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Nimmst du auf deine Angehörigen ebenso Rücksicht wie auf andere?Der Wachtturm 1974 | 15. April
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Nimmst du auf deine Angehörigen ebenso Rücksicht wie auf andere?
„ES FREUT mich, daß du kommen konntest“, sagte der Gastgeber zu einem seiner Gäste, worauf dieser erwiderte: „Wenn ich verspreche zu kommen, dann KOMME ich!“ Ja, er brüstete sich damit, ein Mann zu sein, der zu seinem Wort steht. Steht er aber auch seinen Angehörigen gegenüber zu seinem Wort? Nun — nicht immer.
Die deutsche Redensart „Zu Hause ein Bengel, auf der Straße ein Engel“ besagt dem Sinne nach, daß jemand zu Hause schlechte Umgangsformen hat, auf der Straße aber ein „Engel“ ist. Die Redensart weist auf eine allgemeine menschliche Schwäche hin. Es kann zum Beispiel vorkommen, daß ein Ehemann am Ende eines geselligen Abends eifrig dabei ist, einem jungen Mädchen in den Mantel zu helfen, während er seiner Ehefrau dabei nicht behilflich ist. Anscheinend hat das hübsche Mädchen in dem Ehemann romantische Gefühle geweckt, so daß er zum liebenswürdigen Kavalier wurde. Doch wieviel mehr Gutes hätte er tun können, wenn er sich um seine Ehefrau bemüht hätte und ihr gegenüber galant gewesen wäre! Er hätte das getan, was von einem Ehemann erwartet wird: seine Frau zu lieben wie sich selbst (Eph. 5:33).
Man sagt treffend: „Die Nächstenliebe beginnt zu Hause“, das heißt, sie sollte zu Hause beginnen, aber nicht notwendigerweise damit, daß man Geld gibt, sondern indem man sich gegenseitig behilflich ist. Sind wir nicht schnell bereit, einem Fremden zu helfen, wenn er uns nach dem Weg fragt oder eine andere Auskunft erbittet? Sollten wir nicht dann ebenso bereitwillig zu Hause helfen, ja sogar noch bereitwilliger? Doch wie oft quält sich jemand in der Familie mit Lasten ab, während andere Glieder der Familie für die Gelegenheit, ihm zu helfen, blind zu sein scheinen! Sind vielleicht mehrere Kinder bis zu einer bestimmten Zeit fertigzumachen? Ist noch viel Geschirr zu spülen? Besonders Männer, deren Frau berufstätig ist, sollten erkennen, daß die alte Ansicht darüber, was der Aufgabenbereich des Mannes und was der Bereich der Frau ist, revidiert werden muß, wenn ihre Frau nicht überlastet werden soll.
Auch wenn es darum geht, die Fehler und Schwächen des anderen zu ertragen, beginnt die Nächstenliebe zu Hause. Man mag dazu neigen, gegenüber Freunden und Bekannten außerhalb der Familie, wie zum Beispiel gegenüber Personen, mit denen man am Arbeitsplatz zusammen ist, nachsichtig zu sein. Sollten wir aber die Fehler und Schwächen unserer Angehörigen nicht noch bereitwilliger ertragen? Manchmal ist es vielleicht mißverstandenes Pflichtbewußtsein oder falsch angewandte Liebe, wenn eine Frau gegenüber ihrem Mann oder ein Mann gegenüber seiner Frau überkritisch ist.
Es ist weit wichtiger, daß wir uns gegenseitig erbauen, indem wir uns gegenseitig moralisch unterstützen und geringfügige Fehler oder Schwächen übersehen, als daß alles absolut vollkommen sein oder unseren Vorstellungen entsprechen müßte. Überdies könnte derjenige, der geneigt ist, den anderen zu korrigieren, selbst im Irrtum sein. Wenn man einem Menschen nahesteht, kann man ihm natürlich helfen, Fehler zu vermeiden, doch könnte man in der Kritik gegenüber seinem Ehegefährten auch zu weit gehen.
