grundsätze außer acht läßt (Sprüche 3:21; Prediger 12:13). Bei körperlichen Erkrankungen kann ein Patient zwischen verschiedenen medizinischen Richtungen wählen — von der Schulmedizin bis hin zu Naturheilkunde, Akupunktur und Homöopathie. Auch bei psychischen Leiden könnte man sich an die unterschiedlichsten Therapeuten wenden. Zum Beispiel forschen Psychoanalytiker und andere Therapeuten in der Lebensgeschichte des Patienten nach Ursachen für seine Verhaltensstörungen oder schmerzlichen Gefühle. In der Verhaltenstherapie wiederum versucht man, dem Patienten zu helfen, neue Verhaltensweisen zu erlernen. Manche Psychotherapeuten sind der Ansicht, die meisten Geistes- und Gemütskrankheiten seien medikamentös zu behandeln.c Man hört auch von Therapeuten, die eine bestimmte Diät und Vitamine empfehlen.
Betroffene und ihre Angehörigen sollten Vorsicht walten lassen, wenn sie die zur Auswahl stehenden Therapien in Erwägung ziehen (Sprüche 14:15). Bezeichnenderweise sagte Professor Paul McHugh, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der medizinischen Fakultät der Johns-Hopkins-Universität, daß die Psychiatrie „ein unausgereiftes Fachgebiet der Medizin ist. Es ist schwer nachzuweisen, ob ihre Therapieempfehlungen berechtigt sind oder nicht, gerade wenn es um Störungen der kompliziertesten Bereiche menschlichen Lebens geht — Psyche und Verhalten.“ Durch diese Situation wird ausgefallenen und betrügerischen Methoden, aber auch wohlgemeinten Therapien, die eventuell mehr schaden als nützen, Tür und Tor geöffnet.
Es sollte auch erwähnt werden, daß Psychiater und Psychologen zwar eine abgeschlossene akademische Ausbildung haben, viele andere jedoch ohne irgendwelche akademische Qualifikationen als Berater oder Therapeuten tätig sind und keiner Kontrolle unterliegen. Manche Patienten haben für die Behandlung durch solche unqualifizierten Therapeuten eine Menge Geld ausgegeben.
Selbst bei einem ausgebildeten, qualifizierten Psychotherapeuten ist verschiedenes zu bedenken. Wenn wir uns einen Chirurgen oder einen anderen Arzt aussuchen, müssen wir sichergehen, daß er unsere biblisch begründeten Ansichten respektiert. Damit vergleichbar wäre es gefährlich, zu einem Psychotherapeuten zu gehen, der unsere religiösen und moralischen Ansichten nicht achtet. Viele Christen sind trotz psychischer und emotioneller Störungen sehr darum bemüht, „die gleiche Gesinnung zu haben, die Christus Jesus hatte“ (Römer 15:5). Sie interessieren sich zu Recht dafür, was für eine Einstellung jemand hat, der ihr Denken oder ihr Verhalten beeinflussen könnte. Manche Therapeuten halten sämtliche Einschränkungen, die einem durch biblische Glaubensansichten auferlegt werden, für unnötig und meinen, sie könnten der psychischen Gesundheit schaden. Womöglich billigen sie Verhaltensweisen, die in der Bibel verurteilt werden, wie zum Beispiel Homosexualität oder eheliche Untreue, und empfehlen sie sogar.
Solche Auffassungen fallen unter das, was der Apostel Paulus als ‘die Widersprüche der fälschlich so genannten Erkenntnis’ bezeichnete (1. Timotheus 6:20). Sie widersprechen der Wahrheit über Christus und sind Teil der ‘Philosophie und des leeren Trugs’ dieser Welt (Kolosser 2:8). Die Bibel zeigt klar, auf welches Kriterium zu achten ist: „Es gibt weder Weisheit noch irgendwelches Unterscheidungsvermögen, noch irgendeinen Rat im Widerstand gegen Jehova“ (Sprüche 21:30). Therapeuten, die sagen, daß „Gutes böse sei und Böses gut sei“, sind „schlechte Gesellschaft“. Statt eine labile Psyche zu heilen, ‘verderben sie nützliche Gewohnheiten’ (Jesaja 5:20; 1. Korinther 15:33).
Falls ein Christ es somit für notwendig hält, jemand, der psychotherapeutische Behandlungen anbietet, aufzusuchen, sollte er sich genau über dessen Qualifikationen, Einstellung und Ruf sowie über die möglichen Auswirkungen irgendeiner empfohlenen Behandlung informieren. Ist der betroffene Christ dazu nicht in der Lage, kann vielleicht ein reifer, vertrauter Freund oder ein Angehöriger helfen. Ein Christ, der sich nicht sicher ist, ob eine bestimmte Behandlung vernünftig wäre, mag feststellen, daß es ihm eine Hilfe ist, mit den Ältesten der Versammlung zu sprechen — obgleich die Entscheidung letzten Endes bei ihm liegt (oder bei seinen Eltern oder bei Mann und Frau gemeinsam).d
Durch die Wissenschaft kann heute in bezug auf die Linderung von Leiden wesentlich mehr bewirkt werden als in der Vergangenheit. Dennoch gibt es viele Krankheiten — sowohl körperliche als auch psychische —, die zur Zeit unheilbar sind und im gegenwärtigen System der Dinge ertragen werden müssen (Jakobus 5:11). Der „treue und verständige Sklave“, die Ältesten und alle anderen in der Versammlung reichen Kranken unterdessen mitfühlend die Hand und stützen sie. Und Jehova stärkt sie, damit sie ihre Situation ertragen können, bis die herrliche Zeit gekommen ist, in der es keine Krankheiten mehr gibt (Matthäus 24:45; Psalm 41:1-3; Jesaja 33:24).
[Fußnoten]
a Es kann sein, daß von jemandem, der für eine gehobene berufliche Position in Betracht gezogen wird, ein psychologischer Test verlangt wird. Ob man sich einem solchen Test unterzieht oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung, aber es gilt zu beachten, daß ein psychologischer Test keine psychotherapeutische Behandlung ist.
b Siehe den Artikel „Den Kampf gegen Depressionen gewinnen“ im Wachtturm vom 1. März 1990.
c Einige Geistes- und Gemütskranke scheinen auf die richtigen Medikamente gut anzusprechen. Diese Medikamente müssen allerdings mit Vorsicht unter der Anleitung eines erfahrenen Psychiaters oder eines anderen kompetenten Arztes angewandt werden, da starke Nebenwirkungen auftreten können, wenn sie nicht richtig dosiert werden.
d Siehe den Artikel „Psychische Leiden — Wenn Christen davon betroffen sind“ im Wachtturm vom 15. Oktober 1988.