Rücksichtsvoll zu sein bedeutet, gegenüber den Schwächen anderer nachsichtig zu sein. Denke daran, daß solche Schwächen häufig auf Vererbung oder auf die Umwelt zurückzuführen sind, die beide einen gewaltigen Einfluß auf die Formung der Persönlichkeit ausüben. Ein solches Verhalten verrät auch Weisheit, denn so barmherzig, wie wir mit anderen verfahren, werden sie wahrscheinlich auch uns gegenüber sein. Jesus Christus sagte einmal: „Mit dem Maß, mit dem ihr [anderen] meßt, wird euch wieder gemessen werden“ (Luk. 6:38). Eine Amerikanerin, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, sagte einmal, als sie dem Standpunkt widersprach, den einige Anhänger der Bewegung „Women’s Liberation“ (Frauenbefreiungsbewegung) vertreten: „Ich behandle meinen Mann wie einen König, und er behandelt mich wie eine Königin.“
Der in der Welt übliche Ausspruch: „Allzu große Vertrautheit erzeugt Verachtung“ sollte nicht auf unser Verhältnis zu unseren Angehörigen zutreffen. Vielmehr sollte genau das Gegenteil der Fall sein. Vertrautheit sollte Ergebenheit und Achtung erzeugen, weil wir einander besser kennen-, verstehen und schätzengelernt haben. Für Menschen, die in ihrer Jugend zu Hause richtig erzogen worden sind, ist es etwas Selbstverständliches, Außenstehenden oder Fremden mit einer gewissen Achtung gegenüberzutreten. Und so sollte es auch sein, denn sagt die Bibel nicht: „Ehret Menschen von allen Arten.“? (1. Petr. 2:17). Gehören dazu nicht auch unsere Familienangehörigen? Dadurch, daß Glieder einer Familie sich gegenseitig mit Achtung begegnen, helfen sie einander, eine gefestigte Persönlichkeit zu erlangen, wodurch jeder besser in der Lage ist, den anderen zu helfen. Man kann anderen gegenüber Achtung zeigen, indem man auf ihr Wesen und auf ihre Gefühle Rücksicht nimmt, wenn man mit ihnen spricht, und dabei nicht nur darauf achtet, was man sagt, sondern auch, wie man es sagt.
Manchmal nimmt sich jemand die Freiheit, im Umgang mit Familienangehörigen ungehobelt, streng oder kritisch zu sein, obgleich es ihm nicht einfallen würde, Außenstehende so zu behandeln. Verrät er aber damit nicht einen Mangel an Einfühlungsvermögen? Man hat ein ganz anderes Gefühl, wenn man selbst feststellt, daß man einen Fehler gemacht hat, und ihn wiedergutmacht, als wenn man von anderen auf einen Fehler aufmerksam gemacht und gebeten wird, ihn zu korrigieren. Einfühlungsvermögen wird uns helfen, diesen Unterschied zu berücksichtigen.
Oft ist es allerdings nur auf Gedankenlosigkeit zurückzuführen, wenn wir unsere Familienangehörigen anders behandeln als Außenstehende. Das trifft besonders zu, wenn wir etwas sagen, was wir besser nicht gesagt hätten. Bei Außenstehenden sind wir geneigt, vorsichtiger zu sein, aber auch im Falle unserer Familienangehörigen wäre es gut, stets zu denken, bevor wir sprechen. Eine praktische Regel ist, daß man, bevor man spricht, sich fragen sollte: „Ist es etwas Freundliches? Ist es wahr? Ist es notwendig?“ Überlege auch, wie du etwas sagst. Das Gegenteil von Gedankenlosigkeit ist Rücksichtnahme. Bekunde sie selbst in kleinen Dingen, denn man sagt nicht umsonst: „Kleine Dinge sind von großer Bedeutung.“ Man zeigt Rücksicht, wenn man eine Bitte auch mit dem Wort „bitte“ einleitet und wenn man „Danke!“ sagt und es auch so meint, wenn einem eine Gefälligkeit — wie klein sie auch immer sein mag — erwiesen wird.
Wir haben wirklich allen Grund, im Umgang mit Personen, die nicht zu unseren Angehörigen zählen, hilfsbereit, nachsichtig, ehrerbietig und rücksichtsvoll zu sein. Es befriedigt uns in moralischer Hinsicht, wenn wir diese Eigenschaften bekunden; wir stellen dadurch ein besseres Verhältnis zu anderen her; es trägt dazu bei, daß man eine gute Meinung von uns hat, und es kann uns sogar in materieller Hinsicht von Nutzen sein. Erwächst uns dieser Nutzen nicht aber auch dann, wenn wir solche Eigenschaften gegenüber unseren Familienangehörigen offenbaren? Ganz gewiß — und sogar noch in größerem Maße! Überdies können wir dadurch sozusagen „Schätze aufhäufen“, auf die wir bei Bedarf zurückgreifen können. Welch eine Erquickung dies doch für uns sein kann!
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Die ersten Christen auf ihre Lauterkeit gegenüber Gott geprüftDer Wachtturm 1974 | 15. April
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Die ersten Christen auf ihre Lauterkeit gegenüber Gott geprüft
WIR alle haben ein natürliches Verlangen, geliebt zu werden. Darum fällt es uns nicht leicht, Verleumdung, Mißhandlung und Haß zu ertragen. Doch das nahmen die ersten Christen alles auf sich.
Ihre Gegner wiegelten den Pöbel und die Obrigkeit gegen sie auf. Sie stellten ihre Tätigkeit falsch dar und erweckten den Eindruck, als ob nur unerfahrene, unwissende Leute so dumm sein könnten, das Christentum anzunehmen. Einer von ihnen, Celsus, sagte zum Beispiel:
„Sobald sie sich aber ohne Zeugen mit den Kindern und einigen unverständigen Weibern allein wissen, dann bringen sie ganz wunderbare Dinge vor und weisen nach, daß man verpflichtet sei, ihnen zu gehorchen, nicht aber auf den eigenen Vater und die Lehrer zu achten. Diese seien Faselhänse und Schwachköpfe, und in eitlen Vorurteilen befangen, könnten sie weder einen wahrhaft guten Gedanken fassen noch verwirklichen; nur sie allein wüßten es, wie man leben müsse. Würden die Kinder ihnen folgen, so würden sie selbst selig werden und ihr ganzes Haus selig machen. Sehen sie dann, während sie so reden, einen Lehrer der Wissenschaften oder einen verständigen Mann oder auch den Vater selbst herankommen, so pflegen die Vorsichtigeren unter ihnen auseinanderzulaufen, die Unverschämteren aber hetzen die Kinder auf, den Zügel abzustreifen.“
Warum fuhren die ersten Christen trotz dieser absurden Verleumdungen fort, zu predigen und Jünger zu machen? Warum warteten sie nicht einfach, bis die Leute zu ihnen kamen, sondern ergriffen selbst die Initiative, um ihren Glauben zu verbreiten? Die ersten Christen wußten, daß der Herr Jesus Christus seine Nachfolger beauftragt hatte, die Wahrheit zu verkündigen und Jünger zu machen (Matth. 28:19, 20). Sie wollten diesen Auftrag treu erfüllen, auch wenn sie deswegen verfolgt würden.
Des weiteren wurden die Christen gehaßt, weil sie sich von der Welt getrennt hielten (Joh. 15:19). Sie beteiligten sich nicht an der Politik und dienten auch nicht in der römischen Armee. Sie galten deshalb als unpatriotisch und wurden wegen ihrer Einstellung als unvernünftig, ja als eine Gefahr für die Sicherheit des Staates bezeichnet.
Warum ließen sich denn die Christen nicht dazu bewegen, für Rom Kriegsdienst zu leisten? Sie erkannten den Grundsatz aus Jesaja 2:4 an: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden müssen und ihre Speere zu Winzermessern. Nation wird nicht gegen Nation das Schwert erheben, auch werden sie den Krieg nicht mehr lernen.“ Justin der Märtyrer, ein frühchristlicher Schriftsteller, nahm offensichtlich auf diese Prophezeiung Bezug, als er schrieb:
„Obwohl wir uns so gut auf Krieg, Mord und alles Böse verstanden hatten, haben wir alle auf der weiten Erde unsere Kriegswaffen umgetauscht, die Schwerter in Pflugscharen, die Lanzen in (andere) Ackergeräte.“
Die Christen betrachteten sich auch als Glieder einer internationalen Bruderschaft. Ihre Gegner konnten zwar ihre Liebe nicht verstehen, aber sie mußten zugeben, daß sie
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